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VERFOLGUNG UND WIDERSTAND
IM NATIONALSOZIALISMUS
DOKUMENTIEREN UND VERMITTELN

Digitale Erinnerungslandschaft



Geisteswissenschaftliches Asset Management System



Helene-Serfecz-Platz, 8020 Graz
Beschreibung: Die SchülerInnen setzen sich vertieft mit der Biografie einer im Nationalsozialismus Verfolgten auseinander und erarbeiten sich dadurch eine weitere Perspektive auf den Kontext von Verfolgung und Widerstand.
Ort: Graz (8020)
Zeitbedarf: 30–45 Minuten, eignet sich für Supplierstunde
Alter: 13–18 Jahre
Vermittlungsort: Klassenraum


Verbundene Orte:




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Im Jahr 2011 benannte die Stadt Graz den Platz, der ursprünglich dem deutschen Dichter Heinrich Lersch gewidmet war, in Helene-Serfecz-Platz um. Bereits 1962 fand sich ihr Name auf der Gedenktafel im ehemaligen Hinrichtungsraum der Justizanstalt Graz-Jakomini, wo sie 1943 hingerichtet wurde. Seit dem Jahr 2020 gibt es auch einen Stolperstein in der Weißeneggergasse in Graz. Helene Wrießnegger wurde 1886 in Klagenfurt geboren. Bereits mit 19 Jahren heiratete sie den Arbeiter Josef Serfecz und führte in der Folge den gemeinsamen Haushalt. Sie gehörte seit 1919 der Sozialdemokratischen Partei in Graz an, wo sie u.a. im Frauenkomitee aktiv war. Nach den Februarkämpfen 1934 wurde sie gemeinsam mit der sozialdemokratischen Funktionärin Christl Klementschitz für die kommunistische „Rote Hilfe“ tätig, weshalb 1936 erstmals Ermittlungen gegen sie geführt wurden. Widerstand der Roten Gewerkschaft Als der ehemalige Gewerkschafts- und Arbeiterkammersekretär Lorenz Poketz und der ehemalige sozialdemokratische Betriebsrat Johann Stelzer 1941 daran gingen, die „Rote Gewerkschaft“ in Graz aufzubauen, kontaktierten die beiden die ihnen aus der Ersten Republik bekannte Marxistin und baten sie, mitzuwirken und Geldbeiträge für die Familien von Verfolgten zu sammeln. Während Poketz und andere in zahlreichen Grazer Betrieben Zellen der „Roten Gewerkschaft“ schufen und Flugblätter verfassten, warb Helene Serfecz weitere Personen für die illegale Organisation an. Zudem fungierte sie als Kassierin der Spenden für die Familien der Verfolgten, die sie an die Führung weiterleitete. Sie stellte auch Kontakte von NS-Gegnern – unter ihnen war auch ihr Sohn Josef – zu Poketz und Stelzer her. Im August 1942 setzte eine Verhaftungswelle gegen den kommunistischen Widerstand in der Steiermark ein, bei der in Graz, Kapfenberg, Mürzzuschlag, Judenburg, Bruck an der Mur und Weiz über 250 Personen verhaftet wurden. Unter ihnen war auch Helene und ihr Sohn Josef Serfecz. Der Volksgerichtshof , der im Landesgericht Graz tagte, verurteilte 22 führende Funktionäre und Zellenleiter wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, „landesverräterischer Feindbegünstigung“ und „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode. Andere, die der „Roten Gewerkschaft“ nur kleine Geldbeträge gespendet hatten, wurden zu langen Kerkerstrafen verurteilt, von denen neun das Kriegsende nicht erlebten und in der Kerkerhaft verstorben sind. Helene Serfecz wurde am 29. Juni 1943 zum Tode verurteilt. Im Urteil heißt es: „Bei der Angeklagten Helene Serfecz besteht […] kein Zweifel, dass sie als gehässige und verbissene Marxistin in enger Zusammenarbeit mit der Leitung der ‚Roten Gewerkschaft‘ vorsätzlich das Ihre dazu beitragen wollte, dass der Nationalsozialismus und seine Regierung gestürzt werde.“ Dass sie eine „gehässige Marxistin“ sei, habe ihr Nachbar, der Gauhauptstelleleiter Alfons Sigl, als Zeuge in der Hauptverhandlung ausgesagt. Dieser war während der Zeit des Austrofaschismus nach Deutschland geflohen und nach dem März 1938 nach Graz zurückgekehrt, wo sich Helene Serfecz ihm gegenüber folgendermaßen geäußert haben soll: „Es gibt in Graz gar nicht so viele Bäume, wie Nationalsozialisten aufgehängt werden, wenn wir an die Macht kommen.“ Aus der Haft schrieb sie vor ihrer Hinrichtung am 13. September 1943 an ihr Enkelkind: „Mein liebes Enkelkind! Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss. Ich habe für die Idee gearbeitet und armen Menschen geholfen. Das kostet mir nun den Kopf, aber mein Geist lebt weiter auf der Welt. Sei schön brav und werde wie Deine Omama. Vergiss nicht auf mich.“ Nach der Befreiung vom NS-Regime berichtete 1945 der Seelsorger am Grazer Landesgericht, Dr. Anton Weber, über die Hinrichtung von Helene Serfecz: „Die erste Hinrichtung, bei der ich zugegen war, war eine Frau namens Serfecz. Sie war sehr mutig. Sie war wegen kommunistischer Tätigkeit angeklagt und erklärte sich unschuldig. Sie erklärte dort, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen. Sie sang in ihrer Zelle noch Lieder, bis man sie zur Hinrichtung holte.“



Literatur

  • VGH: 7 J 19/43, Anklage gegen Josef Serfecz u.a. vom 27.4.1943
  • Urteil gegen Josef Serfecz u.a. vom 22.6.1943.
  • Heimo Halbrainer: „Wenn einmal die Saat aufgegangen, …“ Letzte Briefe steirischer Widerstandskämpferinnen und -kämpfer aus Todeszelle und Konzentrationslager, Graz 2019.
  • Heimo Halbrainer: „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014.
  • Heimo Halbrainer: „In der Gewißheit, daß Ihr den Kampf weiterführen werdet”. Briefe steirischer WiderstandskämpferInnen aus Todeszelle und KZ, Graz 2000.