<name>Hänts Buemä! hat kainä nix ghört</name> <date from="1745" to="1755">1750 +/- 5</date> <note type="comments"> <p>Das Hirtenlied zählt als bis heute unabkömmliche Variante des Liedguts für den Weihnachtsfestkreis zu den beliebtesten Formen des Volkslieds im Alpenraum überhaupt. Ein wesentlicher Grund dafür ist wohl das hohe Identifikationsangebot, das sich aus der Ausgestaltung der neutestamentarischen Überlieferung von den Hirten auf dem Feld ergibt, denen der Engel die Kunde von der Ankunft des Herrn überbrachte (vgl. Lukas 2, 8-20). Im Mittelpunkt steht hier der einfache Mensch, der angesichts des Unfassbaren erkennt und glaubt und daraus die rechten Konsequenzen zieht. Die vielfältige Verbildlichung der bäuerlichen Lebenswelt, die unangestrengte Annäherung an ein zentrales Mysterium der christlichen Glaubenslehre, die im Wunderbaren auch Platz lässt für komische, ja sogar grobianistische Effekte, die zumeist mundartliche Gestaltung und die besondere Nähe zur szenischen Umsetzung, all das macht das Hirtenlied zum fixen Bestandteil des weihnachtlichen Brauchtums jener Gegenden, in denen auch der Krippenbau gepflegt wird. Seit dem ausgehenden Mittelalter sind diese Beispiele einer gelebten Volksfrömmigkeit in vielfältigen Ausformungen überliefert. Sie waren unverzichtbarer Bestandteil des Repertoires der im Advent umherziehenden Ansinger, die sich auf diese Weise ein Einkommen zu ersingen hofften, sie waren in der Weihnachtsmette oder der Christtagsmesse zu hören oder wurden in privaten Andachten und Stubenspielen vorgetragen. Viele der wichtigsten motivischen Bestandteile dieser weihnachtlichen Hirtenlieder finden sich auch in Lindemayrs Beitrag: die Verwunderung der Hirten über ein auffälliges Zeichen, das zunächst falsch gedeutet wird (der Lichterschein als Feuersbrunst), die Botschaft des Engels (als Traumerscheinung), die Schlaftrunkenheit und Gereiztheit einzelner Hirten, die geweckt werden, die Vorbereitungen zum Aufbruch mit dem Anlegen besserer Kleidung und der Auswahl der Geschenke, die Ausgabe von Verhaltensregeln oder auch die Überreichung der Gaben. </p> <p>Dass sich Lindemayrs Hirtenlied zu Weihnachten thematisch ganz den tradierten Formen verpflichtet zeigt, deutet auf einen recht frühen Entstehungszeitpunkt hin, der vielleicht noch in den späten 1740er Jahren anzusetzen ist. Dafür sprechen des Weiteren die auffällige Schlichtheit der Pastorale, manche Unsicherheiten in der metrischen Gestaltung (sofern dies nicht überlieferungsbedingt ist) und die Anklänge an ähnliche Lieder aus dem Salzburger Raum. Wohl zu Recht schätzt der Sierninger Schullehrer Joseph Fierlinger das Alter des Lieds 1819 auf „Uiber 70 Jahre“ . Doch auch wenn das Hirtenlied zu den frühen lyrischen Arbeiten Lindemayrs gezählt werden muss, überzeugen hier schon seine Meisterschaft in der Charakterisierung der Figuren, deren unterschiedliche Temperamente plastisch vor Augen treten, sowie sein Gespür für Handlungsdynamisierung und effektvolle Dialoge. Dieses bereits erreichte Geschick muss wohl im Zusammenhang mit seinen ersten dramatischen Versuchen gesehen werden, die gleichfalls aus dieser Zeit datieren. Souverän sind die drei Handlungsmomente des Hirtenlieds, die Verkündigung durch den Engel, der Aufbruch der Hirten nach Bethlehem und die Anbetung des Kinds miteinander zu einem konzentrierten Geschehen verwoben, wobei der letzte Teil an der Krippe auch rhythmisch vom restlichen Lied abgehoben ist: Der auftaktige Dreiheber mit (zumeist) Doppelsenkung und männlicher Kadenz der vorangehenden achtzeiligen paargereimten Strophen weicht in der abschließenden zehnzeiligen 13. Strophe der strengen Alternation von auftaktlosen, zunächst kreuz-, dann paargereimten Vierhebern und Dreihebern. Zudem ist auch der Rhythmus des Stimmwechsels unterbrochen: Denn bis dahin wurden alle ungeraden Strophen von der dominanten Rolle des Stöffl gesungen, während in den geraden sich alle Beteiligten abwechselten, mit Akzent auf dem zweiten Bass. Nun aber kommen sowohl Stöffl als auch Hiasl zu Wort, die abschließenden Verse werden choraliter vorgetragen. </p> <p>Es ist dies das einzige Hirtenlied, das von Maurus Lindemayr auf uns gekommen ist. Das ihm zuweilen auch heute noch zugeschriebene, gleichfalls reizvolle Han nächten bei insan Dorfrichtä stammt aus der Feder seines jüngeren Bruders, des Stadelschreibers Peter Gottlieb Lindemayr und dürfte um zumindest ein Jahrzehnt später entstanden sein. Die auch für Lindemayr’sche Lieder ungewöhnlich reiche Überlieferungssituation belegt die große Beliebtheit dieses Hirtenlieds, das mit leichten Textabweichungen noch 1948 von der Grieskirchnerin Maria Hölzmayr aus mündlicher Überlieferung gesungen und durch Hans Commenda aufgezeichnet wurde. Mehr oder weniger zersungene Fassungen des Lieds in mehreren Singweisen wurden nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in der Steiermark, vor allem im oberen Murtal, aufgezeichnet und finden sich u.a. bereits in den gedruckten Sammlungen Schlossars, Paillers, Grögers, Bergers oder Mautners. </p> <p>Berücksichtigt im Apparat wurden sämtliche handschriftlichen Zeugen vor 1822. Neben den Varianten aus dem nächsten Umfeld des Autors ist vor allem die Fassung Kajetan Wesenauers aufschlussreich, der das Lied 1787 in seine Sammlung geistlicher Lieder aufnimmt. Es zeigt bereits deutliche Adaptionsspuren und belegt damit, wie sich volkstümliches Liedgut von seinem Entstehungskontext verselbstständigen konnte, um anonymisiert im neuen Umfeld aufzugehen. Weniger zersungen sind die Fassungen der beiden großen Liedersammlungen, die offenbar auf schriftliche Vorlagen zurückgehen. Allerdings verzichtet die Kleinsölker Fassung auf eine Rolleneinteilung und muss aus diesem Grund die zumeist kontradiktorischen Repliken des Hirten Michl vollständig ersetzen, was zu etlichen Sinnbrüchen führt. Überraschend ähnlich sind die Versionen S6 aus Aussee und T6 aus Sierning, die möglicherweise die ursprüngliche Stropheneinteilung wiedergeben. </p> </note> Dialect Cultures Christian Neuhuber Projektleitung Editor Stefanie Edler Editor Elisabeth Zehetner Editor Alexander Nussbaumer Technische Umsetzung Institut für Germanistik, Universität Graz Austrian Centre for Digital Humanities, University Graz o:dic.304

Weihnachtslied / Hirtenlied
Sitemap lyrics Weihnachtslied-Hirtenlied
Aria / pro / Festo Nativ. Dom. Nost. Jes. Chr. / a / Basso 1mo 2do et 3tio / Violino 1mo et 2do / Basso / Auct. Jemand / Gassner Häts Buemä habts kaina nix ghert Maurus Lindemayr Joseph Langthaller Lieder der Erzherzog-Johann-Sammlung (MsStLa), K4/2/H. 2

6 Strophen mit Melodie Komponist Langthaller?

Aria Pastoritia / a / 3 Basso Coro / 2 Violini / e / Basso / Häts Buebma habts kainä nix ghört / A me Josephi Fierlinger / 1806 / Scribt. / est / Uiber 70 Jahre her. Häts Buemä habts kainä nix ghört Maurus Lindemayr Joseph Langthaller Lieder der Sonnleithner-Sammlung, Oberösterreich (GdMfW VI/27.474, IV/25)

Fierlinger Kopist, Langthaller Komponist? f. 1v-3v; 6 Strophen mit Melodie

Hirtenlied zu Weihnachten Hänts Buema! hat kainä nix ghört Maurus Lindemayr Lambacher Lindemayr-Codex (StaL Ccl 718), Teil 1 Neuhuber (Hg.) Maurus Lindemayr: Dialektlieder, Bd. 1 2008 Neuhuber, Christian (Hg.): Maurus Lindemayr: Dialektlieder. Kritische Ausgabe. Herausgegeben und kommentiert von Christian Neuhuber. Bd. 1: Text. Wien: Praesens-Verlag 2008. (Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 13/1) Neuhuber (Hg.) Maurus Lindemayr: Dialektlieder, Bd. 2 2008 Neuhuber, Christian (Hg.): Maurus Lindemayr: Dialektlieder. Kritische Ausgabe. Herausgegeben und kommentiert von Christian Neuhuber. Bd. 2: Kommentar. Wien: Praesens-Verlag 2008. (Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 13/2)

f. 71v-72r, S. 134-135, 13 Strophen ohne Melodie

Hirtenlied zu Weihnachten a 3 Bassi Hänts Buemä hat kainä nix ghört Maurus Lindemayr Liederhandschrift des Joh. Hammerschmidt 1 (OÖLB A 855)

f. 13v-16v, S. 72-78, 12 Strophen + Chorstrophe ohne Melodie

Hirtenlied zu Weihnachten a 3. Bassi concert Hänts Buemä hat kainä nix ghört Maurus Lindemayr Liederhandschrift des Joh. Hammerschmidt 2 (OÖLM 281)

f. 111v-114v, S. 200-206, 13 Strophen ohne Melodie

o.T. [Hainz Buemä hat kainä nix ghört] Hainz Buemä hat kainä nix ghört Maurus Lindemayr Lieder der Erzherzog-Johann-Sammlung (MsStLa), K1/20 (14c)

f. 12r-13v, 12 Strophen ohne Melodie

o.T. [Hätz Buemä Habts keiner nichts ghört] Hätz Buemä Habts keiner nichts ghört Maurus Lindemayr Wesenauer Liederhandschrift (= OöVLW HL 1) Pailler Weihnachtslieder und Krippenspiele, Bd.2 1883 Pailler, Wilhelm: Weihnachtslieder und Krippenspiele aus Oberösterreich und Tirol. Bd. 2. Spiele. Innsbruck: Wagner 1883. (Unveränd. Neudruck zusammen mit Bd.1, Wiesbaden: Sändig 1971.)

f. 28v-29r, 6 Strophen ohne Melodie

Weyhnachtlied Hänts Buämä! hat kainä nix ghert Maurus Lindemayr Ernest Frauenberger Drei Liederhefte des P. Ernest Frauenberger (MaK G 49, 65/1-3)

f. 2v-4r, Melodie und erste Strophe, Frauenberger Arrangeur (Langthaller Komponist?)

[Häun Buema habs kaina nix kört] 1792* Leoben* Häun Buema habs kaina nix kört Maurus Lindemayr Diözesanarchiv Graz, VI d10 (Pfarre Leoben-Waasen) [n.a.] Jontes Weihnachtsbrauchtum in Alt-Leoben 1980 Jontes, Günther: Weihnachtsbrauchtum in Alt-Leoben. Beiträge zur historischen Volkskunde der Stadt. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 83 (1980), S. 221-242. Häun Buema...

Bei Neuhuber 2008 nicht erfasster Beleg!

Diözesanarchiv Graz, VI d10 (Pfarre Leoben-Waasen)

Überliefert ist das Lied gemeinsam mit zwei anderen ("Holla Buema, was ist das" und "Sey gelobt Herr Jesu Christ", siehe dort) wegen einer Beschwerde, die Bürger der Gemeinde Leoben zu Weihnachten 1972 auch gegen den Pfarrer vorbrachten, weil diese ‚unschicklichen‘ Lieder bei der Weihnachtsmette – mit Begleitung von Wasserpfeiferln – gesungen wurden. Im Gegensatz zu den anderen Liedern, die wohl nur 'zu Beweiszwecken' während der Mette eilig mitgeschrieben wurden, kann man bei diesem Lied aus dem gleichmäßigen Strophenbau wohl darauf schließen, dass es sich hier um die Vorlage des Liedes handelt, die vom Pfarrer den Sängern übergeben wurde.

Näheres bei Jontes 1980, S. 233-236, bei dem der Text auch ediert ist (S. 239-242). (Die Autorschaft M. Lindemayrs wird von Jontes allerdings nicht thematisiert.)

[Häz Buemä hät khainä nix khert] 1750/60~ Häz Buemä hät khainä nix khert Maurus Lindemayr Hs. Liederbuch der Salzburger Studienbibliothek (UB Sbg. MI 365) MI365_Häz Buemä hät khainä nix khert

Bei Neuhuber 2008 nicht erfasster Beleg!

Quelle: Hs. Liederbuch der Salzburger Studienbibliothek, Nr. 36 (87r-91r) um 1750-1760

6 Str.

[87r] 1. Häz Buemä hät khainä nix khert, es hat uns Ja epän begert, was ist den [87v] dort nit fierä foiä han nie khai so graus gehn [Schreibfehler für: gsehn?] haiä, Stets gschwind auf diets enckh nit lang Bsinnä, sechts nit bein nachbern duets brinnä, lasts all enkhrö schäffl nä stöhn, miesßen in öht reth ahö gehn

Los michl dä steffel hat gschrien Steh gschwind auf du khriegst Sunst äh schmirm, beün nachbern ists foiä afn dach verbrint ihem sey hey samt den Strah, Häz mei so lasts aün doch schlaffä, mögts enckh [88r] den pein Tag nit gnueg schafä nä gschwind geh und spreiz dö nits fill, sist gib ih dä ais mitn still.

2. Hiez schauz wie ist das nit so rä, als wans hallt nattirlä nit wä, [doppel-t hier wohl aufgrund der Trennung am Zeilenende] von himmel ah mächtigä Strall, geht her aufn nachbern sein stall wöln schau das mir balt hin khömmän, das mir den augn schein ein nemmän mi dunckht es ist khlai blentärei ih han khert äh musi däbey

Baz dausent khlai buemä äh schon, fliegn ahä zu uns [88v] bahr und bar, sehnt aus als wie dengeln so schön mir miesen schon hiez lifftig gehn, Ih wer mi nit fill drei mischn, ih mus mä erst daugn recht aus wischn warts buemä ih lauf geh far an, aft will ih enckh bost bringä schon.

3. Hez sechts was ist das firrä Rand, i han bey d khluft eihö zant, frembt leit han i gsehä in Stall, meinaichel ih khens nit äh mahl, noch ais duet [89r] mi wundä nemmä, wies send in stall ahi khemmä, äh muetä hat gahr äh schens khind Sizt dinnä bein ossel und Rind

Meilebtag häz was den nit hat, zwö bleibens den nit bei der Stad, das ding khimt mä wundälä fir, wah naud und ih firchdät mä schir so seits den alle hiezundä umb mitter nacht äh so gar munter, Ja freilä das ist ja ah lebm, dient singä und pfeiffen dä nebm.

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