Seit der ersten Ausgabe der Werke Maurus Lindemayrs 1822 wird das Lied vom lutherischen Glauben als poetische Reaktion auf das josephinische Toleranzpatent vom 13. Oktober 1781 gesehen, das den Evangelischen Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses ein freies Glaubensexerzitium gestattete. Der Bezug ergab sich zumal durch eine Titeländerung, die die Zensurbehörde (neben erheblichen Streichungen) für die Erteilung der Imprimatur von den Herausgebern 1821 einforderte. Der anstatt „Von den neu a-katholischen Bauern“ reklamierte Untertitel legte die scharfen Äußerungen nun einem „katholische[n] Bauer[n] bei Anfang der freigegebenen akatholischen Religionsübung“ in den Mund. Doch steht diese nachträglich vollzogene Datierung im deutlichen Widerspruch zur Eingangssituierung des Lieds, die zweifelsfrei eines der geheimen religiösen Treffen der Kryptoprotestanten vor der Legalisierung solcher Zusammenkünfte schildert. Durch das Toleranzpatent, das nirgends im Text angesprochen wird und dessen Auswirkungen auch nicht Thema sind, war es jedoch für die Protestanten nicht mehr nötig, sich ‚heimlich in Häuser zu schleichen’, um dort der Auslegung der lutheranischen Lehre zu lauschen. Nun wurde ihnen Rechtssicherheit für die Ausübung ihres Glaubens gewährt, auch wenn die katholische Kirche weiterhin dagegen ankämpfte und das Wissen um die veränderte Rechtssituation unter den Protestanten nicht überall sofort gegeben war.
Tatsächlich hatte auch Maurus Lindemayr in seinen letzten Lebensjahren vehement Stellung bezogen gegen diese Legitimierung der Protestanten im Habsburgerreich, die der konservative Katholizismus der damaligen Zeit als schockierend empfand. Zwar blieb – wie wir aus zwei Briefen wissen – eine Streitschrift Lindemayrs gegen das Toleranzpatent aufgrund der Bedenken des Augsburger Verlegers ungedruckt, doch seine ablehnende Haltung war über sein engeres Umfeld hinaus sattsam bekannt und so manches anonyme Libell wurde ihm deswegen zugeschrieben. Dies gilt auch für lyrische Arbeiten. Kurz nach seinem Tod waren antilutherische Gedichte als Flugblätter im Umlauf, für deren Autor man offenbar Maurus Lindemayr hielt. Zwei dieser Pasquille ( 'Ich weis was neus' und '
auf einen halben Bogen gedruckt, öffentlich verkauft, und in vielen österreichischen Städten und Dörfern, besonders in Oesterreich ob der Ens, wo die mehresten Protestanten wohnen, öffentlich abgesungen [...], um den Widerwillen gegen die Protestanten zu unterhalten und zu vermehren. Der Verfasser heißt Maurus Lindermayr, ist ein katholischer geweihter Priester [...]. Dieser Mann ist niederträchtig genug, ein Pasquill auf die von seinem Landesherrn geduldeten Protestanten, und auf die Duldung selbst, in der niederträchtigsten Sprache des Pöbels zu machen, um den niedrigsten Pöbel aufzuhetzen. Sein Namen ist bekannt, und wird mit Wohlgefallen dabey genannt. Er schämt sich seiner Niederträchtigkeit nicht, und seine geistlichen Obern thun keinen Schritt, ihn darüber zur Verantwortung zu ziehen.
Hier tut Nicolai Lindemayr Unrecht, stammen die beiden Lieder von bescheidener literarischer Qualität doch sicher nicht von ihm. Abgesehen davon, dass autorisierte Werke Lindemayrs mit korrekter Namensschreibung gedruckt worden wären, sind sämtliche angeführten Ortschaften und Personen in beiden Gedichten dem Großraum Eferding – Wels – Linz zuzuordnen, Lindemayr aber wählt seine Beispiele aus dem näheren Umfeld Lambachs bzw. dem Einflussbereich des Stifts. Der streitbare Berliner führt die beiden Gedichte 1786 als aktuelle Beispiele an und stellt sie einem ‚vorbildlichen’ Gedicht Aloys Blumauers gegenüber, das 1784 erstmals erschienen sein dürfte; Lindemayr verstarb jedoch bereits im Juli 1783. Darüber hinaus verwendet er in keiner seiner späteren Arbeiten eine ähnlich simple ‚gstanzlähnliche’ Metrik. Die beiden Flugblattlieder scheinen also eher ‚Trittbrett-Gedichte’ der Lindemayrrezeption zu sein, die die Bedeutung und Bekanntheit des Autors in seiner Zeit belegen. Ein ‚Lindemayr’ könnte in der Regierungszeit Josephs II. so etwas wie eine Gattungsbezeichnung gewesen sein für ein Schmähgedicht im Dialekt, mit Protagonisten aus dem bäuerlichen Umfeld.
Das vorliegende Gedicht freilich könnte großteils schon früher entstanden sein, klingen hier doch offensichtlich Erfahrungen aus der Missionarstätigkeit des Lambacher Mönchs im Kampf gegen den Kryptoprotestantismus an. Es sind durchaus geläufige Vorwürfe aus einer 250-jährigen Tradition, die Lindemayr seinen Bauern vorbringen lässt. Die protestantische Lehre verkünde einen allzu leichten Weg zu Gott, der der Bequemlichkeit des Menschen verpflichtet sei, sie entwerte das Mysterium von Wandlung und Beichte, sei sich uneins bezüglich der Sakramente, verkenne die Bedeutung der Heiligen und sei nur deswegen so begehrt, da sie den Menschen nach dem Mund redet und jeder sie zu begreifen glaubt. Die letzte Strophe schließlich scheint sich in der Separationsmetapher vielmehr auf die Deportationen protestantischer Bevölkerungsteile nach Siebenbürgen zu beziehen, als auf die gesellschaftliche Akzeptanz der ‚Ketzer’. Vielleicht wurde ja dieses wohl ältere Lied nach der Kundmachung des Toleranzpatents reaktiviert, als Flugschrift verbreitet und so einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Bekannt aber ist bislang kein Exemplar (dies gilt im Übrigen auch für die beiden von Nicolai mitgeteilten Lieder).
So spezifisch und situationsgebunden der Gehalt des Gedichts auch war, hat es sich offenbar dennoch einige Zeit im Volk gehalten, wie eine vom Sierninger Schulmeister Fierlinger aufgezeichnete Fassung der Sonnleithner-Sammlung mit leichten Abänderungen in den ersten, erheblichen aber in der abschließenden Strophe sowie eine stark zersungene, nachgetragene Version in J3 belegen. Ernest Frauenberger vermerkt in seinem Klavierarrangementmanuskript neben dem Titel „Von P. Robert Plank“ . Da mit P. Beda Plank ein Bruder des ehemaligen Garstener Kapitularen Mitbruder Frauenbergers war, könnte der Kremsmünsterer Musikermönch durchaus über nähere Informationen zur Entstehungsgeschichte des Lieds verfügt haben. Doch ist wohl anzunehmen, dass mit der Zuweisung eher der Komponist des Lieds gemeint ist als der Dichter. Denn sowohl Fellner (in seiner als Druckvorlage gedachten Sammlung) als auch Hammerschmidt ordnen das Lied eindeutig Maurus Lindemayr zu.
f. 13v-19r, S. 11-23, 16 Strophen ohne Melodie
f. 15v-16v, 16 Strophen mit Melodie
f. 229r-229v, 16 Strophen ohne Melodie
f. 14v-15r, Melodie und erste Strophe; rechts neben dem Titel Vermerk: Von P. Robert Plank; dürfte wohl Angabe zum Komponisten sein, nicht Autorzuweisung; Frauenberger wohl nur Arrangeur einer älteren Melodie
f. 2v-3r; 11 Strophen mit Melodie;
durchgehend in der Kurrente des Sierninger Schullehrers Joseph Fierlinger (1761-1827); dieser auch Komponist oder Arrangeur?
f. 25r-28v, 16 Strophen ohne Melodie