<name>Was is halt das nöt für ä Gspiel [Klage eines Apothekers über die neu eingeführte Visitation der Apotheken]</name> <name type="normalized">Apothekerspott</name> <date from="1765" to="1775">1770 +/- 5</date> <note type="comments"> <p>Obwohl dieses kurze komische Klagelied eines Apothekers im Lambacher Lindemayr-Codex Ccl 718 überliefert ist, wurde es in Schmieders auf dieser Quelle fußenden Gesamtausgabe nicht berücksichtigt, wohl weil der Verfasser nicht klar ersichtlich ist. Nicht nur aus sprachlichen, stilistischen und formalen Gründen, sondern auch auf Basis der Zuschreibung in I, L und N3 kann das Werk nun eindeutig Maurus Lindemayr zugeordnet werden. Es nimmt Bezug auf die Apotheken-Visitationen, die im Rahmen der Bemühungen um eine Neuordnung des Sanitätswesens durch den Leibarzt Maria Theresias, Gerard van Swieten, neu eingeführt wurden und der pharmazeutischen Qualitätssicherung dienen sollten. Die Reformen von 1749 und die Medizinalordnung für das Königreich Böhmen 1753 hatten zwar die Grundlagen für eine effizientere Apothekerausbildung geschaffen, indem nun niemand mehr als Geselle oder selbständiger Apotheker zugelassen wurde, der nicht einen entsprechenden Nachweis seiner Fähigkeiten erbrachte. Ein Problem aber stellten nach wie vor die alteingesessenen Apotheker dar, denen die Approbation noch unter weitaus geringeren Voraussetzungen erteilt worden war und deren Kompetenz in etlichen Fällen erheblich zu wünschen übrig ließ. Mit kommissionellen Überprüfungen und Bußgeldern bei Beanstandungen sollte aus diesem Grund ein einheitliches Niveau sichergestellt werden. Eine entsprechende Verordnung erging (nach einem frühen, weitgehend folgenlos gebliebenen Hofreskript von 1748) am 1. Juni 1765, wurde im Sanitätshauptnormativ vom 2. Jänner 1770 bestätigt und mit einer weiteren Verordnung vom 22. Mai 1771 bzw. einem Patent vom 10. April 1773 ergänzt. In diesem Zeitraum wird wohl auch die Apothekerklage entstanden sein. Innerliterarische Hinweise („altä Mann“) lassen einen Entstehungszeitpunkt 1773 / 1774 am wahrscheinlichsten erscheinen. </p> <p>Wie J1 und L in ihren Titeln im Gegensatz zu I klarstellen, bezog sich das Lied ursprünglich auf den Schlierbacher Stiftsapotheker. Kurt Ryslavy erwähnt in seiner faktenreichen Studie zur oberösterreichischen Apothekengeschichte zwar eine Apotheke im Zisterzienserstift, ohne sie aber dokumentarisch zu belegen. Tatsächlich soll die Stiftsapotheke ein Jahrhundert lang die Bevölkerung mit Medikamenten auf ärztliche Verschreibung hin versorgt haben, ehe sie 1785 (sehr günstig) an den Kirchdorfer Apotheker, einen Bruder des Schlierbacher Prälaten Konstantin Frischauf, verkauft wurde. Stiftsapotheker zur fraglichen Zeit war Georg Joseph Wamsberger, wohnhaft in Schlierbach 292. Offenbar unverheiratet und kinderlos, hatte er 1771 für den Bau der Kirchdorfer Friedhofskirche stattliche 300 Gulden (entspricht zumindest einem Jahreslohn inklusive Naturalabgaben) gespendet und ist am 21. April 1777 62-jährig verstorben. Ausgeschlossen ist freilich nicht, dass sich die Satire – direkt oder indirekt – auch gegen den alten Lambacher Stiftsapotheker Ignaz Wörnhör richtet. Dieser hatte 1743 die Witwe des ersten Stiftsapothekers Franz Sailler geheiratet, die Apotheke bis 1770 geführt und war wenige Monate nach der Übergabe des Inventars an seinen Nachfolger Ferdinand Taitl (einem späteren Mitglied des Lambacher Theaterensembles) verstorben. </p> <p>Die noch heute wirksame Komik des Lieds entfaltet sich an der Uneinsichtigkeit des alten Apothekers, der hinter den Visitationen lediglich eine Geldbeschaffungsaktion des Staats sieht. Nicht ganz zu Unrecht, mussten doch an die Kommission drei Dukaten Gebühr entrichtet werden, Missstände, die bei der zuweilen schikanösen Befragung zu Tage traten, wurden mit einer Geldbuße von sechs Dukaten bestraft. Dass es freilich mit seinen Künsten auch nicht zum Besten steht, wird in der dritten Strophe ersichtlich, in der der Pillendreher seine Unfähigkeit noch als Dienst an der Kirche interpretiert. Immerhin bliebe einer Mehrzahl seiner Patienten nur mehr das Beten, sofern sie überhaupt mit dem Leben davonkommen. Hier wird geschickt die gängige ‚Operation gelungen, Patient tot’-Komik angewendet, wie sie im Medizinerspott der europäischen Lachliteratur eine reiche Tradition hat und u.a. vom (von Lindemayr geschätzten) Ärztehasser Molière zur Vollendung gebracht wurde. Die letzte Strophe schließlich lässt das Lamento in einen Wutausbruch mit Gewaltandrohung des cholerischen Pharmazeuten übergehen, der möglicherweise als authentische Anekdote Anlass gegeben hat für dieses Spottlied. </p> <p>Die 'Klage des Herrn Apothekers' ist eines der vielen Beispiele für die Meisterschaft Lindemayrs, den Dialekt souverän bei möglichster Wahrung des authentischen Sprachstands in komplexe metrische Formen zu bringen und die Wirkmöglichkeiten von subtilen Rhythmusänderungen geschickt zu nutzen. Die verwendete Gliederungsform ist eine originelle Variation der Chevy-Chase-Strophe, hier in einer dreiteiligen Form: Der erste Teil beginnt konventionell mit einem Wechsel von auftaktigen kreuzgereimten Vierhebern und Dreihebern mit stumpfer Kadenz und vermittelt einen knappen, emotionsgetragenen Einstieg. Im zweiten Teil, der die Umstände näher expliziert, verlagert sich die Betonung der Grenzen der vier Verse, die nun ohne Auftakt beginnen; während aber die Vierheber jetzt klingend enden, bleibt der Ausgang der Dreiheber stumpf. Durch den daraus resultierenden Hebungsprall verschärft sich der Eindruck eines Sinneinschnitts. Im dritten Strophenteil schließlich präsentiert sich das lustigste Material in alternierenden reimgepaarten Vierhebern, dem bis heute gängigsten Versmaß der populären komischen Lyrik. </p> <p>1 Melodie </p> </note> Dialect Cultures Christian Neuhuber Projektleitung Editor Stefanie Edler Editor Elisabeth Zehetner Editor Alexander Nussbaumer Technische Umsetzung Institut für Germanistik, Universität Graz Austrian Centre for Digital Humanities, University Graz o:dic.435

Klagelied Scherzlied Berufssatire Berufsstandslied
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Klage eines Apothekers über die neu eingeführte Visitation der Apotheken Was ist halt das nöt für ä Gspiel Maurus Lindemayr Linzer Liederhandschrift (OÖLM MS 284) Neuhuber (Hg.) Maurus Lindemayr: Dialektlieder, Bd. 1 2008 Neuhuber, Christian (Hg.): Maurus Lindemayr: Dialektlieder. Kritische Ausgabe. Herausgegeben und kommentiert von Christian Neuhuber. Bd. 1: Text. Wien: Praesens-Verlag 2008. (Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 13/1) Neuhuber (Hg.) Maurus Lindemayr: Dialektlieder, Bd. 2 2008 Neuhuber, Christian (Hg.): Maurus Lindemayr: Dialektlieder. Kritische Ausgabe. Herausgegeben und kommentiert von Christian Neuhuber. Bd. 2: Kommentar. Wien: Praesens-Verlag 2008. (Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 13/2) 43 Apotheker.cte

f. 19v-20v, 4 Strophen ohne Melodie

Klage. Des H. Apothekers zu Schlierbach über die nun eingeführte visitation der Apotheken Was is halt das nöt für ä Spiel Maurus Lindemayr Liederhandschrift des Joh. Hammerschmidt 2 (OÖLM 281)

f. 94r-95v, S. 165-168, 4 Strophen ohne Melodie

Klagen des Hr. Apothekers zu Schlierbach wider die neu eingeführte Visitation der Apothecken Was is halt das nöt für ä Gspiel Maurus Lindemayr Lambacher Lindemayr-Codex (StaL Ccl 718), Teil 1

f. 89v, S. 170; 4 Strophen ohne Melodie

Klagen eines Apothekers Was is halt das nöt für ä Gspiel Maurus Lindemayr Ernest Frauenberger Drei Liederhefte des P. Ernest Frauenberger (MaK G 49, 65/1-3)

f. 9v-10r, Melodie und erste Strophe Frauenberger wohl nur Arrangeur einer älteren Melodie