Realität und Wirklichkeit in der Moderne

Texte zu Literatur, Kunst, Fotografie und Film

Themen

Realitätskonzept
  • Ding
    • Nicht mehr das „Ding“ schlechthin, sondern der durch die Subjektivität vermittelte Eindruck von ihm oder eine Form der Tätigkeit des Subjekts ist es, was seine Darstellung und irgendeine Art der „Entsprechung“ im Laute finden soll.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Nun ist der Begriff eines Dinges, dessen Existenz oder Form wir uns unter der Bedingung eines Zwecks als möglich vorstellen, mit dem Begriffe einer Zufälligkeit desselben (nach Naturgesetzen) unzertrennlich verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche wir nur als Zwecke möglich finden, den vornehmsten Beweis für die Zufälligkeit des Weltganzen aus, und sind der einzige für den gemeinen Verstand ebensowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund der Abhängigkeit und des Ursprungs desselben von einem außer der Welt existierenden, und zwar (um jener zweckmäßigen Form willen) verständigen, Wesen: daß also die Teleologie keine Vollendung des Aufschlusses für ihre Nachforschungen, als in einer Theologie, findet.
      Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Erde
    • Die Erde ist das zu nichts gedrängte Hervorkommen des ständig Sichverschließenden
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Leben
    • daß in dieser Gegenstandslosigkeit das wirkliche Leben zu finden ist
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Beide begehren über das Leben zu herrschen: dieser, indem er durch Vorsorge, Klugheit, Regelmässigkeit den hauptsächlichsten Nöthen zu begegnen weiss, jener indem er als ein „überfroher Held“ jene Nöthe nicht sieht und nur das zum Schein und zur Schönheit verstellte Leben als real nimmt.
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • wo aus dem Leben selbst die heilige Ordnung quillt und aus dem Gesetz der Ordnung sich nur Leben entwickelt, – wo die Einbildungskraft der Wirklichkeit ewig entflieht, und dennoch von der Einfalt der Natur nie verirret – hier allein werden sich Sinne und Geist, empfangende und bildende Kraft in dem glücklichen Gleichmaß entwickeln, welches die Seele der Schönheit, und die Bedingung der Menschheit ist.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Natur
    • Sie glauben, den Künstler in der Kenntnis der Natur kontrollieren zu können, übertragen ihre Art und Weise, die Natur anzuschauen, auf die künstlerische Nachbildung und sehen in dieser im Grunde nichts anderes als eine wissenschaftliche Abbildung, die die gefundene begriffliche Abstraktion illustriert
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Karl Popper betonte, daß wir nicht imstande sind, unseren Geist gleichsam in ein unbeschriebenes Blatt zu verwandeln, auf dem die Natur nun ihre Geheimnisse registriert, sondern daß jede Beobachtung eine Frage voraussetzt, die wir an die Natur richten, und daß jede solche Frage eine vorläufige Hypothese in sich schließt.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Fragen wir nur unser gewöhnliches Bewußtsein, so drängt sich freilich vom Geist die Vorstellung auf, als ob er der Natur gegenüberstehe, der wir dann die gleiche Würde zuschreiben. Doch in diesem Nebeneinander und Bezogensein der Natur und des Geistes als gleich wesentlicher Gebiete ist der Geist nur in seiner Endlichkeit und Schranke, nicht in seiner Unendlichkeit und Wahrheit betrachtet.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur haben wir deshalb selber als die absolute Idee in sich tragend zu begreifen, aber sie ist die Idee in der Form, durch den absoluten Geist als das Andere des Geistes gesetzt zu sein.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Als Subjektivität nun aber ist der Geist zunächst nur erst an sich die Wahrheit der Natur, indem er seinen wahren Begriff noch nicht für sich selber gemacht hat. Die Natur steht ihm somit nicht als das durch ihn gesetzte Andere, in welchem er zu sich selber zurückkehrt, gegenüber, sondern als unüberwundenes, beschränkendes Anderssein, auf welches, als auf ein vorgefundenes Objekt, der Geist als das Subjektive in seiner Existenz des Wissens und Wollens bezogen bleibt und nur die andere Seite zur Natur zu bilden vermag.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Mit seinem menschlichen Verstand will der Mensch den gegenstandslosen Zustand der Natur in einen gegenständlichen verwandeln. So wird das gegenständliche Bewußtsein geformt, und Gott, Sache, Schönheit werden zum Material seiner gegenständlichen Ideen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • daß es in der Natur keine ‚Kunst‘ gibt, da sie keine Gegenstände nach irgendwelchen ästhetischen Grundsätzen nachbildet.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur strebt nichts an, erkennt nichts, weil es in ihr nichts gibt, was sie erkennen könnte; sie kennt kein Ziel, keinen Sinn, keine Nützlichkeitserwägungen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Man kann nicht sagen, daß die Natur nicht lebt, daß es sie nicht gibt, auch wenn das Bestehen dieser oder jener Wirklichkeit nur mein Gedanke ist, in ihr wirken aber Lebensäußerungen ohne Ziel, Verstand, Überlegung, Wissen und Idee. Sie ist der ewige, ideenlose Herzschlag, ohne Ursache und Voraussetzung, sie ist Erregung und Gegenstandslosigkeit.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die gesamte, von uns wahrgenommene Natur befindet sich in gegenstandslosem Zustand.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Das Bewußtsein selbst besteht in der Natur auch nicht in Wirklichkeit. ‚Bewußtsein‘ ist also wie auch das ‚Sein‘ nichts anderes als ein Name, und dieser Name wird von der Menge als Wirklichkeit des Lebens angesehen, eine ‚Wirklichkeit‘, die nichts anderes ist als Konvention, Annahme, Meinung.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn meine Definition richtig sein sollte, so ist die Gesamtheit der Natur – Gedanke und die Erscheinungen – die Formen der erkannten, im Gedanken vorgestellten Ursachen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • die Natur eine Summierung von Gedanken ist und jede Summierung in ihr ein Gedanke.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur liegt überall offen da, ihr Wesen aber bleibt verborgen in der Vielfalt der verschiedenen Meinungen und Vermutungen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Das Uebersehen des Individuellen und Wirklichen giebt uns den Begriff, wie es uns auch die Form giebt, wohingegen die Natur keine Formen und Begriffe, also auch keine Gattungen kennt, sondern nur ein für uns unzugängliches und undefinirbares X.
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur tritt uns überall zuerst in mehr oder weniger harter Form und Verschlossenheit entgegen.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Kann doch alle Einheit nur geistiger Art und Abkunft seyn, und wohin trachtet alle Erforschung der Natur, wenn nicht dahin, selbst Wissenschaft in ihr zu finden?
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Diese werkthätige Wissenschaft ist in Natur und Kunst das Band zwischen Begriff und Form, zwischen Leib und Seele. Jedem Ding stehet ein ewiger Begriff vor, der in dem unendlichen Verstande entworfen ist
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Wir können den Inbegriff alles blos Objectiven in unserm Wissen Natur nennen
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Im Begriff der Natur liegt es nicht, daß auch ein Intelligentes sey, was sie vorstellt. Die Natur, so scheint es, würde seyn, wenn auch nichts wäre, was sie vorstellte. Die Aufgabe kann also auch so ausgedrückt werden: Wie kommt zu der Natur das Intelligente hinzu, oder wie kommt die Natur dazu, vorgestellt zu werden?
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur selbst ist es, die den Menschen von der Realität zum Scheine emporhebt, indem sie ihn mit zwei Sinnen ausrüstete, die ihn bloß durch den Schein zur Erkenntnis des Wirklichen führen.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Als ein Ganzes betrachtet ist die Natur selbstständig und unendlich; in jeder einzelnen Wirkung hingegen ist sie bedürftig und beschränkt.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Wirkliche Natur existiert überall, aber wahre Natur ist desto seltener, denn dazu gehört eine innere Notwendigkeit des Daseins. Wirkliche Natur ist jeder, noch so gemeine Ausbruch der Leidenschaft, er mag auch wahre Natur sein, aber eine wahre menschliche ist er nicht; denn diese erfodert einen Anteil des selbstständigen Vermögens an jeder Äußerung, dessen Ausdruck jedesmal Würde ist.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Da der Realist durch die Notwendigkeit der Natur sich bestimmen läßt, der Idealist durch die Notwendigkeit der Vernunft sich bestimmt, so muß zwischen beiden dasselbe Verhältnis Statt finden, welches zwischen den Wirkungen der Natur und den Handlungen der Vernunft angetroffen wird. Die Natur, wissen wir, obgleich eine unendliche Größe im Ganzen, zeigt sich in jeder einzelnen Wirkung abhängig und bedürftig; nur in dem All ihrer Erscheinungen drückt sie einen selbstständigen großen Charakter aus. Alles individuelle in ihr ist nur deswegen, weil etwas anderes ist; nichts springt aus sich selbst, alles nur aus dem vorhergehenden Moment hervor, um zu einem folgenden zu führen. Aber eben diese gegenseitige Beziehung der Erscheinungen auf einander sichert einer jeden das Dasein durch das Dasein der andern, und von der Abhängigkeit ihrer Wirkungen ist die Stätigkeit und Notwendigkeit derselben unzertrennlich. Nichts ist frei in der Natur aber auch nichts ist willkürlich in derselben.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Der wahre Realist nehmlich unterwirft sich zwar der Natur und ihrer Notwendigkeit ; aber der Natur als einem Ganzen, aber ihrer ewigen und absoluten Notwendigkeit nicht ihren blinden und augenblicklichen Nötigungen.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Der wahre Idealist verläßt nur deswegen die Natur und Erfahrung, weil er hier das unwandelbare und unbedingt notwendige nicht findet, wornach die Vernunft ihn doch streben heißt
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Bey Natur denken sich viele nichts weiter, als das ohne Zuthun menschlicher Kunst Vorhandene.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • In einem andern Sinne nennt man auch das Natur, was im Menschen von selbst und ohne Anstrenung [sic] zum Vorschein kommt, im Gegensatz mit dem künstlich angebildeten.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Die todte und empirische Ansicht von der Welt ist, daß die äussern Dinge sind, die philosophische, daß alles in ewigem Werden, in einer unaufhörlichen Schöpfung begriffen ist, worauf uns schon eine Menge Erscheinungen im gemeinen Leben gleichsam hinstossen. Von uralten Zeiten her hat demnach der Mensch diese in allem wirksame Kraft der Hervorbringung zur Einheit einer Idee zusammengefaßt, und das ist die Natur im eigentlichen und höchsten Sinne.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • die schaffende Natur als die große Weltkünstlerin
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • So lange die menschliche Natur existirt, wird der Trieb zur Darstellung sich regen, und die Forderung des Schönen bestehen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Alles menschliche Thun und Leiden ist ein gemeinschaftliches Wechselwirken des Gemüths und der Natur. Nun muß entweder die Natur oder das Gemüth den letzten Grund des Daseyns eines gemeinschaftlichen einzelnen Produkts enthalten, oder den ersten bestimmenden Stoß zu dessen Hervorbringung geben. Im ersten Fall ist das Resultat Erkenntniß.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Erkenntniß ist eine Wirkung der Natur im Gemüth. – Im zweyten Fall hingegen muß das freye Vermögen sich selbst eine bestimmte Richtung geben
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • denn der zusammengesetzte Mensch kann im gemischten Leben sich seiner reinen Natur nur ins Unendliche nähern, ohne sie je völlig zu erreichen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch erkannte dann, dass er der Natur keine Gesetze diktieren kann, weil er die Kenntnis und das Kriterium der äusseren Welt nicht in sich selbst trägt
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Man muss die Theorie modifizieren, um sie der Natur anzupassen, nicht die Natur, um sie der Theorie anzupassen
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Reale, das
    • Die Irrealität ist nicht mehr die eines Traums oder Phantasmas, eines Diesseits oder Jenseits, es ist die Irrealität einer halluzinierenden Ähnlichkeit des Realen mit sich selbst
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • Die wirkliche Definition des Realen lautet: das, wovon man eine äquivalente Reproduktion herstellen kann.
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
  • Realität
    • Die Realität geht im Hyperrealismus unter, in der exakten Verdoppelung des Realen, vorzugsweise auf der Grundlage eines anderen reproduktiven Mediums – Werbung, Photo etc. – und von Medium zu Medium verflüchtigt sich das Reale, es wird zur Allegorie des Todes, aber noch in seiner Zerstörung bestätigt und überhöht es sich: es wird zum Realen schlechthin, Fetischismus des verlorenen Objekts – nicht mehr Objekt der Repräsentation, sondern ekstatische Verleugnung und rituelle Austreibung seiner selbst: hyperreal
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • die Realität selbst ist heute hyperrealistisch
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt eine Realität zum wenigsten, die wir alle von innen, durch Intuition und nicht durch bloße Analyse ergreifen. Es ist unsere eigene Person in ihrem Verlauf durch die Zeit. Es ist unser Ich, das dauert. Wir können kein anderes Ding intellektuell miterleben. Sicherlich aber erleben wir uns selbst.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Denken besteht gewöhnlich darin, von den Begriffen zu den Dingen zu gelangen und nicht von den Dingen zu den Begriffen. Eine Realität erkennen heißt, im gebräuchlichen Sinne des Wortes ‚erkennen‘: schon fertige Begriffe nehmen, sie quantitativ bestimmen und sie miteinander kombinieren, bis man ein brauchbares Äquivalent des Wirklichen erhält.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt eine äußere und dennoch unserem Geist unmittelbar gegebene Realität.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Diese Realität ist Beweglichkeit. Es gibt keine entstandenen Dinge, sondern nur Dinge, die entstehen, keine sich erhaltenden Zustände, sondern nur wechselnde Zustände.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Alle Realität ist also Strebung, wenn man dahin übereinkommt, mit Strebung eine immer von neuem — wie etwa in einer Kurve — einsetzende Richtungsänderung zu bezeichnen.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Man begreift, daß durch unser Denken feste Begriffe aus der beweglichen Realität gezogen werden können; aber es ist durchaus möglich, mit der Festigkeit der Begriffe die Beweglichkeit des Wirklichen zu rekonstruieren. Der Dogmatismus, soweit er Erbauer von Systemen ist, hat jedoch immer diese Rekonstruktion versucht.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • dieser dritte Wirklichkeitsbegriff nimmt Realität als Resultat einer Realisierung, als sukzessiv sich konstituierende Verläßlichkeit, als niemals endgültig und absolut zugestandene Konsistenz, die immer noch auf jede Zukunft angewiesen ist, in der Elemente auftreten können, die die bisherige Konsistenz zersprengen und das bis dahin als wirklich Anerkannte in die Irrealität verweisen könnten.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Vielleicht setzt mein Traum der letzten Nacht den der vorhergehenden fort, und vielleicht erfährt er in der kommenden Nacht in löblicher Folgerichtigkeit seine Fortsetzung. Das ist gut möglich, heißt es. Und da es keineswegs erwiesen ist, daß auf diese Weise die „Realität“, die mich beschäftigt, im Traumzustand fortbesteht, daß sie nicht ins Unerinnerliche versinkt – warum sollte ich dem Traum nicht zugestehen, was ich zuweilen der Wirklichkeit verweigere, jenen Wert der in sich ruhenden Gewißheit nämlich, der für die Traumspanne ganz und gar nicht von mir geleugnet wird?
      Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
    • Die Realität ist profunder als die akademischen Rezepte, und sie ist auch komplexer.
      Gleizes, Albert; Metzinger, Jean: Über den Kubismus, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Doch die objektive oder konventionelle Realität, diese Zwischenwelt zwischen unserem Bewußtsein und dem eines anderen, die zu fixieren die Menschheit seit unvordenklichen Zeiten bemüht ist, variiert unaufhörlich je nach den verschiedenen Völkern, Religionen, wissenschaftlichen Theorien usw.
      Gleizes, Albert; Metzinger, Jean: Über den Kubismus, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Dasein ist auch wie anderes Seiendes real vorhanden. So erhält denn das Sein überhaupt den Sinn von Realität. Der Begriff der Realität hat demnach in der ontologischen Problematik einen eigentümlichen Vorrang. Dieser verlegt den Weg zu einer genuinen existenzialen Analytik des Daseins, ja sogar schon den Blick auf das Sein des innerweltlich zunächst Zuhandenen. Er drängt schließlich die Seinsproblematik überhaupt in eine abwegige Richtung. Die übrigen Seinsmodi werden negativ und privativ mit Rücksicht auf Realität bestimmt.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Daraus ersehen wir, daß es eine einheitliche Vorstellung von der Realität der Natur nicht gibt.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • An die Stelle der Religion ist keine andere Gesamtschau der Realität getreten. Wissenschaft ist keine Sichtweise, sondern eine Methode
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • decken sich die Bezeichnungen und die Dinge? Ist die Sprache der adäquate Ausdruck aller Realitäten?
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn der Transscendental-Philosophie das Subjective – das Erste, und einziger Grund aller Realität, einziges Erklärungsprincip alles andern ist (§. 1.), so beginnt sie nothwendig mit dem allgemeinen Zweifel an der Realität des Objectiven.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Die zweyte eben so ursprüngliche Ueberzeugung ist, daß Vorstellungen, die ohne Nothwendigkeit, durch Freyheit, in uns entstehen, aus der Welt des Gedankens in die wirkliche Welt übergehen, und objective Realität erlangen können.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn alles Wissen auf der Uebereinstimmung eines Objectiven und Subjectiven beruht (Einl. §. 1.), so besteht unser ganzes Wissen aus Sätzen, die nicht unmittelbar wahr sind, die ihre Realität von etwas anderem entlehnen.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Der Widerspruch, der durch die voranstehende Deduction aufgelöst ist, war folgender: die Wissenschaft des Wissens kann von nichts Objectivem ausgehen, denn sie beginnt eben mit dem allgemeinen Zweifel an der Realität des Objectiven.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Das Dilemm, womit man hierauf antwortet: Alles muß entweder Etwas seyn oder Nichts, u. s. w. beruht auf der Zweideutigkeit des Begriffs Etwas. Soll Etwas überhaupt etwas Reelles im Gegensatz gegen das blos Eingebildete bezeichnen, so muß das Ich wohl etwas Reelles seyn, da es Princip aller Realität ist. Aber ebenso klar ist, daß es ebendeßwegen, weil es Princip aller Realität ist, nicht in demselben Sinne reell seyn kann, wie das, welchem blos abgeleitete Realität zukommt. Die Realität, welche jene für die einzig wahre halten, die der Dinge, ist eine blos geliehene und nur der Wiederschein jener höhern. – Das Dilemm beym Lichte betrachtet, heißt also eben so viel, als: Alles ist entweder ein Ding oder Nichts; welches sogleich als falsch einleuchtet, da es allerdings einen höhern Begriff giebt, als den des Dings, nämlich den des Handelns, der Thätigkeit.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Ich bin, Princip aller Philosophie, so kann es auch keine Realität geben, als die der Realität dieses Satzes gleich ist. Aber dieser Satz sagt nicht, daß ich für irgend etwas außer mir, sondern nur, daß ich für mich selbst bin. Also wird auch alles, was überhaupt ist, nur für das Ich seyn können, eine andere Realität wird es überhaupt nicht geben.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Insofern also das Bedürfnis der Realität und die Anhänglichkeit an das Wirkliche bloße Folgen des Mangels sind, ist die Gleichgültigkeit gegen Realität und das Interesse am Schein eine wahre Erweiterung der Menschheit und ein entschiedener Schritt zur Kultur.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Die Realität der Dinge ist ihr (der Dinge ) Werk; der Schein der Dinge ist des Menschen Werk, und ein Gemüt, das sich am Scheine weidet, ergötzt sich schon nicht mehr an dem, was es empfängt, sondern an dem, was es tut.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Seiende, das
    • Die Frage, was das Seiende an sich, außerhalb dieser Formen der Sichtbarkeit und der Sichtbarmachung sein und wie es beschaffen sein möge: diese Frage muß jetzt verstummen
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Descartes braucht das Problem des angemessenen Zugangs zum innerweltlichen Seienden nicht zu stellen. Unter der ungebrochenen Vorherrschaft der traditionellen Ontologie ist über die echte Erfassungsart des eigentlichen Seienden im vorhinein entschieden. Sie liegt im νοείv, der „Anschauung“ im weitesten Sinne, davon das διανοείν, das „Denken“, nur eine fundierte Vollzugsform ist. Und aus dieser grundsätzlichen ontologischen Orientierung heraus gibt Descartes seine „Kritik“ der noch möglichen anschauend vernehmenden Zugangsart zu Seiendem, der sensatio (αΐσϑησις) gegenüber der intellectio.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Wie soll Descartes ein bestimmtes innerweltliches Seiendes und dessen Sein mit der Welt identifizieren, wenn er das Phänomen der Welt und damit so etwas wie Innerweltlichkeit überhaupt nicht kennt?
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Daß Seiendes von der Seinsart des Daseins nicht aus Realität und Substanzialität begriffen werden kann, haben wir durch die These ausgedrückt: die Substanz des Menschen ist die Existenz. Die Interpretation der Existenzialität als Sorge und die Abgrenzung dieser gegen Realität bedeuten jedoch nicht das Ende der existenzialen Analytik, sondern lassen nur die Problemverschlingungen in der Frage nach dem Sein und seinen möglichen Modi und nach dem Sinn solcher Modifikationen schärfer heraustreten: nur wenn Seinsverständnis ist, wird Seiendes als Seiendes zugänglich; nur wenn Seiendes ist von der Seinsart des Daseins, ist Seinsverständnis als Seiendes möglich.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Sein
    • So muß er jetzt dieses Ganze auch mit fast unumschränkter Gewalt beherrschen. Er hat nichts neben oder außer sich, mit dem er verglichen, an dem er „gemessen“ werden könnte, sondern seine schlichte Präsenz, seine einfache Gegenwart faßt die ganze Summe des Seins in sich.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist ein seltener Vorzug bedeutend organisierter Individuen, mit ihrer Empfindung in einer unmittelbaren Naturnähe zu stehen; ihnen entsteht die Beziehung zu den Dingen nicht aus einzelnen Wirkungen derselben, vielmehr erfassen sie die Existenz selbst und empfinden die Gegenständlichkeit des Seienden, noch ehe sie dieses Gesamtgefühl in einzelne Empfindungen auflösen. Es ist eine Lust, eine Freude an dem lebendigen Sein der Dinge, die über Unterschieden wie dem von schön und häßlich steht, es ist ein Erfassen nicht einzelner, der Empfindung sich enthüllender Eigenschaften, sondern der Natur selbst, die sich erst nachher als die Trägerin jener Eigenschaften erweist
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wahrheit ist die Wahrheit des Seins
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Jedes Streben nach praktischer Vollkommenheit, nach dem vollkommenen praktischen Gegenstand, scheitert an der Wahrheit oder Wirklichkeit des Seins, das nicht gegenständlich ist.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Das Sein als praktische Idee lenkt also unser Bewußtsein aus einer Unvollkommenheit in die andere, da die Vorstellung vom Sein ja immer nur meine Vorstellung von ihm ist, das wahre Wesen der Natur aber unbekannt bleibt.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Das Sehen ist kein bestimmter Modus des Denkens oder eine Selbstgegenwart; es ist mein Mittel, von mir selbst abwesend zu sein, von innen her der Spaltung des Seins beizuwohnen, durch die allein ich meiner selbst innewerde.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist gar nicht die Rede von einem absoluten Princip des Seyns, denn gegen ein solches gelten alle jene Einwürfe, sondern von einem absoluten Princip des Wissens.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Der Dogmatismus, dem das Seyn das Ursprüngliche ist, kann überhaupt nur durch einen unendlichen Regressus erklären; denn die Reihe von Ursachen und Wirkungen, an welchen seine Erklärung fortläuft, könnte nur durch Etwas, was zugleich Ursache und Wirkung von sich ist, geschloßen werden; aber eben dadurch würde er in Natur wissenschaft verwandelt, welche selbst wiederum in ihrer Vollendung in das Princip des transscen dentalen Idealismus zurückkehrt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist hier also jene ursprüngliche Identität des Denkens und des Objects, des Erscheinens und Seyns, die wir suchten, und die sonst nirgends angetroffen wird. Das Ich ist gar nicht vor jenem Act, wodurch das Denken sich selbst zum Object wird, es ist also selbst nichts anders, als das sich Object werdende Denken, und sonach absolut nichts außer dem Denken.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Welt
    • Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet wird der Mythos, wird die Kunst, werden die Sprache und die Erkenntnis zu Symbolen: nicht in dem Sinne, daß sie ein vorhandenes Wirkliches in der Form des Bildes, der hindeutenden und ausdeutenden Allegorie bezeichnen, sondern in dem Sinne, daß jede von ihnen eine eigene Welt des Sinnes erschafft und aus sich hervorgehen läßt
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch lebt mit den Dingen nur, weil und sofern er in diesen Gestalten lebt; er erschließt die Wirklichkeit sich selbst und sich der Wirklichkeit nur dadurch, daß er die Welt wie sich selbst in dieses bildsame Medium eingehen und daß er beides in ihm sich nicht nur berühren, sondern sich miteinander durch dringen läßt.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Aber auf den höchsten Stufen ihrer Entwicklung erscheint dieser Zusammenhang gelöst. Auf jede Form der wirklichen Nachahmung wird nun verzichtet, und statt dessen tritt die Funktion der Bedeutung in reiner Selbständigkeit hervor. Je weniger jetzt die Sprachform noch danach strebt, ein, sei es unmittelbares, sei es mittelbares Abbild der gegenständlichen Welt zu bieten, je weniger sie mit dem Sein dieser Welt sich identifiziert, um so deutlicher ist sie damit zu ihrer eigentümlichen Leistung, zu ihrem spezifischen Sinn durchgedrungen
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wissenschaft trennt beständig die Elemente des einfachen „Daseins“ der Dinge, um für diese Trennung eine um so festere Verknüpfung nach allgemeingültigen Gesetzen einzutauschen. Sie setzt die Elemente des „Seins“ derart an, und stellt sie zueinander in ein derartiges Verhältnis, daß dies höchste intellektuelle Ziel, dem sie nachstrebt, aufs vollkommenste erreicht wird. Der Zusammenhang der Wahrnehmungswelt löst sich, um in einer anderen Dimension in einer neuen Weise, weil unter einer neuen gedanklichen Form, wieder zu erstehen.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • denn wer die Welt nicht schon mit den instinktiven Kräften seiner Natur zu packen sucht, der wird auch niemals dahin gelangen, sie endlich einem höheren geistigen Bewußtsein zu unterwerfen
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist ein eigentümlicher geistiger Vorgang, der zu der begrifflichen Gestaltung der Welt führt; so geläufig er uns ist, so rätselhaft muß er uns erscheinen; denn es findet bei ihm ein plötzlicher unerklärter Übergang vom Sinnlichen zum Unsinnlichen, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, von der Anschauung zur Abstraktion statt
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Der Unterwerfungskampf, den der forschende Mensch mit der Natur eingeht, macht ihn zum wissenschaftlichen Beherrscher der Welt
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • daß der Mensch zu einer geistigen Herrschaft über die Welt nicht nur im Begriff, sondern auch in der Anschauung zu gelangen imstande sei
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Wie aber soll die Natur, die in der künstlerischen Darstellung entsteht, auch ohne diese und vor ihr ein Dasein besitzen? Muß sich doch selbst der Geringste von uns seine Welt auch ihrer sichtbaren Gestalt nach produzieren; denn von nichts können wir sagen, daß es da sei, bevor es nicht in unser erkennendes Bewußtsein eingetreten ist
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Bis zu einem gewissen Grade erwirbt sich jeder Mensch dasjenige Bewußtsein der Welt, welches in seiner Steigerung zum künstlerischen Bewußtsein wird. Jeder Mensch beherbergt in seinem Kopfe eine Welt der Formen und Gestalten, eines jeden erstes Bewußtsein erfüllt sich mit der Wahrnehmung der Dinge in ihrer sichtbaren Erscheinung.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • er erwirbt und schafft sich die vielgestaltige Welt, und der erste Inhalt seines Geistes ist das Bewußtsein einer sichtbaren und greifbaren Natur. Jedes Kind befindet sich in diesem Zustande. Ihm ist die Welt die sichtbare Erscheinung, soweit sie durch seinen Geist zum Dasein gelangt; es gelangt zu einem Bewußtsein der Welt, noch ehe es von derselben irgend etwas weiß, es hat die Welt, noch ehe es das, was es hat, mit dem Ausdruck Welt bezeichnen kann.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Das dunkle Bewußtsein der Welt, welches den Inhalt seines Daseins ausmacht, erhebt sich in glücklichen Momenten zu einem klaren Schauen ; aber die augenblickliche Tätigkeit seines Geistes ist das helle Licht, welches ihm die Welt blitzartig erleuchtet
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Der entscheidende Wendepunkt für den nach Erkenntnis strebenden Geist tritt in dem Augenblicke ein, wo sich dem tieferen Nachdenken die anscheinend mit absoluter Realität ausgestattete Wirklichkeit als ein trügerischer Schein enthüllt, wo sich die Ein sicht auftut, daß das menschliche Erkenntnisvermögen nicht so einer von ihm unabhängigen Außenwelt gegenübersteht wie ein Spiegel dem Gegenstande, dessen Bild in ihm erscheint, sondern daß das, was man Außenwelt nennt, das ewig wechselnde und ununterbrochen von neuem sich erzeugende Resultat eines geistigen Vorganges ist.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch besitzt die Fähigkeit, aus Situationen zurücktreten zu können. Dies ist für die Gattung „Mensch“ kennzeichnend. Wie alle Lebewesen stehen wir in der Lebenswelt (wir „in-sistieren“)
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Solange es Menschen gibt, besteht ihre verneinende Einstellung zur Umwelt, wie man am Gebrauch des Werkzeugs ersehen kann.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch beginnt sich nicht mehr als Subjekt von Objekten, sondern als Projekt für alternative Objekte zu verstehen. Er stellt die Welt nicht mehr als etwas ihm Gegenüberstehendes dar, sondern als etwas, das er selbst entworfen hat, und sich selbst stellt er nicht mehr als der Welt unterworfen dar, sondern als Welten entwerfend. Diese Umstellung in Ontologie und Anthropologie, in der Darstellung der Welt und in der Selbstdarstellung, soll im folgenden bedacht sein.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wissenschaft stellt das Sosein als ein Zahlengefüge dar, als eine Streuung von Punktelementen, und nicht nur das Sosein, sondern ebenso das es erkennende Dasein. Beide, die objektive wie die subjektive Welt, sind kalkulierbar. Nichts ist darin unteilbar (es gibt keine A-tome oder In-dividuen), sondern alles ist immer weiter teilbar, bis es die Nulldimension erreicht hat. Atome sind in teilbare Partikel, Individuen in teilbare Bits wie Dezideme oder Aktome teilbar. Im Grunde genommen stellt die Wissenschaft sowohl das Sosein als auch das Dasein als nichts dar.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Und nichts steht technisch im Weg, die Konkretheit der „gegebenen“ Objekte zu übertreffen, etwa synthetische Bilder zu entwerfen, in denen sich alles als konkreter erweist und daher als konkreter erlebt wird, als dies bei „gegebenen“ Objekten der Fall ist. Und es stellt sich heraus, daß es gar nicht nötig ist, die technische Vollkommenheit zu erreichen, um die Konkretizität der gegebenen Welt zu übertreffen.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Die Grundkategorie der Industriegesellschaft ist Arbeit : Werkzeuge und Maschinen leisten Arbeit, indem sie Gegenstände aus der Natur reißen und sie informieren, das heißt die Welt verändern. Aber die Apparate leisten keine Arbeit in diesem Sinn. Ihre Absicht ist nicht, die Welt zu verändern, sondern die Bedeutung der Welt zu verändern. Ihre Absicht ist symbolisch.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • Die Zunahme der menschlichen Erkenntnis und das machtvolle Eindringen in die gestern noch geheimnisvollen Gesetze der Welt, die mit dem Aufdämmern unseres Jahrhunderts begannen, das Aufblühen einer neuen Kultur und einer neuen Zivilisation, mit dem in der Geschichte ohne Beispiel dastehenden Drang der breiten Volksmassen zum Besitz der Reichtümer der Natur, ein Drang, eng verbunden mit der Ausdehnung der einer vereinigten Menschheit entgegenstrebenden Völker – und, schließlich, der Krieg und die Revolution (diese Läuterungsstürme der kommenden Epoche) haben uns die Tatsache neuer, bereits entstandener und wirksamer Lebensformen vor Augen geführt.
      Gabo, Naum: Das Realistische Manifest, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Seit dem Beginn der Zeiten ist der Mensch mit nichts anderem als mit der Vervollkommnung seiner Welt beschäftigt.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Dieses einfache Beispiel zeigt recht deutlich, was vor kurzem Benjamin Lee Whorf so klar herausgestellt hat: daß nämlich die Sprache nicht bestehende Dinge oder Zusammenhänge benennt, sondern vielmehr die Welt, in der wir leben, für uns gliedert.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • daß alle Kategorien, die der menschliche Geist sich schafft, um die Welt zu begreifen und sich zu eigen zu machen, wandelbar sind, so daß jeden Augenblick neue Klassen von Dingen gebildet und bestehende Klassen aufgelöst werden können
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • natürlich wollen wir über die Dinge und Welten reden – wenn es überhaupt welche gibt –, auf die Bezug genommen wird; aber diese Dinge und Welten und auch der Stoff, aus dem sie gemacht sind – Materie, Antimaterie, Geist, Energie oder was auch immer –, werden selbst zusammen mit den Dingen und Welten geformt.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Wir beginnen jedesmal mit irgendeiner alten Version oder Welt, über die wir schon verfügen und an die wir auch so lange gebunden sind, bis wir die Entschlossenheit und Fertigkeit haben, sie zu einer neuen umzubilden.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Welterzeugung beginnt mit einer Version und endet mit einer anderen
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Denn einerseits sehen wir den Menschen in der gemeinen Wirklichkeit und irdischen Zeitlichkeit befangen, von dem Bedürfnis und der Not bedrückt, von der Natur bedrängt, in die Materie, sinnlichen Zwecke und deren Genuß verstrickt, von Naturtrieben und Leidenschaften beherrscht und fortgerissen; andererseits erhebt er sich zu ewigen Ideen, zu einem Reiche des Gedankens und der Freiheit, gibt sich als Wille allgemeine Gesetze und Bestimmungen, entkleidet die Welt von ihrer belebten, blühenden Wirklichkeit und löst sie zu Abstraktionen auf,
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Welt ist nicht die bloße Ansammlung der vorhandenen abzählbaren oder unabzählbaren, bekannten und unbekannten Dinge. Welt ist aber auch nicht ein nur eingebildeter, zur Summe des Vorhandenen hinzu vorgestellter Rahmen. Welt weltet und ist seiender als das Greifbare und Vernehmbare, worin wir uns heimisch glauben. Welt ist nie ein Gegenstand, der vor uns steht und angeschaut werden kann. Welt ist das immer Ungegenständliche, dem wir unterstehen, solange die Bahnen von Geburt und Tod, Segen und Fluch uns in das Sein entrückt halten.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt ist die sich öffnende Offenheit der weiten Bahnen der einfachen und wesentlichen Entscheidungen im Geschick eines geschichtlichen Volkes.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • So sind die ontologischen Grundlagen der Bestimmung der „Welt“ als res extensa deutlich geworden: die in ihrem Seins-sinn nicht nur ungeklärte, sondern für unaufklärbar ausgegebene Idee von Substanzialität, dargestellt auf dem Umweg über die vorzüglichste substanzielle Eigenschaft der jeweiligen Substanz. In der Bestimmung der Substanz durch ein substanzielles Seiendes liegt nun auch der Grund für die Doppeldeutigkeit des Terminus. Intendiert ist die Substanzialität und verstanden wird sie aus einer seienden Beschaffenheit der Substanz.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Ein derartiger Realismus begriff könnte in sich aufnehmen, was schon immer das konkreteste Moment im dialektischen Gegenbegriff des Modernismus gewesen ist – das Insistieren auf der radikalen Erneuerung der Wahrnehmung in einer Welt, in der Erfahrung zu Gewohnheiten und Automatismen erstarrt ist.
      Jameson, Fredric: Reflexionen über die Brecht-Lukács-Debatte, 1977 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt-Konstruktion ist aufgebaut von dynamischen Kontrasten zentrifugaler-zentripetaler Kräfte. Die gesetzmässige Einheit der Welt beruht daher auf der strengen Organisiertheit von Bewegungs-Relationen der Weltkörper, wo ein jeder Teil im Verhältnis zu der Weltbewegung funktioniert. Konstruktivität der allseitigen Dynamik fügt die Körperteile der Welt zu einer dynamischen Welt-Konstruktion zusammen.
      Kemény, Alfréd: Das dynamische Prinzip der Welt-Konstruktion im Zusammenhange mit der funktionellen Bedeutung der konstruktiven Gestaltung, 1923 Zur Textstelle navigieren
    • der Konstitution von Welt im Sehfeld
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • wir im Schauspiel der Welt angeschaute Wesen sind
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt ist also gleichsam geschlagen mit einer präsumtiven Idealisierung
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist kein unbedingt neuer, zumeist auf Wittgenstein zurückgeführter Gedanke, die Frage zu stellen, wie die Welt sich selber beobachten könne.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt besteht aus sichtbaren und aus unsichtbaren Dingen.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • muß die Welt, etwa im Sinne der Metapher Husserls, als ein Horizont begriffen werden, der sich mit allen Operationen verschiebt, ohne je erreichbar zu sein oder gar etwas außerhalb der Welt Befindliches in Aussicht zu stellen
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Alles, was in der Welt ist oder gemacht wird, ist auch anders möglich
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Zugänglich ist und bleibt die Welt natürlich nicht als Einheit, als Ganzheit, als Totalität, als mystisches „alles in einem Augenblick“, sondern nur als Bedingung und Bereich des zeitlichen Prozessierens von Sinn.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Das Kreuzen der Grenze führt nie in den unmarked space, gibt nie die Welt selbst, sondern muß immer selbst eine Bezeichnung, eine neue Bezeichnung vollziehen.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Die gegenständliche Welt ist ein Ziel.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Das ganze Weltall bewegt sich im Wirbel gegenstandsloser Erregung. Auch der Mensch mit seiner ganzen gegenständlichen Welt bewegt sich in der Unendlichkeit des Gegenstandslosen, und auch alle seine Dinge sind im Grunde gegenstandslos, da sie ja im Endergebnis das Ziel nie erreichen. Daraus ist zu folgern, daß die praktische ‚Realität‘ der Dinge nicht wirklich ist.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Durch jeden erforschten Teil glaubt man, die Realität der Welt als Ganzes zu erkennen, wobei jedes erforschte Spezialgebiet eine Welt für sich wird, die man aber mit der Welt als Ganzem für untrennbar verbunden hält.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt ist ungegenständlich
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • daß im selben Augenblick, in dem das Aufeinanderfolgen der Gleichzeitigkeit weicht, wir uns in der Welt der Struktur und Gestalt befinden? Ist nicht gerade das in der Physik wie in der Malerei, Dichtung und auf dem Gebiete der Kommunikation eingetreten?
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die sichtbare Welt ist keine Wirklichkeit mehr, und die unsichtbare Welt ist kein Traum mehr.
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Wir leben in einer von Menschen geschaffenen Welt, zwischen Gebrauchsgegenständen, in Häusern, auf Straßen, in Städten – und die meiste Zeit sehen wir all diese Dinge nur unter dem Blickwinkel der menschlichen Tätigkeiten, die in, mit oder an ihnen vorgenommen werden können.
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • daß diese hin und her flatternde Wissenschaft sich selbst versteht, daß sie sich sieht als eine Konstruktion auf einer unbearbeiteten oder bloß seienden Welt und daß sie für blinde Operationen nicht den konstituierenden Wert beansprucht, der in der idealistischen Philosophie den „Naturbegriffen“ zukam.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die sichtbare Welt und die meiner motorischen Absichten sind erschöpfende Teile desselben Seins.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Dieses erstaunliche Ineinandergreifen von Sehen und Bewegung, an das man nicht genug denkt, verbietet es, das Sehen als Denkoperation aufzufassen, die vor dem Geist ein Bild oder eine Darstellung der Welt aufbauen würde, einer Welt der Immanenz und der Ideen. Durch seinen Körper, der selbst sichtbar ist, in das Sichtbare eingetaucht, eignet sich der Sehende das, was er sieht, nicht an: Er nähert sich ihm lediglich durch den Blick, er öffnet sich auf die Welt hin. Und auf der anderen Seite ist diese Welt, von der er ein Teil ist, nicht an sich oder Materie.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Das Sehen ist nicht die Metamorphose der Dinge in ihr Gesehenwerden, die doppelte Zugehörigkeit der Dinge zur Welt im Großen und zu einer kleinen, persönlichen Welt. Es ist vielmehr ein Denken, das streng die im Körper gegebenen Zeichen entziffert. Die Ähnlichkeit ist das Ergebnis der Wahrnehmung, nicht deren Wirkmittel.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Unterdessen behauptet sich die Philosophie gegen dieses Denken, indem sie in jene Dimension des aus Seele und Körper Zusammengefügten, der existierenden Welt, des abgründigen Seins vordringt, das Descartes geöffnet und sogleich wieder verschlossen hatte.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Unserer Philosophie bleibt nur noch übrig, die wirkliche Welt zu prospektieren.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Schließlich ist die Welt um mich herum, nicht vor mir.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Das Auge vollbringt das Wunder, der Seele das zu öffnen, was nicht Seele ist, die glückselige Welt der Dinge und ihren Gott, die Sonne.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die Welt, die meiner Perspektive gemäß ist, um von mir unabhängig zu sein, die für mich ist, um ohne mich zu sein, Welt zu sein. Das „visuelle quale“ gewährt mir, und nur mir allein, die Gegenwart dessen, was nicht ich ist, dessen, was einfach und schlechthin ist.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Der Forscher nach solchen Wahrheiten sucht im Grunde nur die Metamorphose der Welt in den Menschen; er ringt nach einem Verstehen der Welt als eines menschenartigen Dinges und erkämpft sich besten Falls das Gefühl einer Assimilation.
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • denn es ist nicht wahr, dass das Wesen der Dinge in der empirischen Welt erscheint
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • dass aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut wird
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • Fortwährend verwirrt er die Rubriken und Zellen der Begriffe dadurch dass er neue Uebertragungen, Metaphern, Metonymien hinstellt, fortwährend zeigt er die Begierde, die vorhandene Welt des wachen Menschen so bunt unregelmässig folgenlos unzusammenhängend, reizvoll und ewig neu zu gestalten, wie es die Welt des Traumes ist.
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • Schon der am wenigsten vorbelastete Beobachter bringt es nicht fertig, die ihn umgebende Welt unvoreingenommen zu sehen
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Aber die Welt ist weder sinnvoll noch absurd. Ganz einfach: sie ist. Jedenfalls ist das ihr bemerkenswertestes Zeichen. Und plötzlich stößt uns diese Evidenz mit einer Kraft, gegen die wir ohnmächtig werden. Auf einmal bricht die schöne Konstruktion zusammen: als wir unversehens die Augen öffneten, erlitten wir den Stoß dieser hartnäckigen Wirklichkeit, die wir als überwunden betrachtet haben wollten.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Welt des Romans
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Außerdem verändert sich die Welt ebenfalls
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • ich höre und fühle den lebendigen Odem Gottes, der die Welt hält und trägt, in dem alles lebt und wirkt: hier ist das Höchste, was wir ahnen – Gott!
      Runge, Philipp Otto: Brief an den Bruder Daniel (9. 3. 1802), Brief an Ludwig Tieck (1. 12. 1802), 1802 Zur Textstelle navigieren
    • Die Landschaft bestände nun natürlich in dem umgekehrten Satze, daß die Menschen in allen Blumen und Gewächsen, und in allen Naturerscheinungen, sich und ihre Eigenschaften und Leidenschaften sähen; es wird mir bei allen Blumen und Bäumen vorzüglich deutlich und immer gewisser, wie in jedem ein gewisser menschlicher Geist und Begriff oder Empfindung steckt, und wird es mir so klar, daß das noch vom Paradiese her sein muß; es ist grade so das Reinste, was noch in der Welt ist und worin wir Gott oder sein Abbild – nämlich das, was Gott zu der Zeit, da er die Menschen schuf, Mensch geheißen hat – erkennen können.
      Runge, Philipp Otto: Brief an den Bruder Daniel (9. 3. 1802), Brief an Ludwig Tieck (1. 12. 1802), 1802 Zur Textstelle navigieren
    • Daß nicht nur unabhängig von uns eine Welt von Dingen außer uns existire, sondern auch daß unsere Vorstellungen so mit ihnen übereinstimmen, daß an den Dingen nichts anders ist, als was wir an ihnen vor stellen.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Nach der ersten Ueberzeugung findet ein Uebergang aus der wirklichen Welt in die Welt der Vorstellung, oder ein Bestimmtwerden der Vorstellung durch ein Objectives, nach der zweyten ein Uebergang aus der Welt der Vorstellung in die wirkliche, oder ein Bestimmtwerden des Objectiven durch eine (frey entworfene) Vorstellung in uns statt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Wie zugleich die objective Welt nach Vorstellungen in uns, und Vorstellungen in uns nach der objectiven Welt sich bequemen, ist nicht zu begreifen, wenn nicht zwischen den beyden Welten, der ideellen und der reellen, eine vorherbestimmte Harmonie existirt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Niemand wird wohl leugnen, daß derjenige Mensch wenigstens, den wir kennen, nur in einer Welt existiren könne.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch bedarf aber nicht nur einer Welt außer sich, welche bald Veranlassung, bald Element, bald Organ seiner Thätigkeit werde; sondern sogar im Mittelpunkte seines eignen Wesens hat sein Feind – die ihm entgegengesetzte Natur – noch Wurzel gefaßt.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Endlich lehrte die Erfahrung, d. h. das Studium der natürlichen Erscheinungen, dem Menschen, dass sich die Wahrheiten der äusseren Welt weder im Gefühl noch im Verstande sogleich formuliert vorfinden. Sie sind bloss unsere durchaus notwendigen Führer; um jedoch jene Wahrheiten zu erhalten, muss man notwendiger Weise in die objektive Realität der Dinge hinuntersteigen, wo sie sich mit ihrer phänomenellen Form verborgen finden.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • wirklich
    • Fragt man sich nun, welche von den verschiedenen Aktivitäten des Geistes wirklich sei oder ob alle wirklich seien, muß man antworten: keine ist wirklich ; denn wirklich ist allein die Aktivität aller dieser Aktivitäten, die auf keiner im besonderen beruht: von den verschiedenen Synthesen, die wir nacheinander unterschieden haben – ästhetische, logische, praktische Synthese – ist allein wirklich die Synthese der Synthesen, der Geist, der das wahre Absolute ist, der actus purus. Doch nach einer anderen Seite hin, und aus dem gleichen Grund sind alle wirklich, nämlich in der Einheit des Geistes im ewigen Lauf und Rücklauf, der ihre ewige Konstanz und Realität ist.
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Was bedeutet der Ausdruck „wirklich“, wenn er auf die historische Vergangenheit angewandt wird? Was sagen wir überhaupt, wenn wir sagen, daß etwas „wirklich“ geschehen ist?
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Wirkliche, das
    • Die mannigfachen Begriffe, in welche sich eine Veränderung auflöst, sind also ebenso viele stabil gewordene Erscheinungsweisen der Instabilität des Wirklichen. Und ein Objekt denken, im gebräuchlichen Sinn des Wortes ‚denken‘, bedeutet, von seiner Beweglichkeit eine oder mehrere unbewegliche Ansichten aufnehmen.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Unser Intellekt, wenn er seiner natürlichen Neigung folgt, geht durch feste Wahrnehmungen einerseits und durch beharrende Begriffe andererseits vor. Er geht vom Unbeweglichen aus und begreift die Bewegung nur als Funktion der Unbeweglichkeit und nur in dieser drückt er sie aus. Er setzt sich in den fertigen Begriffen fest und bemüht sich, darin wie in einem Netz etwas von der vorübergehenden Realität zu fangen. Zweifellos geschieht dies nicht, um eine innere und metaphysische Erkenntnis des Wirklichen zu erlangen.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Der antike Wirklichkeitsbegriff, wie er Platos Ideenlehre die Möglichkeit bietet, ohne mit ihr identisch zu sein, setzt voraus, daß das Wirklche [sic] sich als solches von sich selbst her präsentiert und im Augenblick der Präsenz in seiner Überzeugungskraft unwidersprechlich da ist.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Für Descartes gibt es keine momentane Evidenz des letztgültig Wirklichen, weder für das sich selbst in einem Quasi-Schluß erfassende Subjekt noch für den aus seinem Begriff als existent deduzierten Gott.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Was einmal im Wort oder Namen fest gehalten ist, das erscheint nunmehr nicht nur als ein Wirkliches, sondern geradezu als das Wirkliche.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt nichts Wirkliches außer uns, wirklich ist nur das Zusammentreffen einer Wahrnehmung und einer individuellen geistigen Orientierung. Der Gedanke liegt uns fern, die Existenz der Gegenstände, welche unsere Sinne wahrnehmen, in Zweifel zu ziehen; Sicherheit gibt uns die Vernunft aber nur in bezug auf die Vorstellungen, welche sie in unserem Geist hervorrufen.
      Gleizes, Albert; Metzinger, Jean: Über den Kubismus, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Das Wahre, das Wirkliche ist nur in der Erregung.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Wirklichkeit
    • Der alle einzelnen Subjekte übergreifende und umgreifende Horizont der Zeit setzt das einzelne Subjekt mit „seiner“ Wirklichkeit entweder ins Unrecht oder gibt ihm die Noch-Zulässigkeit einer perspektivischen Position, eines topologisch zuordnungsfähigen Aspektes von Realität.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit ist hier das ganz und gar Unverfügbare, was sich nicht als bloßes Material der Manipulation und damit der ständig umsteuerbaren Erscheinung unterwerfen läßt, was vielmehr in der Technisierung nur scheinbar und zeitweise in Dienst genommen worden ist, um sich dann in seiner überwältigenden Eigengesetzlichkeit und einer seine Erzeuger tyrannisierenden Mächtigkeit zu enthüllen als ein ‚factum brutum‘, von dem nachträglich nur noch behauptet, aber nicht mehr vorgestellt werden kann, daß es aus einem freien und konstruktiven Prozeß des Erdachtwerdens einmal hervorgegangen sein könnte.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • in der unübersteigbaren Evidenz des Urbildes ist Wirklichkeit als Verbindlichkeit zu erfahren
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Entsprechung der Erkenntnis zu ihren Gegenständen ist nicht mehr material, sondern funktional. Die immanente Konsistenz des Zeichensystems der Begriffe bleibt die einzige, aber auch die zureichende ‚Adäquation‘ zu der gegebenen Wirklichkeit.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit stellt sich immer schon und immer nur als eine Art von Text dar, der dadurch als solcher konstituiert wird, daß er bestimmten Regeln der inneren Konsistenz gehorcht. Wirklichkeit ist für die Neuzeit ein Kontext
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • einen ebensolchen Abfall vom Wesen der gegenständlichen Wirklichkeit und der unmittelbaren Erlebniswirklichkeit scheinen nun auch alle anderen Prozesse geistiger Formung zu bedeuten. Denn sie alle erfassen niemals das Wirkliche selbst, sondern sie müssen, um es darzustellen, um es in irgendeiner Weise festhalten zu können, zum Zeichen, zum Symbol ihre Zuflucht nehmen
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn Kant den Begriff der „Wirklichkeit“ dadurch definiert, daß als „wirklich“ jeder Inhalt der empirischen Anschauung zu bezeichnen sei, sofern er nach allgemeinen Gesetzen bestimmt und dadurch in den einheitlichen „Kontext der Erfahrung“ eingeordnet sei, – so hat er damit den Wirklichkeitsbegriff des diskursiven Denkens erschöpfend bezeichnet. Das mythische und das primäre sprachliche Denken aber kennt zunächst keinen derartigen „Kontext der Erfahrung“
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • tritt uns die mythisch-religiöse Welt und die Kunst als je eine besondere symbolische Form entgegen. Denn in ihnen allen prägt sich das Grundphänomen aus, daß unser Bewußtsein sich nicht damit begnügt, den Eindruck des Äußeren zu empfangen, sondern daß es jeden Eindruck mit einer freien Tätigkeit des Ausdrucks verknüpft und durchdringt. Eine Welt selbstgeschaffener Zeichen und Bilder tritt dem, was wir die objektive Wirklichkeit der Dinge nennen, gegenüber und behauptet sich gegen sie in selbständiger Fülle und ursprünglicher Kraft.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • alle kennen die überaus lebhaften Befriedigungen des Wissens und der Wissenschaft; alle kennen aus Erfahrung den heißen Wunsch, das Antlitz der von unseren Illusionen verhüllten Wirklichkeit zu schauen
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • was es mit dieser Ruhe für eine Bewandtnis hat: scheinbar Erhebung und Vollendung ist sie tatsächlich Negation der Wirklichkeit ; man erreicht sie freilich, aber sie heißt der Tod : der Tod des Individuums, nicht der Wirklichkeit
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Kunst nicht verurteilt ist, in den Niederungen einer Wirklichkeit hinzuschleichen, die die Wirklichkeit aller Menschen ist, daß sie aber auch nicht den zweifelhaften Beruf hat, aus einem fabelhaften Reiche herabzusteigen, um den Menschen aus der Wirklichkeit zu erlösen
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • So gefaßt, ist die Idee als ihrem Begriff gemäß gestaltete Wirklichkeit das Ideal.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit des Werkes
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit des Werkes
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • die Welt der vorhandenen Werke ist zerfallen
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit des Werkes
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Die actualitas wird zur Wirklichkeit. Die Wirklichkeit wird zur Gegenständlichkeit. Die Gegenständlichkeit wird zum Erlebnis. In der Weise, wie für die abendländisch bestimmte Welt das Seiende als das Wirkliche ist
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • kann der Mensch doch niemals behaupten, daß seine Existenz und die Bewertung seiner Wahrnehmungen echte Wirklichkeit ist.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Mit Verstand bewaffnet tritt der Mensch zum Angriff auf die Weltwirklichkeit an, die keinen Anfang und kein Ende hat, kein Fundament, kein Dach.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • es kein Objekt gibt, das man als ‚ Wirklichkeit ‘ bezeichnen könnte.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Alle Wirklichkeit, wissen wir, bleibt hinter dem Ideale zurück; alles existierende hat seine Schranken, aber der Gedanke ist grenzenlos.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • [Andere]
    • Ein letzter hier noch zu besprechender Wirklichkeitsbegriff orientiert sich an der Erfahrung von Widerstand.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die das Wirklichkeitsbewußtsein vom Denken trennt und in die Sphäre der unverfügbaren Erfahrungen des Subjekts mit sich selbst verlegt.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • denn gerade dies ist für die mythische Auffassung bezeichnend, daß sie dort, wo wir eine bloße „Analogie“, eine bloße Beziehung der Ähnlichkeit erblicken, die zwischen zwei verschiedenen und selbständigen Elementen stattfindet, in Wahrheit nur ein einziges Ding vor sich sieht. Sie trennt nicht das verschiedenartige Besondere nach generischen Ähnlichkeiten ab; sondern jede Ähnlichkeit ist ihr der unmittelbare Ausdruck einer Identität des Wesens.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • So stellen sich die physischen Tatsachen durch ihre innere Logik und nach allgemeiner Übereinstimmung nicht so sehr als eine Wirklichkeit dar, sondern als eine Konstruktion unserer Vernunft zum Zweck der Wissenschaft
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • als sie Philosophie und Geschichte identifizierten, und welche die Menschen von klarem Verstand auf ihre Weise jedesmal entdecken, wenn sie beobachten, daß die in der Luft schwebenden Ideen Phantasmen und das, was allein wahr und allein wert ist erkannt zu sein, die geschehenden Tatsachen, die realen Tatsachen sind
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • das Abbild des Soseins beginnt, sich in ein Vorbild für das Seinsollen zu verwandeln
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Wir könnten bestenfalls die Sorte der Termini, das Vokabular, angeben, das er verwenden soll; wir könnten ihm sagen, daß er das, was er sieht, in phänomenalen oder Wahrnehmungsausdrücken statt in physikalischen Termini beschreiben soll. Ob dies nun andere Antworten ergibt oder nicht, es wirft ein völlig anderes Licht auf das, was geschieht. Daß die Instrumente, die zur Verfertigung der Tatsachen verwendet werden sollen, spezifiziert werden müssen, macht jede Identifikation des Physikalischen mit dem Realen und des Perzeptiven mit dem bloß Erscheinenden hinfällig. Das Perzeptive ist ebensowenig eine ziemlich verzerrte Version der physikalischen Tatsachen, wie das Physikalische eine höchst artifizielle Version der perzeptiven Tatsachen ist. Wenn wir nun zu sagen versucht sind, ‚beides sind Versionen derselben Tatsachen‘, dann darf dies nicht so aufgefaßt werden, als wäre damit impliziert, es gebe unabhängige Tatsachen, von denen beides Versionen sind, ebensowenig wie die Bedeutungsgleichheit zwischen zwei Termini impliziert, es gebe irgendwelche Entitäten, die Bedeutungen genannt werden. ‚Tatsache‘ ist ebenso wie ‚ Bedeutung ‘ ein synkategorematischer Ausdruck; denn schließlich sind Tatsachen oder ‚Fakten‘ offensichtlich etwas Gemachtes.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Daß die Instrumente, die zur Verfertigung der Tatsachen verwendet werden sollen, spezifiziert werden müssen, macht jede Identifikation des Physikalischen mit dem Realen und des Perzeptiven mit dem bloß Erscheinenden hinfällig. Das Perzeptive ist ebensowenig eine ziemlich verzerrte Version der physikalischen Tatsachen, wie das Physikalische eine höchst artifizielle Version der perzeptiven Tatsachen ist.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • So wie Bedeutungen zugunsten bestimmter Beziehungen zwischen Termini verschwinden, so verschwinden Tatsachen zugunsten bestimmter Beziehungen zwischen Versionen.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • daß Wahrheit anders gedacht werden muß denn als Korrespondenz mit einer fertigen Welt. Obwohl wir Welten erzeugen, indem wir Versionen erzeugen, erzeugen wir ebensowenig eine Welt, indem wir Symbole nach dem Zufallsprinzip zusammenfügen, wie der Schreiner einen Stuhl macht, indem er Holzstücke zufällig zusammenfügt. Die vielen Welten, die ich zulasse, sind gerade die wirklichen Welten, die durch wahre oder richtige Versionen erzeugt werden und die diesen Versionen entsprechen. Mögliche oder unmögliche Welten, die angeblich falschen Versionen entsprechen, haben in meiner Philosophie keinen Platz.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Mit dem freyen, selbstbewußten Wesen tritt zugleich eine ganze Welt – aus dem Nichts hervor – die einzig wahre und gedenkbare Schöpfung aus Nichts
      Hegel, G. W. Fr.; Schelling, Friedrich W. J.; Hölderlin, Friedrich: Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Aus diesem Standpunkte, welcher der Kunst in ihrer höchsten, wahrhaften Würde gebührt, erhellt sogleich, daß sie mit Religion und Philosophie sich auf demselben Gebiete befindet. In allen Sphären des absoluten Geistes enthebt der Geist sich den beengenden Schranken seines Daseins, indem er sich aus den zufälligen Verhältnissen seiner Weltlichkeit und dem endlichen Gehalte seiner Zwecke und Interessen zu der Betrachtung und dem Vollbringen seines Anundfürsichseins erschließt.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • An sich selbst nämlich, seinem Begriffe nach, ist das Subjekt das Totale, nicht das Innere allein, sondern ebenso auch die Realisation dieses Inneren am Äußeren und in demselben.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Die Betrachtungen über Descartes sollten zur Einsicht bringen, daß der scheinbar selbstverständliche Ausgang von den Dingen der Welt, ebensowenig wie die Orientierung an der vermeintlich strengsten Erkenntnis von Seiendem, die Gewinnung des Bodens gewährleisten, auf dem die nächsten ontologischen Verfassungen der Welt, des Daseins und des innerweltlichen Seienden phänomenal anzutreffen sind.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Glauben an die Realität der „Außenwelt“, ob mit Recht oder Unrecht, beweisen dieser Realität, ob genügend oder ungenügend, sie voraussetzen, ob ausdrücklich oder nicht, dergleichen Versuche setzen, ihres eigenen Bodens nicht in voller Durchsichtigkeit mächtig, ein zunächst weltloses bzw. seiner Welt nicht sicheres Subjekt voraus, das sich im Grunde erst einer Welt versichern muß. Das In-einer-Welt-sein wird dabei von Anfang an auf ein Auffassen, Vermeinen, Gewißsein und Glauben gestellt, eine Verhaltung, die selbst immer schon ein fundierter Modus des In-der-Welt-seins ist.
      Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Mit dem Übergang von der Beobachtung erster Ordnung zur Beobachtung zweiter Ordnung ändert sich das, was als Welt vorausgesetzt ist.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Kontingenz der normalen Realitätssicht
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Descartes ‘ ‚ Dioptrique ‘ ist ein solcher Versuch. Sie ist das Brevier eines Denkens, das sich dem Spuk des Sichtbaren entziehen will und entschlossen daran geht, es nach dem Modell zu rekonstruieren, das es sich davon macht.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Sie sind tief eingetaucht in Illusionen und Traumbilder, ihr Auge gleitet nur auf der Oberfläche der Dinge herum und sieht „Formen“, ihre Empfindung führt nirgends in die Wahrheit, sondern begnügt sich Reize zu empfangen und gleichsam ein tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge zu spielen.
      Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch war der Grund aller Dinge, der Schlüssel zum Universum und dessen natürlicher Herr von Gottes Gnaden...
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Wie können wir jene scheinbar harte Form geistig gleichsam schmelzen, daß die lautre Kraft der Dinge mit der Kraft unseres Geistes zusammenfließt, und aus beiden nur Ein Guß wird? Wir müssen über die Form hinausgehen, um sie selbst verständlich, lebendig und als wahrhaft empfundene wiederzugewinnen.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Die höchste Vervollkommnung der Naturwissenschaft wäre die vollkommene Vergeistigung aller Naturgesetze zu Gesetzen des Anschauens und des Denkens. Die Phänomene (das Materielle) müssen völlig verschwinden, und nur die Gesetze (das Formelle) bleiben.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Die postulirte Anschauung soll zusammenfassen, was in der Erscheinung der Freyheit, und was in der Anschauung des Naturproducts getrennt existirt, nämlich Identität des Bewußten und Bewußtlosen im Ich, und Bewußtseyn dieser Identität. Das Product dieser Anschauung wird also einerseits an das Naturproduct, andererseits an das Freyheitsproduct gräntzen, und die Charaktere beyder in sich vereinigen müssen. Kennen wir das Product der Anschauung, so kennen wir auch die Anschauung selbst, wir brauchen also nur das Product abzuleiten, um die Anschauung abzuleiten.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Du unterwirfst dich also, wenn es freiwillig geschieht, nicht der Naturnotwendigkeit selbst, sondern der Idee derselben
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Der gemeine Empiriker hingegen unterwirft sich der Natur als einer Macht, und mit wahlloser blinder Ergebung.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Der Fehler, zu dem wir neigen, könnte folgendermaßen ausgedrückt werden: Wir suchen nach dem Gebrauch eines Zeichens, aber wir suchen nach ihm, als ob er ein Gegenstand wäre, der mit dem Zeichen in Koexistenz ist. (Einer der Gründe für diesen Fehler ist wiederum, daß wir nach einem „Ding“ suchen, „das dem Substantiv entspricht“.)
      Wittgenstein, Ludwig: Bedeutung und Verstehen, 1918 Zur Textstelle navigieren
    • Jedoch ist man versucht, sich das, was dem Satz Leben gibt, als etwas in einer geheimnisvollen Sphäre vorzustellen, das den Satz begleitet. Aber was es auch sei, das ihn begleitet, es wäre für uns nur ein anderes Zeichen.
      Wittgenstein, Ludwig: Bedeutung und Verstehen, 1918 Zur Textstelle navigieren
    • Determismus [sic] der Erscheinungen
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
Struktur-Verhältnis-Funktion
  • Bild
    • Es geht nicht mehr um das Überleben des Menschen, sondern weit allgemeiner um die Schaffung eines ideellen Universums nach dem Bilde des wirklichen, das eine von diesem unabhängige Zeitlichkeit hat.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Die logische Unterscheidung zwischen dem Imaginären und dem Realen verschwindet mehr und mehr. Jedes Bild muß als Gegenstand und jeder Gegenstand als Bild empfunden werden.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • eine Kunst, in der das Bild vor allem zählt, weil es die Realität enthüllt, nicht weil es ihr etwas hinzufügt.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Das Bild ist eine reine Schöpfung des Geistes. Es kann nicht aus einem Vergleich entstehen, vielmehr aus der Annäherung von zwei mehr oder weniger voneinander entfernten Wirklichkeiten. Je entfernter und je genauer die Beziehungen der einander angenäherten Wirklichkeiten sind, um so stärker ist das Bild – um so mehr emotionale Wirkung und poetische Realität besitzt es... usw. Nord-Sud, März 1918
      Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
    • In diesem hat das Bild aufgehört, ein bloß von außen Empfangenes zu sein; es ist zu einem von innen her Gebildeten geworden, in dem ein Grundprinzip freien Bildens waltet. Dies ist die Leistung, die wir in den einzelnen „symbolischen Formen“, die wir in der Sprache, im Mythos, in der Kunst sich vollziehen sehen. Jede dieser Formen nimmt vom Sinnlichen nicht nur ihren Ausgang, sondern sie bleibt auch ständig im Kreise des Sinnlichen beschlossen.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Das Bild soll aussehen wie der abgebildete Gegenstand und der abgebildete Gegenstand wie das Bild. Wenn sie dieses Versprechen eingelöst hat, verbeugt sie sich vor dem Publikum und tritt ab. Sie macht keinerlei Anspruch darauf, uns zeigen zu können, wie uns die Dinge erscheinen.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • daß nur ein Bild uns dazu verhelfen kann, die Natur als Bild zu sehen
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Deshalb können Bilder ganz ähnlich wie Termini Tatsachen erzeugen und präsentieren, also an der Welterzeugung teilhaben. Tatsächlich ist unser alltägliches sogenanntes Weltbild das vereinte Produkt von Beschreibung und Abbildung.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Um ein getreues Bild herzustellen, muß man dem Kopieren des Gegenstandes, so wie er ist, möglichst nahekommen
      Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
    • Die erwähnte, erst keimende große Realistik ist ein Streben, aus dem Bilde das äußerliche Künstlerische zu vertreiben und den Inhalt des Werkes durch einfache („unkünstlerische“) Wiedergabe des einfachen harten Gegenstandes zu verkörpern.
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Das bewegliche Bild ist eine sichtbare Darstellung des ‚Ins-Sein-Kommens’
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Die Reinheit des Films und dessen unübertragbare Kraft zeigt sich nicht etwa in einer symbolischen Schärfe der Bilder, und seien diese noch so kühn, sondern darin, daß die Bilder die Konkretheit und Unwiederholbarkeit eines realen Faktums zum Ausdruck bringen.
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn wir intendieren leben wir unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen.
      Wittgenstein, Ludwig: Intentionalität, 1932 Zur Textstelle navigieren
  • Dasein
    • Es gibt, ja es kann nur eine Realität geben – das Dasein. Für die konstruktive Idee ist es wichtiger, die Hauptsache zu wissen und anzuwenden, nämlich, daß die Kunst auf ihrem eigenen Gebiet die Mittel besitzt, um den Lauf dieses Daseins zu beeinflussen, indem sie seinen Inhalt bereichert und seine Energien anfacht.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • um die natürliche Erfahrung unseres äußerlichen Daseins zu ergänzen, und andererseits jene Leidenschaften überhaupt erregen, damit die Erfahrungen des Lebens uns nicht ungerührt lassen
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Alles Existierende hat deshalb nur Wahrheit, insofern es eine Existenz ist der Idee. Denn die Idee ist das allein wahrhaft Wirkliche. Das Erscheinende nämlich ist nicht dadurch schon wahr, daß es inneres oder äußeres Dasein hat und überhaupt Realität ist, sondern dadurch allein, daß diese Realität dem Begriff entspricht. Erst dann hat das Dasein Wirklichkeit und Wahrheit.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Ding
    • Nur der Maler hat das Recht, seinen Blick auf alle Dinge zu werfen, ohne zu ihrer Beurteilung verpflichtet zu sein.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • das Herz der Dinge zu erreichen
      Woolf, Virginia: Die schmale Brücke der Kunst, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Erde
    • Indem das Werk eine Welt aufstellt, stellt es die Erde her. Das Herstellen ist hier im strengen Sinne des Wortes zu denken. Das Werk rückt und hält die Erde selbst in das Offene einer Welt. Das Werk läßt die Erde eine Erde sein.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Leben
    • Als rein gemachte, hergestellte, sind Kunstwerke, auch literarische, Anweisungen auf die Praxis, deren sie sich enthalten: die Herstellung richtigen Lebens.
      Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt keine Fiktion mehr, der sich das Leben, noch dazu siegreich, entgegenstellen könnte – die gesamte Realität ist zum Spiel der Realität übergegangen
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • Es liegt im Interesse des Volkes, der breiten, arbeitenden Massen, von der Literatur wirklichkeitsgetreue Abbildungen des Lebens zu bekommen, und wirklichkeitsgetreue Abbildungen des Lebens dienen tatsächlich nur dem Volk, den breiten, arbeitenden Massen, müssen also unbedingt für diese verständlich und ergiebig, also volkstümlich sein
      Brecht, Bertolt: Volkstümlichkeit und Realismus, 1938 Zur Textstelle navigieren
    • Man muß in jedem einzelnen Fall die Schilderung des Lebens (statt nur mit einer anderen Schilderung) mit dem geschilderten Leben selber vergleichen
      Brecht, Bertolt: Volkstümlichkeit und Realismus, 1938 Zur Textstelle navigieren
    • Die Grundlage der konstruktiven Idee in der Kunst ist ein völlig neuer Zugang zum Wesen der Kunst und ihrer Funktionen im Leben.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Die konstruktive Idee sieht und wertet die Kunst nur als schöpferischen Akt. Der schöpferische Akt ist jede materielle oder spirituelle Arbeit, die dazu bestimmt ist, die Substanz des materiellen und geistigen Lebens anzuregen oder zu vervollkommnen.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Die Trennlinie zwischen Kunst und Leben sollte so fließend und vielleicht auch so undeutlich wie möglich gehalten werden.
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Warum sollte ein Künstler also nicht ein Happening ansetzen, das sich über mehrere Tage, Monate oder Jahre erstreckt und ständig in das Alltagsleben der Vorführenden hinein- und wieder herausschlüpft?
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Bilder, Musikstücke, Gedichte oder Schauspiele, die alle jeweils durch den Bildrahmen oder eine fixe Anzahl von Takten, Strophen oder Aufzügen begrenzt werden, gestatten einfach nicht, die Barriere zwischen Kunst und Leben zu durchbrechen. Und eben das ist das Ziel.
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Gewiß sind große Werke möglich, und man darf auch erwarten, daß es sie geben wird, aber als Augenblicke tiefer Einsicht in das Funktionieren der Dinge, als Nachahmungen des Lebens sozusagen, und nicht als künstlerische Tour de force, d. h. als bloße Kosmetik.
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • daß ein gestellter Vorgang aus dem realen Leben auf der Leinwand eine stärkere Illusion der Realität erweckt, als dies der originale Vorgang tun würde, wäre er direkt von der Kamera aufgenommen worden.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Filme tendieren dazu, dieses Gewebe des täglichen Lebens zu entfalten, Siehe S. 109-11 dessen Komposition je nach Ort, Volk und Zeit wechselt. So helfen sie uns, unsere gegebene materielle Umwelt nicht nur zu würdigen, sondern überall hin auszudehnen. Sie machen aus der Welt virtuell unser Zuhause.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Bis heute gab es keine rein malerischen Versuche, ohne all die Attribute des wirklichen Lebens.
      Malewitsch, Kasimir S.: Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung, 1916 Zur Textstelle navigieren
    • Sie läßt uns in Abwesenheit des wirklichen Gegenstandes sehen, wie man den wirklichen Gegenstand im Leben sieht, und vor allem läßt sie uns Raum sehen, wo keiner ist.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Über die Lektüre kehrt die Literatur zum Leben zurück, das heißt ins praktische und pathische Feld der Existenz.
      Ricœur, Paul: Poetik der Erzählung: Geschichte, Fiktion, Zeit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • Ist der Mensch in den Stand der Kultur getreten, und hat die Kunst ihre Hand an ihn gelegt, so ist jene sinnliche Harmonie in ihm aufgehoben, und er kann nur noch als moralische Einheit, d. h. als nach Einheit strebend, sich äußern. Die Übereinstimmung zwischen seinem Empfinden und Denken, die in dem ersten Zustande wirklich statt fand, existiert jetzt bloß idealisch ; sie ist nicht mehr in ihm, sondern außer ihm; als ein Gedanke, der erst realisiert werden soll, nicht mehr als Tatsache seines Lebens.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Sinn des Lebens und der menschlichen Existenz zu erklären
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • reine, subtile und komplexe Beobachtung des Lebens
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Und deshalb sollte man auch Beobachtungen aus dem Leben sammeln und nicht etwa Schablonen und seelenlose Konstruktionen eines falschen, zum Zwecke filmischer Expressivität vorgetäuschten Lebens.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der noch unbenannte neue Roman wird also aus einem gewissen Abstand zum Leben geschrieben werden, weil sich auf diese Weise ein umfassenderer Blick auf einige wichtige Erscheinungen gewinnen läßt.
      Woolf, Virginia: Die schmale Brücke der Kunst, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Mimesis
    • Das soll nicht heißen, daß die Mimesis verschwände, obwohl es nun zu einer graduellen Umverteilung der Gewichte kommt, wenn es eine offene Welt oder gar eine sich ständig realisierende Wirklichkeit zu repräsentieren gilt.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • nachahmen
    • Wahrnehmungsbedingungen nachzuahmen
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • müssen Formen der Wahrnehmbarkeit nachgeahmt werden, die es erlauben, Naturphänomene entsprechend zu sehen, wenngleich die nachgeahmten Wahrnehmungsbedingungen wiederum nicht Gegenstand der durch das Bild beabsichtigten Mimesis sind.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Nachahmung
    • Den Weg von der Nachahmung zum reinen Symbol muß die Kunst durchmessen, wie ihn die Sprache durchmißt: und nur auf ihm wird der „Stil“ der Kunst, wie der Stil der Sprache erreicht.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Oder soll gar mit dem Satz, die Kunst sei das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit, jene glücklich überwundene Meinung wieder aufleben, die Kunst sei eine Nachahmung und Abschilderung des Wirklichen?
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Was sich in den Mimesis-Theorien als Differenz zwischen Vorgabe und Nachahmung höhlt, wird dort zum Riß, wo die Performanz Zu den anthropologischen Implikationen vgl. Victor Turner, The Anthropology of Performance, New York 1987, der den ethnographischen Hintergrund der Performanz durch die kulturspezifische narrative Paradigmatik detailliert, bes. pp. 33-71; dazu ferner Victor Turner, „Are there Universals of Performance?, with an introduction by Barbara Babcock, ‘The Arts and all the things common: Victor Turner's literary anthropology’”, in: Comparative Criticism 9 (1987), pp. 35-58. dominiert.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Natur
    • Auf der Photographie, diesem natürlichen Bild einer Welt, die wir nicht zu sehen verstanden oder vermochten, tut die Natur endlich mehr, als die Kunst nachzuahmen: sie ahmt den Künstler nach.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Die moderne Kunst ist von dem Zwang zur ständigen Widerlegung ihrer Abhängigkeit von der vorgegebenen Natur nicht freigeworden
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Film als „einer Dramaturgie der Natur“
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mythos des Films besteht darin, daß die Natur ihre Behandlung durch uns ebenso überlebt wie ihren Verlust an Verzauberung für uns, daß Gemeinschaft möglich bleibt, auch wenn uns die Autorität der Gesellschaft versagt wird.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Heute möchte die Kunst die realen Bezüge, in denen die Menschen untereinander und mit der Natur stehen, die Wirklichkeitsordnung, deren Gesetzen wir Untertan sind, im Kunstwerk erblicken lassen.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Die unerschütterlichen Formen und großen Bildungsgesetze der Natur, zu denen wir in festen Verhältnissen leben, müssen herausgehoben werden.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Nicht der Künstler bedarf der Natur, vielmehr bedarf die Natur des Künstlers. Nicht was die Natur ihm so gut wie jedem anderen bietet, weiß der Künstler nur anders als ein anderer zu verwerten, vielmehr gewinnt die Natur nach einer gewissen Richtung hin erst durch die Tätigkeit des Künstlers für diesen und für jeden, der ihm auf seinem Wege zu folgen vermag, ein reicheres und höheres Dasein.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Um die Mittel zur Durchführung dieser Aufgabe zu finden, braucht der Künstler nicht in der äußeren Natur zu suchen. Er ist fähig, seine Impulse in der Sprache jener absoluten Formen auszudrücken, die substantieller Besitz seiner Kunst sind.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • die Idee der Erfindung und die Idee der Nachahmung der Natur
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Aus der Geschichte der Malerei geht aber hervor, daß alle derartigen Entdeckungen einen systematischen Vergleich der alten Errungenschaften mit den neuen Motiven zur Voraussetzung haben oder, anders ausgedrückt, eine versuchsweise Projektion bekannter Kunstwerke in die Natur, um festzustellen, inwiefern man die Natur tatsächlich in dieser Weise sehen könne.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Dabei handelt es sich nicht darum, ob die Natur wirklich so aussieht wie diese technischen Kunstgriffe, sondern ob Bilder, die sie enthalten, eine Deutung im Sinne eines Naturvorbildes herausfordern
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Daß ein Bild wie die Natur aussieht, bedeutet oft nur, daß es so aussieht, wie die Natur gewöhnlich gemalt wird
      Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
    • Eine dritte Ansicht, welche die Vorstellung vom Kunstwerk als einem Produkte menschlicher Tätigkeit betrifft, bezieht sich auf die Stellung des Kunstwerks zu den äußeren Erscheinungen der Natur. Hier lag dem gewöhnlichen Bewußtsein die Meinung nahe, daß das Kunstprodukt des Menschen dem Naturprodukte nach stehe.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur braucht die Mimesis nicht, und selbst wenn die techne vollkommene Extrapolation des erzeugenden Prinzips der Natur wäre, so ist sie als Extrapolation immer auch eine Differenz zur Natur. Brächte die Natur die techne selbst hervor, dann entstünde durch diese Verdoppelung Redundanz, weil die Natur die Möglichkeit ihrer Vollendung als Wirklichkeit immer schon in sich trägt und folglich nicht der techne des ‚Künstlers‘ bedarf, um zu erreichen, was sie ist.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Die techne holt lediglich die morphé aus ihrer Verborgenheit und vollendet die Natur dort, wo sich Unvollendetes zeigt, das wiederum nur ein solches für den Menschen sein kann. Die techne leistet daher keine Reparatur der Natur – was auch unnötig wäre –, sondern ist in der Nachahmung eines ihr vorgegebenen Gegenstandes dessen Vergegenständlichung.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Die schöne Kunst zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge, die in der Natur häßlich oder mißfällig sein würden, schön beschreibt.
      Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
    • die Natur im Rohzustand zu reproduzieren
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Fotografen kopieren die Natur nicht bloß, sondern verwandeln sie dadurch, daß sie dreidimensionale Erscheinungen ins Flächenhafte übertragen und so aus dem Zusammenhang ihrer Umwelt lösen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • der Fotograf sich dabei an den Text der Natur gehalten hat
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • dann erkundet er die Natur nicht mehr, sondern benutzt sie zu einer pseudo-realistischen Darstellung seiner eigenen Vision
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Natur im Rohzustand wiederzugeben
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Strenggenommen stellen Malerei, Literatur, Theater usw., soweit sie Natur überhaupt einbeziehen, diese gar nicht dar. Sie benutzen sie vielmehr als Rohmaterial für Werke, die den Anspruch auf Autonomie stellen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Die besondere Kunst, die sich in filmischen Filmen bewährt, muß auf die Fähigkeit ihrer Schöpfer zurückgeführt werden, im Buch der Natur zu lesen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Nach der Natur malen heißt für einen Impressionisten nicht, den Gegenstand malen, sondern Empfindungen realisieren
      Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • die Natur, das heißt jene ursprüngliche Echtheit, die ihre weder sinn- noch zweckgenbundene [sic] Arbeit verrichtet und sich uns ohne Ziel und Sinn offenbart.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Maler bauen ihre Werke auf der Geometrie der Natur auf.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Werke der Malerei aber zeigen, daß sich in ihnen die Geometrie der Natur verändert.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Auch sie gab die Natur wieder und erfüllte damit die Funktion eines Weltbildes, indem sie Bezeichnungen der Einzelerscheinungen dieses Weltbildes für die Wirklichkeit ansah.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • den Eindruck vom Zustand der bewegten Natur wiedergeben
      Malewitsch, Kasimir S.: Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung, 1916 Zur Textstelle navigieren
    • Cézannes Malerei bricht mit dieser Gewohnheit und enthüllt den Boden einer unmenschlichen Natur, auf dem der Mensch sich einrichtet.
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Nach der Tradition bestand die Rolle des Schriftstellers darin, der Natur nachzuforschen, sich in sie zu vertiefen, um die untersten Schichten zu erreichen und Fragmente und Bruchstücke eines verwirrenden Geheimnisses ans Tageslicht zu bringen.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Wir beobachten dieses in allen Stellungen, Richtungen und Ausdrücken, stellen jeden Gegenstand des Ganzen genau nach der Natur und übereinstimmend mit der Komposition, der Wirkung, der einzelnen Handlung für sich und der Handlung des ganzen Werks auf, lassen sie nach der Perspektiv kleiner oder größer werden und beobachten alle Nebensachen und die so zum Grund gehören, in dem alles wirkt, ebenso nach der Natur und dem Gegenstand, und das ist die Zeichnung.
      Runge, Philipp Otto: Brief an den Bruder Daniel (9. 3. 1802), Brief an Ludwig Tieck (1. 12. 1802), 1802 Zur Textstelle navigieren
    • Die bildende Kunst steht also offenbar als ein thätiges Band zwischen der Seele und der Natur, und kann nur in der lebendigen Mitte zwischen beyden erfaßt werden.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • daß Hervorbringung idealischer und über die Wirklichkeit erhabner Natur sammt dem Ausdruck geistiger Begriffe die höchste Absicht der Kunst sey.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • die Werke der Kunst nach der Weise und den Gesetzen ewiger Naturwerke zu betrachten
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • so wird das Kunstwerk in dem Maße trefflich erscheinen, in welchem es uns diese unverfälschte Kraft der Schöpfung und Wirksamkeit der Natur wie in einem Umrisse zeigt.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Idealisiren der Natur
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • die sogenannte wirkliche Natur zu übertreffen
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Wo in völlig ausgewirkter Form Anmuth erscheint, da ist das Werk von Seiten der Natur vollendet, es gebricht ihm nichts mehr, alle Foderungen sind befriedigt. Auch hier schon ist Seele und Leib in vollkommnem Einklang; Leib ist die Form, Anmuth ist die Seele, obgleich nicht Seele an sich, sondern die Seele der Form, oder die Naturseele.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Vergöttlichung der Natur
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • den Beschauenden überfällt mit plötzlicher Klarheit die Erinnerung von der ursprünglichen Einheit des Wesens der Natur mit dem Wesen der Seele: die Gewißheit, daß aller Gegensatz nur scheinbar, die Liebe das Band aller Wesen, und reine Güte Grund und Inhalt der ganzen Schöpfung ist.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Hier geht die Kunst gleichsam über sich hinaus, und macht sich selber wieder zum Mittel. Auf diesem Gipfel wird auch die sinnliche Anmuth wieder nur Hülle und Leib eines höhern Lebens, was zuvor Ganzes war, wird als Theil behandelt, und das höchste Verhältniß der Kunst zur Natur ist dadurch erreicht, daß sie diese zum Medium macht, die Seele in ihr zu versichtbaren.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Ja, wenn die Plastik die Kraft, wodurch ein Wesen nach aussen besteht, und in der Natur wirkt, mit der, wodurch es nach innen, und als Seele lebt, vollkommen gleich abwägt, und das bloße Leiden selbst von der Materie ausschließt, so mag dagegen die Mahlerey in dieser zum Vortheil der Seele den Charakter der Kraft und Thätigkeit mindern, und in den der Hingebung und Duldsamkeit verwandeln, wodurch es scheint, daß der Mensch für Eingebungen der Seele und höhere Einflüsse überhaupt empfänglicher werde.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Wir haben gesehen, wie aus der Tiefe der Natur Diese ganze Abhandlung weißt die Basis der Kunst und also auch der Schönheit in der Lebendigkeit der Natur nach: was indeß Lehre der heutigen Philosophie sey, ist den öffentlichen Beurtheilern bekanntlich immer besser bewußt, als den Urhebern derselben. So erfuhren wir durch das Mittel einer sonst mit Recht geschäzten Zeitschrift von einem solchen Kenner vor Kurzem: daß es zufolge der neuesten Ästhetik und Philosophie – (ein weitschichtiger Begriff, worin von namhaften Halbkennern aus dem Haufen alles Mißfällige zusammengeworfen wird, vermuthlich um es desto besser über den Haufen zu werfen) – nur eine Kunstschönheit, aber keine Naturschönheit gebe. Wir möchten nun gern fragen, wo die neueste Philosophie, desgleichen Ästhetik, eine solche Behauptung aufgestellt; erinnerten wir uns nicht in diesem Augenblick, welchen Begriff Richter dieser Art mit dem Wort Natur, besonders in der Kunst zu verbinden pflegen. Der angeführte Beurtheiler meynt es übrigens mit jener Meynung selbst nicht übel; vielmehr sucht er ihr durch einen strengen Beweis, in den Redensarten und Formen der neuesten Philosophie, selbst zu Hülfe zu kommen. Vernehmen wir den trefflichen Beweis! „Das Schöne sey die Erscheinung des Göttlichen im Irdischen, des Unendlichen im Endlichen. Die Natur sey nun zwar auch Erscheinung des Göttlichen, aber diese – seit dem Anfang der Zeit gewesene und bis an‘s Ende der Tage dauernde Natur, wie sich der Wohlunterrichtete näher ausdrückt – erscheine nicht des Menschen Geiste, und nur in ihrer Unendlichkeit sey sie schön.“ – Wir mögen diese Unendlichkeit nehmen, wie wir wollen, so ist hier der Widerspruch, daß die Schönheit Erscheinung des Unendlichen im Endlichen, dennoch aber die Natur nur in ihrer Unendlichkeit schön seyn solle. Doch sich selbst bezweifelnd wendet der Kenner ein, daß jeder Theil eines schönen Werkes doch auch noch schön sey, z.B. die Hand oder der Fuß einer schönen Bildsäule. Aber (so löst er den Zweifel) wo haben wir denn die Hand oder den Fuß von einem solchen Koloß (der Natur nämlich)? Der philosophische Kenner giebt hiemit den Werth und die Erhabenheit seines Begrifs von Unendlichkeit der Natur zu erkennen. Er findet sie in der unermeßlichen Ausdehnung. Daß eine wahre wesentliche Unendlichkeit in jedem Theil der Materie ist, ist eine Übertreibung, zu der sich der billige Mann gewiß nicht versteigt, spricht er gleich die Sprache der neuesten Philosophie. Und daß der Mensch z.B. noch wohl etwas mehr, denn nur Hand und Fuß der Natur seyn könnte – wohl eher das Auge – Hand und Fuß aber ausserdem auch wohl noch zu finden wären – könnte nicht ohne Ausschweifung auch nur gedacht werden. Demnach mag ihm die Frage selbst nicht vernichtend genug geschienen zu haben, und die rechte philosophische Anstrengung beginnt erst. Es sey allerdings wahr, meynt der Treffliche, daß jedes Einzelne in der Natur eine Erscheinung des Ewigen und Göttlichen – doch wohl in diesem Einzelnen? – sey; aber das Göttliche erscheint nicht als göttlich, sondern als irdisch und vergänglich. – Das ist philosophische Kunst zu nennen! Wie auf das Gebot Apparais und Disparais die Schatten im Schattenspiel kommen und gehen, so erscheint das Göttliche im Irdischen, und erscheint auch minder nicht, wie der Künstler es will. Doch dieses ist nur Vorspiel zu einer nachfolgenden Schlußkette, deren Glieder besondrer Auszeichnung werth sind. 1) „Das Einzelne, als solches, stellt nichts dar, als ein Bild des Werdens und Vergehens – und zwar nicht die Idee des Werdens und Vergehens, sondern ein Beyspiel davon, dadurch, daß es wird und vergeht.“ (So könnte man auch von einem schönen Gemählde sagen, es stellt ein Beyspiel des Werdens und Vergehens dar, denn auch dieses fängt erst allmälig an, seine Farbenstimmung zu erhalten, dann verdunkelt es und wird vom Rauch, Staub, Würmern oder Motten angegriffen.) 2) „Nun aber erscheint in der Natur nichts, als Einzelnes“ (vorhin aber war alles Einzelne eine Erscheinung des Göttlichen in dem Einzelnen). 3) Also kann nichts in der Natur schön seyn, weil das Göttliche, welches doch wohl dauernd und bleibend (in der Zeit versteht sich!) erscheinen muß, dauernd und bleibend im Irdischen erscheinen müßte, damit Schönheit wäre, in der Natur aber nichts als Einzelnes, demnach Vergängliches ist. Herrlicher Beweis! Nur an einigen Gebrechen leidet er, von denen nur zwei erwähnt werden sollen. Die Behauptung Nro. 2., daß in der Natur nichts als Einzelnes erscheine; zuvor aber waren da, wo jetzt nichts als Einzelnes ist, drei Dinge: A) das Göttliche, B) das Einzelne, in dem es erscheint, C) das in dieser Verbindung Gewordne, zugleich Göttliche und Irdische. Nun vergißt aber der Bescheidne, der kurz zuvor sein Antlitz im Spiegel der neuesten Philosophie beschaut, ganz wie es gestaltet war. Er sieht jetzt von A, B und C nur noch B, von dem freilich leicht zu beweisen steht, daß es nicht das Schöne ist, da es nach seiner eignen Erklärung nur das C seyn sollte. Er wird nun nicht im Gegentheil sagen wollen, daß das C nicht erscheine ; denn auch das hatte er schon anders gemeint. Denn A (das Göttliche) erscheint nicht für sich, sondern nur durch das Einzelne, B; also in C. B aber ist überhaupt nur, inwiefern A in ihm erscheint also auch nur in C; gerade C also ist das einzige wirklich Erscheinende. – Das zweite Gebrechen liegt in dem dem Schlußsatz, obwohl nur mit halber Sicherheit, fast nur als Anfrage eingeschobnen Nebensatz: das Göttliche, als solches, müßte doch wohl bleibend und dauernd erscheinen! Offenbar hat der wohl orientirte Mann die Idee des An-sich, ohne alle Zeit, Ewigen mit dem Begriff des in der Zeit bleibenden und endlos dauernden verwechselt, und verlangt das letzte, wenn er das erste sehen soll. Nun, wenn das Göttliche nur im endlos fortdauernden erscheinen kann, so mag er zusehen, woher er eine Erscheinung desselben in der Kunst, also ein Kunstschönes, erweisen kann. – Es kann nicht fehlen, daß dieser gründlich belehrte Mann zu andrer Zeit hingeht und wieder andern den Mißbrauch der neuesten Philosophie vielleicht nicht ohne Grund verweißt, durch welche Potenzenfolge immer besseren Verstehens das Verständniß, wie man leicht sieht, immer weiter gedeihen muß. das Kunstwerk emporwachsend mit Bestimmtheit und Begränzung anhebt, innere Unendlichkeit und Fülle entfaltet, endlich zur Anmuth sich verklärt, zuletzt zur Seele gelanget
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Sie ist das reine Geschenk der Natur, welche hier zum zweytenmale sich schließt, indem sie, ganz sich verwirklichend, ihre Schöpfungskraft in das Geschöpf legt.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Was wir Natur nennen, ist ein Gedicht, das in geheimer wunderbarer Schrift verschloßen liegt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur ist dem Künstler nicht mehr, als sie dem Philosophen ist, nämlich nur die unter beständigen Einschränkungen erscheinende idealische Welt, oder nur der unvollkommene Widerschein einer Welt, die nicht außer ihm, sondern in ihm existirt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Der Dichter, hieß es in dem vorhergehenden Versuch über das Naive Man sehe das eilfte Stück der Horen. ist entweder Natur, oder er wird sie suchen. Jenes macht den naiven, dieses den sentimentalischen Dichter.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Auch jetzt ist die Natur noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur, sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur, wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz andern Verhältnis zu derselben.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Jene rühren uns durch Natur, durch sinnliche Wahrheit, durch lebendige Gegenwart; diese rühren uns durch Ideen.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur macht ihn mit sich Eins, die Kunst trennt und entzweiet ihn, durch das Ideal kehrt er zur Einheit zurück.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Da der naive Dichter bloß der einfachen Natur und Empfindung folgt, und sich bloß auf Nachahmung der Wirklichkeit beschränkt, so kann er zu seinem Gegenstand auch nur ein einziges Verhältnis haben
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Dem naiven Dichter hat die Natur die Gunst erzeigt, immer als eine ungeteilte Einheit zu wirken, in jedem Moment ein selbstständiges und vollendetes Ganze zu sein und die Menschheit, ihrem vollen Gehalt nach, in der Wirklichkeit darzustellen. Dem sentimentalischen hat sie die Macht verliehen oder vielmehr einen lebendigen Trieb eingeprägt, jene Einheit, die durch Abstraktion in ihm aufgehoben worden, aus sich selbst wieder herzustellen, die Menschheit in sich vollständig zu machen, und aus einem beschränkten Zustand zu einem unendlichen überzuge hen.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • die Kunst soll die schöne Natur, oder sie soll die Natur ins Schöne nachahmen
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn man aus dieser subjektivsten Verengung das Wort Natur wieder bis zum Inbegriff aller Dinge erweitert, so leuchtet freylich, daß die Kunst ihre Gegenstände aus dem Gebiete der Natur hernehmen muß; denn es gibt alsdann eben nichts andres.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • die Kunst muß Natur bilden
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • der Künstler soll die Natur studiren
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • die Kunst soll die Natur nachahmen. Das heißt nämlich, sie soll wie die Natur selbständig schaffend, organisirt und organisirend, lebendige Werke bilden
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Jedes schöne Ganze aus der Hand des bildenden Künstlers sey daher im Kleinen ein Abdruck des höchsten Schönen im großen Ganzen der Natur.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Wo aber soll der Künstler seine erhabne Meisterin, die schaffende Natur finden, um sich mit ihr gleichsam zu berathen, da sie in keiner äusseren Erscheinung enthalten ist? In seinem eignen Innern, im Mittelpunkte seines Wesens durch geistige Anschauung kann er es nur, oder nirgends.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Man könnte die Kunst daher auch definiren, als die durch das Medium eines vollendeten Geistes hindurchgegangene, für unsre Betrachtung verklärte und zusammengedrängte Natur.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • die Natur (die einzelnen Naturdinge) ist in der Kunst Norm für den Menschen. Diesem Satz ist geradezu entgegengesetzt der wahre: der Mensch ist in der Kunst Norm der Natur.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Der Gegenstand der Kunst, wie wir gesehen haben, ist nothwendig Natur. Die Idee der Natur haben wir in uns, aber in der historischen Erkenntniß durch Erfahrung bleibt sie für uns unübersehbar und unerschöpflich.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Vollkommene Naturwahrheit ist mit Einem Worte nicht zu erreichen möglich
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Zwischen der Kunst und der Natur steht also nothwendig etwas mitten inne, was sie aus einander hält.
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • daß auch nach der Annäherung an die Wahrheit der Natur, die Kunst sich wieder ihre eigne Natur bildete
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Nur auf Natur kann Kunst, nur auf eine natürliche Bildung kann die künstliche folgen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Das Produkt ist ein Kunstwerk und eine Wirkung des Gemüths in der Natur.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Und was ist jede schöne Mythologie anders als ein hieroglyphischer Ausdruck der umgebenden Natur in dieser Verklärung von Fantasie und Liebe?
      Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk der Natur. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet
      Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • In dieser Hinsicht wird der in Zukunft geschriebene Roman – der Roman in seiner Vielfalt – einige Merkmale der Dichtung übernehmen. Er wird Beziehungen herstellen zwischen Mensch und Natur und Schicksal; er wird seine Vorstellungen enthalten, seine Träume. Aber er wird auch den Hohn, den Widerspruch, die Frage enthalten, die Dichte und Komplexität des Lebens.
      Woolf, Virginia: Die schmale Brücke der Kunst, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • „Der Beobachter konstatiert klar und einfach die Erscheinungen, die vor seinen Augen liegen... Er hat der Photograph der Erscheinungen zu sein; seine Beobachtung muss die Natur in exakter Weise darstellen … er behorcht die Natur und schreibt unter ihrem Diktat.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Kurz, das ganze Verfahren besteht darin, dass man die Tatsachen der Natur entnimmt, dann den Mechanismus der Tatsachen studiert, indem man durch die Modifikationen der Umstände und Lebenskreise auf sie wirkt, ohne dass man sich je von den Naturgesetzen entfernt. Am Ende hat man die Erkenntnis, die wissenschaftliche Erkenntnis des Menschen in seiner individuellen und sozialen Betätigung.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Hier liegt unsere wahre Aufgabe, die Aufgabe von uns experimentierenden Romanschriftstellern, vom Bekannten zum Unbekannten fortzuschreiten, damit wir uns zu Herren der Natur machen;
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Mit einem Wort, wir arbeiten mit dem ganzen Jahrhundert an dem grossen Werke der Eroberung der Natur, der Verzehnfachung der menschlichen Macht.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Aus diesem Grunde sagte ich oftmals, der Naturalismus sei keine Schule, z. B. incarniere er sich nicht in dem Genie eines Menschen oder in der Verrücktheit einer Gruppe, wie die Romantik, er bestehe einfach in der Anwendung der experimentellen Methode auf das Studium der Natur und des Menschen.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Präsenz
    • Zwar setzt die Photographie, mehr als jede andere Kunst, eine unmittelbare Präsenz in die Welt – eine Ko-Präsenz; doch ist diese Präsenz nicht nur politischer Natur („durch das Bild an den Ereignissen teilnehmen“), sondern auch metaphysischer Natur.
      Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, 1980 Zur Textstelle navigieren
  • Reale, das
    • Bedeutet das nun das Ende des Realen und das Ende der Kunst dadurch, daß beide vollständig ineinander aufgehen? Nein: der Hyperrealismus ist der Gipfel der Kunst und der Gipfel des Realen auf der Ebene der Simulakren durch den wechselseitigen Austausch von Privilegien und Vorurteilen, die ihnen zugrunde liegen.
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • Das Reale zu respektieren, heißt eben nicht, Erscheinungsformen anzuhäufen, sondern es im Gegenteil von allem zu entkleiden, was nicht das Wesentliche ist, es bedeutet, in der Einfachheit zur Gesamtheit zu gelangen.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Der große Gegensatz zu dieser Realistik ist die große Abstraktion, die aus dem Betreben [sic], das Gegenständliche ( Reale ) scheinbar ganz auszuschalten, besteht und den Inhalt des Werkes in „unmateriellen“ Formen zu verkörpern sucht.
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Streichen des Realen
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Ich habe mich auf diesen Begriff des des Realen konzentriert und eine Vorgehensweise für die Kunst vorgeschlagen, die auf unsere heutige Erfahrung statt auf die Gewohnheiten der Vergangenheit bezogen ist.
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
  • Realismus
    • Der Roman hat seinen eigenen, aus seiner Gattungsgesetzlichkeit heraus entwickelten ‚ Realismus ‘, der nichts mit dem Ideal der Nachahmung zu tun hat, sondern gerade an der ästhetischen Illusion hängt, die dem Roman wesentlich ist. Welthaftigkeit als formale Totalstruktur macht den Roman aus.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Vor allen Dingen verstehen wir nicht darunter das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten.
      Fontane, Theodor: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853 Zur Textstelle navigieren
    • Er ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst
      Fontane, Theodor: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853 Zur Textstelle navigieren
    • Der Realismus will nicht die bloße Sinnenwelt und nichts als diese; er will am allerwenigsten das bloß Handgreifliche, aber er will das Wahre.
      Fontane, Theodor: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853 Zur Textstelle navigieren
    • Wer Cézanne versteht, hat eine Vorahnung des Kubismus. Nun dürfen wir sagen, daß zwischen dieser Schule und den Vorgängern nur ein Unterschied der Intensität besteht und daß es zur Bestätigung genügt, die Entwicklung des Realismus aufmerksam in Augenschein zu nehmen, die mit Courbets oberflächlicher Realität begann, mit Cézanne in die profunde Realität vorstieß und seither zusehends die Grenzen des Unerkannten zurückdrängt.
      Gleizes, Albert; Metzinger, Jean: Über den Kubismus, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Realismus ist keine Frage irgendeiner konstanten oder absoluten Beziehung zwischen einem Bild und seinem Gegenstand, sondern eine Frage der Beziehung zwischen dem im Bild verwendeten Repräsentationssystem und dem Standardsystem
      Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn Repräsentation eine Frage der Wahl ist und Korrektheit eine Frage der Information, dann ist Realismus eine Frage der Gewohnheit
      Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • realistisch
    • Kann ein solches Empfinden mit filmischen Mitteln wiedergegeben werden? Ohne den geringsten Zweifel! Mehr noch: Dazu ist vor allem sie, diese realistischste aller Künste, imstande.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Realität
    • Die rücksichtslose Autonomie der Werke, die der Anpassung an den Markt und dem Verschleiß sich entzieht, wird unwillkürlich zum Angriff. Der ist aber nicht abstrakt, keine invariante Verhaltensweise aller Kunstwerke zu der Welt, die es ihnen nicht verzeiht, daß sie ihr nicht gänzlich sich fügen. Sondern die Distanzierung der Werke von der empirischen Realität ist zugleich in sich selbst durch diese vermittelt.
      Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Kein Sachgehalt, keine Formkategorie einer Dichtung, die nicht, wie immer auch unkenntlich abgewandelt und sich selbst verborgen, aus der empirischen Realität stammte, der es sich entringt.
      Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Die Malerei kann wohl eine Realität fingieren, ohne sie gesehen zu haben. Der Diskurs fügt Zeichen aneinander, die gewiß Referenten haben, aber diese Referenten können „Chimären“ sein, und meist sind sie es auch. Anders als bei diesen Imitationen läßt sich in der Photographie nicht leugnen, daß die Sache dagewesen ist. Hier gibt es eine Verbindung aus zweierlei: aus Realität und Vergangenheit.
      Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, 1980 Zur Textstelle navigieren
    • Kunst ist daher überall, denn das Künstliche steht im Zentrum der Realität. Die Kunst ist daher tot, nicht nur weil ihre kritische Transzendenz tot ist, sondern weil die Realität selbst – vollständig von einer Ästhetik geprägt, die von ihrer eigenen Strukturalität abhängt – mit ihrem eigenen Bild verschmolzen ist. Sie hat noch nicht einmal mehr Zeit, den Anschein von Realität anzunehmen
      Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
    • die Konkurrenz der imaginären Kontextrealität mit dem Wirklichkeitscharakter der gegebenen Welt.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die Realität den Menschen meisterbar in die Hand zu geben
      Brecht, Bertolt: Volkstümlichkeit und Realismus, 1938 Zur Textstelle navigieren
    • Die Romanschriftsteller, welche die Beschreibung des Menschen durch eine Beschreibung seiner seelischen Reaktionen ersetzen und so den Menschen in einen bloßen Komplex seelischer Reaktionen auflösen, werden der Realität nicht gerecht
      Brecht, Bertolt: Ergebnisse der Realismusdebatte in der Literatur, 1938 Zur Textstelle navigieren
    • Die Romanschriftsteller, welche nur die Entmenschlichung, die der Kapitalismus durchführt, also den Menschen nur als seelisch verödet beschreiben, werden der Realität nicht gerecht
      Brecht, Bertolt: Ergebnisse der Realismusdebatte in der Literatur, 1938 Zur Textstelle navigieren
    • Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.
      Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt zumindest zwei Gründe dafür, sich heutzutage dem Einfluß der Realität auf die Kunst einfach zu verschließen: zunächst die vage und weitverbreitete intellektuelle Mode, die sich auf die Entwicklung der Erkenntnistheorie und die Herausbildung der modernen Wissenschaften beruft und derzufolge wir Realität als solche niemals wirklich sehen bzw. sehen können; sodann eine bestimmte Interpretation der Geschichte der darstellenden Künste – vor allem der Malerei und des Romans in zeitlicher Parallele zur Erfindung der Photographie und der Entstehung des Films –, derzufolge die Kunst sich aus der Darstellung von Realität als aus einer hoffnungslosen, wenngleich schon immer als unnötig erachteten Aufgabe zurückgezogen hat.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Schließlich beruht ja jeder Zweifel an der Realität auf bestimmten Theorien (des Wissens, der Wissenschaft, der Kunst, der Realität, des Realismus ), denen wohl kaum eine größere Überzeugungskraft eignet als der Realität selbst.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • daß Realität im Film nicht einfach beschrieben oder dargestellt wird. Realität ist für uns aber auch nicht wirklich gegenwärtig
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Was die Materialität des Films von jeder anderen unterscheidet, liegt in der Abwesenheit dessen begründet, was die Bedingung seines Erscheinens vor uns ist; d.h.: in der Modalität unserer Abwesenheit von ihm, in seiner Bestimmung, Realität und Phantasie (nicht durch Realität als solche, sondern) durch Projektionen von Realität zu offenbaren – durch Projektionen, in denen nach meiner Formulierung Realität davon befreit ist, sich selbst darzustellen.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn die Realität in der Tat für das Verständnis des Mediums Film eine entscheidende Rolle spielt, und wenn ihre Rolle nicht darin besteht, aufgezeichnet zu werden – was ‚ist‘ dann ihre Rolle? Mein Buch gibt auf diese Frage eine Reihe von Antworten. Ich sehe die Rolle der Realität darin, photographiert, projiziert, verfilmt, dargestellt und angeschaut zu werden.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Der Film stellt ein erkenntnistheoretisches Prinzip auf den Kopf: die Realität ist bekannt, bevor ihre Erscheinungsformen bekannt sind. Das erkenntnistheoretische Geheimnis besteht darin, ob und wie man die Exi stenz des einen aus der Kenntnis der anderen prognostizieren kann. Das photographische Geheimnis besteht darin, daß man sowohl die Erscheinungsform als auch die Realität kennen kann, daß aber dennoch die eine sich nicht aus der anderen prognostizieren läßt.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • wird mit der Definition der Kunst als Intuition gesagt, daß sie nicht den Charakter begrifflicher Erkenntnis hat. Die begriffliche Erkenntnis in ihrer reinen, nämlich philosophischen Form ist immer realistisch, sofern sie darauf zielt, die Realität gegenüber der Irrealität festzustellen oder die Irrealität durch ihren Einschluß in die Realität als deren untergeordnetes Moment herabzusetzen. Dagegen besagt Intuition ausdrücklich Ungeschiedenheit von Realität und Irrealität, das Bild in seinem Wert als bloßes Bild, die reine Idealität des Bildes
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kunst ist immer realistisch, weil sie das hervorzubringen sucht, was dem Menschen allererst die Realität ist, und sie ist immer idealistisch, weil alle Realität, die sie schafft, ein Produkt des Geistes ist
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Man kann durchaus an dem Kaleidoskop aus derart abgeplatteten Objekten ästhetischen Gefallen finden und sie als eine geistvolle Demonstration der vielen unlösbaren Widersprüche unserer visuellen Wahrnehmung würdigen, ohne deshalb die Ansicht zu teilen, daß hier eine tiefere, wesentlichere Realität wiedergegeben sei als in Bildern, die nach den Gesetzen der geometrischen Projektion aufgebaut sind.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Der Künstler muß sich das Werkzeug, mit dem er die Realität zu ergründen sucht, aus der Kunst der Vergangenheit selbst schmieden
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Er muß die überkommenen Darstellungsweisen selbst anwenden, aber nicht traditionsgebunden bejahend, sondern kritisch prüfend und sorgsam abwägend, um zu sehen, ob durch eine Änderung hier, eine Zutat dort, vielleicht eine bessere Entsprechung der Realität erreicht werden könnte
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Denn dies Äußere hat seinen Begriff und Bedeutung nicht mehr wie im Klassischen in sich und an sich selber, sondern im Gemüt, das seine Erscheinung, statt im Äußeren und dessen Form der Realität, in sich selber findet und dies Versöhntsein mit sich in allem Zufall, allem für sich sich gestaltenden Akzidentellen, allem Unglück und Schmerz, ja im Verbrechen selber zu bewahren oder wiederzugewinnen vermag.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • im Romantischen die Idee, deren Mangelhaftigkeit im Symbol die Mängel des Gestaltens herbeiführte, nun als Geist und Gemüt in sich vollendet zu erscheinen hat und aus dem Grunde dieser höheren Vollendung sich der entsprechenden Vereinigung mit dem Äußeren entzieht, indem sie ihre wahre Realität und Erscheinung nur in sich selber suchen und vollbringen kann.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Als diese Totalität aber enthält der Begriff bereits alles, was die Realität als solche zur Erscheinung bringt und die Idee zur vermittelten Einheit zurückführt.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • So ist denn nur die dem Begriff gemäße Realität eine wahre Realität, und zwar wahr, weil sich in ihr die Idee selber zur Existenz bringt.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • so der im Bezugsfeld versammelten Welt die perspektivische Einstellung hinzugewinnt. In diesem Vorgang schattet sich das intentionale Objekt des Textes ab, das sein Realwerden der Irrealisierung derjenigen Realitäten verdankt, die in den Text eingekapselt sind.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • In der Verschleierung ihres Status gibt sich eine auf Erklärung bedachte Fiktion den Anschein von Realität, den sie in diesem Falle allerdings auch braucht, weil sie nur so als die transzendentale Bedingung der Konstitution von Realität funktionieren kann.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn Film ein fotografisches Medium ist, muß er auf die weiten Räume der äußeren Realität ausgerichtet sein
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • die einzigartige Fähigkeit der Kamera, die sichtbare – oder potentiell sichtbare – physische Realität nicht nur wiederzugeben, sondern auch zu enthüllen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Realität so ist, wie wir sie sehen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Erstens besitzt Fotografie eine ausgesprochene Affinität zur ungestellten Realität.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Ausschaltung zufälliger Realität
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Filme sind, anders gesagt, in einzigartiger Weise dazu geeignet, physische Realität wiederzugeben und zu enthüllen, und streben ihr deshalb auch unabänderlich zu.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • kann der Film die physische Realität in all ihren vielfältigen Bewegungen mit Hilfe eines Zwischenverfahrens erfassen, auf das die Fotografie weniger angewiesen scheint: nämlich mit den Mitteln der Inszenierung.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Wer das Kino ein Kunstmedium nennt, denkt dabei zumeist an Filme, die traditionellen Kunstwerken darin gleichen, daß auch sie die Realität nicht so sehr durchforschen als frei gestalten. Diese Filme organisieren den Rohstoff des Lebens, auf den sie zurückgreifen, in der Form selbstgenüg samer Kompositionen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Filme, die sich Aspekte der physischen Realität einverleiben, um sie uns erfahren zu lassen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Das wesentliche Material „ästhetischer Wahrnehmung“ ist die physische Welt mit all dem, was sie uns zu verstehen geben mag. Wir können nur dann darauf hoffen, der Realität nahezukommen, wenn wir ihre untersten Schichten durchdringen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Ihre Funktion ist nicht, die Realität widerzuspiegeln, sondern eine Vision von ihr zu vergegenwärtigen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Kunst im Film ist reaktionär, weil sie Ganzheit symbolisiert und derart die Fortexistenz von Glaubensinhalten vorspiegelt, welche die physische Realität sowohl anrufen wie zudecken.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Bestätigende Bilder.· Filme oder Filmpassagen, die sichtbare materielle Realität mit unseren Vorstellungen von ihr konfrontieren, können diese Vorstellungen entweder bestätigen oder Lügen strafen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Elemente oder Momente der physischen Realität, wie sie sich auf der Leinwand entfalten.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • sehen wir die Funktion der Kunst in der Konfrontierung der (jedermann geläufigen) Realität mit einer anderen Version derselben Realität.
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Für die Allgemeinheit gilt als reale ‚Wahrheit‘ einfach das Wahrnehmbare. Für die Wissenschaft gibt es diese Realität nicht ohne weiteres, jedoch auch sie ist bei ihren Forschungen auf das Wahrnehmbare angewiesen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Für den Maler bedeutet Realität etwas ganz anderes als für die Wissenschaft und die Allgemeinheit. Für diese beiden liegt Realität im Lebendigen. Für den Maler liegt der Fall umgekehrt: Für ihn ist die lebendige Realität nicht in der Natur, sondern auf seiner Bildfläche
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Dem Künstler geht es vor allem darum, den Charakter der Realität, so wie er sie wahrnimmt, zum Ausdruck zu bringen
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • Malerei ist – neben anderen Realitäten – eine gefühlte und geformte Realität.
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • der aus der Einbildungskraft erwachsenden Literatur, weil sie ständig von der Fiktion Gebrauch macht, die Realität entgleiten muß.
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • das Werk ist kein Zeugnis von einer äußeren Realität, sondern stellt seine eigene Realität dar
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Das Buch stellte keine verwickelte Erzählung einer außerhalb seiner liegenden einfachen Fabel dar, sondern auch hier abermals nur den Ablauf einer Geschichte, die keine andere Realität als die des Berichts hatte, einen Ablauf, der sich nirgends sonst als in dem Kopf des unsichtbaren Erzählers, das heißt des Schriftstellers und des Lesers, vollzog.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • beanspruchen sie keine andere Realität als die der Lektüre oder des Schauspiels
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Die Entdeckung der Realität schreitet nur dann weiter voran, wenn man die verbrauchten Formen aufgibt.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Die akademische Kritik im Westen ebenso wie in den kommunistischen Ländern gebraucht das Wort Realismus, als ob die Realität beim Auftreten der Schriftsteller bereits voll und ganz konstituiert wäre
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Die Schreibweise des Romans ist nicht darauf angelegt zu informieren, wie es die Chronik, der Augenzeugenbericht oder der wissenschaftliche Bericht tut, sie konstituiert die Realität. Sie weiß niemals, was sie sucht, sie weiß nicht, was sie zu sagen hat; sie ist Erfindung, Erfindung der Welt und des Menschen, ständige Erfindung und unaufhörliche Infragestellung.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • die Kunst ihrem Werk mit der höchsten Klarheit des Verstandes zugleich jene unergründliche Realität ertheilt, durch die es einem Naturwerk ähnlich erscheint.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Nur mächtige Bewegungen des Gefühls, nur tiefe Erschütterung der Phantasie durch den Eindruck allbelebender, allwaltender Naturkräfte konnten der Kunst die unbezwingliche Kraft einprägen, mit der sie von dem starren, verschloßnen Ernst der Bildungen früher Zeiten bis zu den Werken überfließender sinnlicher Anmuth stets der Wahrheit getreu blieb, und die höchste Realität geistig erzeugte, welche Sterblichen zu schauen vergönnt ist.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • so ist die Kunst die einzige und ewige Offenbarung, die es giebt, und das Wunder, das, wenn es auch nur Einmal existirt hätte, uns von der absoluten Realität jenes Höchsten überzeugen müßte.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Nur soweit er aufrichtig ist, (sich von allem Anspruch auf Realität ausdrücklich lossagt) und nur soweit er selbstständig ist, (allen Beistand der Realität entbehrt) ist der Schein ästhetisch. Sobald er falsch ist und Realität heuchelt, und sobald er unrein und der Realität zu seiner Wirkung bedürftig ist, ist er nichts als ein niedriges Werkzeug zu materiellen Zwecken, und kann nichts für die Freiheit des Geistes beweisen.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • der Realität durch den Schein oder dem (ästhetischen) Schein durch Realität nachhelfen
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Die Dokumentarfotografie hat Berge von Indizien angehäuft. Und gleichzeitig hat das Genre durch diese bildliche Präsentation von wissenschaftlichen und rechtsgültigen „Tatsachen“ viel zum Spektakel, zu visueller Stimulierung, Voyeurismus, Terror, Neid und Nostalgie beigetragen und nur wenig zum kritischen Verständnis der gesellschaftlichen Realität.
      Sekula, Allan: Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Ein Meisterwerk – das ist ein in seiner absoluten Gültigkeit vollkommenes und vollendetes Urteil über die Realität, dessen Wert sich daran bemißt, wie umfassend es die menschliche Individualität im Zusammenspiel mit dem Geistigen auszudrücken vermag.
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der Film dagegen ist die einzige Kunst, in der sich ein Autor als Schöpfer einer unumschränkten Realität, einer im wörtlichen Sinne eigenen Welt empfinden kann. Die im Menschen angelegte Neigung zur Selbstbestätigung realisiert sich gerade im Kino am umfassendsten und unmittelbarsten. Der Film ist eine emotionale Realität und wird so auch vom Zuschauer als eine zweite Realität rezipiert.
      Tarkowskij, Andrej: Von der Verantwortung des Künstlers, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Noch einmal möchte ich unterstreichen, daß das Kino ebenso wie die Musik mit Realität operiert. Deshalb widersetze ich mich auch den Versuchen der Strukturalisten, die Einstellung als ein Zeichen von etwas anderem, als ein Sinnergebnis zu betrachten.
      Tarkowskij, Andrej: Von der Verantwortung des Künstlers, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der Film ist schon seiner Natur nach verpflichtet, die Realität nicht etwa zu vertuschen, sondern sie aufzuhellen.
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Reelle, das
    • das Vollendete nur durch das Genie möglich sey, welches ebendeßwegen für die Ästhetik dasselbe ist, was das Ich für die Philosophie, nämlich das Höchste absolut Reelle, was selbst nie objectiv wird, aber Ursache alles Objectiven ist.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Repräsentation
    • Realistische Repräsentation hängt, kurz gesagt, nicht von Imitation oder Illusion oder Information, sondern von Impfung ab
      Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
    • Repräsentiert der inauthentische Schein die Unversöhnlichkeit als Kennzeichen des Wirklichen, so gilt es doch zugleich, die Abbildhaftigkeit aller Repräsentation wieder aufzuheben, um vorstellbar zu machen, was sich der Mimesis entzieht.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Wie zu erwarten war, erleben wir deshalb heute, nachdem die Abstraktion eine ermüdende Konvention geworden ist, das Spektakel der Rückkehr zur figurativen Kunst, einer figurativen Kunst freilich – als sogenannter Hyper- oder Fotorealismus –, die keine Repräsentation der Dinge selbst, sondern von Fotografien der Dinge ist: eine gegenständliche Kunst, die in Wahrheit „von“ Kunst selbst handelt!
      Jameson, Fredric: Reflexionen über die Brecht-Lukács-Debatte, 1977 Zur Textstelle navigieren
  • Sein
    • Eine Kunst, die auf den Formen beruht, die vom Unterbewußtsein geschaffen und von der Vernunft im Gleichgewicht erhalten werden, bildet einen wahrhaften Ausdruck des Seins und eine Synthese des geschichtlichen Augenblicks.
      Fontana, Lucio: Weißes Manifest, 1946 Zur Textstelle navigieren
    • Das Kunstwerk eröffnet auf seine Weise das Sein des Seienden. Im Werk geschieht diese Eröffnung, d. h. das Entbergen, d. h. die Wahrheit des Seienden. Im Kunstwerk hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt. Die Kunst ist das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Und sie sagt nur eins: daß nämlich die Dinge sich haben so ereignen müssen wie in der Erzählung gesagt wird, daß sie sich ereignet haben; dank des tropologischen Rasters kommt das Sein wie des vergangenen Ereignisses zur Sprache.
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • das Sein selbst muß jeweils als Sein-wie metaphorisiert werden, damit sich der Metapher eine ontologische Funktion zuschreiben läßt, die nicht dem lebendigen Charakter der Metapher auf sprachlicher Ebene widerspricht
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kunst, indem sie das Wesen in jenem Augenblick darstellt, hebt es aus der Zeit heraus; sie läßt es in seinem reinen Seyn, in der Ewigkeit seines Lebens erscheinen.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Ein solcher Künstler vermag die Besonderheiten der poetischen Struktur des Seins zu erkennen. Er ist in der Lage, über die Grenzen der linearen Logik hinauszugehen und das besondere Wesen der subtilen Bezüge und geheimsten Phänomene des Lebens, dessen Komplexität und Wahrheit wiederzugeben.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Umwelt
    • Die in den Text übernommenen Elemente seiner Umwelt sind in sich nicht fiktiv, nur die Selektion ist ein Akt des Fingierens, durch den Systeme als Bezugsfelder gerade dadurch voneinander abgrenzbar werden, daß ihre Begrenzung überschritten wird.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Welt
    • aber im 15. Jahrhundert wendeten sich die abendländischen Maler allmählich von dem ursprünglich ausschließlichen Ziel ab, die geistige Wirklichkeit mit eigengesetzlichen Mitteln auszudrücken; statt dessen kombinierten sie diesen Ausdruck zunehmend mit einer mehr oder weniger vollkommenen Imitation der äußeren Welt.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • die Idee der Konkurrenz des Künstlers mit der vorgefundenen Welt im ganzen, also nicht nur ihrer Abwandlung, Idealisierung, Variierung, sondern der künstlerischen Erschaffung weltebenbürtiger Werke.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Frage nach der Möglichkeit des Romans als eine ontologische, d. h. als eine die Fundierung im Wirklichkeitsbegriff aufsuchende, zu stellen, bedeutet also, nach der Herkunft eines neuen Anspruches der Kunst zu fragen, ihres Anspruches, nicht mehr nur Gegenstände der Welt, nicht einmal mehr nur die Welt nachbildend darzustellen, sondern eine Welt zu realisieren.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die Differenz zwischen Tatsächlichkeit und Seinsollen der Welt als Spielraum der Kunst
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die künstlich kunstlose Nachschrift der Bewußtseinsvorgänge und inneren Monologe, der Protokollroman, der die Erschaffung einer ganzen Welt beansprucht und zugleich verleugnet.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Poetisch betrachtet, zeichnen sie sich vor allem durch einen sehr hohen Grad von unmittelbarer Absurdität aus, wobei das Spezifische dieser Absurdität sich bei näherem Hinsehen als Platzmachen erweist für alles nur Zulässige, auf der Welt Gültige: die Ausbreitung einer gewissen Zahl von Eigenschaften und Tatsachen – die schließlich genauso objektiv sind wie die anderen.
      Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
    • Schreiben setzt jedesmal die Auswahl einer psychologischen Haltung voraus, einer Beziehung zur Welt, einer Stimmlage, eines gleichmäßigen Ganzen aus sprachlichen Mitteln und Erfahrungswerten und Gespenstern der Phantasie, eben eines Stils. Der Autor ist insofern Autor, als er in eine Rolle schlüpft wie ein Schauspieler und sich mit dieser Projektion seiner selbst, in dem Augenblick, in dem er schreibt, identifiziert.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Mit der Hauptfigur kommt eine innere Subjektivität der geschriebenen Welt ins Spiel, eine Figur, die eine eigene Deutlichkeit besitzt – und oft handelt es sich um eine visuelle, bildliche Deutlichkeit –, die sich der Vorstellungskraft des Lesers aufdrängt und die wie eine Vorrichtung funktioniert, um die unterschiedlichen Ebenen der Wirklichkeit zu verbinden oder sie sogar zum Leben zu erwecken, um es ihnen zu ermöglichen, im Geschriebenen Form anzunehmen.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Erzeugung der Welt der Kunst und der Welt der Erkenntnis, in der Erzeugung der mythischen und der sprachlichen Welt
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Nicht-Existenz der projizierten Welt, der Projektionen der Welt als solcher (was nicht identisch ist mit der Darstellung von Schauplätzen), meiner Abwesenheit von der Welt und deren Vollkommenheit auch ohne mich. Gedanken dieser Art sollen (natürlich in einem mythologischen Sinne) korrigieren bzw. erklären, was an der Vorstellung des Vergangenseins der projizierten Welt falsch und was daran richtig ist. Für mich verbindet sich diese Vorstellung ganz unmittelbar mit meiner Passivität gegenüber der Darstellung der Welt, mit dem Faszinierenden und Unheimlichen, das in der Chance liegt, die Manifestation der gesamten Welt in den Blick zu bekommen.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • die sie der Kunst scheinbar naherückt (daher denn heutigentags die Wissenschaftler und Mathematiker sich so gern als Schöpfer von Welten, von Fiktionen rühmen, die sogar bis auf das Wort den Fiktionen und Gestaltungen der Dichter ähnlich seien)
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • In der Art, wie uns die Außenwelt aufgeht, nämlich als Willenswiderstand für einen Willen, ist es begründet, daß wir ursprünglich und unwillkürlich, unaufhebbar dem Sinnlich-Äußeren ein Inneres unterlegen. Der Kern des ästhetischen Auffassens und Schaffens, die Beziehung von Gefühl und Bild, Bedeutung und Erscheinung, innen und außen, beruht hierauf.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Die innere Bedeutung alles Äußeren, schließlich der ganzen Erscheinungswelt wird den anderen Menschen durch es aufgeschlossen. Wir lernen sehen durch die Augen der großen Maler. Wir lernen durch Shakespeare verstehen, was auf der Bühne der Welt geschieht, und durch Goethe, was in der stillen Tiefe einer Menschenseele sich ereignet. Die Kunst deutet uns das Gleichnis des Vergänglichen. Daher ist nur der ein wirklicher Künstler, der uns in dieser Deutung weiterführt. Die Kopisten des Wirklichen lehren uns nichts, was nicht ein gescheiter Mensch und guter Beobachter auch ohne sie wüßte.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kunst ist auf keinem anderen Wege zu finden als auf ihrem eigenen. Nur indem man es versucht, sich der Welt mit dem Interesse des Künstlers gegenüberzustellen, kann man dahin gelangen, seinem Verkehr mit den Kunstwerken denjenigen Inhalt zu geben, der sich einzig und allein auf die Erkenntnis des innersten Wesens künstlerischer Tätigkeit gründet
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Von der Unendlichkeit der anschaulichen Auffassung der Welt wird sich nur der überzeugen können, der zum freien Gebrauche seines Wahrnehmungsvermögens hindurchgedrungen ist
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • die Erfassung der Welt ihrer sichtbaren Erscheinung nach, ist das Allerbefangenste
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Dem Künstler ist die Welt nur Erscheinung; er naht sich ihr als einem Ganzen, was er als Ganzes in seiner Anschauung zu reproduzieren strebt
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • man hält die entfesselte zur Phantasterei ausgeartete Einbildungskraft des Menschen für eine künstlerisch produktive Kraft und meint, der Künstler sei berufen und befähigt, neben und über der realen Welt eine andere von den irdischen Bedingungen entbundene Welt nach seinem Gutdünken zu gestalten. Das Reich der Kunst setzt sich dem Reiche der Natur entgegen; es maßt sich ein höheres Recht an, weil es sein Dasein dem menschlichen Geiste verdankt.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Was sie schafft, ist nicht eine zweite Welt neben einer anderen, die ohne sie existiert, sie bringt vielmehr überhaupt erst die Welt durch und für das künstlerische Bewußtsein hervor
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • er nimmt dem Menschen die Fähigkeit sich zurückzuversetzen in jenen besitzlosen Zustand, da ihm die Welt noch alles werden konnte, weil sie ihm noch in keiner Gestalt angehörte. Und doch, wer dem Künstler auf sein Gebiet folgen will, der muß von der Höhe seines geistigen Bewußtseins, zu der ihn die Arbeit des Lebens geführt hatte, herabsteigen, er muß die Welt noch einmal als eine ihm fremde betrachten, um sie in einer neuen Weise kennenzulernen.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • wir sehen uns in ein neues Verhältnis zur Welt gesetzt und erkennen, daß wir die Welt in noch ganz anderem Sinne besitzen können, als sie uns vordem zu eigen geworden war.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Sie verläßt den Standpunkt der Welt gegenüber, sie fühlt sich selbst als einen Bestandteil der Welt
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Sie weiß es nicht als eine Wahrheit, die ihrem Verstande sich aufnötigt, es ist ihr ein inneres Erlebnis, daß jene Trennung von Welt und Individuum nur ein trügerischer Schein ist und daß die Welt im Individuum ihre immer sich erneuernde Entstehung vollzieht.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • die Welt in ganz anderer und neuer Fülle, Klarheit und Bestimmtheit erstehen läßt
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Das Aufbrechen der konkreten Lebenswelt in Objekt und Subjekt, das die Folge der verneinenden Lebenseinstellung war, wirft das Problem des Erkennens auf. Wie kann das entfremdete Subjekt die objektive Welt erkennen? Wir würden es gegenwärtig so formulieren: Wie muß die objektive Welt dargestellt werden, um erkannt werden zu können? Aber diese Formulierung ist cartesisch.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn er durch den Apparat in die Welt hinausschaut, dann nicht, weil diese ihn interessiert, sondern weil er nach neuen Möglichkeiten sucht, Informationen herzustellen und das Fotoprogramm auszuwerten. Sein Interesse ist auf den Apparat konzentriert, die Welt ihm nur Vorwand für die Verwirklichung von Apparatmöglichkeiten. Kurz: Er arbeitet nicht, er will nicht die Welt verändern, sondern er sucht nach Informationen.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • Im Grunde will also der Fotograf noch nie vorher dagewesene Sachverhalte herstellen, und er sucht nach ihnen nicht dort draußen in der Welt, da ihm die Welt nur Vorwand für die herzustellenden Sachverhalte ist, er sucht nach ihnen unter den im Apparatprogramm enthaltenen Möglichkeiten. Insofern ist die traditionelle Unterscheidung zwischen Realismus und Idealismus mit der Fotografie überwunden: Nicht die Welt dort draußen ist wirklich und nicht der Begriff hier drinnen im Apparatprogramm, sondern wirklich ist erst die Fotografie. Welt und Apparatprogramm sind nur Voraussetzungen für das Bild, sind zu verwirklichende Möglichkei ten. Es geht hier um ein Umkehren des Bedeutungsvektors: Nicht die Bedeutung, sondern das Bedeutende, die Information, das Symbol sind wirklich, und diese Umkehrung des Bedeutungsvektors ist kennzeichnend für alles Apparatische und für die Nachindustrie überhaupt.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • seine Begriffe von der Welt in Bilder zu verschlüsseln
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • Gelänge es der Fotokritik, diese beiden Absichten aus den Fotografien zu entwirren, dann wären die fotografischen Botschaften entziffert. Solange dies nicht gelingt, bleiben die Fotografien unentziffert und erscheinen als Abbilder von Sachverhalten in der Welt dort draußen, so als hätten sie sich „von selbst“ auf einer Fläche abgebildet.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • Die Verwirklichung unserer Weltauffassungen in den Formen von Raum und Zeit ist das einzige Ziel unseres bildnerischen Schaffens.
      Gabo, Naum: Das Realistische Manifest, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Das lag daran, daß in aller vorherigen Kunst ein Kunstwerk niemals die Welt aufnehmen konnte ohne die Darstellung der äußeren Ansicht dieser Welt. Auf welche Weise der Künstler die äußere Welt auch immer darstellte, ob so, wie sie ist, oder so, wie er sie persönlich sah, immer blieb der äußere Aspekt Ausgangspunkt und Kern seines Inhalts. Selbst in den Fällen, in denen der Künstler seine Aufmerksamkeit nur auf die innere Welt seiner Vorstellungen und Empfindungen zu konzentrieren suchte, konnte er sich das Bild dieser inneren Welt nicht ohne die Erscheinung der äußeren Welt vorstellen.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • die konstruktive Idee den Grundstein ihres Fundamentes. Sie hat ein universales Gesetz aufgezeigt, nämlich, daß die Elemente der visuellen Kunst wie Linien, Farben, Umrisse ihre eigene Ausdruckskraft besitzen, die unabhängig ist von jeder Assoziation mit dem äußeren Anblick der Welt, daß ihre Lebendigkeit und ihre Wirksamkeit in ihnen selbst liegende psychologische Erscheinungen sind
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Die konstruktive Idee sieht die Funktion der Kunst nicht in der Darstellung der Welt
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Alle Kunst geht vom Geiste des Menschen aus, von seinen Reaktionen auf die äußere Welt und nicht von der sichtbaren Welt selbst.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • der alte Wunschtraum des Pygmalion, ein Bild solle nicht nur ein farbiger Abglanz sein, sondern eine eigene, vom Beschauer unabhängige Welt.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Mit Recht lehrt man die Kunstschüler, den Malerblick zu üben, und besteht darauf, daß sie gegen ihre Kenntnis der alltäglichen Bedeutung von Dingen ankämpfen und die Welt als eine Projektion von Formen und Farben auf eine gedachte Fläche sehen lernen.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn wir, die Betrachter, künstlerische Darstellungen deuten wollen, unterwerfen wir sie einer Prüfung durch die verschiedensten versuchsweisen Interpretationen, indem wir unsere Erfahrungen und Kenntnisse der wirklichen Welt in sie hineinprojizieren. Wenn der Maler ein Stück Welt als Bild sehen will, muß er genau umgekehrt vorgehen.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • wir in der Kunst nicht nur einen Schlüssel zur sichtbaren äußeren Welt, sondern auch ein Instrument zum Aufschließen innerer Welten besitzen, vollzog sich alsbald eine vollständige Verlagerung künstlerischer Zielsetzungen.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Ob geschrieben, gemalt oder gespielt, die Fiktion trifft in Wahrheit weder auf nichts noch auf durchsichtige mögliche Welten zu, sondern, wenn auch metaphorisch, auf wirkliche Welten. Ungefähr so, wie ich an anderer Stelle argumentierte, daß das bloß Mögliche FFF, II, 4. Ich lasse hier keineswegs die Schranken fallen, um bloß mögliche Welten zuzulassen, sondern weise nur darauf hin, daß sich die Rede, die scheinbar „über mögliche Dinge“ spricht, manchmal mit Gewinn in eine Rede über wirkliche Dinge reformulieren läßt. – sofern es überhaupt zulässig ist – innerhalb des Wirklichen liegt, könnten wir auch hier, in einem anderen Kontext, sagen, daß die sogenannten mögli chen Welten der Fiktion innerhalb von wirklichen Welten liegen. Die Fiktion operiert in wirklichen Welten sehr ähnlich wie die Nicht-Fiktion.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Wie steht es aber mit rein abstrakten Gemälden und anderen Werken, die kein Sujet haben, die auf nichts wörtlich oder metaphorisch zutreffen, denen auch die tolerantesten Philosophen kaum zugestehen würden, daß sie eine Welt, sei es eine mögliche oder eine wirkliche, abbilden?
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Doch wie kann etwas, das weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne abbildet, beschreibt, deklariert, denotiert oder sonstwie auf etwas zutrifft, unsere eingefahrenen Welten so transformieren?
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Indem131]solche Werke als Proben und Muster unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte, oft unbeachtete und vernachlässigte, geteilte oder teilbare Formen, Farben oder Gefühle lenken, induzieren sie entsprechend diesen Eigenschaften eine Reorganisation unserer gewohnten Welt.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Das Tempelwerk eröffnet dastehend eine Welt und stellt diese zugleich zurück auf die Erde
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • In-sich-aufragend eröffnet das Werk eine Welt und hält diese im waltenden Verbleib.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Werksein heißt: eine Welt aufstellen
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Ein literarischer Text ist als Produkt eines Autors eine bestimmte Form der Weltzuwendung. Da diese in der gegebenen Welt, auf die sich der Autor bezieht, nicht vorhanden ist, muß sie in die vorhandene Welt hineingetrieben werden, um zur Geltung zu kommen. Hineintreiben heißt, die vorgefundenen Organisationsstrukturen nicht abzubilden, sondern zu dekomponieren.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Ein solcher Sachverhalt hat Ereignischarakter, der folglich nicht referentialisierbar ist und sich darin manifestiert, daß es für die Selektion keine Regel gibt, weil sich in ihr immer nur eine Wahl bekundet, die der Autor durch seine Weltzuwendung im Blick auf die Umweltsysteme getroffen hat.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Textintentionalität ist folglich etwas, das sich in der jeweils gegebenen Welt nicht vorfindet, ohne dadurch schon ein Imaginäres zu sein.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Nun enthält aber der fiktionale Text sehr viele identifizierbare Realitätsfragmente, die über die Selektion der soziokulturellen Textumwelt wie auch der dem Text vorangegangenen Literatur entnommen sind. Insofern also kehrt im fiktionalen Text eine durchaus erkennbare Wirklichkeit wieder, die nun allerdings unter dem Vorzeichen des Fingiertseins steht. Folglich wird diese Welt in Klammern gesetzt, um zu bedeuten, daß die dargestellte Welt nicht eine gegebene ist
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Folglich kehrt die dargestellte Welt weder um ihrer selbst willen wieder, noch wird sie sich in der Bezeichnung einer Welt erschöpfen, die ihr vorgegeben wäre.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Die dargestellte Welt des Textes ist insofern ambivalent, als sie zumindest in der Konkretheit ihrer Darstellung eine Welt zu bezeichnen scheint, die durch sie repräsentiert ist.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • daß keine wahre Aussage über die in Klammern gesetzte Welt gemacht werden soll
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Diese verkörpert nun insofern eine radikale Alternative zur Bezugswelt des Textes, als sie aus deren Realität nicht ableitbar ist und gerade dadurch zum Modell für das Erzeugen von Welten wird. Denn sie ist das Analogon einer Vorstellbarkeit, und das bedeutet, zu einer Möglichkeit eine Realität hinzuzudenken.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Das Zusammenspiel von Fiktivem und Imaginärem bezeugt folglich, daß die Bezugsrealitäten des Textes – weil aus Möglichkeiten hervorgegangen – wieder in solche zerlegt werden, um weitere Möglichkeiten freizusetzen, die dem Hervorbringen anderer Welten dienen.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Deshalb gilt es, die Ent faltung seiner selbst als Spiel zu verstetigen, und das gelingt vornehmlich im ständigen Herstellen und Aufheben hergestellter Welten.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn das Textspiel als Transformation seiner Referenzwelten verläuft, dann entsteht etwas, das aus diesen nicht ableitbar ist. Folglich kann keine der Referenzwelten Gegenstand der Darstellung sein, so daß sich der Text nicht in der Repräsentation vorgegebener Gegenständlichkeit erschöpft.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Daher vollzieht sich die Porträtierung der sichtbaren Welt als Kette performativer Akte
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • von einer präfigurierten Welt zu einer transfigurierten Welt durch die Vermittlung einer konfigurierten Welt.“ Ibid., p. 28.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Denn es gilt, die in der Erscheinung liegende Illusion zu löschen, daß es das gibt, was die Erscheinung vorgaukelt, wodurch das Kunstwerk den Bruch mit der Natur in sich selbst hineinnimmt; denn nur in bestimmter Negation vermag das Kunstwerk zu demonstrieren, daß es der einzige Statthalter des Nicht-Seienden inmitten des Wirklichen ist. Der Bruch mit der Objektwelt ist als Riß im Kunstwerk gegenwärtig
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • die ganze Welt so, wie sie ist, also in keiner verschönenden Interpretation hören zu können
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • die ganze Welt, so wie sie ist, ohne gegenständliche Interpretation hören zu können
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Mit der Entstehung von Galerie und Museum in den letzten beiden Jahrhunderten als direkte Folge der Trennung von Kunst und Gesellschaft wurde die Kunst zu einer Traumwelt, die vom wirklichen Leben abgeschnitten und nur eines indirekten Bezugs zur Daseinserfahrung der Mehrheit fähig war.
      Kaprow, Allan: Assemblage, Environements & Happenings, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • das Gefühl der festen Zusammengefügtheit dynamischer gegensätzlicher Gesetzmässigkeit, als höchste Kraft-Empfindung des Menschen, wo die Welt nicht mehr in unzähligen feinen Abstufungen, sondern in den stärksten und ursprünglichsten Gegensätzen seiner dynamischen Dialektik erlebt wird. Stärkste Spannungen des physischen Raumes mittels im realen Raume physisch sich bewegender kinetischer Kraftsysteme wäre die weitere Entwicklung der bildenden Kunst.
      Kemény, Alfréd: Das dynamische Prinzip der Welt-Konstruktion im Zusammenhange mit der funktionellen Bedeutung der konstruktiven Gestaltung, 1923 Zur Textstelle navigieren
    • ist die Welt des Films ein Fluß zufälliger Ereignisse
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Verhaltensweise zur Welt
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Objektivität bei der Darstellung der sichtbaren Welt
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • die „Wunder der Außenwelt“ zeigt
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • die wirkliche Beschaffenheit der Welt, in der wir heute leben, wahrnehmen lassen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • dem gegebenen Rohmaterial auf den Grund zu gehen, oder dazu dienen, seine innere Bildwelt nach außen zu projizieren, oder gar beides miteinander zu vereinigen trachten.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • in unbekannte Welträume und die Schlupfwinkel der Materie vordringen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Das Objektiv der Filmkamera öffnet sich auf die Welt
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Der macht Film sichtbar, was wir zuvor nicht gesehen haben oder vielleicht nicht einmal sehen konnten. Er hilft uns in wirksamer Weise, die materielle Welt mit ihren psycho-physischen Entsprechungen zu entdecken. Wir erwecken diese Welt buchstäblich aus ihrem Schlummer, ihrer potentiellen Nichtexistenz, indem wir sie mittels der Kamera zu erfahren suchen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • unsere Vorstellungen von der physischen Welt in Frage stellen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Schauspiel der Welt als allsehend
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • Die Weise meiner Gegenwart in der Welt, das ist das Subjekt, das kraft seiner Reduktion auf die einzige Gewißheit, Subjekt zu sein, aktive Nichtung wird.
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • Die Unterscheidung innen/außen ist eine „primary distinction“, die in die Welt eingeführt werden muß. Siehe dazu Philip G. Herbst, Alternatives to Hierarchies, Leiden 1976, S. 88, der noch weitere, Logik generierende primary distinctions nennt, die einander wechselseitig den Vorrang streitig machen können, unter anderem die der Ontologie von Sein und Nichtsein. Wenn der Weltbegriff nach wie vor die Gesamtrealität bezeichnen soll, dann eben für den Beobachter zweiter Ordnung das, was in allen Bewegungen des Beobachtens (seiner selbst und anderer) unbeobachtbar bleibt.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Deshalb kann Kunst in dieser Sichtweise nicht mehr als Imitation von etwas auch vorhandenem Anderen begriffen werden, obwohl die Kunstwerke selbst mitsamt den Künstlern und den Betrachtern in der Welt zu finden und zu bezeichnen sind.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Nachahmung der Unsichtbarkeit der Welt
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Unbezweifelbarkeit der momentanen Aktualisation die Welt des von hier aus Zugänglichen nur als Verweisungsüberschuß repräsentieren kann, das heißt als Übermaß an Anschlußmöglichkeiten, die nicht alle zugleich aktuali siert werden können. Statt Welt zu geben, verweist das Medium Sinn auf selektives Prozessieren
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Ein Kunstwerk hat daher auch nie die Möglichkeit, die Welt zu rejizieren
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Paradoxien sind nichts anderes als Darstellungen der Welt in der Form der Selbstblockierung des Beobachtens. Man kann Kunstwerke, wie gesagt, als Paradoxie inszenieren – aber nur, um zu zeigen, daß es so nicht geht; nur um die Unbeobachtbarkeit der Welt zu symbolisieren.
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Hier wird die Wahrheitsoszillation des Paradoxes denn auch ganz bewußt eingesetzt – nicht zwar, um Welt zu repräsentieren, wohl aber, um zur Suche nach einem innovativen, im Kunstwerk selbst nicht festgelegten Ausweg aufzufordern
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kunst läßt die Welt in der Welt erscheinen
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Da das Kunstwerk existiert und real überzeugend (wenn überzeugend!) erlebt werden kann, kann etwas mit der Welt nicht stimmen (siehe hierzu Schmidt, S. J., 1984). Mit der Welt! – und gerade nicht mit der Kunst, die ihre eigenen Möglichkeiten ja ersichtlich beherrscht.
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Autonomie die Beziehungen zur Umwelt nicht unterbindet, sondern gerade voraussetzt und reguliert
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Die Vorstellung von der Welt wird immer subjektiv sein
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Wie die Natur als Gesamtheit keine Zahlen, keine Namen und keine isolierten Einzelerscheinungen kennt – dieses ist alles erst durch die Forschung in sie hineingetragen worden – so gibt es auch in der malerischen Wahrheit all dieses nicht. Der Maler stellt die Welt der Erregungen dar, ohne sie von der Weltwahrheit zu trennen.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Darum sehe ich die Malerei oder die Kunst überhaupt als den ersten Schritt auf dem Wege zum gegenstandslosen Suprematismus, zu der Welt als Gegenstandslosigkeit, zum befreiten Nichts, an
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Der Film, mit dem wir die wahre Welt als Filmmeterware aufspulen, um sie dann als Zauberteppich der Phantasie abrollen zu lassen, ist eine sensationelle Verbindung der alten mechanischen Technik mit der neuen elektrischen Welt.
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • der Film das Mechanische und das Organische zu einer wellenförmigen Welt verschmilzt
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • daß der Buchdruck, genauso wie heute Bilder auf der Leinwand, die wirkliche Welt entthront hatte
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • nach Maßgabe der sichtbaren Welt
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • weil er nicht Gott war und doch die Welt malen, sie gänzlich in einen Anblick verwandeln wollte, sichtbar machen wollte, wie sie uns unmittelbar berührt.
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • immer neuen Wiedergabe der Welt
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • leidenschaftlich darum bemüht, dieser Welt, in der Skandal und Ruhm der Geschichte widerhallen, Gemälde abzugewinnen
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt des Malers ist eine sichtbare Welt, die anders nicht als sichtbar ist, eine fast irre Welt, da sie ja vollständig und doch nur partiell ist.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • er malt auf jeden Fall, weil er gesehen hat, weil ihm die Welt, zumindest einmal, die Chiffren des Sichtbaren eingeprägt hat.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Das Sehen des Malers ist nicht mehr ein Blick auf ein Äußeres, eine bloß „physikalisch-optische“ P. Klee, a. a. O. Beziehung zur Welt. Die Welt liegt nicht mehr durch Vorstellung vor ihm. Vielmehr ist es der Maler, der in den Dingen geboren wird wie durch eine Konzentration und ein Zu-sich-Kommen des Sichtbaren, und das Gemälde bezieht sich schließlich nur dann auf irgend etwas unter den empirischen Dingen, wenn es zunächst „autofigurativ“ ist; es ist nur insofern Schauspiel von irgend etwas, als es „Schauspiel von nichts“ Ch. P. Bru: Esthétique de l'abstraction. Paris 1959, p. 86, 99. ist, indem es die „Haut der Dinge“ H. Michaux: Aventures de lignes. sprengt, um zu zeigen, wie Dinge zu Dingen und die Welt zur Welt wird.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Kunst ist nicht Konstruktion, Kunstgriff, geschicktes Verhältnis zu einem umgebenden Raum und einer Außenwelt. Sie ist wirklich der „unartikulierte Schrei, der die Stimme des Lichts zu sein schien“, von dem Hermes Trismegistos spricht.
      Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Kurzum, derselbe „neue Sinn“ in den Dingen der Welt, der das Ende des alten Engagements besiegelt, besiegelt zugleich das Ende der Avantgarde.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • wenn man die „methodischen Regeln“ beachtet, die die Arbeit des Historikers von der des Romanschriftstellers unterscheiden: alle historischen Erzählungen in dem einen Raum und in der einen Zeit zu lokalisieren; alle historischen Erzählungen mit der einen einzigen Welt der Geschichte in Beziehung setzen zu können
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • den Begriff der Welt des Textes eingeführt haben im Sinne einer Welt, in der wir wohnen und unsere eigensten Möglichkeiten entfalten können Zeit und Erzählung, Bd. II, Kap. IV.. Aber immer noch ist diese Welt des Textes bloß eine Transzendenz in der Immanenz; in dieser Hinsicht bleibt sie ein Teil des Textes. Die zweite Hälfte des Weges besteht in der Vermittlung, die die Lektüre zwischen der fiktiven Welt des Textes und der tatsächlichen Welt des Lesers bewirkt.
      Ricœur, Paul: Poetik der Erzählung: Geschichte, Fiktion, Zeit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • Aber es kommt zu jeder Zeit vor, daß die verfilmte Erzählung uns mit einer Heftigkeit, die schwerlich in dem entsprechenden Texte, sei es Roman oder Drehbuch, zu finden ist, von unserer innerlichen konstruierten Geborgenheit losreißt und in diese dargebotene Welt hineinwirft.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • An Stelle dieses Universums der „Bedeutungen“ (sowohl psychologischer als auch sozialer und funktioneller Art) sollte man vielmehr versuchen, eine festere und unmittelbarere Welt zu bauen.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • In dieser künftigen Welt des Romans werden Gebärden und Gegenstände erst „da“ sein, bevor sie „etwas“ sind; und nachher sollen sie noch da sein, hart, unveränderlich, auf immer anwesend
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • wir sehen die Welt nicht mehr als unser Gut oder unser Privateigentum, als etwas Zähmbares an, und außerdem glauben wir nicht mehr an ihre „Tiefe“.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • wir setzen unsere ganze Hoffnung auf den Menschen: die Formen, die er schafft, können der Welt Bedeutung geben
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Die Welt, in der der ganze Film spielt, ist ganz eindeutig die eines ständigen Präsens, das jeden Rekurs auf das Gedächtnis unmöglich macht. Es ist eine Welt ohne Vergangenheit, die sich in jedem Augenblick selbst genügt und die in fortschreitendem Maß wieder verlöscht.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Die wirkliche Welt interessiert sie; jeder bemüht sich, einfach „Reales“ zu schaffen.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Jeder spricht von der Welt so, wie er sie sieht, doch niemand sieht sie auf dieselbe Weise.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Dieser realistische Autor (in der neuen Bedeutung, die wir zu definieren versuchen: Schöpfer einer materiellen Welt, mit visionärer Präsenz)
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Der neue, schnelle, reale Abbildner der Welt – die Fotografie mit ihren Möglichkeiten – müßte sich mit der Demonstration der Welt von allen Blickpunkten beschäftigen und die Fähigkeit erziehen, von allen Seiten zu sehen.
      Rodtschenko, Alexander M.: Die Wege der modernen Fotografie, 1928 Zur Textstelle navigieren
    • Wir, die wir gewöhnt sind, das Gewöhnliche und Anerzogene zu sehen, müssen die Welt des Sichtbaren enthüllen. Wir müssen unsere visuelle Denkweise revolutionieren.
      Rodtschenko, Alexander M.: Die Wege der modernen Fotografie, 1928 Zur Textstelle navigieren
    • So wie ein Kunstwerk, das nicht in unsrer eignen ewigen Existenz gegründet ist, nicht bestehet, so ist es gewiß auch mit dem Menschen, der nicht in Gott gegründet ist. Die Blüten, die wir treiben aus dem Bewußtsein dieses unsers ersten Ursprungs, wo der Saft aus diesem Stamm der Welt gezogen wird, denen gedeihen die Früchte
      Runge, Philipp Otto: Brief an den Bruder Daniel (9. 3. 1802), Brief an Ludwig Tieck (1. 12. 1802), 1802 Zur Textstelle navigieren
    • Eine solche Thätigkeit ist allein die ästhetische, und jedes Kunstwerk ist nur zu begreifen als Product einer solchen. Die idealische Welt der Kunst, und die reelle der Objecte sind also Producte einer und derselben Thätigkeit; das Zusammentreffen beyder, (der bewußten und der bewußtlosen) ohne Bewußtseyn, giebt die wirkliche, mit Bewußtseyn die ästhetische Welt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Denn obgleich die wirkliche Welt ganz aus demselben ursprünglichen Gegensatz hervorgeht, aus welchem auch die Kunstwelt, welche gleichfalls als Ein großes Ganzes gedacht werden muß, und in allen ihren einzelnen Producten nur das Eine Unendliche darstellt, hervorgehen muß, so ist doch jener Gegensatz jenseits des Bewußtseyns nur insoweit unendlich, daß durch die objective Welt als Ganzes, niemals aber durch das einzelne Object ein Unendliches dargestellt wird, anstatt daß jener Gegensatz für die Kunst ein unendlicher ist in Ansehung jedes einzelnen Objects, und jedes einzelne Product derselben die Unendlichkeit darstellt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Hier also in dem Reiche des ästhetischen Scheins wird das Ideal der Gleichheit erfüllt, welches der Schwärmer so gern auch dem Wesen nach realisiert sehen möchte; und wenn es wahr ist, daß der schöne Ton in der Nähe des Thrones am frühesten und am vollkommensten reift, so müßte man auch hier die gütige Schickung erkennen, die den Menschen oft nur deswegen in der Wirklichkeit einzuschränken scheint, um ihn in eine idealische Welt zu treiben.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • eine Welt in der Welt zu bilden
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Fotografie reproduziert – folgt man diesem Glauben – die sichtbare Welt. Die Kamera ist eine Fakten-Maschine, die unabhängig von menschlichen Eingriffen eine duplizierte Welt von fetischisierten Erscheinungen erzeugt. Fotografien, die immer Produkt einer gesellschaftsspezifischen Begegnung zwischen Mensch und Mensch oder Mensch und Natur sind, werden zu Behältnissen für tote Fakten, zu verdinglichten und aus ihren gesellschaftlichen Ursprüngen gerissenen Objekten.
      Sekula, Allan: Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • In unserem Erleben wird der Körper einerseits neuen Formen der Vermittlung und der Konstitution in der Mobilität und ‚Gegenwärtigkeit’ menschlicher Existenz unterworfen und gewinnt so andererseits neue Möglichkeiten, sinnhaft zu sein und Sinn zu produzieren. Daher halte ich es nicht für übertrieben zu behaupten, daß uns Kino und elektronische Medien durch die von ihnen geleistete Vermittlung einer Beziehung zur Welt – im wörtlichen Sinn – befähigt haben, ein gegenüber der Vergangenheit ganz anderes Bild, eine andere Sinnlichkeit, einen anderen Sinn von uns selbst zu entwickeln.
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Denn die Photographie kann nicht nur die ‚ wirkliche Welt ’ in Spuren ‚einfangen’ und selbst in ganz konkretem Sinn besessen werden, darüber hinaus macht es ihr von kulturellem Wissen bestimmter Status als mechanische Reproduktion (nicht als sprachliche Darstellung) auch möglich, sich in einer bis dahin nicht einmal erahnten (und vielleicht einmalig genüßlichen) Weise selbst zu besitzen
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Photographie ist eine Form der Mumifizierung (vgl. Bazin 1945/1967). Sie bezeugt und erhält zwar Welt und gibt der Erfahrung eine ‚ Gegenwart ’, aber sie enthält nicht die ‚ Gegenwärtigkeit ’ dieser von ihr bezeugten und erhaltenen Welt.
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Darin liegt das Paradox der Photographie: indem sie durch Akte der Besitznahme Welt objektiviert und erhält, konnotiert sie doch zugleich Verlust und Tod
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Wie die Photographie objektiviert der Film Welt zu Sichtbarem ; aber er markiert einen qualitativen Sprung, der darin liegt, daß seine Materialität nicht nur die Welt als Gegenstand für sich in Anspruch nimmt, sondern auch auf ihre eigene – sozusagen ‚körperliche’ – Beweglichkeit, Intentionalität, Subjektivität verweist.
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Produktion und Anordnung dieser Bilder bezeugt nicht nur die Existenz der Welt, sie deutet auch auf ein anonymes, bewegliches, körperliches und geistiges Subjekt im Raum der Welt
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • Ganz unabhängig von der Mechanik seiner Herstellung wird das bewegliche Bild als subjektiv und intentional erfahren, man nimmt an, daß es eine Darstellung der objektiven Welt vorstellt.
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • sie beansprucht weder (wie die Photographie) einen objektiven Besitz von Welt und Selbst, noch (wie der Film) ein raumzeitliches Einbezogensein in die Welt, in dem sich Erfahrung verkörpert und bewußt macht. Weder reproduzieren die elektronischen Medien empirische Objektivität, noch stellen sie eine Darstellung subjektiven Sehens vor. Sie bauen vielmehr eine Meta-Welt auf, wo sich alles um Darstellung-in-sich dreht.
      Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
    • In der Kunst eignet sich der Mensch die Wirklichkeit durch subjektives Erleben an. In der Wissenschaft folgt das menschliche Wissen den Stufen einer endlosen Treppe, wobei immer wieder neue Erkenntnisse über die Welt an die Stelle der alten treten.
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Bild der Welt
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Bild von der Welt
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der Dichter ist ein Mensch mit der Vorstellungskraft und der Psychologie eines Kindes. Sein Eindruck von der Welt bleibt unvermittelt, von welch großen Weltideen er sich auch immer leiten läßt. Das heißt, er „beschreibt“ die Welt nicht – die Welt ist sein.
      Tarkowskij, Andrej: Die Kunst als Sehnsucht nach dem Idealen, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der Künstler beginnt dort, wo in seinem Konzept, beziehungsweise bereits in seinem Film selbst eine eigene, unverwechselbare Bildstruktur aufkommt, ein eigenes Gedankensystem zur realen Welt, das der Regisseur dann dem Urteil der Zuschauer überantwortet, dem er seine tiefsten Träume mitteilt. Nur wenn er seine eigene Sicht der Dinge präsentiert, also zu einer Art Philosoph wird, ist der Regisseur auch tatsächlich ein Künstler und die Kinematographie eine Filmkunst.
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der hauptsächliche Unterschied besteht vor allem darin, daß die Literatur die Welt mit Hilfe der Sprache beschreibt, der Film jedoch keine Sprache besitzt. Er ist unmittelbar, er führt uns sich selbst vor Augen.
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • All dies zeigt noch einmal, daß der Film Autorenkunst ist, wie jede andere Kunst auch. Die Mitarbeiter des Filmteams können ihrem Regisseur unendlich viel geben. Doch einzig und allein dessen Imagination verleiht dem Film die endgültige Einheit. Nur das, was den Filter seiner alleinigen, subjektiven Vision passiert, bildet das künstlerische Material, aus dem dann jene unverwechselbare und komplexe Welt errichtet wird, die ein Reflex des Wirklichkeitsbildes ist.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • wirklich
    • die physischen Tatsachen haben keine Wirklichkeit, während die Kunst, der so viele ihr ganzes Leben widmen und die alle mit göttlicher Freude erfüllt, in höchstem Maße wirklich ist
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Konkrete Malerei, nicht abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche
      Doesburg, Theo van: Die Grundlage der konkreten Malerei, 1930 Zur Textstelle navigieren
  • Wirkliche, das
    • Das ästhetische Wirkungsvermögen der Photographie liegt in der Enthüllung des Wirklichen.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Die neue Poesie und Kunst will also zweitens Naturalismus sein. Sie will das Wirkliche sehen lassen, wie es ist, und analysieren. Sie will die Anatomie und Physiologie eines gegebenen Teils der Wirklichkeit sein.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Das Verhältnis der das Mannigfache vereinigenden Handlungen unserer Intelligenz zu einer einheitlichen und gedankenmäßigen Ordnung des Wirklichen, zumal des Sinnlich-Wirklichen, wird stets die Bedingung oder, wenn man lieber will, das Postulat ausmachen, vermittels dessen allein wir die ästhetische Auffassung der Welt uns faßbar machen können.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • das Wirkliche erblicken
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wissenschaft hat uns gelehrt, überall gesetzlichen Zusammenhang des Wirklichen aufzufassen. Wir verstehen heute auch den Menschen nur in dem naturgesetzlichen, sozialen und geschichtlichen Zusammenhang, von dem wir ihn bedingt finden. In jeder Darstellung ist ein Reflex dieses Strebens. Wir wollen die realen gesetzlichen Beziehungen innerhalb eines Kreises von Erscheinungen zum Ausdruck bringen, selbst in einer einzelnen Gestalt. Der Künstler sucht das reale naturgesetzliche Gefüge, in welches der Mensch gestellt ist, nach seinem Charakter und Wert mit grenzenloser Wahrhaftigkeit auszudrücken.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Der Umstand, daß in der künstlerischen Darstellung nichts anderes zur Erscheinung kommen soll als das tatsächlich Wirkliche, kann nur ein Wiedererkennen des in der Wirklichkeit Gekannten oder eine Neugier nach dem noch nicht Gekannten erzeugen
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Im Lichte der konstruktiven Idee ist das rein philosophische Erstaunen über das Wirkliche und das Unwirkliche eitel. Noch törichter aber ist die Absicht, das Wirkliche in das Überwirkliche und das Unterwirkliche, in bewußte und unbewußte Realität zu teilen. Die konstruktive Idee kennt nur eine Wirklichkeit. In der Kunst ist nichts unwirklich.
      Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • Meinen wir, das Gemälde entnehme dem Wirklichen ein Abbild und versetze dies in ein Produkt der künstlerischen Produktion? Keineswegs.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Das erregende Abenteuer einer Wahrnehmung des Wirklichen an sich, also nicht mehr in der Brechung durch eine begriffliche oder imaginative Umsetzung. Woran läßt sich das erkennen? An der Beteiligung eines soziologischen Momentes im entscheidenden Kommunikationsstadium.
      Restany, Pierre: Die neuen Realisten, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Gelingt es dem Menschen, sich wieder in das Wirkliche zu integrieren, so identifiziert er es mit seiner eigenen Transzendenz, die Emotion ist, Sentiment, und schließlich noch Poesie.
      Restany, Pierre: Die neuen Realisten, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Wollte er sich aber mit Bewußtseyn dem Wirklichen ganz unterordnen, und das Vorhandene mit knechtischer Treue wiedergeben: so würde er wohl Larven hervorbringen, aber keine Kunstwerke.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Nachahmung des Wirklichen
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Auf der andern Seite kann aber auch die Nachahmung des Wirklichen an Vollkommenheit unendlich zunehmen: denn die Fülle jedes Einzelnen ist unerschöpflich, und kein Abbild kann jemals ganz in sein Urbild übergehen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Die Bestandtheile der darstellenden Kunst, welche das Mögliche mit dem Wirklichen vermischt, sind Versinnlichung des Allgemeinen und Nachahmung des Einzelnen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Wirklichkeit
    • Kein anderer als Sartre hat den Zusammenhang zwischen der Autonomie des Werkes und einem Wollen erkannt, das nicht dem Werk eingelegt ist, sondern sein eigener Gestus der Wirklichkeit gegenüber.
      Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Doch natürlich basiert der Realismus in der Kunst ausschließlich auf artifiziellen Methoden. Jede Ästhetik muß zwangsläufig eine Auswahl treffen zwischen dem zu Bewahrenden, dem zu Verwerfenden und dem, was verlorengehen kann; tritt sie aber, wie der Film es tut, mit dem Anspruch an, eine Illusion der Wirklichkeit zu erzeugen, so steht das in einem grundsätzlichen, zugleich inakzeptablen und notwendigen Widerspruch zum Auswählen.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Als realistisch werden wir also jedes System von Ausdrucksformen und jedes Erzählverfahren bezeichnen, das tendenziell mehr Wirklichkeit auf die Leinwand zu bringen sucht. „Wirklichkeit“ darf natürlich nicht quantitativ verstanden werden.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Am Ende dieses unvermeidlichen, notwendigen chemischen Prozesses steht anstelle der ursprünglichen Wirklichkeit eine Illusion der Wirklichkeit, die sich aus einer Mischung von Abstraktion (das Schwarzweißbild, die Zweidimensionalität), Konvention (die Gesetze der Montage zum Beispiel) und authentischer Realität zusammensetzt.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Der klassische Filmschnitt, der auf Griffith zurückgeht, zerlegte die Wirklichkeit in aufeinanderfolgende Einstellungen, die lediglich aus einer Abfolge von logischen oder subjektiven Blickwinkeln auf das Geschehen bestanden.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Die Begriffe treten, wie wir nachher zeigen werden, gewöhnlich paarweise auf und repräsentieren zwei Gegensätze. Es gibt kaum eine konkrete Wirklichkeit, über die man nicht zugleich zwei entgegengesetzte Ansichten vertreten könnte und die sich nicht infolgedessen auf diese beiden widerstreitenden Begriffe bringen ließe. Daher entstehen eine These und eine Antithese, die man vergebens logisch zu versöhnen suchen möchte, aus dem sehr einfachen Grunde, daß sich niemals aus Begriffen oder Gesichtspunkten ein Ding machen läßt.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • erstens, indem der Dichtung ein Bezug zu einer vorgegebenen Wirklichkeit – welcher Art auch immer – zugesprochen wird; zweitens, indem für die Dichtung die Erzeugung einer eigenen Wirklichkeit in Anspruch genommen wird.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • In der Geschichte unserer ästhetischen Theorie ist diese Disposition, das ästhetische Gebilde aus seinem Verhältnis zu ‚ Wirklichkeit ‘ zu legitimieren, niemals ernstlich verlassen worden.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Zwischen den derart umrissenen Wirklichkeitsbegriffen in ihrem geschichtlichen Zusammenhang und den Verständnisweisen für das Kunstwerk besteht ein Begründungsverhältnis. Ganz unzweifelhaft ist die Theorie der Nachahmung Die folgende Darstellung der Herkunft und historischen Rolle der Mimesis-Theorie referiert nicht nur, sondern korrigiert z. T. auch den entsprechenden Abschnitt meiner Studie Nachahmung der Natur (in: Studium Generale X, 1957, 266-283; spez. 270 ff.). Vor allem habe ich mich nicht mehr mit der Feststellung der Ambivalenz des platonischen Schemas begnügt, sondern möchte zeigen, daß positive und negative Wertung, Betonung der Partizipation bzw. der Defizienz, verschiedenen Bezugsebenen zugehören, die als reale Abbildlichkeit und bloß relationale Nachbildlichkeit gekennzeichnet sein mögen. Dadurch wird sowohl verständlich, was in der aristotelischen Kunsttheorie geschieht, die diese Differenzierung nicht haben kann und der nur die positive Wertung der Mimesis offenbleibt, als auch, was eigentlich der Neuplatonismus und die platonisierende Gnosis ‚ausgelassen‘ haben. als die beherrschende Konzeption in unserer ästhetischen Tradition fundiert in dem Wirklichkeitsbegriff der momentanen Evidenz.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Vergleichbarkeit des menschlichen Werkes mit dem göttlichen Schöpfungswerk war die heimliche oder ausdrückliche Orientierung eines neu sich bildenden Begriffes vom Künstler, und das führte natürlich mit Vehemenz zurück auf die Frage nach dem Verhältnis des Kunstwerkes zur Naturwirklichkeit, nach der notwendigen oder zufälligen Abhängigkeit oder der Lösbarkeit dieses Bezuges.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Nicht mehr zwischen dem darstellenden Kunstwerk und der Natur kann also jetzt ein Wahrheitsbezug absoluten Ranges gesehen werden, sondern zwischen dem verstehenden, mit Kunst umgehenden Subjekt und dem künstlerischen Gebilde, das es als ein von ihm wenigstens der Möglichkeit nach hervorgebrachtes Stück Wirklichkeit ansieht.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • indem das Zeichen erkennen läßt, daß es keiner ‚ Sache ‘ entsprechen will, gewinnt es selbst die ‚Substantialität‘ der Sache. Das ist freilich ein Ansatz, der über den Roman und den ihn fundierenden Wirklichkeitsbegriff noch hinausweist auf ein am Widerstand sich konstituierendes Wirklichkeit sbewußtsein und die ihm entsprechende bzw. es bezeugende Kunstform der sich selbst zersprengenden, ihr Nicht-Bedeuten durch Inkonsistenz demonstrierenden Aussageweisen.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Die Eignung des Begriffs von Wirklichkeit als phänomenal-immanenter Konsistenz zur Begründung des Kunstwerkes in seiner autonomen Realität habe ich zu zeigen versucht; was dabei noch unerwähnt blieb, aber erst die Konkurrenz der vom Menschen geschaffenen Realität mit der von ihm vorgefundenen Realität der Natur integriert, ist die Eigentümlichkeit, daß der Mensch einerseits sich in seinem Selbstbewußtsein reflektiert an der Verifikation seiner schöpferischen Potenz, daß er andererseits aber die Abhängigkeit der Kunstwerke von seinem eigenen Können und Wollen zu verschleiern suchen muß, und zwar deshalb, weil diese Werke nur so jene unfragwürdige Selbstverständlichkeit des Nicht-anders-sein-könnens gewinnen, die sie ununterscheidbar von den Produktionen der Natur macht.
      Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Der Surrealismus beruht auf dem Glau ben an die höhere Wirklichkeit gewisser, bis dahin vernachlässigter Assoziationsformen, an die Allmacht des Traumes, an das zweckfreie Spiel des Denkens
      Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
    • Die verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit gibt es auch in der Literatur, ja, die Literatur stützt sich sogar auf die Unterscheidung zwischen verschiedenen Wirklichkeitsebenen und wäre undenkbar ohne das Bewußtsein von dieser Unterscheidung. Das literarische Werk könnte als eine Operation in der geschriebenen Sprache definiert werden, die mehrere Wirklichkeitsebenen gleichzeitig einbezieht. Von diesem Blickwinkel aus kann eine Reflexion über das literarische Werk für den Wissenschaftler und den Wissenschaftsphilosophen von einigem Nutzen sein.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • „Ich schreibe.“ Diese Feststellung ist die erste und einzige Wirklichkeit, von der ein Schriftsteller ausgehen kann. „In diesem Augenblick schreibe ich gerade.“ Das wäre das gleiche, wie zu sagen: „Du, der Du liest, mußt nur eines glauben: daß das, was Du liest, etwas ist, was jemand zu einem früheren Zeitpunkt geschrieben hat; das, was Du liest, spielt sich in einem besonderen Universum ab, dem des geschriebenen Wortes.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Aber auch ohne Umkehrung – die unzähligen Autoren, die unter Berufung auf einen früheren Autor eine mythische oder jedenfalls traditionelle Geschichte neu geschrieben oder interpretiert haben, haben es getan, um etwas Neues mitzuteilen und gleichzeitig dem Bild der Tradition treu zu bleiben, und bei ihnen allen kann man im Ich des schreibenden Subjekts eine oder mehrere Ebenen subjektiver individueller Wirklichkeit und eine oder mehrere Ebenen mythischer oder epischer Wirklichkeit erkennen, die Stoff aus der kollektiven phantastischen Bildwelt ziehen.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Die vom Geschriebenen hervorgerufenen Wirklichkeitsebenen, wie wir sie beschrieben haben, die Abfolge von Schleier und Trennwänden, entfernen sich vielleicht ins Unendliche, öffnen vielleicht ein Fenster auf das Nichts. Wie wir das Ich, das erste Subjekt des Schreibens, verschwinden sahen, so ist uns auch dessen letztes Objekt entglitten. Vielleicht liegt es an dem Spannungsfeld, das sich zwischen einer Leere und einer anderen Leere bildet, daß die Literatur die Dichte einer an Formen und Bedeutungen unerschöpflich reichen Wirklichkeit noch steigert.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Am Ende dieses Vortrages merke ich, daß ich immer von „Wirklichkeitsebenen“ gesprochen habe, während das Thema dieses Kongresses (zumindest im Italienischen) „Die Ebenen der Wirklichkeit“ lautet. Der zentrale Punkt meines Vortrages liegt vielleicht gerade darin: die Literatur kennt nicht die Wirklichkeit sondern nur die Ebenen.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Ob es die Wirklichkeit gibt, von der die verschiedenen Ebenen nur Teilaspekte sind, oder ob es nur die Ebenen gibt, das kann die Literatur nicht entscheiden. Die Literatur kennt die Wirklichkeit der Ebenen und das ist eine Wirklichkeit, die sie vielleicht besser kennt, als man sie durch andere Erkenntnismethoden kennenlernen könnte. Das ist schon sehr viel.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Und was hier von der Sprache gesagt ist: das scheint folgerecht von jeder Art symbolischen Ausdrucks gelten zu müssen. Jede geistige Form scheint zugleich eine Hülle zu bedeuten, in die sich der Geist einschließt. Wenn es gelänge, alle diese Hüllen abzustreifen, dann erst – so scheint es – würden wir zur echten unverfälschten Wirklichkeit, zur Wirklichkeit des Subjekts wie des Objekts durchdringen.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Indem der Film Wirklichkeit vorführt, schirmt er deren Gegebenheit vor uns ab; er hält uns Wirklichkeit fern und stellt uns Wirklichkeit vor, d.h., er hält Wirklichkeit vor uns zurück.
      Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
    • Denn der Mythus stellt sich für den, der an ihn glaubt, als Offenbarung und Erkenntnis der Wirklichkeit gegenüber der Unwirklichkeit dar und weist die von ihm verschiedenen Glaubensformen als illusorisch und falsch von sich
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • eine neue Wirklichkeit hervorgebracht hat
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Aber die in dem idealen Drama unteilbaren idealen Momente kann man geteilt in der empirischen Wirklichkeit erblicken, gleichsam als körperliches und unreines Symbol der idealen Unterschiedenheit. Sie sind nicht etwa wirklich geschieden (die Idealität ist die wahre Realität ), sondern empirisch geschieden erscheinen sie dem, der sie typisierend betrachtet und der keine andere Art und Weise hat, um in den Typen die Individualität der seine Aufmerksamkeit fesselnden Tatsachen zu bestimmen als dadurch, daß er die idealen Unterscheidungen vergrößert und übertreibt.
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Im Gefühl werde ich dieser inneren Handlung inne. Sonach sind die Vorgänge im ästhetischen Auffassen der Wirklichkeit, im Schaffen des Künstlers und im Genießen des Kunstwerkes einander nahe verwandt.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • So zeigt sich im einfachen Fall des Porträts, daß die nachahmende Kunst nicht Abmalung der Wirklichkeit, sondern Anleitung zum tieferen Verständnis derselben vermittels des Durchgangs der Bilder durch einen genial auffassenden Kopf ist. Diese Wirklichkeit gibt es überhaupt innerhalb eines Bewußtseins nicht: sie ist eine contradictio in adjecto. Vielmehr verdankt die Menschheit dem Künstler etwas ganz anderes. Dies kann von der Gefühlsästhetik so wenig erfaßt werden als von der formalen oder spekulativen. Eben darum handelt es sich vielmehr bei dem Verständnis der Kunst, wie in ihr Bild, Form, Gefühl, Denken, geistiger Gehalt von innen verknüpft sind. Alle nachahmende Kunst stellt einen Lebenszusammenhang dar; sahen wir doch, wie auch die dem abstrakten Denken tote Natur für den Eindrucksfähigen lebt.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Die künstlerische Tätigkeit, mag sie dichtend, mag sie gestaltend die Welt zu zeigen unternehmen, wie sie ist, muß sich unter den Zwang der Dinge begeben, sie muß sich zur Sklavin der Wirklichkeit machen
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Will man sich den Unterschied zu lebendigem Bewußtsein bringen, der jenen vorgeblichen Realismus von dem wahren künstlerischen Realismus trennt, so muß man sich gegenwärtig halten, daß alle Wirklichkeit nichts anderes ist als das jeweilige Resultat eines sinnlich-geistigen Vorgangs
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Enge der Wirklichkeit sprengen
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Aller Fortschritt, alle weitere Entwicklung der künstlerischen Tätigkeit beruht auf der in ihren künstlerischen Gestaltungen sich aussprechenden Weiterentwicklung jener ersten geistigen Gebilde, in denen sich der künstlerische Geist zuerst der Wirklichkeit vergewisserte. Auch der Künstler erhebt sich von Abstraktion zu Abstraktion, und je höher die geistigen Formen sind, zu denen sich der sinnliche Stoff emporgestaltet, desto mehr und mehr erhebt sich der Künstler aus der Verworrenheit, Unbestimmtheit, Flüchtigkeit der Anschauung in eine klare, bestimmte, dauernde Wirklichkeit empor.
      Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
    • Im groben Umriß könnte man die Geschichte der Malerei von Manet bis zum synthetischen Kubismus und zu Matisse als Geschichte ihrer allmählichen Entfernung von der Aufgabe der Wirklichkeitsdarstellung – oder der Entfernung der Wirklichkeit vom Vermögen der Malerei, sie darzustellen Diese Formulierung ist mehr als nur eine rhetorische Figur: sie beschreibt in nuce den Prozeß, der in Manets Bildern beobachtet werden kann. Grundsätzlich hat Manet realistische Ambitionen. Anfänglich geht es ihm um eine objektive Übertragung der Wirklichkeit, einer Welt, der man ganz und gar angehört; sie findet er im Werk von Velázquez und Hals vor. Während diese beiden aber ihr inniges Verhältnis zu jener Welt, der sie angehörten und die sie beobachteten und malten, fraglos voraussetzten, ist Manet sich aufs schärfste bewußt, daß seine eigene Beziehung zur Wirklichkeit erheblich problematischer ist. Und wenn er seine Welt mit derselben Vollständigkeit und leidenschaftlichen Wahrheitsliebe darstellen will, wie sie ihm im Werk von Velázquez und Hals begegnet, dann muß er nicht nur diese Welt selbst, sondern zugleich sein problematisches Verhältnis zu ihr malen: sein Bewußtsein davon, sich zwar in dieser Welt zu befinden, aber nicht von dieser Welt zu sein. In diesem Sinne ist Manet der erste nachkantische Maler; der erste Maler, dessen Selbstwahrnehmung äußerst schwierige Probleme aufwirft, vor denen er nicht die Augen verschließen kann: der erste, dem Bewußtsein als solches zum großen Thema seiner Kunst wird. Beinahe von Anfang an – mit Sicherheit schon im Déjeuner sur l'herbe – scheint Manet sich darum bemüht zu haben, diese Selbstwahrnehmung als wesentliches Element seiner Gemälde, als wesentlichen Aspekt ihres Inhalts einzusetzen. Daher der situationale Charakter der Manetschen Bilder aus den sechziger Jahren: das Bild selbst wird als eine Art Tableau vivant begriffen (ein Rückbezug auf David), aber eines, das so konstruiert wurde, daß es nicht vornehmlich ein besonderes Ereignis, sondern die Entfremdung des Betrachters von diesem Ereignis inszeniert. Mehr noch: In Bildern wie dem Déjeuner und der Olympia bietet Manet eine buchstäbliche Darstellung des Hemmenden und Entfremdenden der Selbstwahrnehmung – im Déjeuner mit der undeutbaren Geste des Mannes rechts und dem im Flug erstarrten Vogel am oberen Bildrand, in der Olympia vor allem mit der feindseligen, fast schematischen Katze; und in beiden mit dem distanzierenden ruhig-starren Blick der Victorine Meurend. Aber Manets Wunsch, das Entfremdende der Selbstwahrnehmung zum wesentlichen Element seines Bildes zu machen – ein, wie wir sahen, im Grundsatz realistisches Anliegen –, hat eine bedeutsame Konsequenz: Die Selbstwahrnehmung in dieser Situation schließt nämlich zwangsläufig die Wahrnehmung ein, daß der Gegenstand der Betrachtung am Ende doch nur ein gemaltes Bild ist. Und auch diese Wahrnehmung muß zu einem wesentlichen Element des Werks selbst gemacht werden. Das heißt, es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß der Maler sie mit Absicht hervorrufen will; und wenn nötig, muß der Betrachter zu ihr gezwungen werden. Andernfalls bliebe die Selbstwahrnehmung (und die Entfremdung), um die es Manet geht, unvollständig und zweideutig. Aus diesem Grund akzentuiert Manet bestimmte Merkmale, die nichts mit herkömmlicher Wirklichkeitstreue zu tun haben, sondern geltend machen, daß das betreffende Gemälde genau das ist: ein Gemälde. Manet akzentuiert die Flächigkeit der Bildfläche, indem er alle plastische Durchbildung vermeidet und (wie im Déjeuner ) eine überzeugende Darstellung des Tiefenraums verweigert; er macht auf die Grenzen der Leinwand aufmerksam, indem er sich ausdehnende Formen durch die Rahmenkante abschneidet; und er unterstreicht die rechteckige Form des Bildträgers, indem er verschiedene Kompositionselemente mehr oder weniger offensichtlich auf sie ausrichtet. (Begriffe wie Akzentuieren und Geltendmachen sind wichtig. David und Ingres verlassen sich viel mehr als Manet auf die rechteckige Komposition, und bei Ingres besitzen manche Formen nicht mehr Plastizität als bei Manet. Aber weder David noch Ingres geht es um die Akzentuierung der Rechteckigkeit oder Flächigkeit der Leinwand; vielmehr benutzen sie beides, um die Stabilität ihrer Kompositionen und die Korrektheit ihrer Zeichnung sicherzustellen.) Kein Wunder, daß Manets Kunst schon immer zu einander widersprechenden Interpretationen eingeladen hat: die Widersprüche nisten im Konflikt zwischen seinen Ambitionen und seiner tatsächlichen Situation. (Über die Frage, was genau diese Situation eigentlich auszeichnete, läßt sich streiten; ein untypisch subtil argumentierender Marxist könnte wohl mit guten Gründen dafür plädieren, den Blick auf die ökonomische und politische Situation in Frankreich nach 1848 zu richten. In dieser Anmerkung geht es mir jedoch darum, daß Manet Bewußtsein als Problem der Kunst erkennt, und um die entfremdende Qualität seines eigenen Selbstbewußtseins.) Manets Werk ist der letzte Versuch in der abendländischen Kunst, ein vollgültiges Äquivalent zur großen realistischen Malerei der Vergangenheit zu leisten: ein Versuch, der dann über die Akzentuierung der Eigenschaften und Probleme der Bildlichkeit als solcher in raschen, unerbittlichen Schritten zur Begründung des Modernismus führte. Eben deswegen geriet Manet so leicht aus dem Tritt, als um 1870 der Impressionismus auf der Bildfläche erschien: seine bildlichen und formalen Innovationen der sechziger Jahre waren ja nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst einer Phänomenologie entstanden, die zwar schon von Philosophen entwickelt und auch von einigen Dichtern (Blake zum Beispiel) gestaltet worden war, sich aber in der bildenden Kunst noch nicht zur Geltung gebracht hatte. Erst am Ende seines Lebens gelang es Manet schließlich, das vom Impressionismus Gelernte für die Gestaltung seiner eigenen, viel tiefgründigeren Phänomenologie einzusetzen: in der Bar aux Folies-Bergère. Mit all diesem will ich mich so bald wie möglich an anderer Stelle befassen. – und ihrer zunehmenden Hinwendung zu ihren immanenten Problemen beschreiben.
      Fried, Michael: Drei amerikanische Maler, 1965 Zur Textstelle navigieren
    • Kein neues künstlerisches System wird den Forderungen einer werdenden Kultur widerstehen können, wenn das Fundament der Kunst nicht auf den realen Gesetzen des Lebens errichtet wird. Wenn nicht alle Künstler mit uns sagen werden … Alles ist Lüge … nur das Leben und seine Gesetze sind wahr, und im Leben ist nur der Tätige schön, klug, stark und aufrichtig, denn das Leben kennt die Schönheit nicht als ästhetischen Maßstab … die Wirklichkeit ist die höchste Schönheit.
      Gabo, Naum: Das Realistische Manifest, 1920 Zur Textstelle navigieren
    • die Wirklichkeit nachzuahmen
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Denn die Kunst ist beschränkt in ihren Darstellungsmitteln und kann nur einseitige Täuschungen, z. B. nur für einen Sinn den Schein der Wirklichkeit hervorbringen und gibt in der Tat, wenn sie bei dem formellen Zweck bloßer Nachahmung stehenbleibt, statt wirklicher Lebendigkeit überhaupt nur die Heuchelei des Lebens.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Die Möglichkeit dieser Täuschung durch den Schein der Kunst beruht darauf, daß alle Wirklichkeit beim Menschen [durch] das Medium der Anschauung und Vorstellung hindurchgehen muß und durch dies Medium erst in Gemüt und Willen eindringt. Hierbei nun ist es gleichgültig, ob die unmittelbare äußere Wirklichkeit ihn in Anspruch nimmt oder ob dies durch einen anderen Weg geschieht, nämlich durch Bilder, Zeichen und Vorstellungen, welche den Inhalt der Wirklichkeit in sich haben und darstellen.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Der Verstand jedoch kann sich von der Festigkeit der Gegensätze nicht lossagen; die Lösung bleibt deshalb für das Bewußtsein ein bloßes Sollen, und die Gegenwart und Wirklichkeit bewegt sich nur in der Unruhe des Herüber und Hinüber, das eine Versöhnung sucht, ohne sie zu finden.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Idee als das Kunstschöne nicht die Idee als solche ist, wie sie eine metaphysische Logik als das Absolute aufzufassen hat, sondern die Idee, insofern sie zur Wirklichkeit fortgestaltet und mit dieser Wirklichkeit in unmittelbar entsprechende Einheit getreten ist.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • die Idee als das Kunstschöne aber ist die Idee mit der näheren Bestimmung, wesentlich individuelle Wirklichkeit zu sein sowie eine individuelle Gestaltung der Wirklichkeit mit der Bestimmung, in sich wesentlich die Idee erscheinen zu lassen.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Und dabei ist dann nicht nur etwa an die größere oder geringere Geschicklichkeit zu denken, mit welcher die Naturgestalten, wie sie in der äußeren Wirklichkeit vorhanden sind, aufgefaßt und nachgebildet werden. Denn auf gewissen Stufen des Kunstbewußtseins und der Darstellung ist das Verlassen und Verzerren der Naturgebilde nicht unabsichtliche technische Übungslosigkeit und Ungeschicklichkeit, sondern absichtliches Verändern, welches vom Inhalt, der im Bewußtsein ist, ausgeht und von demselben gefordert wird.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • nur der Begriff ist, der in der Objektivität sich Dasein und Realität zu geben hat, so wird die Objektivität an ihr selber den Begriff zur Wirklichkeit bringen müssen.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Wir suchen die Wirklichkeit des Kunstwerkes, um dort wirklich die Kunst zu finden, die in ihm waltet.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Wie steht es mit jenem Dinghaften am Werk, das seine unmittelbare Wirklichkeit verbürgen soll?
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Dem schönen Schein lag immer eine schlechte Wirklichkeit voraus, von der er zwar abhing, die zu übersteigen aber zu seiner Bestimmung wurde. Das sinnliche Scheinen der Idee schafft dem Wahren die unmittelbare Einheit zwischen dem Begriff und seiner äußeren Erscheinung
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • ungeahnte Dimensionen der Wirklichkeit zu erschließen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Zweitens tendiert die Fotografie im Zuge ihres Bemühens um ungestellte Wirklichkeit zur Akzentuierung des Zufälligen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Im Ergebnis erscheint die Funktion von Kunst dann schließlich in der Herstellung von Weltkontingenz selbst zu liegen. Die festsitzende Alltagsversion wird als auflösbar erwiesen; sie wird zu einer polykontexturalen, auch anders lesbaren Wirklichkeit – einerseits degradiert, aber gerade dadurch auch aufgewertet.
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn es darum geht, die Wirklichkeit mit einer Alternative zu konfrontieren, kann Instruktion und Inspiration dafür gerade nicht der Wirklichkeit entnommen werden, sondern nur der Kunst selbst.
      Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
    • Bisher wurde die Kunst als Überbau verstanden, der die ‚ Wirklichkeit ‘ des im Leben vorherrschenden praktisch-gegenständlichen Futtertrog-Realismus mit all seinen Folgeerscheinungen als das Heil des absolut Materiellen widerzuspiegeln hatte.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Gegenstandslosigkeit beschäftigt sich nur mit der Wirklichkeit und befreit den Maler von allen gegenständlich-praktischen Vorbildern.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Dargestellte Rauminhalte, Flächen und Linien existieren nur auf der Bildfläche, nicht aber in Wirklichkeit.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Der schöpferische Gedanke dichtet die Wirklichkeit, die dann zum Forschungsobjekt für den Menschen wird.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Neue Kunst hingegen hat diesem Genius entsagt und versucht, die Erregung sichtbar zu machen. Ihr Genius ist nicht mehr die Kunst des Nachahmens, sondern der Verkörperung der Erregung als Erweckung zum Sein, zur Wirklichkeit. Als Wirklichkeit tritt die Kunst in ihre Suprematie.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Die Aufmerksamkeit gilt nicht mehr speziellen Teilaspekten, sondern wendet sich der Gesamtwirklichkeit zu
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt eine Weltminute, die vorüberzieht, man muß sie in ihrer Wirklichkeit malen
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • die Fähigkeit des Künstlers, die Schocks der Wirklichkeit aufzunehmen
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • Die Aufgabe des Künstlers besteht darin, die Wirklichkeit so auszudrük ken, wie er sie erfühlt.
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • Die Rolle des modernen Künstlers ist per definitionem, die moderne Wirklichkeit so auszudrücken, wie er sie fühlt. Die Definition impliziert, daß die Wirklichkeit sich in gewissem Maße ändert.
      Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
    • Viel eher besteht eine tiefe und komplexe (jedoch reale und deshalb Vereinfachungen zulassende) Beziehung zwischen der Natur meiner grammatikalischen Untersuchung übers Kino auf der einen Seite und meiner Art, die Wirklichkeit zu sehen, auf der anderen meiner Art, die Wirklichkeit zu interpretieren, also meinem Verhältnis zur Wirklichkeit: meiner Philosophie, könnte ich sagen, doch ich bin durchaus kein Philosoph.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • die Wirklichkeit ist ein Kino in natura
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • So ist das Kino – durch seine Reproduktion der Wirklichkeit – das geschriebene Moment der Wirklichkeit.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn das Kino also nichts anderes ist als die geschriebene Sprache der Wirklichkeit (die sich stets in Handlungen zeigt), dann ist es weder willkürlich noch symbolisch: es stellt die Wirklichkeit durch die Wirklichkeit dar. Konkret gesprochen, durch die Gegenstände der Wirklichkeit, die eine Kamera, Augenblick für Augenblick, reproduziert
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • eine verblendete, kindliche und pragmatische Liebe zur Wirklichkeit
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Das Bild, das mir vom Kino als Sprache vorschwebt, ist demnach ein „diffuses“ und „kontinuierliches“ Bild: eine Reproduktion der Wirklichkeit, ununterbrochen und fließend wie die Wirklichkeit.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt Autoren, die aus einer gutmütigen und naturalistischen Liebe zu den Dingen der Welt in ihren Filmen die analytische Linearität zu reproduzieren suchen, weil sie angeblich der Dauer der Wirklichkeit am nächsten kommt. Andere Regisseure sind hingegen für eine Montage, die diese Linearität so weit wie möglich zu einer synthetischen macht. (Ich gehöre zur letztgenannten Kategorie.)
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Ebenso ergeht es dem, der das Kino studiert; da das Kino die Wirklichkeit reproduziert, führt es am Ende aufs Studium der Wirklichkeit zurück. Aber in einer neuen und besonderen Form: so, als wäre die Wirklichkeit durch ihre Reproduktion erst entdeckt worden und als wären in dieser neuen, „reflektierten“ Situation bestimmte Ausdrucksmechanismen an ihr erst hervorgetreten.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wirklichkeit ist eine Sprache.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Nicht das Kino ist eine metonymische Kunst, sondern die Wirklichkeit ist metonymisch.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Es sind die „Phänomene“ der Welt, die die natürlichen „Syntagmen“ der Sprache der Wirklichkeit bilden. Indem das Kino „diese Phänomene reproduziert“ das heißt, indem es als geschriebene Sprache der lebendigen Sprache der Wirklichkeit auftritt – ist es seinerseits metonymisch.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • jede Form von Kunst oder von Sprache der Kunst tut nichts anderes, als die Wirklichkeit zu beschwören, und in der Wirklichkeit geschieht immer etwas, weil die Zeit vergeht oder wenigstens zu vergehen scheint: darin liegt die Illusion unseres Lebens.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • So revolutionär, wie die geschriebene Sprache mit der gesprochenen verfahren ist, wird das Kino mit der Wirklichkeit verfahren.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Die geschriebene Sprache der Wirklichkeit bewirkt vor allem, daß wir erkennen, was die Sprache der Wirklichkeit ist; und schließlich, daß wir unser Denken über die Wirklichkeit verändern, denn sie macht aus unseren physischen Beziehungen zur Wirklichkeit – von anderen zu schweigen – kulturelle Beziehungen.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Eine Sprache aber, die auf der audiovisuellen Reproduktion der Wirklichkeit, also der Wirklichkeit schlechthin beruht, kann keine Strukturen haben, die denen der je besonderen historischen Gesellschaft homolog sind, in welcher der Film produziert worden ist. Die audiovisuelle Reproduktion der Wirklichkeit ist eine Sprache oder Ausdrucksweise, die in Italien und in Frankreich, in Ghana und in den Vereinigten Staaten ein und dieselbe ist.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Erzählstrukturen dieser Sprache des Kinos, die „die Wirklichkeit mit der Wirklichkeit ausdrückt"
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Der Schrecken, die Tabuisierung und die Obsessionen, mit denen die Avantgarde auf den Naturalismus als falsche Zielscheibe reagiert, verraten in naiver Weise ihren Schrecken, ihre Tabuisierung und ihre Obsessionen angesichts der Wirklichkeit.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Stimmt es wirklich, daß die reale Struktur eines Werkes stets seine sprachliche (stilistische) Struktur ist? Diese Ansicht war bisher eine der Grundlagen meiner Art und Weise, die Wirklichkeit zu sehen und Bücher zu lesen
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • „Il cinema è una lingua“, singt Totò, „das Kino ist eine Sprache. Eine Sprache, die dazu zwingt, den Begriff der Sprache zu erweitern. Es ist kein symbolisches, willkürliches, konventionelles System. Es hat keine künstliche Tastatur, auf der man die Zeichen anschlägt wie Pawlowsche Klingeln: Zeichen, die die Wirklichkeit evozieren, wie ein bestimmtes Klingelsignal den Käse vor den Augen der Maus erscheinen und ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Das Kino evoziert die Wirklichkeit nicht wie die literarische Sprache, es kopiert die Wirklichkeit nicht wie die Malerei, es mimt die Wirklichkeit nicht wie das Theater. Das Kino reproduziert die Wirklichkeit: in Bild und Ton! Und was tut das Kino, wenn es die Wirklichkeit reproduziert? Das Kino drückt die Wirklichkeit mit der Wirklichkeit aus.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Und genau das ist Kino! Nichts anderes als mittendrin zu stehen in der Wirklichkeit!
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • In jedem Moment ist die Wirklichkeit „Kino in natura“
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Kino ist also virtuell eine unendliche „Einstellungssequenz“: unendlich wie die Wirklichkeit, die von einer unsichtbaren Kamera reproduziert werden kann.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wirklichkeit ist eine Sprache, eine langage. Nicht die „Semiologie des Films“, die Semiologie der Wirklichkeit gilt es zu entwickeln!
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Das Kino, das die Wirklichkeit reproduziert, also zu ihrer ‚geschriebenen‘ Sprache wird, macht ihr Wesen sichtbar, unterstreicht ihre Phänomenologie.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Das Kino liefert uns also „eine Semiologie in natura der Wirklichkeit“.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Wirklichkeit sich selbst ausdrückt; und daß die Literatur nur ein Mittel ist, um die Wirklichkeit instandzusetzen, sich selbst auszudrücken, wenn sie nicht physisch präsent ist. Mit anderen Worten, die Dichtung ist lediglich eine Beschwörung, und was zählt, ist die beschworene Wirklichkeit, die von sich aus zum Leser spricht, wie sie von sich aus zum Autor gesprochen hat.
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • unmittelbar die Wirklichkeit zu evozieren
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Kurzum, mir scheint, es fehlt nicht an einer „Wirklichkeit“, die – in welcher Weise auch immer – zu evozieren wäre. Ja es wäre geradezu sträflich, es nicht zu tun. Und da diese Wirklichkeit Tag für Tag in ihrer Sprache zu uns spricht, wobei sie in einem noch unbestimmten „Sinn“ (gewiß ist nur, daß er Verzweiflung und wütendes Aufbegehren ist) unsere Signifikate transzendiert, scheint es mir angebracht, die Signifikate danach auszurichten!
      Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Die Archi-Ähnlichkeit ist die ursprüngliche Ähnlichkeit, jene, die kein Abbild der Wirklichkeit liefert, sondern unmittelbar von dem Anderswo, aus dem sie kommt, zeugt.
      Rancière, Jacques: Die Bestimmung der Bilder, 2003 Zur Textstelle navigieren
    • in der Idee der Vertretung oder Repäsentanz [sic] bilden, durch die ich das Verhältnis der historischen Erzählung zur „wirklichen“ Vergangenheit auszudrücken versuche. Indem sie die gegenseitige Anpassung ( matching up ) einer bestimmten Fabel und eines bestimmten Ereignisablaufs durch tropologische Mittel fundieren, erhärten sie in wertvoller Weise unseren Vorschlag, der besagt, daß der Bezug zur Wirklichkeit der Vergangenheit nacheinander das Raster des Selben, des Anderen und des Analogen durchlaufen muß.
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • das klassische Problem des Verhältnisses sowohl der historischen wie der fiktiven Erzählung zur Wirklichkeit zum Prüfstein machen
      Ricœur, Paul: Poetik der Erzählung: Geschichte, Fiktion, Zeit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • Daß diese Bruchstücke von unmittelbarer Wirklichkeit, die die filmische Erzählung erzeugen muß, so sehr ins Auge stechen, während ähnliche Szenen machtlos wären, uns im Alltag aus unserer Blindheit zu reißen, kann seltsam erscheinen.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Hat die Wirklichkeit einen Sinn? Der heutige Künstler kann auf diese Frage keine Antwort geben: er weiß es nicht.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Das Wahre, das Falsche und das etwas Glaubenmachen sind mehr oder weniger der Gegenstand jedes modernen Werkes geworden; dieses ist nicht mehr ein angebliches Stück Wirklichkeit, sondern entwickelt sich als Reflexion über die Wirklichkeit (oder über das Wenige an Wirklichkeit, wenn man so will).
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Ihre Existenz dauert nur so lange wie der Film. Außerhalb der Bilder, die man sieht, außerhalb der Worte, die man hört, kann es keine Wirklichkeit geben.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn sie sich nicht einig sind, so nur deshalb, weil jeder verschiedene Vorstellungen von der Wirklichkeit hat.
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
    • in welchem Sinne von dem größten Theil jenes Uebertreffen der Wirklichkeit durch die Kunst verstanden worden: so findet sich, daß auch mit dieser Lehre die Ansicht der Natur als bloßen Produkts, der Dinge als eines leblosen Vorhandenen fortbestand, und die Idee einer lebendigen, schaffenden Natur dadurch keineswegs geweckt wurde.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Nur indem sie sich von der Wirklichkeit losreißt, erhebt sich die bildende Kraft zum Ideale, und ehe die Imagination in ihrer produktiven Qualität nach eignen Gesetzen handeln kann, muß sie sich schon bei ihrem reproduktiven Verfahren von fremden Gesetzen frei gemacht haben.
      Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • in dem Zustande der Kultur, wo jenes harmonische Zusammenwirken seiner ganzen Natur bloß eine Idee ist, die Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal oder was auf eins hinausläuft, die Darstellung des Ideals den Dichter machen muß.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Der sentimentalische Dichter hat es daher immer mit zwei streitenden Vorstellungen und Empfindungen, mit der Wirklichkeit als Grenze und mit seiner Idee als dem Unendlichen zu tun
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • daß das naive Genie zwar nicht in Gefahr ist, diese Sphäre zu überschreiten, wohl aber sie nicht ganz zu erfüllen, wenn es einer äußern Notwendigkeit oder dem zufälligen Bedürfnis des Augenblicks zu sehr auf Unkosten der innern Notwendigkeit Raum gibt. Das sentimentalische Genie hingegen ist der Gefahr ausgesetzt, über dem Bestreben, alle Schranken von ihr zu entfernen, die menschliche Natur ganz und gar aufzuheben, und sich nicht bloß, was es darf und soll, über jede bestimmte und begrenzte Wirklichkeit hinweg zu der absoluten Möglichkeit zu erheben oder zu idealisieren, sondern über die Möglichkeit selbst noch hinauszugehen oder zu schwärmen.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Aber weder der Mensch überhaupt noch der Dichter insbesondre darf sich der Gesetzgebung der Natur anders entziehen, als um sich unter die entgegengesetzte der Vernunft zu begeben; nur für das Ideal darf er die Wirklichkeit verlassen, denn an einem von diesen beiden Ankern muß die Freiheit befestiget sein.
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Da gab es offenbar eine Wirklichkeit, die in der Kunst bisher keinen Ausdruck gefunden hatte.
      Smith, Tony: Interview with Samuel Wagstaff Jr., 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Immer wieder möchte ich daran erinnern, daß die lebendige Wirklichkeit, die faktische Konkretheit eine unabdingbare Voraussetzung, ja das letztgültige Kriterium jedweder plastischen Struktur eines Films ist.
      Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Wenn ich hier von Poesie spreche, dann habe ich dabei kein bestimmtes Genre im Sinn. Poesie – das ist für mich eine Weltsicht, eine besondere Form des Verhältnisses zur Wirklichkeit.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Wirklichkeit mit seinen ureigenen Mitteln unmittelbare Gestalt
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Selbstverständlich ist mein Standpunkt subjektiv. Doch so ist das nun einmal in der Kunst: Im Werk eines Künstlers bricht sich das Leben im Prisma seiner persönlichen Wahrnehmung, zeigen sich in unwiederholbaren Einstellungen die verschiedenen Seiten der Wirklichkeit.
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • „Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet steht es gleich tot und isoliert da.“ Es ist als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann träten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen und das Bild wäre eine bemalte Fläche.
      Wittgenstein, Ludwig: Intentionalität, 1932 Zur Textstelle navigieren
    • Man muss also hinzufügen, dass das persönliche Gefühl des Künstlers der Kontrolle der Wirklichkeit unterworfen bleibt.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • [Andere]
    • das Geheimnis einer filmischen Erzählform wiederzufinden, die alles ausdrücken kann, ohne die Welt zu zerstückeln, und den Sinn hinter den Dingen und Lebewesen herauszuarbeiten vermag, ohne deren natürliche Einheit zu zerstören.
      Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
    • Eine von einem bestimmten Gesichtspunkt aus gewonnene Vorstellung, eine mittels bestimmter Symbole gemachte Übersetzung bleiben immer unvollkommen im Vergleich mit dem Gegenstand, von dem die Ansicht genommen wurde oder den die Symbole auszudrücken suchen.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • doch der Zeichner interessiert sich nicht für Steine, er hält nur die Silhouette des Turmes fest. Er ersetzt also die reale und innerliche Organisation des Dinges durch eine äußerliche und schematische Wiedergabe. Auf diese Weise entspricht seine Zeichnung im ganzen einem bestimmten Gesichtspunkt über das Objekt und der Wahl einer bestimmten Darstellungsart.
      Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
    • Halten wir also fest, daß die Feststellung „Ich schreibe“ dazu dient, eine erste Wirklichkeitsebene festzulegen, die ich implizit oder explizit bei jeder Operation berücksichtigen muß, die die unterschiedlichen Ebenen der geschriebenen Wirklichkeit zueinander oder auch geschriebene mit nicht geschriebenen Dingen in Beziehung setzt. Diese erste Ebene kann mir als Plattform dienen, auf der ich eine zweite Ebene errichten kann, die einer völlig andersartigen Wirklichkeit angehören kann als die erste, genauer gesagt auf eine andere Erfahrungswelt verweisen kann.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Aber achten wir darauf, nicht Wirklichkeitsebenen (innerhalb des Werkes) mit Wahrheitsebenen (in Bezug zum „Draußen“) zu verwechseln.
      Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • mimischen oder analogischen Ausdrucks die Stufe des symbolischen Ausdrucks
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Aber da (und hier gerät der Empirismus schon in Gefahr) keine Epoche ohne Philosophie und ohne Kunst leben kann, so hat auch die unsere die eine und die andere gehabt, so, wie sie sie eben haben konnte. Und ihre Philosophie und ihre Kunst, diese unmittelbar, jene mittelbar, stellen sich dem Denken als Dokumente dessen dar, was unsere Epoche in ihrer Gesamtheit und Vollständigkeit wirklich gewesen ist.
      Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
    • Die rationale Ästhetik begreift das Schöne als die Erscheinung des Logischen im Sinnlichen und die Kunst als eine sinnliche Vergegenwärtigung des harmonischen Weltzusammenhanges.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Indem nun aber das moderne Bewußtsein sich dem gegenübersetzte, erwuchsen hieraus jene Arbeiten, welche von Schiller und Friedrich Schlegel bis auf Hegel die Epochen der Kunst in der Menschheit als aufeinanderfolgende Stellungen des künstlerischen Bewußtseins zur Wirklichkeit tiefsinnig unterschieden und bestimmten.
      Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
    • Von der Natur, von Sinnlichkeit oder Gefühl vorgegebene Formen darf es nicht enthalten
      Doesburg, Theo van: Die Grundlage der konkreten Malerei, 1930 Zur Textstelle navigieren
    • Auf der Suche nach Reinheit waren die Künstler gezwungen, die natürlichen Formen, die die bildnerischen Elemente verdeckten, zu abstrahieren, die Naturformen zu zerstören und sie durch Kunstformen zu ersetzen
      Doesburg, Theo van: Die Grundlage der konkreten Malerei, 1930 Zur Textstelle navigieren
    • Es gibt zwei verschiedene Einstellungsarten: „Darstellen“ heißt entweder, ein Abbild von dem zu machen, was ist, oder ein Vorbild für das, was sein soll.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Die vorliegenden Überlegungen verfolgten eine bestimmte Absicht. Sie wollten andeuten, was eine derartige Deutung von „darstellen“ mit sich bringt: nämlich das Aufgeben der Unterscheidung zwischen Sosein und Sollen, zwischen Realem und Wert, zwischen real und fiktiv, zwischen wahr und falsch, zwischen echt und künstlich.
      Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
    • Fotografien sind – wie alle technischen Bilder – zu Sachverhalten verschlüsselte Begriffe, und zwar Begriffe des Fotografen, wie solche, die in den Apparat programmiert wurden.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • Diese Richtung verhält sich zum echten Realismus wie das rohe Erz zum Metall: die Läuterung fehlt.
      Fontane, Theodor: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Unterscheidung zwischen dem wirklichen Objekt und seiner Erscheinung selbst etwas Künstliches ist.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Wie ein Objekt oder Ereignis als Werk fungiert, erklärt, wie das, was so fungiert, durch bestimmte Modi der Bezugnahme zu einer Sicht – und zur Schöpfung – einer Welt beitragen kann.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Tatsächlich können Symbole durch Exemplifikation und Ausdruck sowie durch Denotation auf irgendeine oder all diese verschiedenen und bereits erwähnten Weisen bei der Welterzeugung eine Rolle spielen.
      Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Dadurch steht das Kunstwerk höher als jedes Naturprodukt, das diesen Durchgang durch den Geist nicht gemacht hat; wie z. B. durch die Empfindung und Einsicht, aus welcher heraus in der Malerei eine Landschaft dargestellt wird, dies Geisteswerk einen höheren Rang einnimmt als die bloß natürliche Landschaft. Denn alles Geistige ist besser als jedes Naturerzeugnis. Ohnehin stellt kein Naturwesen göttliche Ideale dar, wie es die Kunst vermag.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • Deshalb ist das Sinnliche im Kunstwerk im Vergleich mit dem unmittelbaren Dasein der Naturdinge zum bloßen Schein erhoben, und das Kunstwerk steht in der Mitte zwischen der unmittelbaren Sinnlichkeit und dem ideellen Gedanken.
      Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
    • So wäre denn das Wesen der Kunst dieses: das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Also handelt es sich im Werk nicht um die Wiedergabe des jeweils vorhandenen einzelnen Seienden, wohl dagegen um die Wiedergabe des allgemeinen Wesens der Dinge. Aber wo und wie ist denn dieses allgemeine Wesen, so daß die Kunstwerke mit ihm übereinstimmen?
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Es ist die Fragestellung der Ästhetik. Die Art, wie sie das Kunstwerk im voraus betrachtet, steht unter der Herrschaft der überlieferten Auslegung alles Seienden.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Das Werksein des Werkes besteht in der Bestreitung des Streites zwischen Welt und Erde.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wahrheit ist die Unverborgenheit des Seienden als des Seienden.
      Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
    • Die Selektion als Akt des Fingierens erwiese sich dann als Möglichkeit, die Intentionalität eines Textes zu fassen, denn sie bewirkt es, daß bestimmte Sinnsysteme der Lebenswelt zu Bezugsfeldern des Textes und diese wiederum zum Kontext wechselseitiger Auslegung werden.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Die vielen Werke sind unterschiedliche Vergegenständlichungen des Nachgeahmten, wobei Vergegenständlichung die Sichtbarkeit des Seinsollens erzeugt.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • die Wahrnehmung als Referenz die Wißbarkeit einer nachzuahmenden Natur auch nicht mehr entfernt zu beanspruchen vermag
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Hier: liegt die Wurzel der neuen großen Realistik. Die vollkommen und ausschließlich einfach gegebene äußere Hülse des Dinges ist schon eine Absonderung des Dinges vom Praktisch-Zweckmäßigen und das Herausklingen des Inneren.
      Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
    • Eine Naturschönheit ist ein schönes Ding ; die Kunstschönheit ist eine schöne Vorstellung von einem Dinge.
      Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
    • daß der Film im wesentlichen eine Erweiterung der Fotografie ist und daher mit diesem Medium eine ausgesprochene Affinität zur sichtbaren Welt um uns her gemeinsam hat. Filme sind sich selber treu, wenn sie physische Realität wiedergeben und enthüllen.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • daß Filme sich an die Oberfläche der Dinge klammern
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Mischung zwischen Wirklichkeitstreue und formgebendem Bemühen herzustellen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • von zwei einander widerstrebenden Antrieben bestimmt: dem Wunsch, seine inneren Bilder herauszustellen, und dem Wunsch, äußere Formen zu registrieren.
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • enthüllenden Kraft der Kamera
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • kann Film dadurch eine zeitgemäße Mission erfüllen, daß er uns hilft, materielle Objekte (oder „Organismen“, wie er sie zu nennen beliebt) wahrzunehmen und zu würdigen
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
    • Wie die Anamorphose zeigt, geht es in der Malerei nicht um eine realistische Wiedergabe der Dinge im Raum – was überhaupt eine Ausdrucksweise ist, bei der die größten Vorbehalte anzumelden wären.
      Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
    • Welt kann nach all dem auch in der Kunst nur als unbestimmbar (unbeobachtbar, ununterscheidbar, formlos) symbolisiert werden
      Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
    • Es fragt sich aber, ob es im Leben oder in der Natur eine Kunst der Darstellung oder Abbildung überhaupt gibt.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Eine Kunst dieser Art kann es gar nicht geben. Bei ihr handelt es sich nur um eine gewisse Meisterschaft in der Nachbildung von Erscheinungen und Handlungen. Eine solche Meisterschaft gibt es in der Natur nicht, sie bildet nichts nach.
      Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
    • Der Maler kümmert sich gerade um das, macht gerade das zu einem sichtbaren Gegenstand, was ohne ihn im je einzelnen Bewußtseinsleben eingeschlossen bliebe
      Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
    • Ich möchte deshalb ganz klar feststellen: meine Versuche, aus den verschiedenen Filmen einen linguistischen Begriff von Kino zu gewinnen – analog zu dem, was man seit je mit der langue und den paroles gemacht hat – sind keineswegs eine Fortsetzung meines künstlerischen Tuns, das heißt meiner kinematographischen Poetik. Das sind sie keinesfalls.
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Die Semiologie der Wirklichkeit ist es, die man entwickeln muß!
      Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
    • Denn das repräsentative Regime der Künste ist nicht etwa ein Regime der Ähnlichkeit, dem sich die Moderne einer nicht figurativen Kunst oder gar einer Kunst des Undarstellbaren entgegensetzen würde. Es ist das Regime einer bestimmten Veränderung der Ähnlichkeit, das heißt eines bestimmten Bezugs zwischen dem Sagbaren und dem Sichtbaren, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren.
      Rancière, Jacques: Die Bestimmung der Bilder, 2003 Zur Textstelle navigieren
    • der Rekurs auf die Dokumente macht eine Trennlinie zwischen Geschichte und Fiktion sichtbar: im Unterschied zum Roman wollen die Konstruktio nen der Geschichte Re konstruktionen der Vergangenheit sein.
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • scheint sich mir hinter einer Ausdrucksweise abzuzeichnen, die dem Maler und dem Historiker gemeinsam ist: beide wollen eine Landschaft, einen Ablauf von Ereignissen „wiedergeben“. Aus diesem Wort „wiedergeben“ lese ich die Absicht heraus, dem, was ist, und dem, was war, „das Seine wiederzugeben“.
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • Und deshalb gibt es zwischen einer Erzählung und einem Ablauf von Ereignissen keine Beziehung der Reproduktion, Reduplikation oder Äquivalenz, sondern eine metaphorische Beziehung
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • daß die Geschichtsschreibung „immer im Wettbewerb mit konkurrierenden dichterischen Figurationen dessen, worin die Vergangenheit bestehen könnte, geschrieben [wird]“ (S. 60, dt. S. 120). Sehr schön wird gesagt, daß wir „das Tatsächliche nur erkennen, wenn wir es mit dem Vorstellbaren kontrastieren oder vergleichen“
      Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
    • der Begriff das allein Lebendige in den Dingen ist, alles andere aber wesenlos und eitler Schatten
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Die Seele ist also im Menschen nicht das Prinzip der Individualität, sondern das, wodurch er sich über alle Selbstheit erhebt, wodurch er der Aufopferung seiner selbst, uneigennütziger Liebe, und, was das Höchste ist, der Betrachtung und Erkenntniß des Wesens der Dinge, eben damit der Kunst, fähig wird.
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • so darf die Mahlerei wie das Licht den ganzen Weltraum, schaffend, erfüllen
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
    • Es wird also postulirt, daß im Subjectiven, im Bewußtseyn selbst, jene zugleich bewußte und bewußtlose Thätigkeit aufgezeigt werde.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Durch diese beständige Duplicität des Producirens und Anschauens soll Object werden, was sonst durch nichts reflectirt wird. – Es kann hier nicht, wohl aber in der Folge bewiesen werden, daß dieses Reflectirtwerden des absolut unbewußten und nichtobjectiven, nur durch einen ästhetischen Act der Einbildung skraft möglich ist.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Aus der gemeinen Wirklichkeit giebt es nur zwei Auswege, die Poesie, welche uns in eine idealische Welt versetzt, und die Philosophie, welche die wirkliche Welt ganz vor uns verschwinden läßt.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • in dem Bewußtlosen, was in die Kunst mit eingeht, dasjenige suchen müßen, was an ihr nicht gelernt, nicht durch Übung, noch auf andere Art erlangt werden, sondern allein durch freye Gunst der Natur angebohren seyn kann, und welches dasjenige ist, was wir mit einem Wort die Poësie in der Kunst nennen können.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • vielmehr, was die Kunst in ihrer Vollkommenheit hervorbringt, Princip und Norm für die Beurtheilung der Naturschönheit ist.
      Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
    • Ganz anders verhält es sich mit dem sentimentalischen Dichter. Dieser reflektiert über den Eindruck, den die Gegenstände auf ihn machen und nur auf jene Reflexion ist die Rührung gegründet, in die er selbst versetzt wird, und uns versetzt.
      Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
    • Aber wenn es der naive Dichter dem sentimentalischen auf der einen Seite an Realität abgewinnt, und dasjenige zur wirklichen Existenz bringt, wornach dieser nur einen lebendigen Trieb erwecken kann
      Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
    • Die Wissenschaft des Mahlers ist die Beobachtung des Sichtbaren
      Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
    • Doch weiß ich kein andres Wort als Nachahmung für die Handlung desjenigen – sey er Künstler oder Kenner – der sich die Gesetzmäßigkeit jenes Urbildes zueignet, ohne sich durch die Eigentümlichkeit, welche die äußre Gestalt, die Hülle des allgemeingültigen Geistes, immer noch mit sich führen mag, beschränken zu lassen.
      Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
    • Die Probleme der Kunst sind Brechungen einer größeren kulturellen und ideologischen Krise, die vom Legitimitätszerfall der liberalen kapitalistischen Weltanschauung ausgehen.
      Sekula, Allan: Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation, 1978 Zur Textstelle navigieren
    • Die Erfahrung auf der Straße war etwas planhaft Strukturiertes, aber nicht gesellschaftlich Anerkanntes. Ich dachte damals: Es dürfte wohl klar sein, daß dies das Ende der Kunst ist.
      Smith, Tony: Interview with Samuel Wagstaff Jr., 1966 Zur Textstelle navigieren
    • getreuen Wiedergabe von Empfindungen
      Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
    • Wir gehen so wohl von den wahren Tatsachen aus, die unsere unzerstörbare Grundlage ausmachen; um jedoch den Mechanismus der Tatsachen aufzuzeigen, müssen wir die Erscheinungen erzeugen und leiten; hier liegt, was wir an Erfindung, an Genie im Werke zu leisten haben.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Die Beobachtung einer Tatsache muss die Idee des Experimentes hervorquellen lassen, das angestellt, des Romans, der geschrieben werden soll, will man die vollkommene Kenntnis einer Wahrheit erreichen.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Der Mensch ist nicht allein, er lebt in einer Gesellschaft, in einer sozialen Umgebung, und von da ab modifiziert diese soziale Umgebung für uns, Romanschriftsteller, unaufhörlich die Erscheinungen.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • in das Warum der Dinge eindringen, damit wir ihnen überlegen werden und sie auf die Funktion gehorsamer Werkzeuge reduzieren.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • wir sind also Deterministen, die die Bedingungen der Erscheinungen experimentell zu bestimmen suchen, ohne dass wir bei unseren Forschungen je die Naturgesetze verliessen.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
    • Experimenteller Romanschriftsteller ist also derjenige, der die bewiesenen Tatsachen akzeptiert, der im Menschen und in der Gesellschaft den Mechanismus der Erscheinungen aufzeigt, die von der Wissenschaft beherrscht werden, und der seine persönliche Meinung nur bei den Erscheinungen zur Geltung bringt, deren Determinismus überhaupt noch nicht festgestellt ist, indem er diese persönliche Meinung, diese apriorische Idee so sehr wie möglich durch Beobachtung und Erfahrung zu kontrollieren versucht.
      Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
Textrepräsentant
  • Den Satz, nach Auschwitz noch Lyrik zu schreiben, sei barbarisch, möchte ich nicht mildern; negativ ist darin der Impuls ausgesprochen, der die engagierte Dichtung beseelt. Die Frage einer Person aus ‚Morts sans sépulture‘: „Hat es einen Sinn zu leben, wenn es Menschen gibt, die schlagen, bis die Knochen im Leib zerbrechen?“ ist auch die, ob Kunst überhaupt noch sein dürfe; ob nicht geistige Regression im Begriff engagierter Literatur anbefohlen wird von der Regression der Gesellschaft selber. Aber wahr bleibt auch Enzensbergers Entgegnung, die Dichtung müsse eben diesem Verdikt standhalten, so also sein, daß sie nicht durch ihre bloße Existenz nach Auschwitz dem Zynismus sich überantworte. Ihre eigene Situation ist paradox, nicht erst, wie man zu ihr sich verhält. Das Übermaß an realem Leiden duldet kein Vergessen; Pascals theologisches Wort „On ne doit plus dormir“ ist zu säkularisieren. Aber jenes Leiden, nach Hegels Wort das Bewußtsein von Nöten, erheischt auch die Fortdauer von Kunst, die es verbietet; kaum wo anders findet das Leiden noch seine eigene Stimme, den Trost, der es nicht sogleich verriete.
    Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
  • Dem wäre nur hinzuzufügen, daß dieser Appell in keinem ungebrochenen Verhältnis steht zum thematischen Engagement der Dichtung. Die rücksichtslose Autonomie der Werke, die der Anpassung an den Markt und dem Verschleiß sich entzieht, wird unwillkürlich zum Angriff. Der ist aber nicht abstrakt, keine invariante Verhaltensweise aller Kunstwerke zu der Welt, die es ihnen nicht verzeiht, daß sie ihr nicht gänzlich sich fügen. Sondern die Distanzierung der Werke von der empirischen Realität ist zugleich in sich selbst durch diese vermittelt. Die Phantasie des Künstlers ist keine creatio ex nihilo; nur Dilettanten und Feinsinnige stellen sie so sich vor. Indem die Kunstwerke der Empirie sich entgegensetzen, gehorchen sie deren Kräften, die gleichsam das geistige Gebilde abstoßen, es auf sich selbst zurückwerfen. Kein Sachgehalt, keine Formkategorie einer Dichtung, die nicht, wie immer auch unkenntlich abgewandelt und sich selbst verborgen, aus der empirischen Realität stammte, der es sich entringt. Dadurch, wie durch die Umgruppierung der Momente kraft ihres Formgesetzes, verhält sich die Dichtung zur Realität. Noch die avantgardistische Abstraktheit, über die der Spießbürger sich entrüstet und die nichts gemein hat mit der von Begriffen und Gedanken, ist der Reflex auf die Abstraktheit des Gesetzes, das objektiv in der Gesellschaft waltet. Das wäre an den Dichtungen Becketts zu zeigen. Sie genießen den heute einzig menschenwürdigen Ruhm: alle schaudern davor zurück, und doch kann keiner sich ausreden, daß die exzentrischen Stücke und Romane von dem handeln, was alle wissen und keiner Wort haben will.
    Adorno, Theodor W.: Engagement, 1965 Zur Textstelle navigieren
  • Die wirkliche Definition des Realen lautet: das, wovon man eine äquivalente Reproduktion herstellen kann. Sie entsteht zur gleichen Zeit wie die Wissenschaft, die postuliert, daß ein Vorgang unter gegebenen Bedingungen exakt reproduziert werden kann, und wie die industrielle Rationalität, die ein universelles System von Äquivalenzen postuliert (die klassische Repräsentation ist keine Äquivalenz, sie ist Transkription, Interpretation, Kommentar). Am Ende dieses Entwicklungsprozesses der Reproduzierbarkeit ist das Reale nicht nur das, was reproduziert werden kann, sondern das, was immer schon reproduziert ist. Hyperreal.
    Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
  • Tatsächlich muß man den Hyperrealismus gerade umgekehrt interpretieren: die Realität selbst ist heute hyperrealistisch. Schon der Surrealismus kannte das Geheimnis, daß die banalste Realität surreal werden konnte, aber nur in besonderen Augenblicken, in denen Kunst und Imaginäres sichtbar wurden. Das ist heute anders: von nun an verkörpert die ganze alltägliche, politische, soziale, historische und ökonomische Realität die simulierende Dimension des Hyperrealismus: überall leben wir schon in der „ästhetischen“ Halluzination der Realität. Der alte Slogan „Die Realität geht über die Fiktion hinaus“, die dem surrealistischen Stadium dieser Ästhetisierung des Lebens noch entsprach, ist überholt. Es gibt keine Fiktion mehr, der sich das Leben, noch dazu siegreich, entgegenstellen könnte – die gesamte Realität ist zum Spiel der Realität übergegangen – die radikale Ernüchterung, das coole und kybernetische Stadium folgt auf die heiße und phantasmatische Phase
    Baudrillard, Jean: Der Hyperrealismus der Simulation, 1976 Zur Textstelle navigieren
  • Doch natürlich basiert der Realismus in der Kunst ausschließlich auf artifiziellen Methoden. Jede Ästhetik muß zwangsläufig eine Auswahl treffen zwischen dem zu Bewahrenden, dem zu Verwerfenden und dem, was verlorengehen kann; tritt sie aber, wie der Film es tut, mit dem Anspruch an, eine Illusion der Wirklichkeit zu erzeugen, so steht das in einem grundsätzlichen, zugleich inakzeptablen und notwendigen Widerspruch zum Auswählen. Notwendig, weil die Kunst nur durch diese Auswahl existiert. Ohne sie würden wir – angenommen, der totale Film sei schon heute technisch möglich – schlicht und einfach zur Realität zurückkehren. Inakzeptabel, weil die Auswahl letzten Endes auf Kosten jener Wirklichkeit geht, die das Kino doch vollständig wiedergeben möchte. Es wäre also wenig sinnvoll, grundsätzlich jede technische Neuerung abzulehnen, welche darauf zielt, den Realismus im Film zu verstärken: Ton, Farbe, 3-D. Tatsächlich lebt die Film-„Kunst“ gerade von diesem Widerspruch, sie nutzt die Möglichkeiten der Abstraktion und der Symbolik, die ihr die temporären Grenzen des Kinos bieten, so gut sie kann. Doch der Einsatz dieses Restbestands an Konventionen, den der technische Fortschritt verschonte, kann sowohl zum Nutzen als auch zum Schaden des Realismus eingesetzt werden; er kann die Wirkung der von der Kamera eingefangenen Realitätspartikel verstärken oder neutralisieren. Man kann die verschiedenen Filmstile nach dem Grad ihres Realitätsgewinns klassifizieren, wenn nicht gar hierarchisieren. Als realistisch werden wir also jedes System von Ausdrucksformen und jedes Erzählverfahren bezeichnen, das tendenziell mehr Wirklichkeit auf die Leinwand zu bringen sucht. „Wirklichkeit“ darf natürlich nicht quantitativ verstanden werden. Ein und dasselbe Ereignis, ein und derselbe Gegenstand kann auf mehrere, unterschiedliche Arten dargestellt werden. Jede von ihnen läßt einige der Eigenschaften weg und rettet andere, an denen wir den Gegenstand auf der Leinwand wiedererkennen, jede von ihnen führt zu didaktischen oder ästhetischen Zwecken mehr oder weniger zersetzende Abstraktionen ein, die vom Original nicht alles vollständig bewahren. Am Ende dieses unvermeidlichen, notwendigen chemischen Prozesses steht anstelle der ursprünglichen Wirklichkeit eine Illusion der Wirklichkeit, die sich aus einer Mischung von Abstraktion (das Schwarzweißbild, die Zweidimensionalität), Konvention (die Gesetze der Montage zum Beispiel) und authentischer Realität zusammensetzt. Diese Illusion ist notwendig, doch sie führt schnell dazu, daß man das Bewußtsein für die eigentliche Wirklichkeit verliert, die im Kopf des Zuschauers eins wird mit ihrer filmischen Darstellung. Hat der Regisseur diese unbewußte Komplizenschaft des Publikums einmal gewonnen, ist die Versuchung groß, die Wirklichkeit mehr und mehr zu vernachlässigen. Gewohnheit und Trägheit tragen dazu bei, daß er bald selbst nicht mehr deutlich unterscheidet, wo seine Lügen anfangen und aufhören. Es kann nicht darum gehen, ihm vorzuwerfen, daß er lügt, denn die Lüge ist grundlegender Bestandteil seiner Kunst, wohl aber, daß er die Lüge nicht mehr beherrscht und selbst darauf hereinfällt und so jede neue Eroberung von Realität verhindert.
    Bazin, André: Was ist Film?, 1975 Zur Textstelle navigieren
  • Dennoch gibt es keinen seelischen Zustand, so einfach er auch sei, der nicht jeden Augenblick wechselt, da es kein Bewußtsein ohne Gedächtnis gibt, keine Fortsetzung eines Zustandes ohne die Addition der Erinnerung der vergangenen Momente zur gegenwärtigen Empfindung. Darin besteht die Dauer. Die innere Dauer ist das fortlaufende Leben einer Erinnerung, welche die Vergangenheit in die Gegenwart fortsetzt, mag die Gegenwart das unaufhörlich wachsende Bild der Vergangenheit deutlich enthalten, oder mag sie vielmehr durch ihren fortwährenden Qualitätswechsel von der immer schwerer werdenden Last zeugen, die wir hinter uns her schleppen und die in dem Maße zunimmt, in dem wir altern. Ohne dies Fortleben der Vergangenheit in der Gegenwart gäbe es keine Dauer, sondern nur Augenblicksexistenz.
    Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
  • Das bedeutet, daß die Analyse immer mit dem Unbeweglichen arbeitet, während die Intuition sich in die Beweglichkeit oder — was auf dasselbe herauskommt — in die Dauer versetzt. Hier ist die ganz genaue Grenzlinie zwischen der Intuition und der Analyse. Man erkennt das Reale, das Gelebte, das Konkrete daran, daß es die Veränderlichkeit selbst ist. Man erkennt das Element daran, daß es unveränderlich ist. Und es ist seinem Begriffe nach unveränderlich, da es ein Schema, eine vereinfachte Rekonstruktion, oft ein bloßes Symbol, in jedem Fall eine bloße Ansicht von der verfließenden Realität ist.
    Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
  • Der Geist muß sich vergewaltigen, die Richtung seines gewöhnlichen Denkverfahrens umkehren, alle seine Kategorien unaufhörlich umdrehen oder vielmehr umschaffen. Aber er wird so zu flüssigen Begriffen gelangen, welche fähig sind, der Wirklichkeit in all ihren Windungen zu folgen und die Bewegung des inneren Lebens der Dinge anzunehmen. Nur so wird sich eine fortschreitende Philosophie bilden, die von den Streitigkeiten zwischen den Schulen befreit und fähig sein wird, die Probleme auf natürliche Weise zu lösen, weil sie sich der künstlichen Ausdrücke, in welchen die Probleme gestellt sind, entledigt haben wird. Philosophieren besteht darin, die gewohnte Richtung der Denkarbeit umzukehren.
    Bergson, Henri: Einführung in die Metaphysik, 1903 Zur Textstelle navigieren
  • Der Begriff von Natur ist nun ganz orientiert an der naturwissenschaftlichen Objektivierung und ihrer Herrschaft über den Wahrheitsbegriff, der sich in der Zerstörung der anthropomorphen Immanenz erfüllt. Aber mit der Bändigung der Wissenschaft ist der Notwendigkeit der Illusion eine fragwürdige Rechtfertigung zuteil geworden (WW VI 12); diese Art von Wahrheit kommt im Grunde von der Tradition der imitatio nicht los, sondern verpflichtet nur auf eine als Schein gedeutete Welt, die den Erkenntniswillen freiläßt: Kunst behandelt also den Schein als Schein, will also gerade nicht täuschen, ist wahr (WW VI 98). Die so gefaßte Bedeutung der Kunst als des wahrhaftigen Scheines bleibt gebunden an die metaphysische Tradition der Kunsttheorie, indem sie die Kunst auf den Gegebenheitscharakter des Wirklichen festlegt, auch wenn dieser Unerkennbarkeit heißt. Angesichts der Funktion, die der Kunst bei der Reversion der Geschichte zugedacht ist, kann dies auch gar nicht anders sein: solche Anstrengungen stehen immer unter den Prämissen dessen, was sie wiederholen wollen.
    Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Die Vergleichbarkeit des menschlichen Werkes mit dem göttlichen Schöpfungswerk war die heimliche oder ausdrückliche Orientierung eines neu sich bildenden Begriffes vom Künstler, und das führte natürlich mit Vehemenz zurück auf die Frage nach dem Verhältnis des Kunstwerkes zur Naturwirklichkeit, nach der notwendigen oder zufälligen Abhängigkeit oder der Lösbarkeit dieses Bezuges. Wenn diese Auffassung von dem frühen Impuls für die Kunstauffassung der Neuzeit richtig ist, dann liegt in der Konsequenz des Ansatzes nicht nur eine Neubestimmung der Differenz ästhetischer und physischer Gegenstände, sondern die Idee der Konkurrenz des Künstlers mit der vorgefundenen Welt im ganzen, also nicht nur ihrer Abwandlung, Idealisierung, Variierung, sondern der künstlerischen Erschaffung weltebenbürtiger Werke. Sowohl nach dem antiken Wirklichkeitsbegriff der momentanen Evidenz als auch nach dem mittelalterlichen der Realitätsbürgschaft Gottes wäre eine solche Idee der künstlerischen Konkurrenz mit dem Gegebenen sinnlos und bodenlos gewesen. Erst ein neu sich durchsetzender Begriff von Wirklichkeit, der nichts anderes als die Konsistenz des Gegebenen im Räume und in der Zeit für die Intersubjektivität als den einzig möglichen Rechtstitel auf Anerkennung durch ein Wirklichkeitsbewußtsein bestimmte, ließ den Anspruch auf Totalität künstlerischer Setzungen neben dem Faktum Welt überhaupt tragbar, wenn nicht allererst verstehbar werden.
    Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Das späte Mittelalter hat die Vorstellung von der Erkenntnis durch Ähnlichkeit und Abbildung vor allem deshalb aufgeben müssen, weil sie ihm den menschlichen Geist zu nahe an den göttlichen heranzurücken schien. Der neue Erkenntnisbegriff dagegen trennt den die Dinge unmittelbar und in ihrem Wesen erschauenden göttlichen Geist und den sie nur symbolisch repräsentierenden menschlichen Geist radikal, indem der menschliche Geist seine rezeptive Offenheit gegenüber den Dingen verliert und zu einem schöpferischen Prinzip seines eigenen symbolischen Instrumentariums wird. Zur similitudo divini intellectus in creando verweise ich auf meine Einführung zu Nikolaus von Cues: Die Kunst der Vermutung, Bremen 1957 (Slg. Dieterich Bd. 128) p. 47 sq. Die verschärfte Transzendenz des göttlichen Umgangs mit den Dingen erzwingt die Immanenz des neuen Begriffs menschlicher Bewältigung der Dinge. Die Entsprechung der Erkenntnis zu ihren Gegenständen ist nicht mehr material, sondern funktional. Die immanente Konsistenz des Zeichensystems der Begriffe bleibt die einzige, aber auch die zureichende ‚Adäquation‘ zu der gegebenen Wirklichkeit.
    Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • 1932 notiert sich Musil zu dem Mann ohne Eigenschaften: Dieses Buch hat eine Leidenschaft, die im Gebiete der schönen Literatur heute einigermaßen deplaciert ist, die nach Richtigkeit und Genauigkeit. Die Geschichte dieses Romans kommt darauf hinaus, daß die Geschichte, die in ihm erzählt werden soll, nicht erzählt wird. Die Steigerung der Genauigkeit des Erzählens führt dazu, daß die Unmöglichkeit des Erzählens selbst ihre Darstellung findet. Aber diese Unmöglichkeit wird ihrerseits als Index eines unüberwindlichen Widerstandes der imaginären Wirklichkeit gegen ihre Deskription empfunden, und insofern führt das dem Wirklichkeitsbegriff der immanenten Konsistenz zugehörende ästhetische Prinzip an einem bestimmten Punkt des Umschlages in einen anderen Wirklichkeitsbegriff hinein. Hier liegt der Grund, daß die immer wieder angekündigte ‚Überwindung‘ des Romans nicht erreicht worden ist, daß aber Ironie zur authentischen Reflexionsweise des ästhetischen Anspruches im modernen Roman geworden zu sein scheint, und zwar so, daß dieser gerade in seinem Realitätsbezug ironisch wird, den er weder aufgeben noch einlösen kann.
    Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Daß die Dichter lügen, wird erst als vollends überwunden erachtet, wenn sie nicht einmal mehr das Gegenteil dieser These in Anspruch nehmen, nämlich ‚die Wahrheit zu sagen‘, sondern bewußt die Enge der Antithese und die Spielregeln von Wirklichkeit überhaupt durchbrechen. Die Bindung an Wirklichkeit wird als ein Formzwang abgeworfen, als eine in Authentizität verkleidete Heteronomie des Ästhetischen. Hier liegt der Ansatzpunkt für eine ästhetische Vorstellung, die das von allen Wirklichkeitsbegriffen her als unwirklich zu Qualifizierende nun als das ‚ Eigentliche ‘ ausgeben kann: das Paradox, die Inkonsistenz der Träume, die ostentative Sinnwidrigkeit, das kentaurische Mischgebilde, die unwahrscheinlichste Placierung der Gegenstände, die Umkehrung der natürlichen Entropie, in der Zivilisationsschrott zur Konstitution von Bildern, Zeitungsausschnitte zur Komposition von Romanen zusammengezwungen werden können oder die Sphäre der technischen Geräusche und Lärme eine musikalische Komposition herzugeben gezwungen wird.
    Blumenberg, Hans: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Realistisch „Das Wort“ verdankt besonders G. Lukács einige sehr bemerkenswerte Aufsätze, die den Realismusbegriff erhellen, auch wenn sie, meines Erachtens, ihn etwas zu eng definieren. heißt: den gesellschaftlichen Kausalkomplex aufdeckend / die herrschenden Gesichtspunkte als die Gesichtspunkte der Herrschenden entlarvend / vom Standpunkt der Klasse aus schreibend, welche für die dringendsten Schwierigkeiten, in denen die menschliche Gesellschaft steckt, die breitesten Lösungen bereit hält / das Moment der Entwicklung betonend / konkret und das Abstrahieren ermöglichend
    Brecht, Bertolt: Volkstümlichkeit und Realismus, 1938 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn man literarische Vorbilder vorschlägt, muß man sich die Mühe machen, sehr konkret zu werden. Man muß dann zu Technikern sprechen, und das muß man als Techniker tun. Es ist sehr schwierig, die Technik (das Formulieren, „Sehen“, Komponieren und so weiter) vom jeweiligen „Inhalt“ abzulösen: Das jeweilige Vorbild sieht ja eine andere Welt, außer dem, daß es sie anders sieht. Es genügt natürlich nicht, wenn man nur nachweist, daß eine bestimmte historische Epoche in dem vorbildlichen Kunstwerk gut abgespiegelt wurde. Mit dem gleichen Spiegel kann man in der Literatur nicht andere Epochen spiegeln, so wie man mit ein und demselben Spiegel verschiedene Köpfe und dann noch Tische und Wolken spiegeln kann
    Brecht, Bertolt: Volkstümlichkeit und Realismus, 1938 Zur Textstelle navigieren
  • Einzig das Wort Freiheit vermag mich noch zu begeistern. Ich halte es für geeignet, die alte Flamme, den Fanatismus des Menschen für alle Zeiten zu erhalten. Ohne Zweifel entspricht es meinem einzigen legitimen Wunsch. Unter so viel ererbter Ungnade bleibt uns, wie man zugeben muß, die größte Freiheit, die des Geistes, doch gewährt. Es liegt an uns, sie nicht leichtfertig zu vertun. Zuzulassen, daß die Imagination versklavt wird, auch wenn es um das ginge, was man so leichthin das Glück nennt – das hieße, sich allem entziehen, was man in der Tiefe seiner selbst an höchster Gerechtigkeit findet. Einzig die Imagination zeigt mir, was sein kann, und das genügt, den furchtbaren Bann ein wenig zu lösen; genügt auch, mich ihr ohne Furcht, mich zu täuschen, zu ergeben (als wenn man sich noch mehr täuschen könnte). Wo beginnt sie, Trug zu werden, und wo ist der Geist nicht mehr zuverlässig? Ist für den Geist die Möglichkeit, sich zu irren, nicht vielmehr die Zufälligkeit, richtig zu denken?
    Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
  • Von dem Augenblick an, da der Mensch einer methodischen Befragung unterworfen wird; wo es durch noch zu bestimmende Mittel gelingt, den Traum in seiner Integrität wiederzugeben (und das bedarf einer Disziplinierung des Gedächtnisses, die sich über Generationen erstreckt; beginnen wir trotzdem damit, die hervorstechendsten Tatsachen zu registrieren); und von dem Augenblick an, da seine Kurve sich regelmäßig und in einer Dimension ohnegleichen entwickeln wird, darf man hoffen, daß die Geheimnisse – die keine sind – dem großen Geheimnis, dem Mysterium weichen werden. Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität. Nach ihrer Eroberung strebe ich, sicher, sie nicht zu erreichen, zu unbekümmert jedoch um meinen Tod, um nicht zumindest die Freuden eines solchen Besitzes abzuwägen.
    Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
  • Man erzählt, Saint-Pol-Roux habe jeden Tag, bevor er sich schlafen legte, an die Tür seines Landhauses von Camaret ein Schild hängen lassen, auf dem zu lesen war: DER DICHTER ARBEITET.
    Breton, André: Erstes Manifest des Surrealismus, 1924 Zur Textstelle navigieren
  • Die verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit gibt es auch in der Literatur, ja, die Literatur stützt sich sogar auf die Unterscheidung zwischen verschiedenen Wirklichkeitsebenen und wäre undenkbar ohne das Bewußtsein von dieser Unterscheidung. Das literarische Werk könnte als eine Operation in der geschriebenen Sprache definiert werden, die mehrere Wirklichkeitsebenen gleichzeitig einbezieht. Von diesem Blickwinkel aus kann eine Reflexion über das literarische Werk für den Wissenschaftler und den Wissenschaftsphilosophen von einigem Nutzen sein.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Bis hier habe ich mich darauf beschränkt, verschiedene Wirklichkeitsebenen innerhalb des Kunstwerkes zu unterscheiden, das als ein Universum für sich gesehen wird. Aber dabei können wir nicht stehenbleiben. Das Werk muß auch in seiner Eigenschaft als Produkt gesehen werden, in seiner Beziehung zum Draußen, zum Augenblick der eigenen Fertigung und zum Moment, in dem es von uns empfangen wird. In allen Epochen und allen Literaturen finden wir Werke, die in einem gewissen Augenblick auf sich selbst zurückfallen, sich selbst in ihrem Schöpfungsprozeß beobachten, Bewußtsein erlangen von den Materialien, aus denen sie erschaffen sind.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Halten wir also fest, daß die Feststellung „Ich schreibe“ dazu dient, eine erste Wirklichkeitsebene festzulegen, die ich implizit oder explizit bei jeder Operation berücksichtigen muß, die die unterschiedlichen Ebenen der geschriebenen Wirklichkeit zueinander oder auch geschriebene mit nicht geschriebenen Dingen in Beziehung setzt. Diese erste Ebene kann mir als Plattform dienen, auf der ich eine zweite Ebene errichten kann, die einer völlig andersartigen Wirklichkeit angehören kann als die erste, genauer gesagt auf eine andere Erfahrungswelt verweisen kann.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Die vom Geschriebenen hervorgerufenen Wirklichkeitsebenen, wie wir sie beschrieben haben, die Abfolge von Schleier und Trennwänden, entfernen sich vielleicht ins Unendliche, öffnen vielleicht ein Fenster auf das Nichts. Wie wir das Ich, das erste Subjekt des Schreibens, verschwinden sahen, so ist uns auch dessen letztes Objekt entglitten. Vielleicht liegt es an dem Spannungsfeld, das sich zwischen einer Leere und einer anderen Leere bildet, daß die Literatur die Dichte einer an Formen und Bedeutungen unerschöpflich reichen Wirklichkeit noch steigert.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Am Ende dieses Vortrages merke ich, daß ich immer von „Wirklichkeitsebenen“ gesprochen habe, während das Thema dieses Kongresses (zumindest im Italienischen) „Die Ebenen der Wirklichkeit“ lautet. Der zentrale Punkt meines Vortrages liegt vielleicht gerade darin: die Literatur kennt nicht die Wirklichkeit sondern nur die Ebenen.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Ob es die Wirklichkeit gibt, von der die verschiedenen Ebenen nur Teilaspekte sind, oder ob es nur die Ebenen gibt, das kann die Literatur nicht entscheiden. Die Literatur kennt die Wirklichkeit der Ebenen und das ist eine Wirklichkeit, die sie vielleicht besser kennt, als man sie durch andere Erkenntnismethoden kennenlernen könnte. Das ist schon sehr viel.
    Calvino, Italo: Die Ebenen der Wirklichkeit in der Literatur, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn Kant den Begriff der „Wirklichkeit“ dadurch definiert, daß als „wirklich“ jeder Inhalt der empirischen Anschauung zu bezeichnen sei, sofern er nach allgemeinen Gesetzen bestimmt und dadurch in den einheitlichen „Kontext der Erfahrung“ eingeordnet sei, – so hat er damit den Wirklichkeitsbegriff des diskursiven Denkens erschöpfend bezeichnet. Das mythische und das primäre sprachliche Denken aber kennt zunächst keinen derartigen „Kontext der Erfahrung“.
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • So muß er jetzt dieses Ganze auch mit fast unumschränkter Gewalt beherrschen. Er hat nichts neben oder außer sich, mit dem er verglichen, an dem er „gemessen“ werden könnte, sondern seine schlichte Präsenz, seine einfache Gegenwart faßt die ganze Summe des Seins in sich. Hier drückt demnach das Wort nicht als bloß konventionelles Symbol den Inhalt der Anschauung aus, sondern es verschmilzt mit ihm zu einer unlöslichen Einheit. Der Inhalt der Anschauung geht in das Wort nicht nur in irgendeiner Weise ein, sondern er geht in ihm auf. Was einmal im Wort oder Namen fest gehalten ist, das erscheint nunmehr nicht nur als ein Wirkliches, sondern geradezu als das Wirkliche. Die Spannung zwischen dem bloßen „Zeichen“ und dem „Bezeichneten“ hört auf: an die Stelle des mehr oder minder angemessenen „Ausdrucks“ ist ein Verhältnis der Identität, der völligen Deckung zwischen „Bild“ und „Sache“, zwischen den Namen und den Gegenstand getreten.
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Es ist schon ein weiterer Schritt zur Befreiung der eigentlichen und originären Sprach form vom Inhalt der sinnlichen Anschauung, wenn an die Stelle des unmittelbar nachahmenden, des onomatopoietischen oder mimischen Ausdrucks, eine andere Bezeichnungsweise tritt, die man die „analogische“ nennen könnte.
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Wir haben bisher die Kraft des inneren Bildens, die sich in der Erzeugung der Welt der Kunst und der Welt der Erkenntnis, in der Erzeugung der mythischen und der sprachlichen Welt beweist, im wesentlichen als eine Einheit betrachtet; wir haben eine durchgehende Form des Aufbaus, gleichsam eine allgemeine Typik, in ihr herauszustellen gesucht. Aber das wahre Verhältnis der Einzelformen tritt erst zutage, wenn wir nun innerhalb dieser Typik die besonderen und spezifischen Züge jeder einzelnen Grundrichtung zu bestimmen und gegeneinander abzugrenzen versuchen. Die Funktion der Bildgestaltung überhaupt mag immerhin als eine letzte übergreifende Einheit gedacht werden können; aber die Verschiedenheit der Formen tritt sofort wieder hervor, sobald man auf das verschiedene Verhältnis reflektiert, das der Geist in jeder von ihnen zu der von ihm erzeugten Welt der Bilder und Gestalten sich gibt.
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Damit aber scheint sich freilich ein Einwand aufzudrängen, der nunmehr nicht nur gegen die Sprache, sondern gegen die Gesamtheit der symbolischen Formen erhoben werden kann. Erschöpfen diese Formen den tiefsten unmittelbaren Gehalt des Bewußtseins – oder bedeuten sie nicht vielmehr eine ständige Verarmung desselben? Wir haben das Wort W. v. Humboldts erwähnt, daß die Sprache zwischen Subjekt und Objekt, zwischen den Menschen und die ihn umgebende Wirklichkeit trete. Aber ist durch dieses Wort nicht zugleich zugestanden, daß sich durch sie, wie durch die anderen Formen, ein Gegensatz und eine tren nende Schranke zwischen unserem Bewußtsein und der Wirklichkeit aufrichtet? Und muß somit nicht die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht möglich sei, diese Schranke zu durchbrechen und damit erst zum wahren und wesenhaften, zum hüllenlosen Sein zu gelangen? In der Tat macht sich heute wieder stärker als zuvor das Bestreben geltend, von aller bloßen Bedeutung zum letzten ursprünglichen Sein, von allem bloß Repräsentativen und Symbolischen zur metaphysischen Grundgewißheit der reinen Intuition zurückzudringen. Der erste und notwendige Schritt hierzu scheint darin zu bestehen, daß wir uns aller konventionellen Symbole entäußern, daß wir an Stelle der Worte die unmittelbare Anschauung, an Stelle des sprachlich-diskursiven Denkens das reine, wortlose Schauen setzen. Schon Berkeley hat hierin die Forderung der modernen positivistischen „Sprachkritik“ vorweggenommen. „Vergeblich“ – so sagt er einmal – „breiten wir unsern Blick in die Räume des Himmels aus und suchen wir in die Eingeweide der Erde zu dringen; vergeblich befragen wir die Werke gelehrter Männer und gehen den dunklen Spuren des Altertums nach: wir brauchen nur den Vorhang von Worten wegzuziehen, um hinter ihnen den Baum der Erkenntnis zu erfassen, dessen Frucht vortrefflich und in greifbarer Nähe für uns ist Berkeley, A treatise concerning the principles of human knowledge, Dublin 1710 u. ö. Introd. § 24..“ Und was hier von der Sprache gesagt ist: das scheint folgerecht von jeder Art symbolischen Ausdrucks gelten zu müssen. Jede geistige Form scheint zugleich eine Hülle zu bedeuten, in die sich der Geist einschließt. Wenn es gelänge, alle diese Hüllen abzustreifen, dann erst – so scheint es – würden wir zur echten unverfälschten Wirklichkeit, zur Wirklichkeit des Subjekts wie des Objekts durchdringen.
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Und doch muß schon der Blick auf die Sprache und auf die Stellung, die sie im Aufbau der geistigen Welt einnimmt, gegen Folgerungen dieser Art bedenklich machen. Gelänge es, alle Mittelbarkeit des sprachlichen Ausdrucks und alle Bedingungen, die uns durch sie auferlegt werden, wahrhaft zu beseitigen, dann würde uns nicht der Reichtum der reinen Intuition, die unsagbare Fülle des Lebens selbst entgegentreten, sondern es würde uns nur wieder die Enge und Dumpfheit des sinnlichen Bewußtseins umfangen. Und noch klarer tritt die Notwendigkeit dieser Folgerung heraus, wenn wir die Frage auf die Gesamtheit der symbolischen Formen, auf die Sprache und den Mythos, auf die Kunst und die Religion richten. Von jeder einzelnen dieser Formen glaubt man absehen zu können und kann man unter bestimmten Bedingungen absehen, sofern man nur gewiß ist, daß man, indem man sie aufgibt, eine andere gehaltvollere zurückbehält. So sucht die Mystik sich aller bildhaften Gestaltung, wie sie den Kern der ästhetischen Anschauung ausmacht und aller Bedingtheit des Sprachausdrucks zu entziehen – und in dieser Negation, in diesem reinen „Nein, Nein“, das als ein Grundmotiv in jeder geschichtlichen Gestalt der Mystik wiederkehrt, scheint sich nun erst die neue, die eigentümliche Position des religiösen Bewußtseins zu erschließen. Aber eben als positive Gestalt enthält auch die letztere eine bestimmte und spezifische Weise der Formung in sich. Der Gang unserer Betrachtung hat zu zeigen versucht, wie hinter jedem bestimmten Kreis von Symbolen und Zeichen – mag es sich nun um sprachliche oder mythische, um künstlerische oder intellektuelle Zeichen handeln – immer zugleich bestimmte Energien des Bildens stehen. Sich des Zeichens nicht nur in dieser oder jener, sondern in aller Form entäußern, hieße zugleich diese Energien zerstören. Die echte Substantialität des Geistes aber besteht nicht darin, daß er sich alles sinnlich-symbolischen Inhalts als eines bloßen Accidens entledigt, daß er ihn wie eine leere Schale fortwirft, sondern daß es sich in diesem widerstehenden Medium behauptet. Für die Philosophie, für die denkende Betrachtung des Seins, kann daher niemals das Leben selbst, vor und außerhalb aller Geformtheit, das Ziel und die Sehnsucht der Betrachtung bilden; sondern für sie bilden Leben und Form eine untrennbare Einheit. Denn erst durch die Form und ihre Vermittlung nimmt die bloße Unmittelbarkeit des Lebens die Gestalt des Geistes an: die Kraft des Geistes aber ist – nach einem Wort Hegels – „nur so groß, als seine Äußerung, seine Tiefe nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut.“
    Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Es gibt zumindest zwei Gründe dafür, sich heutzutage dem Einfluß der Realität auf die Kunst einfach zu verschließen: zunächst die vage und weitverbreitete intellektuelle Mode, die sich auf die Entwicklung der Erkenntnistheorie und die Herausbildung der modernen Wissenschaften beruft und derzufolge wir Realität als solche niemals wirklich sehen bzw. sehen können; sodann eine bestimmte Interpretation der Geschichte der darstellenden Künste – vor allem der Malerei und des Romans in zeitlicher Parallele zur Erfindung der Photographie und der Entstehung des Films –, derzufolge die Kunst sich aus der Darstellung von Realität als aus einer hoffnungslosen, wenngleich schon immer als unnötig erachteten Aufgabe zurückgezogen hat.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Ich wagte zu hoffen, daß man meine Einwendungen gegen diesen Begründungszusammenhang ebenfalls ohne weiteres hinnehmen würde. Schließlich beruht ja jeder Zweifel an der Realität auf bestimmten Theorien (des Wissens, der Wissenschaft, der Kunst, der Realität, des Realismus ), denen wohl kaum eine größere Überzeugungskraft eignet als der Realität selbst.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Die Frage stellt sich also nun wie folgt: Wenn die Realität in der Tat für das Verständnis des Mediums Film eine entscheidende Rolle spielt, und wenn ihre Rolle nicht darin besteht, aufgezeichnet zu werden – was ‚ist‘ dann ihre Rolle? Mein Buch gibt auf diese Frage eine Reihe von Antworten. Ich sehe die Rolle der Realität darin, photographiert, projiziert, verfilmt, dargestellt und angeschaut zu werden. (Diese Antworten führen zu meinen Abweichungen von Panofskys und Bazins Akzentuierung der „Wirklichkeit selbst“. Die Bedeutung, die ich den Begriffen beimesse, läßt sich m. E. nur an meinem Buch als Ganzem abschätzen.)
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Der Film stellt ein erkenntnistheoretisches Prinzip auf den Kopf: die Realität ist bekannt, bevor ihre Erscheinungsformen bekannt sind. Das erkenntnistheoretische Geheimnis besteht darin, ob und wie man die Exi stenz des einen aus der Kenntnis der anderen prognostizieren kann. Das photographische Geheimnis besteht darin, daß man sowohl die Erscheinungsform als auch die Realität kennen kann, daß aber dennoch die eine sich nicht aus der anderen prognostizieren läßt. Greifen wir nochmals auf das von mir erwähnte Projekt Edward Steichens zurück, der von derselben Tasse und Untertasse tausend Aufnahmen machte. Vermutlich unterscheidet sich jede einzelne Aufnahme von allen anderen, hat jede ihre eigene Physiognomie. Doch was immer Steichen auch versucht haben mag – ein Auswechseln der Linsen, eine Verwendung anderer Filme oder Filter, eine Veränderung der Beleuchtung, des Winkels, der Entfernung – es bleibt doch stets dieselbe Tasse und Untertasse. Darin liegt – wie in der Faszination von Gesichtern – die Faszination des photographischen Objekts begründet. Seinen Kunstcharakter verdankt es der Fähigkeit zu entdecken, wie eine bestimmte Wirkung erreicht und wie eine bestimmte Absicht verwirklicht werden kann.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Der Film bietet ein rührendes Bild des Skeptizismus : hier haben wir es nämlich nicht nur mit der plausiblen Möglichkeit, sondern mit der Tatsache zu tun, daß die Realität von unseren normalen Sinnen hingenommen wird, obwohl sie als solche nicht existiert – schlimmer noch: weil sie nicht existiert, weil man sie nur zu betrachten braucht. Zweifellos läßt sich unsere Phantasie auch als durch das Betrachten von Realität befriedigen. Wenn man jedoch mit dem Argument der Skepsis gerade ‚diese‘ Befriedigung leugnet, – wenn man bestreitet, daß es überhaupt Realität sein könnte, was der Film projiziert und ablichtet, dann macht man den Skeptizismus zur Farce. Wer so argumentiert, scheint zwar zu bedenken, daß der Skeptizismus sich gegen unseren Glauben an die Außenwelt wendet, aber er scheint gleichzeitig zu vergessen, daß der Skeptizismus mit dem Versuch beginnt, eben diesen Glauben zu rechtfertigen.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Das dramatische Geschehen des Films bzw. unsere latente Angst beim Betrachten dieses Geschehens gründet darin, daß uns unablässig demonstriert wird, wie wenig wir die Voraussetzungen unseres Glaubens an die Wirklichkeit kennen. Wollte man hier dem bekannten Wunsch nachgehen, vom Film als von etwas zu sprechen, das uns im allgemeinen eine ‚ Illusion von Wirklichkeit ‘ gewährt, so würde man damit diese latente Angst nur verschleiern, wie es der philosophische Skeptizismus letztlich auch tut. Die Idee einer ‚Illusion von Wirklichkeit‘ verwischt die unterschiedlichen Rollen der Realität in der Malerei, im Theater und im Film, und sie verkennt das Verlangen der Kunst, sich der Wirklichkeit zuzuwenden, um gegen unsere Illusion von ihr anzugehen bzw. diese aufzuheben. Der ‚ Wirklichkeitssinn ‘, aus dem Komödie und Religion schöpfen und den Philosophie und Tragödie auszuloten versuchen, wird vom Film weder freigesetzt noch unterdrückt; vielleicht könnte man sagen, daß der Film ihn durchspielt.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Der im Film gezeigte Skezptizismus [sic] will uns nicht glauben machen, daß die Wirklichkeit ein Traum sei oder unseren Träumen Grenzen setze. Indem der Film Wirklichkeit vorführt, schirmt er deren Gegebenheit vor uns ab; er hält uns Wirklichkeit fern und stellt uns Wirklichkeit vor, d.h., er hält Wirklichkeit vor uns zurück. Wir leiden Qualen, weil wir der Wirklichkeit ausgesetzt sind und weil diese Wirklichkeit zugleich von uns abhängig ist. Doch selbst wenn die Wirklichkeit unseren Vorstellungen entspricht, können wir ihr – wie ich in meinem Buch gezeigt habe – das Recht verweigern, unsere Meinung über sie zu bestimmen (p. 120). Denn wenn sie auch für uns zu sprechen vorgibt, so ist es uns doch möglich, sie für kurze Zeit offen und distanziert zu sehen, damit wir erfahren und erleichtert darüber sein können, irgendwo einen Führer zu haben. Wenn wir wissen, inwieweit die Wirklichkeit unseren Träumen zugänglich ist, wissen wir auch, inwieweit dieser Wirklichkeit durch unsere Träume von ihr Grenzen gezogen sind.
    Cavell, Stanley: Die Welt durch die Kamera gesehen, 1971 Zur Textstelle navigieren
  • Man glaubte einmal (und auch jetzt noch tun es nicht wenige unbewußte Platoniker, Mystiker und Asketen), erkennen hieße die Seele zu einem Gott, einer Idee, einer Ideenwelt, einem Absoluten erheben, jenseits der menschlichen Erscheinungswelt. Da konnte es nicht ausbleiben, daß die Seele, nachdem sie sich mit widernatürlicher Anstrengung von sich selbst abgewendet und in jene höhere Sphäre gelangt war, sich törichterweise zur Erde zurückwandte, während sie doch in ewiger Seligkeit dort bleiben konnte und bleiben durfte. Der Gedanke, der nicht mehr Gedanke war, hatte als Gegenstück eine Wirklichkeit, die nicht Wirklichkeit war. Doch seit, dank Männern wie Vico, Kant, Hegel und anderen Häresiarchen derart, die Erkenntnis auf die Erde herabgestiegen ist und nicht als die mehr oder weniger blasse Kopie einer unbeweglichen Realität verstanden wird, sondern als beständiges menschliches Wirken, und seitdem sie nicht abstrakte Ideen, sondern konkrete Begriffe erzeugt, nämlich historisches Denken und Urteilen, Wahrnehmungen des Wirklichen, seitdem bedeutet die Praxis nicht mehr eine Degradation des Erkennens, einen Absturz vom Himmel auf die Erde, oder vom Paradies in die Hölle, und auch nicht etwas, zu dem man sich entschließen oder dessen man sich enthalten könnte, sondern sie ist getragen von der Theorie selbst, als Erfordernis der Theorie. Und wie die Theorie, so die Praxis. Unser Denken ist historisches Denken einer historischen Welt, Entwicklungsprozeß einer Entwicklung ; und kaum hat man die Qualifikation einer Wirklichkeit ausgesprochen, so gilt diese Qualifikation schon nicht mehr, weil sie selbst eine neue Wirklichkeit hervorgebracht hat, die eine neue Qualifikation erwartet. Diese neue Wirklichkeit ist ökonomisches und moralisches Leben. Sie verwandelt den intellektuellen Menschen in den praktischen Menschen, in den Politiker und Heiligen, in den Industriellen und den Helden und die logische Synthesis a priori überführt sie in die praktische Synthesis a priori. Doch auch diese ist immer wieder ein neues Fühlen, ein neues Verlangen, ein neues Wollen, eine neue Summe von Leidenschaften, worin der Geist aber auch nicht verweilen kann und die vor allem als neuen Stoff eine neue Intuition, eine neue Lyrik, eine neue Kunst hervorruft.
    Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Wie sich das Drama in Wahrheit darstellt, als ideal und außerzeitlich, habe ich bisher gezeigt, wobei ich mich des Nacheinander nur zum Zweck der Darstellung bedient habe, um die logische Ordnung zu bezeichnen: – ideal und außerzeitlich, weil es keinen Augenblick und kein Individuum gibt, in dem es sich nicht ganz abspielt, wie es kein Teilchen des Alls gibt, in dem nicht der Geist Gottes weht. Aber die in dem idealen Drama unteilbaren idealen Momente kann man geteilt in der empirischen Wirklichkeit erblicken, gleichsam als körperliches und unreines Symbol der idealen Unterschiedenheit. Sie sind nicht etwa wirklich geschieden (die Idealität ist die wahre Realität ), sondern empirisch geschieden erscheinen sie dem, der sie typisierend betrachtet und der keine andere Art und Weise hat, um in den Typen die Individualität der seine Aufmerksamkeit fesselnden Tatsachen zu bestimmen als dadurch, daß er die idealen Unterscheidungen vergrößert und übertreibt.
    Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Aber da (und hier gerät der Empirismus schon in Gefahr) keine Epoche ohne Philosophie und ohne Kunst leben kann, so hat auch die unsere die eine und die andere gehabt, so, wie sie sie eben haben konnte. Und ihre Philosophie und ihre Kunst, diese unmittelbar, jene mittelbar, stellen sich dem Denken als Dokumente dessen dar, was unsere Epoche in ihrer Gesamtheit und Vollständigkeit wirklich gewesen ist.
    Croce, Benedetto: Grundriss der Ästhetik, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Ein Teil des Grundes, aus welchem Wahrnehmungsbilder und Kunstwerke uns gefallen, ist wirklich darin gelegen, daß die Handlung, durch welche wir das Mannigfache in ihnen vereinigen (die man denn eine Denkhandlung nennen mag), in der Totalität unseres Seelenlebens die ästhetische Wirkung hervorbringt. Zwar hat keiner der rationalen Ästhetiker den Satz und das in ihm liegende Problem in dieser Allgemeinheit formuliert. Aber Leibniz, der Tiefgründigste von ihnen, besaß, wie wir sahen, in seinem System die Voraussetzung für eine solche Fassung des Problems. Und die Einzelarbeiten der von der rationalen Schule bedingten Ästhetiker enthielten schon Belege für den angegebenen Satz. Ebenso enthält die Leibnizsche Lehre von der Harmonie des Universums in sich den weiteren Satz, daß ein metaphysischer Zusammenhang zwischen dem ästhetischen Vermögen und seinen äußeren Objekten besteht, und Kant hat denselben in gewissen Grenzen entwickelt. Das Verhältnis der das Mannigfache vereinigenden Handlungen unserer Intelligenz zu einer einheitlichen und gedankenmäßigen Ordnung des Wirklichen, zumal des Sinnlich-Wirklichen, wird stets die Bedingung oder, wenn man lieber will, das Postulat ausmachen, vermittels dessen allein wir die ästhetische Auffassung der Welt uns faßbar machen können. Aber freilich weist diese Bedingung der ästhetischen Anschauung in ein Unergründliches, in einen Urquell der Harmonie, der unserem Denken unnahbar ist.
    Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
  • Der Stil eines Kunstwerks ruft nun einen Eindruck hervor, der nicht zureichend als Lust, Gefallen oder angenehmes Gefühle charakterisiert wird. Dem Seelenleben des Auffassenden wird vielmehr eine bestimmte Form von Handlung mitgeteilt. In dieser erweitert, steigert, dehnt sich die Seele gleichsam. Es vollzieht sich eine Kraftentwicklung, welche die Vitalität des Auffassenden, seine Lebendigkeit und deren Gefühl erhöht. Die Nachbildung der Handlung in einer großen Seele, die in einem Fresko des Michelangelo oder in einer Fuge von Bach verkörpert ist, ruft in mir eine entsprechende Kraft auf und erhöht so in einer ganz bestimmten, durch das Objekt fest gegebenen Art meine eigene Lebendigkeit. Das Gefühl ist hier also nur der Reflex der seelischen Kraftäußerung und Handlung, in welcher ich das Kunstwerk umspanne. Im Gefühl werde ich dieser inneren Handlung inne. Sonach sind die Vorgänge im ästhetischen Auffassen der Wirklichkeit, im Schaffen des Künstlers und im Genießen des Kunstwerkes einander nahe verwandt. Denn das Genießen des Kunstwerkes ist ebenfalls eine Handlung der Seele ; nur eine unangespannte, gelassene. Ihre Teile verlaufen unmerklich, aber die Erhöhung der freien Lebendigkeit, welche für den ästhetischen Genuß so charakteristisch ist, entspringt doch gerade aus der Form dieser Handlung. Man kann weitergehen. Die Erhöhung und Erweiterung meines Daseins im ästhetischen Schaffen oder Genießen ist der Freudigkeit verwandt, welche aus der Form der Willensbetätigung in dem tapferen und folgerichtigen Denken oder in dem mutigen und charaktervollen Handeln entspringt. Hier wie dort erhebt sich die Seele über die grobe Erfüllung der Triebe durch die Freude an der inneren Form ihres eigenen Tuns. Diese Freude ist unter allen Lustgefühlen allein unabhängig von dem Äußeren und kann die Seele dauernd, ja immer erfüllen. Die Geschichte der moralischen Kultur der Menschheit ist der fortschreitende Sieg dieser höchsten Lebendigkeit, welche an die äußere und innere Arbeit sowie an die durch sie bedingte Form unseres geistigen Daseins geknüpft ist und stetig, beständig, vom Äußeren unabhängig wirkt.
    Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
  • Will ich mit den Augen und gleichsam durch die Seele eines großen schöpferischen Menschen das Wirkliche erblicken, will ich das räumlich Große, das dynamisch oder moralisch Erhabene fassen: dann fordert dies eine verstärkte Kraftentwicklung; alle meine Sinnes-, Gemüts- und Geisteskräfte werden aufgerufen, belebt und gesteigert, ohne daß doch die Anforderung an sie meine Kraft überstiege, weil ich mich nur nachbildend verhalte.
    Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
  • Der allmächtige Drang, welcher das künstlerische Genie treibt, sein Inneres in Bildern zu versinnlichen, gibt zunächst allen wahren Kunstwerken ein gemeinsames Gepräge.
    Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
  • Von dieser Erörterung über das Genie des Künstlers aus kann nun das praktische Ergebnis erweitert werden, das wir aus der Betrachtung über Schaffen und Genießen ableiteten. Erkannten wir das Persönliche in den höchsten Wirkungen der Kunst, so ist doch eben in der Persönlichkeit des Genies ein Allgemeingültiges und Notwendiges, wodurch es mit seinem Publikum verbunden ist. Wir verstehen die Sprache der sinnlichen Erscheinungen durch es. Wir lesen durch es in den Gebärden und Handlungen der Menschen. Die innere Bedeutung alles Äußeren, schließlich der ganzen Erscheinungswelt wird den anderen Menschen durch es aufgeschlossen. Wir lernen sehen durch die Augen der großen Maler. Wir lernen durch Shakespeare verstehen, was auf der Bühne der Welt geschieht, und durch Goethe, was in der stillen Tiefe einer Menschenseele sich ereignet. Die Kunst deutet uns das Gleichnis des Vergänglichen. Daher ist nur der ein wirklicher Künstler, der uns in dieser Deutung weiterführt. Die Kopisten des Wirklichen lehren uns nichts, was nicht ein gescheiter Mensch und guter Beobachter auch ohne sie wüßte. Sie sind nicht besser als die Idealisten, die das längst in der Sprache der Kunst Gesagte wiederholen. Beiden gibt nur die Langeweile, welche nach vorübergehender Beschäftigung verlangt, Existenzrecht. Wir warten des ästhetischen Eindrucks, dessen Energie und Mächtigkeit der ungeheuren Erweiterung des menschlichen Gesichtskreises entspräche. Und nie hatte ein Künstler die Arme so frei als heute, sein Genie zu betätigen.
    Dilthey, Wilhelm: Die drei Epochen der modernen Ästhetik und ihre heutige Aufgabe, 1892 Zur Textstelle navigieren
  • Mag endlich aber auch zugegeben werden, daß die Anschauung nicht so in den Begriff verwandelt werde, daß nichts von ihr übrig bleibe, daß man die Anschauung nicht deshalb gänzlich verlassen müsse, weil ihr der Begriff entnommen sei, so wird der wissenschaftliche Forscher doch immer alle Tätigkeit an der Anschauung für untergeordnet halten, die nicht zur Beherrschung derselben im Begriff führt. Aber wenn er auch die Welt auf seine Weise begriffen und damit der Forderung seines Geistes Genüge getan hat, so irrt er doch, wenn er meint, daß damit alles getan sei, wozu in der menschlichen Natur die Forderung und die Befähigung liegt. Aus der Anschauung nicht in die Abstraktion übergehen heißt nicht, auf einer Stufe verharren, von der der Eintritt in das Reich der Erkenntnis noch nicht möglich ist, vielmehr heißt es, sich andere Wege offen halten, die auch zur Erkenntnis führen, und wenn diese Erkenntnis eine andere ist als jene abstrakte, so kann sie darum doch eine wirkliche, letzte und höchste Erkenntnis sein
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Von der Unendlichkeit der anschaulichen Auffassung der Welt wird sich nur der überzeugen können, der zum freien Gebrauche seines Wahrnehmungsvermögens hindurchgedrungen ist. Solange die Wahrnehmung einem Zwecke dient, ist sie unfrei und endlich, der Zweck mag sein, welcher er wolle, so bleibt die Wahrnehmung ein Werkzeug; sie wird überflüssig, sobald der Zweck erreicht ist. Bei anderen geistigen Tätigkeiten gilt es wohl als eine engherzige Beschränkung, sie nur dann als berechtigt anzuerkennen, wenn sie zu einem ausgesprochenen Zwecke unternommen werden. Der Mensch hat von jeher einen unwiderstehlichen Trieb gefühlt, nachdem er einmal durch die Anforderungen des Lebens seine Kräfte als brauchbare kennengelernt hatte, dieselben im freien Gebrauche zu üben; ja die Resultate jenes freien Gebrauches geistiger Fähigkeiten werden als die höchsten menschlichen Leistungen verehrt. Das aber, wovon man glauben sollte, es müsse das Unbefangenste sein, was der Mensch tun könne, die Erfassung der Welt ihrer sichtbaren Erscheinung nach, ist das Allerbefangenste. Wohl begreift der Mensch die Notwendigkeit, im Betrachten der Dinge und im Einprägen der gewonnenen Vorstellungen zu größerer Sorgfalt sich zu erziehen, wohl steigern sich die Zwecke, denen die Anschauung als Mittel dient; aus der Sklaverei des täglichen Lebensbedürfnisses erhebt sie sich zum Dienste der edelsten Genüsse, zum Werkzeug der höchsten Bestrebungen. Immer aber ist ihr das Ziel vorausbestimmt, und sie endigt im erreichten Zweck.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Es ist das Wesentliche des künstlerischen Naturells, daß es mit und zu dem freien Gebrauche des anschaulichen Auffassungsvermögens geboren ist. Dem Künstler ist die Anschauung von vornherein eine unbefangene, freie, keinem jenseits der Anschauung liegenden Zwecke dienende und in diesem endigende Tätigkeit; diese allein ist es, die zur künstlerischen Gestaltung führen kann. Dem Künstler ist die Welt nur Erscheinung; er naht sich ihr als einem Ganzen, was er als Ganzes in seiner Anschauung zu reproduzieren strebt ; ihm beruht das Wesen der Welt, das er sich geistig anzueignen, zu unterwerfen bemüht ist, in der sichtbaren und greifbaren Gestalt der Dinge. So begreifen wir, wie dem Künstler die Anschauung, da ihr kein außerhalb ihrer selbst liegendes Ziel mehr gesetzt ist, eine unendliche werden könne. Zugleich aber erkennen wir auch, daß für den Künstler die Anschauung eine unmittelbare, von keinem durch sie zu erreichenden Zwecke abhängige Bedeutung haben müsse.
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  • Das Verhältnis des Künstlers zur Welt, das uns unbegreiflich bleibt, solange wir als Nichtkünstler auf der Position beharren, die wir der Welt gegenüber einnehmen, wird uns verständlich, wenn wir es als eine durchaus ursprüngliche und eigentümliche Beziehung der menschlichen Erkenntniskräfte zu den Dingen auffassen. Und diese Beziehung beruht auf einer Forderung, die einen Bestandteil der geistigen Natur des Menschen ausmacht. Ursprung und Dasein der Kunst beruht auf einem unmittelbaren Ergreifen der Welt durch eine eigentümliche Kraft des menschlichen Geistes. Ihre Bedeutung ist keine andere als eine bestimmte Form, in der der Mensch die Welt sich zum Bewußtsein zu bringen nicht nur bestrebt, sondern recht eigentlich durch seine Natur gezwungen ist. So ist die Stellung, in der sich der Künstler zur Welt befindet, keine beliebig gewählte, sondern eine natürlich gegebene, die Beziehung, in die er sich zu den Dingen setzt, keine abgeleitete, sondern eine unmittelbare, die geistige Tätigkeit, die er der Welt entgegensetzt, keine willkürliche, sondern eine notwendige, und das Resultat, zu dem er gelangt, wird kein untergeordnetes und entbehrliches, sondern ein höchstes und dem menschlichen Geiste, wenn er sich nicht selbst verstümmeln will, vollkommen unentbehrliches sein.
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  • So hat es die Kunst nicht mit Gestalten zu tun, die sie vor ihrer Tätigkeit und unabhängig von derselben vorfindet, sondern Anfang und Ende ihrer Tätigkeit liegt in der Schaffung der Gestalten, die durch sie überhaupt erst zum Dasein gelangen. Was sie schafft, ist nicht eine zweite Welt neben einer anderen, die ohne sie existiert, sie bringt vielmehr überhaupt erst die Welt durch und für das künstlerische Bewußtsein hervor. Und so hat sie es auch nicht mit einem Materiale zu tun, das schon irgendwie zum geistigen Besitz des Menschen geworden wäre; was schon irgendeinem geistigen Prozesse unterlegen hat, ist für sie verloren; denn sie selbst ist ein Prozeß, durch den der geistige Besitz der Menschen unmittelbar bereichert wird; das vom menschlichen Geiste noch Unberührte ist es, was ihre Tätigkeit erregt, für das, was noch in keiner Weise für den menschlichen Geist existiert, schafft sie die Form, unter der es für den menschlichen Geist zum Dasein gelangt. Sie geht nicht vom Gedanken, vom geistigen Produkte aus, um zur Form, zur Gestalt hinabzusteigen, vielmehr steigt sie vom Form- und Gestaltlosen zur Form und Gestalt empor, und auf diesem Wege liegt ihre ganze geistige Bedeutung.
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  • Wäre die menschliche Natur nicht mit der künstlerischen Begabung ausgestattet worden, die Welt würde nach einer großen unendlichen Seite hin dem Menschen verloren sein und bleiben. Im Künstler regt sich ein mächtiger Trieb, jenes enge dunkle Bewußtsein, mit dem er die Welt bei seinem ersten geistigen Erwachen ergriffen hatte, zu steigern, auszudehnen, zu entfalten, zu immer größerer Klarheit zu entwickeln. Nicht der Künstler bedarf der Natur, vielmehr bedarf die Natur des Künstlers. Nicht was die Natur ihm so gut wie jedem anderen bietet, weiß der Künstler nur anders als ein anderer zu verwerten, vielmehr gewinnt die Natur nach einer gewissen Richtung hin erst durch die Tätigkeit des Künstlers für diesen und für jeden, der ihm auf seinem Wege zu folgen vermag, ein reicheres und höheres Dasein. Indem der Künstler die Natur in einem gewissen Sinne zu erkennen, zu offenbaren scheint, erkennt und offenbart er nicht etwas, was unabhängig von seiner Tätigkeit ein Dasein hätte, vielmehr ist seine Tätigkeit eine durchaus hervorbringende, und unter künstlerischer Produktion im allgemeinen kann nichts anderes verstanden werden als die in dem menschlichen Bewußtsein und für dasselbe sich vollziehende Hervorbringung der Welt ausschließlich in Rücksicht auf ihre sichtbare Erscheinung. Es entsteht ein künstlerisches Bewußtsein, in dem alles, wodurch die Erscheinung dem Menschen bedeutend werden kann, zurücktritt vor dem, wodurch sie eine rein um ihrer selbst willen verfolgte anschauliche Auffassung werden kann.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Die Kunst ist immer realistisch, weil sie das hervorzubringen sucht, was dem Menschen allererst die Realität ist, und sie ist immer idealistisch, weil alle Realität, die sie schafft, ein Produkt des Geistes ist.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Aber wie jeder Besitz, so macht auch der geistige frei und befangen zugleich. Er reißt manche Schranke nieder, wird aber selbst unwillkürlich zur Schranke; er nimmt dem Menschen die Fähigkeit sich zurückzuversetzen in jenen besitzlosen Zustand, da ihm die Welt noch alles werden konnte, weil sie ihm noch in keiner Gestalt angehörte. Und doch, wer dem Künstler auf sein Gebiet folgen will, der muß von der Höhe seines geistigen Bewußtseins, zu der ihn die Arbeit des Lebens geführt hatte, herabsteigen, er muß die Welt noch einmal als eine ihm fremde betrachten, um sie in einer neuen Weise kennenzulernen.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Aller Fortschritt, alle weitere Entwicklung der künstlerischen Tätigkeit beruht auf der in ihren künstlerischen Gestaltungen sich aussprechenden Weiterentwicklung jener ersten geistigen Gebilde, in denen sich der künstlerische Geist zuerst der Wirklichkeit vergewisserte. Auch der Künstler erhebt sich von Abstraktion zu Abstraktion, und je höher die geistigen Formen sind, zu denen sich der sinnliche Stoff emporgestaltet, desto mehr und mehr erhebt sich der Künstler aus der Verworrenheit, Unbestimmtheit, Flüchtigkeit der Anschauung in eine klare, bestimmte, dauernde Wirklichkeit empor.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Nur so aufgefaßt ist die künstlerische Tätigkeit eine wahrhaft freie; nur so erscheint sie erlöst sowohl von dem Drucke, den die kurzsichtige Annahme eines ihr gegenüberstehenden Wirklichkeitsvorbildes auf sie ausübt, als auch von dem Dienste aller fremdartigen, ihr willkürlich aufgenötigten Aufgaben. Nur so folgt die Kunst keinem anderen Gesetze als dem ihrer innersten eigensten Natur. Folgt man diesem freien Spiel der künstlerischen Kräfte, so erkennt man, daß die Kunst nicht verurteilt ist, in den Niederungen einer Wirklichkeit hinzuschleichen, die die Wirklichkeit aller Menschen ist, daß sie aber auch nicht den zweifelhaften Beruf hat, aus einem fabelhaften Reiche herabzusteigen, um den Menschen aus der Wirklichkeit zu erlösen. Wenn von alters her zwei große Prinzipien, das der Nachahmung und das der Umwandlung der Wirklichkeit, um das Recht gestritten haben, der wahre Ausdruck des Wesens der künstlerischen Tätig keit zu sein, so scheint eine Schlichtung des Streites nur dadurch möglich, daß an die Stelle dieser beiden Prinzipien ein drittes gesetzt wird, das Prinzip der Produktion der Wirklichkeit. Denn nichts anderes ist die Kunst als eins der Mittel, durch die der Mensch allererst die Wirklichkeit gewinnt.
    Fiedler, Conrad: Schriften über Kunst, 1896 Zur Textstelle navigieren
  • Die aus Vorstellungen hergestellten Darstellungen heißen „Abbilder“. Abbilder sind Resultate einer Reihe von Abstraktionen. Zuerst zieht sich die Existenz durch die Verneinung des Soseins aus der Lebenswelt zurück, dann zieht sie aus der verneinten Lebenswelt Vorstellungen von Objekten, und schließlich tritt sie von den Vorstellungen zurück, um sie zu kodifizieren und festzuhalten. Demnach sind Abbilder aus konkreten Erlebnissen gewonnene Abstraktionen: sie haben von den Erlebnissen die Tiefe des Raums, den Strom der Zeit und die unmittelbare Privatheit abgezogen. Abbilder sind Abziehbilder, wie Landkarten als von der Landschaft abgezogene Bilder gelten können.
    Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
  • Man macht es sich oft leicht und sagt, Abbilder seien landkartenartige Darstellungen, und Vorbilder seien Darstellungen von Denkprozessen ( images of thinking ). Aber leider darf man es sich angesichts der gegenwärtigen Darstellungsmethoden nicht so einfach machen. Wenn nämlich Abbilder darstellen, was ist, dann sind sie „wissenschaftlich“, und wenn Vorbilder darstellen, was sein soll (also künstlich Herzustellendes), dann sind sie „künstlerisch“; und wenn man beide nicht voneinander unterscheiden kann, dann kann man nicht mehr zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen wahr und falsch, zwischen real und fiktiv unterscheiden.
    Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
  • Und nichts steht technisch im Weg, die Konkretheit der „gegebenen“ Objekte zu übertreffen, etwa synthetische Bilder zu entwerfen, in denen sich alles als konkreter erweist und daher als konkreter erlebt wird, als dies bei „gegebenen“ Objekten der Fall ist. Und es stellt sich heraus, daß es gar nicht nötig ist, die technische Vollkommenheit zu erreichen, um die Konkretizität der gegebenen Welt zu übertreffen.
    Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
  • Die vorliegenden Überlegungen verfolgten eine bestimmte Absicht. Sie wollten andeuten, was eine derartige Deutung von „darstellen“ mit sich bringt: nämlich das Aufgeben der Unterscheidung zwischen Sosein und Sollen, zwischen Realem und Wert, zwischen real und fiktiv, zwischen wahr und falsch, zwischen echt und künstlich.
    Flusser, Vilém: Abbild – Vorbild, 1993 Zur Textstelle navigieren
  • Im Grunde will also der Fotograf noch nie vorher dagewesene Sachverhalte herstellen, und er sucht nach ihnen nicht dort draußen in der Welt, da ihm die Welt nur Vorwand für die herzustellenden Sachverhalte ist, er sucht nach ihnen unter den im Apparatprogramm enthaltenen Möglichkeiten. Insofern ist die traditionelle Unterscheidung zwischen Realismus und Idealismus mit der Fotografie überwunden: Nicht die Welt dort draußen ist wirklich und nicht der Begriff hier drinnen im Apparatprogramm, sondern wirklich ist erst die Fotografie. Welt und Apparatprogramm sind nur Voraussetzungen für das Bild, sind zu verwirklichende Möglichkei ten. Es geht hier um ein Umkehren des Bedeutungsvektors: Nicht die Bedeutung, sondern das Bedeutende, die Information, das Symbol sind wirklich, und diese Umkehrung des Bedeutungsvektors ist kennzeichnend für alles Apparatische und für die Nachindustrie überhaupt.
    Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
  • Auf ein Minimum reduziert, ist die Absicht des Fotografen diese: Erstens, seine Begriffe von der Welt in Bilder zu verschlüsseln. Zweitens, sich dabei eines Fotoapparats zu bedienen. Drittens, die so entstandenen Bilder anderen zu zeigen, damit sie ihnen als Modelle für ihr Erleben, Erkennen, Werten und Handeln dienen mögen. Viertens, diese Modelle so dauerhaft wie nur möglich zu erstellen. Kurz: Die Absicht des Fotografen ist, andere zu informieren und durch seine Fotos im Gedächtnis der anderen sich unsterblich zu machen.
    Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
  • Fotografien sind – wie alle technischen Bilder – zu Sachverhalten verschlüsselte Begriffe, und zwar Begriffe des Fotografen, wie solche, die in den Apparat programmiert wurden. Daraus ergibt sich für die Fotokritik die Aufgabe, diese beiden ineinandergreifenden Verschlüsselungen aus jeder Fotografie zu entziffern. Der Fotograf verschlüsselt seine Begriffe zu fotografischen Bildern, um anderen Informationen zu bieten, um Modelle für sie herzustellen und damit im Gedächtnis der anderen unsterblich zu werden. Der Apparat verschlüsselt die in ihn programmierten Begriffe zu Bildern, um die Gesellschaft für ein Feedback-Verhalten zugunsten fortschreitender Apparatverbesserung zu programmieren. Gelänge es der Fotokritik, diese beiden Absichten aus den Fotografien zu entwirren, dann wären die fotografischen Botschaften entziffert. Solange dies nicht gelingt, bleiben die Fotografien unentziffert und erscheinen als Abbilder von Sachverhalten in der Welt dort draußen, so als hätten sie sich „von selbst“ auf einer Fläche abgebildet. Derart unkritisch gesehen, erfüllen sie ihre Aufgabe vorzüglich: das Verhalten der Gesellschaft magisch im Interesse der Apparate zu programmieren.
    Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
  • Das materialistische Bewußtsein, d.h. das Bedürftnis [sic] nach deutlich greifbaren Dingen, fordert, daß die Kunstformen direkt vom Individuum aus entstehen, nachdem sie alle Anpassung an natürliche Formen aufgegeben haben. Eine Kunst, die auf den Formen beruht, die vom Unterbewußtsein geschaffen und von der Vernunft im Gleichgewicht erhalten werden, bildet einen wahrhaften Ausdruck des Seins und eine Synthese des geschichtlichen Augenblicks.
    Fontana, Lucio: Weißes Manifest, 1946 Zur Textstelle navigieren
  • Die Position der rationalistischen Künstler ist falsch. In ihrem Bemühen, die Vernunft übermäßig zu bewerten und die Funktion des Unterbewußtseins zu leugnen, gelingt es ihnen lediglich, ihre Anwesenheit weniger sichtbar zu machen. In jedem ihrer Werke bemerken wir, daß diese Fähigkeit sich ausgewirkt hat. Die Vernunft schafft nicht. Bei der Erschaffung der Formen ist ihre Funktion der Funktion des Unterbewußtseins untergeordnet. Bei allem Tun handelt der Mensch als Funktion der Gesamtheit seiner Fähigkeiten. Die freie Entfaltung dieser Fähigkeiten ist eine Grundbedingung für die Entstehung und Deutung der neuen Kunst. Analyse und Synthese, Meditation und Spontaneität, Konstruieren und Empfinden sind Werte, die bei der Integration der neuen Kunst in funktionaler Einheit zusammenwirken. Und ihre Entwicklung im Experiment ist der einzige Weg, der zu einer vollkommenen Offenbarung menschlichen Seins führt.
    Fontana, Lucio: Weißes Manifest, 1946 Zur Textstelle navigieren
  • Im groben Umriß könnte man die Geschichte der Malerei von Manet bis zum synthetischen Kubismus und zu Matisse als Geschichte ihrer allmählichen Entfernung von der Aufgabe der Wirklichkeitsdarstellung – oder der Entfernung der Wirklichkeit vom Vermögen der Malerei, sie darzustellen Diese Formulierung ist mehr als nur eine rhetorische Figur: sie beschreibt in nuce den Prozeß, der in Manets Bildern beobachtet werden kann. Grundsätzlich hat Manet realistische Ambitionen. Anfänglich geht es ihm um eine objektive Übertragung der Wirklichkeit, einer Welt, der man ganz und gar angehört; sie findet er im Werk von Velázquez und Hals vor. Während diese beiden aber ihr inniges Verhältnis zu jener Welt, der sie angehörten und die sie beobachteten und malten, fraglos voraussetzten, ist Manet sich aufs schärfste bewußt, daß seine eigene Beziehung zur Wirklichkeit erheblich problematischer ist. Und wenn er seine Welt mit derselben Vollständigkeit und leidenschaftlichen Wahrheitsliebe darstellen will, wie sie ihm im Werk von Velázquez und Hals begegnet, dann muß er nicht nur diese Welt selbst, sondern zugleich sein problematisches Verhältnis zu ihr malen: sein Bewußtsein davon, sich zwar in dieser Welt zu befinden, aber nicht von dieser Welt zu sein. In diesem Sinne ist Manet der erste nachkantische Maler; der erste Maler, dessen Selbstwahrnehmung äußerst schwierige Probleme aufwirft, vor denen er nicht die Augen verschließen kann: der erste, dem Bewußtsein als solches zum großen Thema seiner Kunst wird. Beinahe von Anfang an – mit Sicherheit schon im Déjeuner sur l'herbe – scheint Manet sich darum bemüht zu haben, diese Selbstwahrnehmung als wesentliches Element seiner Gemälde, als wesentlichen Aspekt ihres Inhalts einzusetzen. Daher der situationale Charakter der Manetschen Bilder aus den sechziger Jahren: das Bild selbst wird als eine Art Tableau vivant begriffen (ein Rückbezug auf David), aber eines, das so konstruiert wurde, daß es nicht vornehmlich ein besonderes Ereignis, sondern die Entfremdung des Betrachters von diesem Ereignis inszeniert. Mehr noch: In Bildern wie dem Déjeuner und der Olympia bietet Manet eine buchstäbliche Darstellung des Hemmenden und Entfremdenden der Selbstwahrnehmung – im Déjeuner mit der undeutbaren Geste des Mannes rechts und dem im Flug erstarrten Vogel am oberen Bildrand, in der Olympia vor allem mit der feindseligen, fast schematischen Katze; und in beiden mit dem distanzierenden ruhig-starren Blick der Victorine Meurend. Aber Manets Wunsch, das Entfremdende der Selbstwahrnehmung zum wesentlichen Element seines Bildes zu machen – ein, wie wir sahen, im Grundsatz realistisches Anliegen –, hat eine bedeutsame Konsequenz: Die Selbstwahrnehmung in dieser Situation schließt nämlich zwangsläufig die Wahrnehmung ein, daß der Gegenstand der Betrachtung am Ende doch nur ein gemaltes Bild ist. Und auch diese Wahrnehmung muß zu einem wesentlichen Element des Werks selbst gemacht werden. Das heißt, es darf kein Zweifel darüber bestehen, daß der Maler sie mit Absicht hervorrufen will; und wenn nötig, muß der Betrachter zu ihr gezwungen werden. Andernfalls bliebe die Selbstwahrnehmung (und die Entfremdung), um die es Manet geht, unvollständig und zweideutig. Aus diesem Grund akzentuiert Manet bestimmte Merkmale, die nichts mit herkömmlicher Wirklichkeitstreue zu tun haben, sondern geltend machen, daß das betreffende Gemälde genau das ist: ein Gemälde. Manet akzentuiert die Flächigkeit der Bildfläche, indem er alle plastische Durchbildung vermeidet und (wie im Déjeuner ) eine überzeugende Darstellung des Tiefenraums verweigert; er macht auf die Grenzen der Leinwand aufmerksam, indem er sich ausdehnende Formen durch die Rahmenkante abschneidet; und er unterstreicht die rechteckige Form des Bildträgers, indem er verschiedene Kompositionselemente mehr oder weniger offensichtlich auf sie ausrichtet. (Begriffe wie Akzentuieren und Geltendmachen sind wichtig. David und Ingres verlassen sich viel mehr als Manet auf die rechteckige Komposition, und bei Ingres besitzen manche Formen nicht mehr Plastizität als bei Manet. Aber weder David noch Ingres geht es um die Akzentuierung der Rechteckigkeit oder Flächigkeit der Leinwand; vielmehr benutzen sie beides, um die Stabilität ihrer Kompositionen und die Korrektheit ihrer Zeichnung sicherzustellen.) Kein Wunder, daß Manets Kunst schon immer zu einander widersprechenden Interpretationen eingeladen hat: die Widersprüche nisten im Konflikt zwischen seinen Ambitionen und seiner tatsächlichen Situation. (Über die Frage, was genau diese Situation eigentlich auszeichnete, läßt sich streiten; ein untypisch subtil argumentierender Marxist könnte wohl mit guten Gründen dafür plädieren, den Blick auf die ökonomische und politische Situation in Frankreich nach 1848 zu richten. In dieser Anmerkung geht es mir jedoch darum, daß Manet Bewußtsein als Problem der Kunst erkennt, und um die entfremdende Qualität seines eigenen Selbstbewußtseins.) Manets Werk ist der letzte Versuch in der abendländischen Kunst, ein vollgültiges Äquivalent zur großen realistischen Malerei der Vergangenheit zu leisten: ein Versuch, der dann über die Akzentuierung der Eigenschaften und Probleme der Bildlichkeit als solcher in raschen, unerbittlichen Schritten zur Begründung des Modernismus führte. Eben deswegen geriet Manet so leicht aus dem Tritt, als um 1870 der Impressionismus auf der Bildfläche erschien: seine bildlichen und formalen Innovationen der sechziger Jahre waren ja nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst einer Phänomenologie entstanden, die zwar schon von Philosophen entwickelt und auch von einigen Dichtern (Blake zum Beispiel) gestaltet worden war, sich aber in der bildenden Kunst noch nicht zur Geltung gebracht hatte. Erst am Ende seines Lebens gelang es Manet schließlich, das vom Impressionismus Gelernte für die Gestaltung seiner eigenen, viel tiefgründigeren Phänomenologie einzusetzen: in der Bar aux Folies-Bergère. Mit all diesem will ich mich so bald wie möglich an anderer Stelle befassen. – und ihrer zunehmenden Hinwendung zu ihren immanenten Problemen beschreiben.
    Fried, Michael: Drei amerikanische Maler, 1965 Zur Textstelle navigieren
  • Wer will uns wirksamere Formen zeigen als diese … wer ist so groß, daß er uns stärkere Fundamente geben könnte als diese? Wo ist das Genie, das uns eine hinreißendere Legende erzählen könnte als diese prosaische Geschichte, die man Leben nennt? Die Verwirklichung unserer Weltauffassungen in den Formen von Raum und Zeit ist das einzige Ziel unseres bildnerischen Schaffens. Wir messen unsere Arbeit nicht mit dem Ellenmaß der Schönheit, wir wägen sie nicht nach Pfunden an Zärtlichkeit und Stimmung ab. Die Lotleine in der Hand, mit Augen, so genau wie ein Lineal, in einem Geiste, so gespannt wie ein Zirkel … konstruieren wir unser Werk wie das Universum das seine, wie der Ingenieur seine Brücken, wie der Mathematiker seine Formel der Planetenbahnen. Wir wissen, daß jedes Ding sein eigenes Wesensbild hat; Stuhl, Tisch, Lampe, Telephon, Buch, Haus, Mensch … das alles sind vollständige Welten für sich mit eigenem Rhythmus und eigenen Planetenbahnen. Deshalb entfernen wir, wenn wir Dinge schaffen, den Stempel ihrer Besitzer … alles Zufällige und Begrenzte, und lassen ihnen nur die Realität des gleichbleibenden Rhythmus der ihnen innewohnenden Kräfte.
    Gabo, Naum: Das Realistische Manifest, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Es genügt, die Reden Picabias aus den Jahren 1914 bis 1916 in Erinnerung zu rufen, in denen er den Schiffbruch der Kunst prophezeite, oder die Manifeste der Dadaisten, in denen diese bereits das Begräbnis der Kunst begingen, mit Chor und Kundgebungen. In der Erkenntnis, wie nahe die kubistischen Experimente die Kunst der völligen Vernichtung gebracht hatten, suchten viele Kubisten nach einem Ausweg, doch versetzte sie der Mangel an Konsequenz nur in Furcht und trieb sie zurück zu Ingres (Picasso, 1919-1923) oder zu den Gobelins des 16. Jahrhunderts ( Braque u.a.). Es handelte sich dabei jedoch nicht um einen Ausweg, sondern um einen Rückzug. Unsere Generation brauchte ihnen nicht zu folgen, da sie in Gestalt der konstruktiven Idee eine neue Konzeption der Welt gefunden hatte.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Die konstruktive Idee ist nicht programmatisch. Sie ist weder ein technisches Schema für eine künstlerische Methode noch die aufrührerische Demonstration einer Künstlersekte. Sie ist eine allgemeine Weltauffassung, eine im Leben gründende Ideologie, mit diesem verbunden und darauf gerichtet, seinen Lauf zu beeinflussen. Sie bezieht sich nicht nur auf einen einzelnen künstlerischen Bereich (Malerei, Plastik oder Architektur), sie bleibt sogar nicht auf die Sphäre der Kunst beschränkt. Diese Idee kann in allen Bereichen der neuen Kultur wahrgenommen werden, die jetzt im Aufbau ist. Sie kam nicht mit endgültigen, trockenen Formeln, sie stellt keine unveränderlichen Gesetze oder Schemata auf, sondern sie wächst organisch mit dem Wachstum unseres Jahrhunderts. Sie ist so jung wie dieses Jahrhundert und so alt wie die menschliche Sehnsucht, etwas zu schaffen.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Das lag daran, daß in aller vorherigen Kunst ein Kunstwerk niemals die Welt aufnehmen konnte ohne die Darstellung der äußeren Ansicht dieser Welt. Auf welche Weise der Künstler die äußere Welt auch immer darstellte, ob so, wie sie ist, oder so, wie er sie persönlich sah, immer blieb der äußere Aspekt Ausgangspunkt und Kern seines Inhalts. Selbst in den Fällen, in denen der Künstler seine Aufmerksamkeit nur auf die innere Welt seiner Vorstellungen und Empfindungen zu konzentrieren suchte, konnte er sich das Bild dieser inneren Welt nicht ohne die Erscheinung der äußeren Welt vorstellen. Das Äußerste, was er in solchen Fällen wagen konnte, waren mehr oder weniger individuelle Verzerrungen der äußeren Naturbilder, er änderte nur den Maßstab der Beziehungen zwischen beiden Welten, indem er sich an das Hauptsystem ihres Inhalts hielt, die Tatsache ihrer gegenseitigen Abhängigkeit jedoch niemals angriff. Dieser unzerstörbare Inhalt in einem Kunstwerk bestimmte immer die Formen, denen die Kunst bis in unsere Zeit hinein folgte, voraus.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • die konstruktive Idee den Grundstein ihres Fundamentes. Sie hat ein universales Gesetz aufgezeigt, nämlich, daß die Elemente der visuellen Kunst wie Linien, Farben, Umrisse ihre eigene Ausdruckskraft besitzen, die unabhängig ist von jeder Assoziation mit dem äußeren Anblick der Welt, daß ihre Lebendigkeit und ihre Wirksamkeit in ihnen selbst liegende psychologische Erscheinungen sind, die in der menschlichen Natur wurzeln, daß diese Elemente nicht nach der Konvention aus irgendeinem nützlichen oder anderen Grunde als Worte oder Figuren gewählt wurden. Sie sind nicht bloße abstrakte Zeichen, sondern unmittelbar und organisch an die Empfindungen des Menschen gebunden.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Die konstruktive Idee sieht die Funktion der Kunst nicht in der Darstellung der Welt. Sie erlegt der Kunst nicht die Funktion der Wissenschaft auf. Kunst und Wissenschaft sind zwei verschiedene Ströme, die derselben schöpferischen Quelle entspringen und in dasselbe Meer der allgemeinen Kultur münden, doch fließen diese beiden Ströme in verschiedenen Betten. Die Wissenschaft lehrt, die Kunst sagt aus, die Wissenschaft überzeugt, die Kunst handelt, die Wissenschaft erfaßt, informiert und beweist. Sie unternimmt nichts, das nicht mit den Gesetzen der Natur in Einklang wäre. Die Wissenschaft kann nicht anders handeln, da ihre Aufgabe die Erkenntnis ist. Die Erkenntnis ist gebunden an das, was ist, und das, was ist, ist heterogen, wechselvoll und unvereinbar. Deshalb ist für die Wissenschaft der Weg bis zu letzten Wahrheit so lang und schwer.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Die Kraft der Wissenschaft liegt in ihrer autoritativen Vernunft. Die Macht der Kunst liegt in ihrem unmittelbaren Einfluß auf die menschliche Psyche und in ihrer lebendigen Ansteckungskraft. Als Schöpfung des Menschen erschafft sie den Menschen wieder. Die Kunst bedarf keiner philosophischen Argumente, sie folgt nicht den Wegweisern philosophischer Systeme, sie diktiert vielmehr der Philosophie Systeme wie das Leben. Sie beschäftigt sich nicht damit, über das, was ist, und seine Entstehung nachzudenken. Das ist die Aufgabe der Erkenntnis. Die Erkenntnis wird aus dem Wunsch geboren, zu wissen, die Kunst hat ihren Ursprung in der Notwendigkeit, mitzuteilen und zu verkünden. Die Wissenschaft wird durch unseren Mangel an Erkenntnis angeregt, die Kunst durch unseren Überfluß an Empfindungen und latent vorhandenen Wünschen. Die Wissenschaft ist Vermittlerin von Tatsachen, sie nimmt gegenüber den Ideen, die hinter den Tatsachen liegen, eine indifferente oder tolerante Haltung ein. Die Kunst vermittelt Ideen, ihre Haltung gegenüber den Tatsachen ist streng parteiisch. Die Wissenschaft betrachtet und beobachtet, die Kunst sieht und sieht voraus. Jeder große Wissenschaftler hat Augenblicke erfahren, in denen der Künstler in ihm den Wissenschaftler erlöst hat. „Wir sind Dichter“, sagte Pythagoras, und da ein Mathematiker ein Schöpfer ist, hatte er recht.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Im Lichte der konstruktiven Idee ist das rein philosophische Erstaunen über das Wirkliche und das Unwirkliche eitel. Noch törichter aber ist die Absicht, das Wirkliche in das Überwirkliche und das Unterwirkliche, in bewußte und unbewußte Realität zu teilen. Die konstruktive Idee kennt nur eine Wirklichkeit. In der Kunst ist nichts unwirklich.
    Gabo, Naum: Die konstruktive Idee in der Kunst, 1920 Zur Textstelle navigieren
  • Alle Kunst geht vom Geiste des Menschen aus, von seinen Reaktionen auf die äußere Welt und nicht von der sichtbaren Welt selbst. Gerade die Tatsache, daß alle Kunst in diesem Sinn auf Vorstellungen beruht, erklärt es, daß wir alle Darstellungen an ihrem Stil erkennen können.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Ohne einen Ausgangspunkt, ohne ein schon vorgegebenes Schema, könnten wir niemals die Fülle der Erscheinungen meistern, ohne Kategorien könnten wir unmöglich Ordnung in unsere Eindrücke bringen.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Alles Denken ist Ordnen, Sortieren und Klassifizieren. Alle Wahrnehmungen beziehen sich auf Erwartungen und sind daher Vergleiche. Wenn wir sagen, daß von einem Flugzeug aus Häuser wie Spielzeug aussehen oder Menschen wie Ameisen, meinen wir, denke ich, daß uns die Ähnlichkeit zwischen dem ungewohnten Anblick eines aus großer Entfernung von oben gesehenen Hauses und dem vertrauten Anblick von Nürnberger Spielzeughäusern auf dem Fußboden des Kinderzimmers überrascht. Wir haben das Gefühl, nur unser Wissen hindere uns daran, die beiden zu verwechseln. Durch die ungewohnte Situation sind wir in unseren durch Erfahrung bewährten Methoden, uns über Größe und Distanz eines Gegenstandes eine Meinung zu bilden und diese Meinung zu überprüfen, gestört, und dieses etwas unheimliche Erlebnis beschreiben wir, indem wir andeuten, was für Annahmen uns vorübergehend in den Sinn kamen. Aber ich muß nochmals betonen, daß objektiv die Behauptung, ein Mensch sehe so groß aus wie eine Ameise, sinnlos ist, einfach weil eine Ameise, die über mein Kopfpolster krabbelt, im Vergleich zu einem Mann, der weit weg ist, riesenhaft aussieht. Wie Professor Boring es ausdrückt: ‚Die scheinbare Größe ist ebenso relativ wie die physische. Beide haben keine andere Bedeutung als die eines Verhältnisses zwischen Gegenständen.‘
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Aber, wird der Leser fragen, ist das nicht eben die Einstellung, die Ruskin vom Maler fordert, allerdings nicht vor einem Bild, sondern vor einem Stück Natur, das sein Motiv darstellt? Daß er es allen Sinnes entkleiden solle, um es zu sehen, wie es wirklich ist? In gewissem Sinne stimme ich ihm zu. Nur – und das ist wesentlich – kann dieser Prozeß niemals ‚unschuldig‘ oder passiv sein. Aus Ruskins eigener Beschreibung geht schon hervor, daß ein Maler dieses Kunststück, die Welt zu betrachten, ohne ihren Sinn aufzunehmen, nur dadurch zuwege bringen kann, daß er eine Deutung durch eine andere vertreibt. Diese Alternativdeutung erscheint so selbstverständlich, daß sie sich der Beschreibung des Vorgangs leicht entzieht. Er sieht nämlich die Wiese nicht mit unschuldigen Kinderaugen als bloße Lichtflecken, sondern mit Maleraugen als Palettenfarben, Grün und Schwefelgelb.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Der Kunstunterricht hält sich, ebenso wie die meisten Lehrbücher der Malerei, noch heute an eine vereinfachte, dem gesunden Menschenverstand gemäße Version der bisher in der philosophischen Tradition des Abendlandes üblichen Unterscheidungen: Für sie besteht die Welt aus Stoffen, die teils beständige, teils vorübergehende sichtbare Eigenschaften besitzen. Buchenblätter ‚sind‘ klein, elliptisch und leuchtend grün, aber ferne Berge ‚sehen blau aus‘. Und die Aufgabe des Künstlers wird darin gesehen, die Erscheinung der Dinge in diese einzelnen, mehr oder weniger permanenten optischen Eigenschaften aufzulösen und für so viele als möglich eine Entsprechung auf seiner Palette zu finden.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Für diese Betrachtungsweise besteht zwischen dem Malen einer Landschaft nach der Natur und dem Kopieren eines Bildes kein wesentlicher Unterschied in der Methode. Bei beiden Tätigkeiten handelt es sich darum, Schritt für Schritt im kleinsten Maßstab Farbentsprechungen zu finden und sie dem Motiv gemäß anzuordnen, so wie ein Mosaikkünstler aus seinem Vorrat von Steinchen sorgfältig eines nach dem andern so auswählt, daß sie den Schattierungen auf seiner Vorlage möglichst gleichen.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Zur Bekräftigung dieser Behauptung können wir uns auf einige historisch belegbare Tatsachen stützen, die der Gegenstand früherer Kapitel waren, in denen wir feststellten, daß alle Darstellung auf Schemata aufbaut, die der Künstler anzuwenden gelernt hat. Aber jetzt verstehen wir schon besser, warum er so stark von der Überlieferung abhängig ist: Die undifferenzierte Aufforderung, ‚die Erscheinung der Dinge nachzuahmen‘, ist dieser Form jeden Sinnes bar. Sie wird erst sinnvoll, wenn dem Künstler etwas an die Hand gegeben wird, was er einem anderen Gegenstand ähnlich machen soll. Auch hier gilt: Ohne Bilden kein Abbilden. Ohne die Kenntnis von gewissen Beispielen jener komplizierten Relationen und Wechselwirkungen, die die einzelnen visuellen Elemente miteinander verknüpfen, könnte kein Maler auch nur den Versuch unternehmen, jenen Fleck von Schwefelgelb (um bei Ruskins Beispiel zu bleiben) so lange zu modifizieren, bis das Resultat nicht mehr nur für eine Gruppe leuchtender Primeln gehalten werden kann, sondern auch den Eindruck eines sonnenbeschienenen Rasens zu erwecken imstande ist. Wir wissen ja erst, daß die Unschuld des Auges, die Ruskin forderte, oder modern gesprochen die Konzentration auf die Sinnesempfindung allein nicht nur eine ungeheure psychologische Schwierigkeit, sondern eine logische Unmöglichkeit darstellt, weil jede Sinnesempfindung unendlich vieler Deutungen fähig ist und Vieldeutigkeit – um nochmals zu einem der Leitmotive dieses Buches zurückzukehren – an sich nicht wahrgenommen werden kann. Ihre Existenz kann allerdings dadurch erschlossen werden, daß man verschiedene Lesarten versuchsweise auf dieselbe Konfiguration anwendet und feststellt, daß zwei oder mehrere einen Sinn ergeben. Ich bin überzeugt, daß hier der Kern einer malerischen Begabung liegt. Der Blick des bildenden Künstlers ist nicht unschuldiger, sondern bewußter und kritischer als der anderer Menschen, und er hat gelernt, seine Wahrnehmungen dadurch konstant auf die Probe zu stellen, daß er halb ernst, halb spielerisch die verschiedensten Deutungen durch Projektionen, die seine Phantasie ihm eingibt, im Geiste ausprobiert. Der geistige Vorgang, um den es sich dabei handelt, ist viel älter als die illusionistische Malerei, die sich seiner bedient. Denn unsere Sprache beweist auf Schritt und Tritt, daß der Mensch sich der Vieldeutigkeit des visuellen Erlebens schon in Urzeiten bewußt war. Aus ihren Wortbildungen und Vergleichen ebenso wie aus den Metaphern und Gleichnissen in Poesie und Mythos geht hervor, daß alle Kategorien, die der menschliche Geist sich schafft, um die Welt zu begreifen und sich zu eigen zu machen, wandelbar sind, so daß jeden Augenblick neue Klassen von Dingen gebildet und bestehende Klassen aufgelöst werden können.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Hiermit sind wir, glaube ich, nun wirklich zum Kernpunkt der Sache vorgedrungen, die uns von Anfang an beschäftigt hat: der Frage nämlich, warum die darstellende Kunst eine Geschichte hat und warum diese Geschichte so lang und so verwickelt ist. Um es also nochmals kurz zu formulieren: Wenn wir, die Betrachter, künstlerische Darstellungen deuten wollen, unterwerfen wir sie einer Prüfung durch die verschiedensten versuchsweisen Interpretationen, indem wir unsere Erfahrungen und Kenntnisse der wirklichen Welt in sie hineinprojizieren. Wenn der Maler ein Stück Welt als Bild sehen will, muß er genau umgekehrt vorgehen.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Unsere Untersuchungen haben zu dem paradoxen Resultat geführt, daß nur ein Bild uns dazu verhelfen kann, die Natur als Bild zu sehen. Zur Stütze dieser paradoxen These habe ich eine Menge Beweismaterial vorgeführt, ja, man kann sagen, daß meine Absicht beim Schreiben dieses Buches im wesentlichen darin lag, diese Phänomene zu erklären und zu eben dieser Schlußfolgerung hinzuleiten. Und doch scheint es, daß, wenn wir sie wörtlich nehmen wollten, wir sofort vor neuen unüberwindlichen Schwierigkeiten stünden. Denn wenn nur diejenigen, die Bilder als Wirklichkeit zu sehen gelernt haben, imstande sein sollten, umgekehrt die Wirklichkeit als Bild zu sehen, dann könnte ja der ganze Prozeß niemals begonnen haben und es könnte niemals zum ersten Bild gekommen sein. Die Schwierigkeit ist jedoch eine nur scheinbare, da die ersten Bilder ja gar nicht darnach streben, ähnlich zu sein. Überhaupt beschritten nur ganz wenige Kulturen diesen Weg vom Bilden zum Abbilden. Erst wenn die Ausführung und Gestaltung von bildlichen Darstellungen eine hohe Stufe erreicht hat, kommt es zu jenem systematischen Vergleich, aus dem eine illusionistische Kunst sich entwickeln kann. Aber auch dann noch bleibt die Nachahmung der Natur in hohem Grade selektiv. Durchaus nicht jedes Motiv findet seinen Maler. Selbst innerhalb einer hochentwickelten naturalistischen Kunst beobachtet man, daß der Formenschatz ein unglaubliches Beharrungsvermögen aufweist und sich jeder Wandlung so sehr widersetzt, als ob eben jedes Bild, das einer malt, ein Bild voraussetzte, das er gesehen hat. Die Beständigkeit der Stile in der Kunst ist so auffallend, daß sie einer Erklärung bedarf. Die naheliegendste scheint mir ein solcher automatischer Rückkoppelungsprozeß zu sein.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Es gibt in der Kunstgeschichte einzelne Erfindungen, die geradezu die Wirkung eines Sesam-öffne-dich gehabt haben. Hierher gehörten fast sicher die Erfindung der Verkürzung, die die Tiefenwirkung aufschloß, ebenso das Modellieren in Tonschattierungen, das Aufsetzen von Lichtern zur Charakterisierung der Oberfläche oder jene Ausdruckszüge, die der Gegenstand des vorigen Kapitels gewesen waren. Dabei handelt es sich nicht darum, ob die Natur wirklich so aussieht wie diese technischen Kunstgriffe, sondern ob Bilder, die sie enthalten, eine Deutung im Sinne eines Naturvorbildes herausfordern. Zwar wird das bis zu einem gewissen Grade von der psychologischen Einstellung des Beschauers abhängen, also von seinem Zustand der Erwartung, seinen Bedürfnissen und vor allem von der Kultur, die seine Gewohnheiten geformt hat. Aber alle diese Faktoren beeinflussen sozusagen nur die Kombination, nicht jedoch das Öffnen des Schlosses selbst, das immer noch den richtigen Schlüssel voraussetzt.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Als die Erkenntnis sich anbahnte, daß wir in der Kunst nicht nur einen Schlüssel zur sichtbaren äußeren Welt, sondern auch ein Instrument zum Aufschließen innerer Welten besitzen, vollzog sich alsbald eine vollständige Verlagerung künstlerischer Zielsetzungen.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Ich hoffe aber, daß wir im Verlauf unserer Bemühungen, die Entwicklung der Sprache bildlicher Darstellung zu verstehen, ganz allgemein etwas über den Aufbau und das Wesen von Äquivalenzsystemen erfahren haben. In der Tat liegt das wahre Wunder der Sprache der bildenden Kunst nicht darin, daß sie es dem Künstler ermöglicht, eine Illusion der Wirklichkeit zu erschaffen, sondern darin, daß unter den Händen eines Meisters die bemalte Leinwand durchsichtig wird wie ein Schleier. Indem wir unter seiner Führung die sichtbare Welt mit neuen Augen betrachten, meinen wir in die unsichtbare Welt des Geistes zu blicken, wir müssen nur, wie Philostratus sagt, unsere Augen zu gebrauchen wissen.
    Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • Ein Objekt kann zu verschiedenen Zeiten verschiedene Dinge symbolisieren, zu anderen Zeiten gar nichts. Ein lebloses Objekt oder ein reiner Gebrauchsgegenstand kann vielleicht einmal als Kunst fungieren, und ein Kunstwerk kann vielleicht einmal als lebloses Objekt oder als reiner Gebrauchsgegenstand fungieren. Vielleicht ist es weniger so, daß die Kunst lang und das Leben kurz ist, als vielmehr so, daß beide vergänglich sind.
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Die Auswirkungen, die diese Untersuchung über das Wesen von Kunstwerken auf das Gesamtunternehmen des vorliegenden Buches hat, sollten nunmehr einigermaßen klar geworden sein. Wie ein Objekt oder Ereignis als Werk fungiert, erklärt, wie das, was so fungiert, durch bestimmte Modi der Bezugnahme zu einer Sicht – und zur Schöpfung – einer Welt beitragen kann.
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Meine Kapitelüberschrift „Die Erfindung von Tatsachen“ hat nicht nur den Vorzug, daß sie ziemlich klar anzeigt, was ich erörtern werde, sondern auch den, jene Fundamentalisten zu irritieren, die genau wissen, daß Fakten gefunden und nicht gemacht werden, daß Fakten die eine und einzige reale Welt konstituieren und daß Wissen darin besteht, an die Tatsachen zu glauben. Diese Glaubensartikel halten die meisten von uns so sehr gefangen, sie binden und blenden uns so sehr, daß „die Erfindung von Tatsachen“ paradox klingt! ‚ Erfindung ‘ hat schließlich auch die Bedeutung von ‚Falschheit‘ oder ‚ Fiktion ‘ und steht im Gegensatz zu ‚ Wahrheit ‘ oder ‚Tatsache‘. Natürlich müssen wir Falschheit und Fiktion von Wahrheit und Tatsache unterscheiden; aber ich bin sicher, daß wir dies nicht auf der Basis tun können, daß Fiktionen erfunden und Tatsachen gefunden werden.
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Natürlich wollen wir unterscheiden zwischen Versionen, die Bezug nehmen, und solchen, die dies nicht tun, natürlich wollen wir über die Dinge und Welten reden – wenn es überhaupt welche gibt –, auf die Bezug genommen wird; aber diese Dinge und Welten und auch der Stoff, aus dem sie gemacht sind – Materie, Antimaterie, Geist, Energie oder was auch immer –, werden selbst zusammen mit den Dingen und Welten geformt. Tatsachen sind theoriegeladen, wie Norwood Hanson sagt Norwood Hanson, Patterns of Discovery, Cambridge 1958, Kap. I und passim. ; sie sind ebenso theoriegeladen, wie wir von unseren Theorien hoffen, daß sie tatsachengeladen sind. Oder mit anderen Worten, Tatsachen sind kleine Theorien, und wahre Theorien sind große Tatsachen. Dies bedeutet nicht, ich muß es wiederholen, daß man zu richtigen Theorien zufällig gelangt oder daß Welten aus dem Nichts aufgebaut werden. Wir beginnen jedesmal mit irgendeiner alten Version oder Welt, über die wir schon verfügen und an die wir auch so lange gebunden sind, bis wir die Entschlossenheit und Fertigkeit haben, sie zu einer neuen umzubilden. Zum Teil ist es die Macht der Gewohnheit, die uns im Griff hält, wenn wir die Tatsachen als widerspenstig empfinden: unsere feste Grundlage ist in der Tat unerschütterlich. Welterzeugung beginnt mit einer Version und endet mit einer anderen.
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Exemplifikation und Ausdruck sind freilich nicht ausschließlich Funktionen von abstrakten Werken, sondern auch von vielen deskriptiven und darstellenden Werken, seien sie fiktional oder nicht-fiktional. Was ein Porträt oder ein Roman exemplifiziert oder ausdrückt, reorganisiert eine Welt oft drastischer als das, was das Werk buchstäblich oder figurativ sagt oder abbildet;
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Meine Skizze der Tatsachen, die das Erfinden von Tatsachen betreffen, ist natürlich selbst eine Erfindung; doch wie ich mehr als einmal gewarnt habe, bedeutet die Anerkennung von vielfachen alternativen Weltversionen nicht den Anfang einer laissez-faire -Politik. Maßstäbe zur Unterscheidung von richtigen und falschen Versionen werden dadurch eher wichtiger als unwichtiger. Aber welche Maßstäbe? Wenn unversöhnte Alternativen zugelassen werden, so rückt Wahrheit in ein anderes Licht. Aber wenn wir unser Blickfeld ausweiten und um Lesarten und Sichtweisen bereichern, die keine Aussagen machen und vielleicht nicht einmal etwas beschreiben oder abbilden, dann wird es erforderlich, ganz andere Maß stäbe als den der Wahrheit in Erwägung zu ziehen. Wahrheit ist oft nicht anwendbar, selten hinreichend und muß manchmal konkurrierenden Kriterien weichen.
    Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • „Um ein getreues Bild herzustellen, muß man dem Kopieren des Gegenstandes, so wie er ist, möglichst nahekommen.“ Diese einfältige Anweisung verwirrt mich; denn der Gegenstand vor mir ist ein Mann, ein Schwärm von Atomen, ein Zellkomplex, ein Fiedler, ein Freund, ein Verrückter und vieles mehr. Wenn keines davon für sich genommen den Gegenstand, so wie er ist, konstituiert, was sonst könnte dies leisten? Sind dies alles Weisen, in denen der Gegenstand ist, dann stellt keine die Weise dar, in der der Gegenstand ist. In „The Way the World Is“, Review of Metapbysiscs [sic], 14 (1960) (abgedruckt in Problems and Projects, fortan zitiert als PP, S. 24-32) habe ich behauptet, daß die Welt auf so viele Weisen ist, als man sie korrekt beschreiben, sehen, bildlich darstellen usw. kann, und daß es so etwas wie die Weise, in der die Welt ist, nicht gibt. Ryle vertritt in etwa eine ähnliche Position ( Dilemmas, Cambridge 1954, S. 75-77; dt. Begriffskonflikte, Göttingen 1970), wenn er die Beziehung zwischen einem Tisch als einem wahrgenommenen soliden Gegenstand und dem Tisch als einem Schwärm von Atomen mit der Beziehung zwischen einer Collegebibliothek aus der Sicht des Katalogs und aus der Sicht des Buchhalters vergleicht. Es ist vorgeschlagen worden, man könne zu der Weise, wie die Welt ist, gelangen, indem man all die verschiedenen Weisen miteinander verbindet. Dabei wird die Tatsache übersehen, daß die Verbindung selbst für bestimmte Systeme charakteristisch ist; zum Beispiel lassen sich ein Textabschnitt und ein Bild nicht miteinander verbinden. Und jeder Versuch der Kombination aller Weisen wäre selbst nur eine – und eine besonders ungenießbare dazu – der Weisen, in der die Welt ist. Was aber ist die Welt, die auf so vielfache Weise ist? Spricht man von Weisen, in denen die Welt ist, oder von Weisen der Beschreibung oder bildlichen Darstellung der Welt, dann spricht man von Welt-Beschreibungen oder Welt-Darstellungen, und damit setzt man nicht voraus, daß es ein einzelnes Ding oder überhaupt irgend etwas gibt, das beschrieben oder bildlich dargestellt wird. Natürlich setzt auch nichts hiervon voraus, daß nichts beschrieben oder bildlich dargestellt wird. Weiteres siehe unter Abschnitt 5 und Fußnote 19 unten. Ich kann sie nicht alle zugleich kopieren; und je besser es mir gelingen würde, desto weniger wäre das Ergebnis ein realistisches Bild.
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Die Mythen vom unschuldigen Auge und vom absolut Gegebenen sind üble Spießgesellen. Beide entspringen sie der Vorstellung, die sie auch begünstigen, daß nämlich Erkennen ein Verarbeiten von durch die Sinne geliefertem Rohmaterial sei und daß dieses Rohmaterial sich entweder mittels Purifikationsriten oder mittels methodischen Entinterpretierens aufdecken ließe.
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Aber Rezeption und Interpretation lassen sich als Vorgänge nicht trennen; sie sind vollständig voneinander abhängig. Das Kantische Diktum hallt hier nach: Das unschuldige Auge ist blind und der jungfräuliche Geist ist leer. Ferner läßt sich am fertigen Produkt nicht unterscheiden, was rezipiert und was damit gemacht worden ist.
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Die Abbildtheorie der Repräsentation wird also schon zu Beginn durch ihr Unvermögen behindert, zu spezifizieren, was kopiert werden soll. Nicht ein Gegenstand in der Weise, wie er ist, noch in allen Weisen, noch in der Weise, wie er für das geistlose Auge aussieht. Darüber hinaus ist gerade an der Vorstellung etwas verkehrt, irgendeine der Weisen, in der ein Gegenstand ist, irgendeinen Aspekt von ihm, zu kopieren. Denn ein Aspekt ist nicht nur der Gegenstand-aus-einer-gegebenen-Entfernung-und-einem-Blickwinkel-und-in-gegebener-Beleuchtung; er ist der Gegenstand, wie wir ihn betrachten oder begreifen, eine Version oder ein Konstrukt des Gegenstandes. Wenn wir einen Gegenstand repräsentieren, dann kopieren wir nicht solch ein Konstrukt oder eine Interpretation – wir stellen sie her. Und dies trifft nicht weniger zu, wenn wir anstelle des Stiftes oder Pinsels als Instrument eine Kamera benutzen. Die Wahl des Instruments und seine Handhabung sind an dem Konstrukt beteiligt. Das Werk eines Fotografen kann wie das eines Malers einen persönlichen Stil aufweisen. Hinsichtlich der ‚Korrekturen‘, die für manche Kameras eingerichtet sind, siehe Abschnitt 3 unten.
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Realismus ist keine Frage irgendeiner konstanten oder absoluten Beziehung zwischen einem Bild und seinem Gegenstand, sondern eine Frage der Beziehung zwischen dem im Bild verwendeten Repräsentationssystem und dem Standardsystem. Meist wird natürlich das traditionelle System als Standard genommen; und das buchstäbliche oder realistische oder naturalistische Repräsentationssystem ist schlicht das herkömmliche. Realistische Repräsentation hängt, kurz gesagt, nicht von Imitation oder Illusion oder Information, sondern von Impfung ab. Fast jedes Bild kann fast alles repräsentieren; d.h., sind Bild und Gegenstand gegeben, dann gibt es normalerweise ein Repräsentationssystem, einen Korrelationsplan, nach dem das Bild den Gegenstand repräsentiert. Es gibt in der Tat viele solcher Systeme. Ein Bild, das in einem (unvertrauten) System eine korrekte, aber höchst unrealistische Repräsentation eines Gegenstandes ist, kann in einem anderen (dem Standard-) System eine realistische, aber sehr inkorrekte Repräsentation desselben Gegenstandes sein. Nur wenn man im Standardsystem genaue Information erhält, repräsentiert das Bild den Gegenstand sowohl korrekt als auch buchstäblich. Wie korrekt das Bild nach diesem System ist, richtet sich danach, wie genau die Information über den Gegenstand ist, die man erhält, wenn man das Bild system gemäß liest. Aber wie buchstäblich oder realistisch das Bild ist, richtet sich danach, wie sehr das System zum Standard geworden ist. Wenn Repräsentation eine Frage der Wahl ist und Korrektheit eine Frage der Information, dann ist Realismus eine Frage der Gewohnheit.
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Daß ein Bild wie die Natur aussieht, bedeutet oft nur, daß es so aussieht, wie die Natur gewöhnlich gemalt wird
    Goodman, Nelson: Sprachen der Kunst, 1968 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn von unserem Gegenstande, dem Kunstschönen, die Notwendigkeit aufgezeigt werden soll, so wäre zu beweisen, daß die Kunst oder das Schöne ein Resultat von Vorhergehendem sei, das, seinem wahren Begriffe nach betrachtet, mit wissenschaftlicher Notwendigkeit zum Begriffe der schönen Kunst hinüberführt. Indem wir nun aber von der Kunst anfangen, ihren Begriff und dessen Realität, nicht aber das ihrem eigenen Begriff zufolge ihr Vorangehende in seinem Wesen abhandeln wollen, so hat die Kunst für uns als besonderer wissenschaftlicher Gegenstand eine Voraussetzung, die außerhalb unserer Betrachtung liegt und, als ein anderer Inhalt wissenschaftlich abgehandelt, einer anderen philosophischen Disziplin angehört. Es bleibt deshalb nichts übrig, als den Begriff der Kunst sozusagen lemmatisch aufzunehmen, was bei allen besonderen philosophischen Wissenschaften, wenn sie vereinzelt betrachtet werden sollen, der Fall ist. Denn erst die gesamte Philosophie ist die Erkenntnis des Universums als in sich eine organische Totalität, die sich aus ihrem eigenen Begriffe entwickelt und, in ihrer sich zu sich selbst verhaltenden Notwendigkeit zum Ganzen in sich zurückgehend, sich mit sich als eine Welt der Wahrheit zusammenschließt.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Eine dritte Ansicht, welche die Vorstellung vom Kunstwerk als einem Produkte menschlicher Tätigkeit betrifft, bezieht sich auf die Stellung des Kunstwerks zu den äußeren Erscheinungen der Natur. Hier lag dem gewöhnlichen Bewußtsein die Meinung nahe, daß das Kunstprodukt des Menschen dem Naturprodukte nach stehe. Denn das Kunstwerk hat kein Gefühl in sich und ist nicht das durch und durch Belebte, sondern, als äußerliches Objekt betrachtet, tot. Das Lebendige aber pflegen wir höher zu schätzen als das Tote. Daß das Kunstwerk nicht in sich selbst bewegt und lebendig sei, ist freilich zugegeben. Das natürlich Lebendige ist nach innen und außen eine zweckmäßig bis in alle kleinsten Teile ausgeführte Organisation, während das Kunstwerk nur in seiner Oberfläche den Schein der Lebendigkeit erreicht, nach innen aber gemeiner Stein oder Holz und Leinwand oder, wie in der Poesie, Vorstellung ist, die in Rede und Buchstaben sich äußert. Aber diese Seite äußerlicher Existenz ist es nicht, welche ein Werk zu einem Produkte der schönen Kunst macht; Kunstwerk ist es nur, insofern es, aus dem Geiste entsprungen, nun auch dem Boden des Geistes angehört, die Taufe des Geistigen erhalten hat und nur dasjenige darstellt, was nach dem Anklänge des Geistes gebildet ist. Menschliches Interesse, der geistige Wert, den eine Begebenheit, ein individueller Charakter, eine Handlung in ihrer Verwicklung und ihrem Ausgange hat, wird im Kunstwerke aufgefaßt und reiner und durchsichtiger hervorgehoben, als es auf dem Boden der sonstigen, unkünstlerischen Wirklichkeit möglich ist. Dadurch steht das Kunstwerk höher als jedes Naturprodukt, das diesen Durchgang durch den Geist nicht gemacht hat; wie z. B. durch die Empfindung und Einsicht, aus welcher heraus in der Malerei eine Landschaft dargestellt wird, dies Geisteswerk einen höheren Rang einnimmt als die bloß natürliche Landschaft. Denn alles Geistige ist besser als jedes Naturerzeugnis. Ohnehin stellt kein Naturwesen göttliche Ideale dar, wie es die Kunst vermag.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Das allgemeine Bedürfnis zur Kunst also ist das vernünftige, daß der Mensch die innere und äußere Welt sich zum geistigen Bewußtsein als einen Gegenstand zu erheben hat, in welchem er sein eigenes Selbst wiedererkennt.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Hieraus nun folgt, daß das Sinnliche im Kunstwerk freilich vorhanden sein müsse, aber nur als Oberfläche und Schein des Sinnlichen erscheinen dürfe. Denn der Geist sucht im Sinnlichen des Kunstwerks weder die konkrete Materiatur, die empirische innere Vollständigkeit und Ausbreitung des Organismus, welche die Begierde verlangt, noch den allgemeinen, nur ideellen Gedanken, sondern er will sinnliche Gegenwart, die zwar sinnlich bleiben, aber ebensosehr von dem Gerüste seiner bloßen Materialität befreit werden soll. Deshalb ist das Sinnliche im Kunstwerk im Vergleich mit dem unmittelbaren Dasein der Naturdinge zum bloßen Schein erhoben, und das Kunstwerk steht in der Mitte zwischen der unmittelbaren Sinnlichkeit und dem ideellen Gedanken.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Diesen allseitigen Reichtum des Inhalts soll die Kunst einerseits ergreifen, um die natürliche Erfahrung unseres äußerlichen Daseins zu ergänzen, und andererseits jene Leidenschaften überhaupt erregen, damit die Erfahrungen des Lebens uns nicht ungerührt lassen und wir nun für alle Erscheinungen die Empfänglichkeit erlangen möchten. Solch eine Erregung geschieht nun aber in diesem Gebiete nicht durch die wirkliche Erfahrung selbst, sondern nur durch den Schein derselben, indem die Kunst ihre Produktionen täuschend an die Stelle der Wirklichkeit setzt. Die Möglichkeit dieser Täuschung durch den Schein der Kunst beruht darauf, daß alle Wirklichkeit beim Menschen [durch] das Medium der Anschauung und Vorstellung hindurchgehen muß und durch dies Medium erst in Gemüt und Willen eindringt. Hierbei nun ist es gleichgültig, ob die unmittelbare äußere Wirklichkeit ihn in Anspruch nimmt oder ob dies durch einen anderen Weg geschieht, nämlich durch Bilder, Zeichen und Vorstellungen, welche den Inhalt der Wirklichkeit in sich haben und darstellen. Der Mensch kann sich Dinge, welche nicht wirklich sind, vorstellen, als wenn sie wirklich wären. Ob es daher die äußere Wirklichkeit oder nur der Schein derselben ist, durch welche eine Lage, ein Verhältnis, irgendein Lebensinhalt überhaupt an uns gebracht wird: es bleibt für unser Gemüt dasselbe, um uns dem Wesen eines solchen Gehaltes gemäß zu betrüben und zu erfreuen, zu rühren und zu erschüttern und uns die Gefühle und Leidenschaften des Zorns, Hasses, Mitleidens, der Angst, Furcht, Liebe, Achtung und Bewunderung, der Ehre und des Ruhms durchlaufen zu machen.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Was zunächst den ersten und zweiten Teil angeht, so ist, um das Nachfolgende verständlich zu machen, sogleich wieder daran zu erinnern, daß die Idee als das Kunstschöne nicht die Idee als solche ist, wie sie eine metaphysische Logik als das Absolute aufzufassen hat, sondern die Idee, insofern sie zur Wirklichkeit fortgestaltet und mit dieser Wirklichkeit in unmittelbar entsprechende Einheit getreten ist. Denn die Idee als solche ist zwar das an und für sich Wahre selbst, aber das Wahre erst seiner noch nicht objektivierten Allgemeinheit nach; die Idee als das Kunstschöne aber ist die Idee mit der näheren Bestimmung, wesentlich individuelle Wirklichkeit zu sein sowie eine individuelle Gestaltung der Wirklichkeit mit der Bestimmung, in sich wesentlich die Idee erscheinen zu lassen. Hiernach ist schon die Forderung ausgesprochen, daß die Idee und ihre Gestaltung als konkrete Wirklichkeit einander vollendet adäquat gemacht seien. So gefaßt, ist die Idee als ihrem Begriff gemäß gestaltete Wirklichkeit das Ideal.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Und dabei ist dann nicht nur etwa an die größere oder geringere Geschicklichkeit zu denken, mit welcher die Naturgestalten, wie sie in der äußeren Wirklichkeit vorhanden sind, aufgefaßt und nachgebildet werden. Denn auf gewissen Stufen des Kunstbewußtseins und der Darstellung ist das Verlassen und Verzerren der Naturgebilde nicht unabsichtliche technische Übungslosigkeit und Ungeschicklichkeit, sondern absichtliches Verändern, welches vom Inhalt, der im Bewußtsein ist, ausgeht und von demselben gefordert wird. So gibt es von dieser Seite her unvollkommene Kunst, die in technischer und sonstiger Hinsicht in ihrer bestimmten Sphäre ganz vollendet sein kann, doch dem Begriff der Kunst selbst und dem Ideal gegenüber als mangelhaft erscheint. Nur in der höchsten Kunst ist die Idee und Darstellung in dem Sinne einander wahrhaft entsprechend, daß die Gestalt der Idee in sich selbst die an und für sich wahre Gestalt ist, weil der Inhalt der Idee, welchen sie ausdrückt, selber der wahrhaftige ist.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Die Gegenstände der Naturanschauungen werden einerseits zunächst gelassen, wie sie sind, doch zugleich [wird] die substantielle Idee als ihre Bedeutung in sie hineingelegt, so daß sie nun dieselbe auszudrücken den Beruf erhalten und so interpretiert werden sollen, als ob in ihnen die Idee selbst gegenwärtig wäre. Dazu gehört, daß die Gegenstände der Wirklichkeit in sich eine Seite haben, nach welcher hin sie eine allgemeine Bedeutung darzustellen imstande sind. Da aber ein vollständiges Entsprechen noch nicht möglich ist, so kann dies Beziehen nur eine abstrakte Bestimmtheit betreffen, wie wenn im Löwen z. B. die Stärke gemeint ist.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Bei dieser Abstraktion der Beziehung kommt andererseits ebenso die Fremdheit der Idee und der Naturerscheinungen ins Bewußtsein, und wenn sich nun auch die Idee, welche keine andere Wirklichkeit zu ihrem Ausdruck hat, in allen diesen Gestalten ergeht, in ihrer Unruhe und Maßlosigkeit in ihnen sich sucht, aber sie dennoch sich nicht adäquat findet, so steigert sie nun die Naturgestalten und Erscheinungen der Wirklichkeit selber ins Unbestimmte und Maßlose; sie taumelt in ihnen herum, sie braut und gärt in ihnen, tut ihnen Gewalt an, verzerrt und spreizt sie unnatürlich auf und versucht, durch Zerstreuung, Unermeßlichkeit und Pracht der Gebilde die Erscheinung zur Idee zu erheben. Denn die Idee ist hier noch das mehr oder weniger Unbestimmte, Ungestaltbare, die Naturgegenstände aber in ihrer Gestalt sind durchweg bestimmt.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Freilich ist es in neuerer Zeit keinem Begriffe schlechter gegangen als dem Begriffe selber, dem Begriffe an und für sich, denn unter Begriff pflegt man gewöhnlich eine abstrakte Bestimmtheit und Einseitigkeit des Vorstellens oder des verständigen Denkens zu verstehen, mit welcher natürlich weder die Totalität des Wahren noch die in sich konkrete Schönheit denkend kann zum Bewußtsein gebracht werden. Denn die Schönheit, wie bereits gesagt und später noch auszuführen ist, ist nicht solche Abstraktion des Verstandes, sondern der in sich selbst konkrete absolute Begriff und, bestimmter gefaßt, die absolute Idee in ihrer sich selbst gemäßen Erscheinung.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn wir, was die absolute Idee in ihrer wahrhaftigen Wirklichkeit sei, kurz bezeichnen wollen, so müssen wir sagen, sie sei Geist, und zwar nicht etwa der Geist in seiner endlichen Befangenheit und Beschränktheit, sondern der allgemeine unendliche und absolute Geist, der aus sich selber bestimmt, was wahrhaft das Wahre ist.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Die Natur haben wir deshalb selber als die absolute Idee in sich tragend zu begreifen, aber sie ist die Idee in der Form, durch den absoluten Geist als das Andere des Geistes gesetzt zu sein. Wir nennen sie insofern ein Geschaffenes. Ihre Wahrheit aber ist deshalb das Setzende selber, der Geist als die Idealität und Negativität, indem er sich zwar in sich besondert und negiert, aber diese Besonderung und Negation seiner als die durch ihn gesetzte ebenso aufhebt und, statt darin eine Grenze und Schranke zu haben, mit seinem Anderen sich in freier Allgemeinheit mit sich selbst zusammenschließt. Diese Idealität und unendliche Negativität macht den tiefen Begriff der Subjektivität des Geistes aus.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Die Unterschiede dieser Formen liegen im Begriff des absoluten Geistes selber. Der Geist als wahrer Geist ist an und für sich und dadurch kein der Gegenständlichkeit abstrakt-jenseitiges Wesen, sondern innerhalb derselben im endlichen Geiste die Erinnerung des Wesens aller Dinge: das Endliche in seiner Wesentlichkeit sich ergreifend und somit selber wesentlich und absolut. Die erste Form nun dieses Erfassens ist ein unmittelbares und eben darum sinnliches Wissen, ein Wissen in Form und Gestalt des Sinnlichen und Objektiven selber, in welchem das Absolute zur Anschauung und Empfindung kommt. Die zweite Form sodann ist das vorstellende Bewußtsein, die dritte endlich das freie Denken des absoluten Geistes.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • Alles Existierende hat deshalb nur Wahrheit, insofern es eine Existenz ist der Idee. Denn die Idee ist das allein wahrhaft Wirkliche. Das Erscheinende nämlich ist nicht dadurch schon wahr, daß es inneres oder äußeres Dasein hat und überhaupt Realität ist, sondern dadurch allein, daß diese Realität dem Begriff entspricht. Erst dann hat das Dasein Wirklichkeit und Wahrheit. Und zwar Wahrheit nicht etwa in dem subjektiven Sinne, daß eine Existenz meinen Vorstellungen sich gemäß zeige, sondern in der objektiven Bedeutung, daß das Ich oder ein äußerer Gegenstand, Handlung, Begebenheit, Zustand in seiner Wirklichkeit den Begriff selber realisiere. Kommt diese Identität nicht zustande, so ist das Daseiende nur eine Erscheinung, in welcher sich statt des totalen Begriffs nur irgendeine abstrakte Seite desselben objektiviert, welche, insofern sie sich gegen die Totalität und Einheit in sich verselbständigt, bis zur Entgegensetzung gegen den wahren Begriff verkümmern kann. So ist denn nur die dem Begriff gemäße Realität eine wahre Realität, und zwar wahr, weil sich in ihr die Idee selber zur Existenz bringt.
    Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Ästhetik, 1845 Zur Textstelle navigieren
  • So wäre denn das Wesen der Kunst dieses: das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit des Seienden. Aber bislang hatte es die Kunst doch mit dem Schönen und der Schönheit zu tun und nicht mit der Wahrheit. Diejenigen Künste, die solche Werke hervorbringen, nennt man im Unterschied zu den handwerklichen Künsten, die Zeug verfertigen, die schönen Künste. In der schönen Kunst ist nicht die Kunst schön, sondern sie heißt so, weil sie das Schöne hervorbringt. Wahrheit dagegen gehört in die Logik. Die Schönheit aber ist der Ästhetik aufbehalten.
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Oder soll gar mit dem Satz, die Kunst sei das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit, jene glücklich überwundene Meinung wieder aufleben, die Kunst sei eine Nachahmung und Abschilderung des Wirklichen? Die Wiedergabe des Vorhandenen verlangt allerdings die Übereinstimmung mit dem Seienden, die Anmessung an dieses; adaequatio sagt das Mittelalter; δμοίωσις sagt bereits Aristoteles. Übereinstimmung mit dem Seienden gilt seit langem als das Wesen der Wahrheit. Aber meinen wir denn, jenes Gemälde van Goghs male ein vorhandenes Paar Bauernschuhe ab und es sei deshalb ein Werk, weil ihm dies gelinge? Meinen wir, das Gemälde entnehme dem Wirklichen ein Abbild und versetze dies in ein Produkt der künstlerischen Produktion? Keineswegs.
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Also handelt es sich im Werk nicht um die Wiedergabe des jeweils vorhandenen einzelnen Seienden, wohl dagegen um die Wiedergabe des allgemeinen Wesens der Dinge. Aber wo und wie ist denn dieses allgemeine Wesen, so daß die Kunstwerke mit ihm übereinstimmen?
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Das Kunstwerk eröffnet auf seine Weise das Sein des Seienden. Im Werk geschieht diese Eröffnung, d. h. das Entbergen, d. h. die Wahrheit des Seienden. Im Kunstwerk hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt. Die Kunst ist das Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit. Was ist die Wahrheit selbst, daß sie sich zu Zeiten als Kunst ereignet? Was ist dieses Sich-ins-Werk-Setzen?
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Welt ist nicht die bloße Ansammlung der vorhandenen abzählbaren oder unabzählbaren, bekannten und unbekannten Dinge. Welt ist aber auch nicht ein nur eingebildeter, zur Summe des Vorhandenen hinzu vorgestellter Rahmen. Welt weltet und ist seiender als das Greifbare und Vernehmbare, worin wir uns heimisch glauben. Welt ist nie ein Gegenstand, der vor uns steht und angeschaut werden kann. Welt ist das immer Ungegenständliche, dem wir unterstehen, solange die Bahnen von Geburt und Tod, Segen und Fluch uns in das Sein entrückt halten. Wo die wesenhaften Entscheidungen unserer Geschichte fallen, von uns übernommen und verlassen, verkannt und wieder erfragt werden, da weltet die Welt. Der Stein ist weltlos. Pflanze und Tier haben gleichfalls keine Welt; aber sie gehören dem verhüllten Andrang einer Umgebung, in die sie hineinhängen. Dagegen hat die Bäuerin eine Welt, weil sie sich im Offenen des Seienden aufhält. Das Zeug gibt in seiner Verläßlichkeit dieser Welt eine eigene Notwendigkeit und Nähe. Indem eine Welt sich öffnet, bekommen alle Dinge ihre Weile und Eile, ihre Ferne und Nähe, ihre Weite und Enge. Im Welten ist jene Geräumigkeit versammelt, aus der sich die bewahrende Huld der Götter verschenkt oder versagt. Auch das Verhängnis des Ausbleibens des Gottes ist eine Weise, wie Welt weltet.
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Die Welt ist die sich öffnende Offenheit der weiten Bahnen der einfachen und wesentlichen Entscheidungen im Geschick eines geschichtlichen Volkes. Die Erde ist das zu nichts gedrängte Hervorkommen des ständig Sichverschließenden und dergestalt Bergenden. Welt und Erde sind wesenhaft voneinander verschieden und doch niemals getrennt. Die Welt gründet sich auf die Erde, und Erde durchragt Welt. Allein, die Beziehung zwischen Welt und Erde verkümmert keineswegs in der leeren Einheit des sich nichts angehenden Entgegengesetzten. Die Welt trachtet in ihrem Aufruhen auf der Erde, diese zu überhöhen. Sie duldet als das Sichöffnende kein Verschlossenes. Die Erde aber neigt dahin, als die Bergende jeweils die Welt in sich einzubeziehen und einzubehalten.
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Die Wahrheit ist die Unverborgenheit des Seienden als des Seienden. Die Wahrheit ist die Wahrheit des Seins. Die Schönheit kommt nicht neben dieser Wahrheit vor. Wenn die Wahrheit sich in das Werk setzt, erscheint sie. Das Erscheinen ist – als dieses Sein der Wahrheit im Werk und als Werk – die Schönheit. So gehört das Schöne in das Sichereignen der Wahrheit. Es ist nicht nur relativ auf das Gefallen und lediglich als dessen Gegenstand. Das Schöne beruht indessen in der Form, aber nur deshalb, weil die forma einst aus dem Sein als der Seiendheit des Seienden sich lichtete. Damals ereignete sich das Sein als εἷδος. Die ἰδέα fügt sich in die σύνολον. Das σύνολον, das einige Ganze von μορϕή und ὕλη, nämlich das ἔργον, ist in der Weise der ἐνέργεια. Diese Weise der Anwesenheit wird zur actualitas des ens actu. Die actualitas wird zur Wirklichkeit. Die Wirklichkeit wird zur Gegenständlichkeit. Die Gegenständlichkeit wird zum Erlebnis. In der Weise, wie für die abendländisch bestimmte Welt das Seiende als das Wirkliche ist, verbirgt sich ein eigentümliches Zusammengehen der Schönheit mit der Wahrheit. Dem Wesenswandel der Wahrheit entspricht die Wesensgeschichte der abendländischen Kunst. Diese ist aus der für sich genommenen Schönheit so wenig zu begreifen wie aus dem Erlebnis, gesetzt, daß der metaphysische Begriff von der Kunst in ihr Wesen reicht.
    Heidegger, Martin: Der Ursprung des Kunstwerkes, 1935 Zur Textstelle navigieren
  • Die Analyse der Erschlossenheit des Daseins zeigte ferner, daß mit dieser das Dasein gemäß seiner Grundverfassung des In-der-Welt-seins gleichursprünglich hinsichtlich der Welt, des In-Seins und des Selbst enthüllt ist. In der faktischen Erschlossenheit von Welt ist ferner innerweltliches Seiendes mitentdeckt. Darin liegt: Das Sein dieses Seienden wird in gewisser Weise immer schon verstanden, wenngleich nicht angemessen ontologisch begriffen Das vor ontologische Seinsverständnis umgreift zwar alles Seiende, das im Dasein wesenhaft erschlossen ist, das Seinsverständnis selbst hat sich aber noch nicht entsprechend den verschiedenen Seinsmodi artikuliert.
    Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Unter dem Titel „Realitätsproblem“ vermengen sich verschiedene Fragen: 1. ob das vermeintlich „bewußtseinstranszendente“ Seiende überhaupt sei ; 2. ob diese Realität der „Außenwelt“ zureichend bewiesen werden könne; 3. inwieweit dieses Seiende, wenn es real ist, in seinem An-sich-sein zu erkennen sei; 4. was der Sinn dieses Seienden, Realität, überhaupt bedeute. Die folgende Erörterung des Realitätsproblems behandelt mit Rücksicht auf die fundamentalonto logische Frage ein Dreifaches: a) Realität als Problem des Seins und der Beweisbarkeit der „Außenwelt“, b) Realität als ontologisches Problem, c) Realität und Sorge.
    Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Besagt der Titel Idealismus soviel wie Verständnis dessen, daß Sein nie durch Seiendes erklärbar, sondern für jedes Seiende je schon das „Transzendentale“ ist, dann liegt im Idealismus die einzige und rechte Möglichkeit philosophischer Problematik. Dann war Aristoteles nicht weniger Idealist als Kant. Bedeutet Idealismus die Rückführung alles Seienden auf ein Subjekt oder Bewußtsein, die sich nur dadurch auszeichnen, daß sie in ihrem Sein unbestimmt bleiben und höchstens negativ als „undinglich“ charakterisiert werden, dann ist dieser Idealismus methodisch nicht weniger naiv als der grobschlächtigste Realismus.
    Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Sollte das „cogito sum“ als Ausgang der existenzialen Analytik des Daseins dienen, dann bedarf es nicht nur der Umkehrung, sondern einer neuen ontologisch-phänomenalen Bewährung seines Gehalts. Die erste Aussage ist dann: „sum“ und zwar in dem Sinne: lch-bin-in-einer-Welt. Als so Seiendes „bin ich“ in der Seinsmöglichkeit zu verschiedenen Verhaltungen (cogitationes) als Weisen des Seins bei innerweltlichem Seienden. Descartes dagegen sagt: cogitationes sind vorhanden, darin ist ein ego mit vorhanden als weltlose res cogitans.
    Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die gekennzeichnete Abhängigkeit des Seins, nicht des Seienden, von Seinsverständnis, das heißt die Abhängigkeit der Realität, nicht des Realen, von der Sorge, sichert die weitere Analytik des Daseins vor einer unkritischen, aber immer wieder sich eindrängenden Interpretation des Daseins am Leitfaden der Idee von Realität. Erst die Orientierung an der ontologisch positiv interpretierten Existenzialität gibt die Gewähr, daß nicht doch im faktischen Gang der Analyse des „Bewußtseins“, des „Lebens“ irgendein wenngleich indifferenter Sinn von Realität zugrundegelegt wird.
    Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Ein literarischer Text ist als Produkt eines Autors eine bestimmte Form der Weltzuwendung. Da diese in der gegebenen Welt, auf die sich der Autor bezieht, nicht vorhanden ist, muß sie in die vorhandene Welt hineingetrieben werden, um zur Geltung zu kommen. Hineintreiben heißt, die vorgefundenen Organisationsstrukturen nicht abzubilden, sondern zu dekomponieren.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Die so erzeugte Wahrnehmbarkeit der Bezugsfelder gewinnt ihre perspektivische Einstellung durch deren Spaltung in solche Elemente, die im Text aktualisiert werden, und in solche, die inaktiv bleiben. Lassen die gewählten Elemente ein Bezugsfeld allererst aufscheinen, so zeigt die getroffene Auswahl das mit an, was davon ausgeschlossen ist. Präsentieren sich die in den Text eingekapselten Elemente der Bezugsfelder vor dem Hintergrund dessen, was durch sie ausgegrenzt ist, so sind die im Text anwesenden Elemente durch abwesende gedoppelt. Dadurch rückt das gewählte Element in eine perspektivische Einstellung, die eine Einschätzung des im Text Gegenwärtigen durch Abwesendes ermöglicht. So zieht zwar der Selektionsakt nochmals eine Grenze im jeweils gewählten Bezugsfeld des Textes, doch nur, um diese wiederum zu überschreiten, damit Gegenwärtiges aus Abwesendem visiert werden und Abwesendes sich in Gegenwärtiges einzeichnen kann.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Ein solcher Sachverhalt hat Ereignischarakter, der folglich nicht referentialisierbar ist und sich darin manifestiert, daß es für die Selektion keine Regel gibt, weil sich in ihr immer nur eine Wahl bekundet, die der Autor durch seine Weltzuwendung im Blick auf die Umweltsysteme getroffen hat. Gäbe es für die Selektion eine Regel, dann wäre dieser Akt nicht Grenzüberschreitung, sondern nur zulässige Möglichkeit im Rahmen einer herrschenden Konvention. Ist der Selektionsakt ein solcher des Fingierens, der als Grenzüberschreitung Ereignischarakter besitzt, so gründet seine Funktion in dem, was durch ihn hervorgebracht wird. Konstituiert der Selektionsakt die Bezugsfelder des Textes als konturierte und voneinander abhebbare Umweltsysteme, deren Begrenzung überschritten wird, so geschieht in diesem Vorgang ein Tilgen vorhandener Zuordnungen und ein Ergänzen um neue Zuordnungen des jeweils gewählten Elements. Dadurch werden diese anders gewichtet, als es im gegebenen Bezugsfeld der Fall war. Tilgen, Ergänzen und Gewichten erweisen sich als basale Operationen der Weltherstellung, wie sie Nelson Goodman in seinem Buch Weisen der Welterzeugung Vgl. Nelson Goodman, Weisen der Welterzeugung, übers. von Max Looser, Frankfurt/M. 1984, pp. 24-31 u. 125f. dargestellt hat.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Textintentionalität ist folglich etwas, das sich in der jeweils gegebenen Welt nicht vorfindet, ohne dadurch schon ein Imaginäres zu sein. Entspringt sie einem Akt des Fingierens, dann erweist sie sich als „Übergangsgestalt“ Dieser Terminus stammt von D. W. Winnicott, Playing and Reality, London 1971, pp.11-14. zwischen Realem und Imaginärem, indem sie die Bezugsfelder des Textes zum Material ihrer Manifestation macht und das Imaginäre zur Bedingung ihrer Vorstellbarkeit ausprägt.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Die im Text auftauchende Welt so zu verstehen, als ob sie eine sei, heißt, sie mit etwas in Verbindung zu bringen, das sie nicht ist. – „Somit ist dadurch die Gleichsetzung einer Sache mit den notwendigen Folgen eines unmöglichen oder unwirklichen Falles forderungsweise ausgesprochen... Somit wird hier ein unmöglicher Fall fingiert, aus ihm werden die notwendigen Konsequenzen gezogen, und mit diesen Konsequenzen, welche doch auch unmöglich sein sollten, werden Forderungen gleichgesetzt, welche aus der bestehenden Wirklichkeit selbst nicht folgen.“ Ibid., pp. 585f. So dient der Partikelkomplex des Als-Ob dazu, „ein vorliegendes Etwas mit den Konsequenzen aus einem unwirklichen oder unmöglichen Falle gleichzusetzen“. Ibid., p. 591. Wenn der fiktionale Text die von ihm dargestellte Welt mit einem solchen ‚ Unmöglichen ‘ verbindet, so ist angesichts der Wohlbestimmtheit seiner Darstellung dieses ‚Unmögliche‘ ein solches, dem gerade diese Wohlbestimmtheit fehlt. Es als das Imaginäre zu bezeichnen, bietet sich schon deshalb an, weil die Akte des Fingierens auf Imaginäres bezogen sind. Demzufolge besagt das Als-Ob, daß die dargestellte Welt eigentlich keine Welt ist, sondern aus Gründen eines bestimmten Zwecks so vorgestellt werden soll, als ob sie eine sei. Denn überall, „wo nur eine solche imaginative Vergleichung oder eine Vergleichung mit etwas Imaginativem stattfindet, und diese Vergleichung nicht bloss ein leeres Spiel der Vorstellungen ist, sondern irgend einen praktischen Zweck hat, sodass also aus der Vergleichung Konsequenzen gezogen werden, ist die Partikelverbindung ‚als ob‘ an ihrem Platze, weil sie... ein vorliegendes Etwas mit den notwendigen Folgen eines imaginativen Falles vergleicht. Es ist hierbei der Ton darauf zu legen, dass diese imaginative Tätigkeit irgend einen praktischen Nutzen, irgend einen Zweck haben soll: nur wenn dies der Fall ist, werden ja die Konsequenzen aus jener imaginativen Funktion gezogen; es handelt sich doch nicht darum, ohne jeden Zweck etwas Unwirkliches als wirklich anzunehmen.“ Ibid., p. 589. Wenn daher im Zweck das „Imaginative“ seine zureichende Gestalt gewinnt, so kann die dargestellte Welt des Textes noch nicht der Zweck des Textes sein, vielmehr muß sie als das wohlbestimmte Vergleichsglied die Bestimmung dafür bilden, daß die durch die Klammer angezeigte Verweisung vorstellbar werde.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Diese Bedingung wird von der dargestellten Welt des Textes insofern erfüllt, als durch sie eine doppelte Verweisung geschieht, deren man sich eingedenk bleiben muß. Die dargestellte Welt des Textes ist insofern ambivalent, als sie zumindest in der Konkretheit ihrer Darstellung eine Welt zu bezeichnen scheint, die durch sie repräsentiert ist.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Das Analogon besitzt noch eine weitere Funktion. Als Produkt des Fingierens, das aus den Selektions- und Kombinationsakten hervorgegangen ist, hat die Textwelt in der empirischen Welt kein Identisches. Daraus entspringt die Möglichkeit, empirische Welt immer durch eine Optik zu gewärtigen, die dieser nicht eignet, wodurch sie zum Gegenstand der Betrachtung wird. Folglich kann die vom Als-Ob der Textwelt erzeugte Reaktion auch der empirischen Welt gelten, die durch die Textwelt hindurch aus einer Perspektive versiert wird, die nicht eine solche der gegebenen Lebenswelt ist.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Nun, zunächst um anzuzeigen, daß es Wirklichkeit als Beschränkung des Möglichen nicht geben kann, nicht zuletzt, weil Möglichkeiten sich aus dem, was ist, nicht ableiten lassen. Zwar können Möglichkeiten zum Horizont des Wirklichen werden, doch gerade dann wird sich dieses nicht gleich bleiben. Wenn es daher kein a priori für die Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit gibt, ja, wenn die Möglichkeiten ihren Realisierungen vorausliegen, dann fragt es sich, woher sie kommen. Gordon Globus hat im Anschluß an Leibniz dazu bemerkt: „Weltmodelle werden ohne Rückgriff auf Abbilder oder Anweisungen von gegebener Welt erzeugt; sie werden formativ [d. h. in ihren Grundstrukturen selbst] geschaffen... Die jeweils aktuelle Welt wird aus diesem Plenum der possibilia erzeugt, ausgewählt durch Eingaben und Intention... Möglichkeit impliziert Existenz. Aktualität hängt von dem Prozeß des Entfaltens eingefalteter Ordnung zu expliziter Existenz ab.“ Gordon Globus, Dream Life, Wake Life. The Human Condition through Dreams, Albany 1987, pp. 135 f. Der wahrhaft aufregende Vorschlag von Globus besteht darin, daß er Möglichkeiten nicht von Realitäten ableitet, sondern die Möglichkeiten – im Blick auf Leibniz – den Realitäten vorgeordnet sieht. Als Naturwissenschaftler gibt er sich jedoch mit den Aussagen des Philosophen nicht zufrieden, weshalb er in einer Analyse des menschlichen Immunsystems zu zeigen versucht, inwieweit dieses eine vorprogrammierte Möglichkeitsstruktur besitzt, die der Realität seines Wirksamwerdens vorausliegt. „Over the entire species, the immune Systems generate the set of all possible antibody antiworlds and worlds... The monadic immune System utilizes its own resources to create de novo by selective amplification its antiworld and world models. Its core processes are specifying, matching and producing.” (Ibid., 127 f.)
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Aristoteles hat darauf geantwortet. Für ihn besteht die Kunst „darin, ‚einerseits zu vollenden, andererseits (das Naturgegebene) nachzuahmen‘. Die Doppelbestimmung hängt mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs von ‚ Natur ‘ als produzierendem Prinzip ( natura naturans ) und produzierter Gestalt ( natura naturata ) eng zusammen. Es läßt sich aber leicht sehen, daß in dem Element der ‚Nachahmung‘ die übergreifende Komponente liegt: denn das Aufnehmen des von der Natur Liegengelassenen fügt sich doch der Vorzeichnung der Natur, setzt bei der Entelechie des Gegebenen an und vollstreckt sie. Dieses Einspringen der ‚ Kunst ‘ für die Natur geht so weit, daß Aristoteles sagen kann: wer ein Haus baut, tut nur genau das, was die Natur tun würde, wenn sie Häuser sozusagen ‚wachsen‘ ließe. Natur und ‚ Kunst ‘ sind strukturgleich: die immanenten Wesenszüge der einen Sphäre können für die der anderen eingesetzt werden. Es ist also sachlich begründet, wenn die Tradition die aristotelische Definition auf die Form ‚ars imitatur naturam‘ verkürzt hat, wie schon Aristoteles selbst sie in Gebrauch nimmt.“ Hans Blumenberg, Wirklichkeiten in denen wir leben, Stuttgart 1981, pp. 55 f.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Die aristotelische morphé scheint aus der Natur in den Geist des Künstlers gewandert zu sein; denn nachgeahmt wird nicht die Natur, sondern die im Geist des Malers sedimentierten Formen, die ein Erschließen der Natur erlauben. Die Mimesis erfährt dadurch einen weitreichenden Bezugswechsel, der sich aus einem veränderten Naturverständnis ergibt. Die Natur als etwas zu sehen heißt, daß sie im Gegensatz zu ihrer traditionellen Auffassung nunmehr offen geworden ist, weshalb es nicht die Sichtbarkeit des Seinsollens, sondern die der Zugänglichkeit zu verdeutlichen gilt. Natur muß auf ein Formenrepertoire zurückgebracht werden, das Künstler und Betrachter des Kunstwerks gleichermaßen teilen. Solchen Formen eignet nicht mehr die Qualität der morphé; statt dessen bilden sie eine offene Reihe, weshalb es nun weniger Gegenstände, sondern eher Wahrnehmungsbedingungen nachzuahmen gilt, damit Naturphänomene in der vom Künstler intendierten Weise gesehen werden können. Denn bereits der einfache Wahrnehmungsvorgang lehrt, daß wir Gegenstände niemals als ganze, sondern immer nur als etwas wahrzunehmen vermögen, was sich auch in der zitierten Passage zeigt, wo selbst ein monochromes Bild „als Form und Ausdruck“ gesehen wird. Daraus ergibt sich, daß eine Nachahmung vorgegebener Gegenständlichkeit als solche gar nicht möglich ist, da jeder Betrachter einen solchen Gegenstand stets als etwas anderes gewärtigen würde. Um das zu vermeiden, müssen Formen der Wahrnehmbarkeit nachgeahmt werden, die es erlauben, Naturphänomene entsprechend zu sehen, wenngleich die nachgeahmten Wahrnehmungsbedingungen wiederum nicht Gegenstand der durch das Bild beabsichtigten Mimesis sind.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Eine Mimesis, die ihre eigene Referenz erzeugt, wird transzendental zu ihren Vorgaben. Denn sie verfügt nun darüber, was eine Handlung sei, deren ursprüngliches Vorverständnis über die konfigurative Textgestalt zur Entdeckung ihrer Polysemie transfiguriert wird. Vorgaben wären dann nur noch Anlässe, um das im Vorverständnis Verdeckte zu entfalten und sich darauf zu einigen, daß man von Gleichem ausgeht. War für Gombrich noch die Wahrnehmung Referenz der Mimesis, so gilt es für eine prozessual verstandene Mimesis, deren Referenzen immer wieder zu öffnen, um in der daraus resultierenden Dynamik eine Referentialität hervorzubringen, die es erlaubt, Handlung als solche zu vergegenwärtigen. Das ist insofern konsequent, als das Wozu der Mimesis sich nicht mehr auf die historisch verbürgten Gewißheiten berufen kann, weshalb die Mimesis im Endeffekt in das Erzeugen ihrer eigenen Referenz umschlägt. Das aber heißt auch: selbstreferentiell darf sie nicht werden, will sie nicht einem Selbstwiderspruch verfallen; denn Mimesis impliziert das Verhältnis von Vorgabe und Nachahmung, das in sich zusammenfiele, würde sich Mimesis selbst zum Gegenstand. Eine Mimesis hingegen, die ihre eigene, sich der Beschreibbarkeit entziehende Referentialität erzeugt, „ist eine Handlung über das Handeln“. Ibid., p. 28. Diese Ähnlichkeit mit ihrer Vorgabe dient allerdings dazu, einen solchen Vorgang zu repräsentieren, und das heißt nichts weniger, als daß nun Mimesis selbst zum Repräsentanten der Performanz wird.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Je mehr Mimesis als Verfahren analysiert wird, desto unabweisbarer drängt sich der performative Charakter der Darstellung auf. Nur noch die Vorgabe bindet die Performanz mimetisch, wenngleich sich die Vorgabe bisweilen so ausnimmt, als ob sie durch Performanz erzeugt worden wäre. Von da aus ist es nur noch ein Schritt, bis sich Performanz gegen die Mimesis selbst kehrt. In Adornos Ästhetischer Theorie wird er vollzogen, ist hier allerdings nur insoweit von Interesse, als er die Relevanz des Textspiels zu situieren erlaubt.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • „Nachahmung als ästhetische Kategorie ist so wenig einfach zu eliminieren wie zu akzeptieren. Kunst objektiviert den mimetischen Impuls. Sie hält ihn ebenso fest, wie sie ihn seiner Unmittelbarkeit entäußert und ihn negiert. Nachahmung von Gegenständen zieht aus solcher Dialektik der Objektivation die fatale Konsequenz. Vergegenständlichte Realität ist das Korrelat vergegenständlichter Mimesis... Mimesis selbst beugt sich der Vergegenständlichung, vergeblich hoffend, den fürs vergegenständlichte Bewußtsein entstandenen Bruch zum Objekt zu schließen. Indem das Kunstwerk sich zu einem dem Anderen, Gegenständlichen, Gleichen machen will, wird es zu dessen Ungleichem.“ Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie (Gesammelte Schriften 7), Frankfurt/M. 1970, p. 424. Das ist ‚subversive Mimesis‘ Vgl. Michael Cahn, „Subversive Mimesis: T. W. Adorno and the Modern Impasse of Critique”, in: Mimesis in Contemporary Thought: An Interdisciplinary Approach I. The Literary and Philosophical Debate, Hg. Mihai Spariosu, Philadelphia u. Amsterdam 1984, pp. 27-64., durch die sich das Kunstwerk der Natur gleich macht, um ihr dadurch opponieren zu können. Zwar bindet sich die Kunst für Adorno noch an das Naturschöne – das wie ein klassischer Reflex die Ästhetische Theorie durchzieht –, aber was „an Natur erscheint, das wird durch seine Verdoppelung in der Kunst eben jenes Ansichseins beraubt, an dem die Erfahrung von Natur sich sättigt“. Adorno, p. 106. „Das Ansichsein, dem die Kunstwerke nachhängen, ist nicht Imitation eines Wirklichen sondern Vorwegnahme eines Ansichseins, das noch gar nicht ist, eines Unbekannten... Sie sagen daß etwas an sich sei, prädizieren nichts darüber... Kunst möchte mit menschlichen Mitteln das Sprechen des nicht Menschlichen realisieren.“ Ibid., p. 121.
    Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
  • Die erwähnte, erst keimende große Realistik ist ein Streben, aus dem Bilde das äußerliche Künstlerische zu vertreiben und den Inhalt des Werkes durch einfache („unkünstlerische“) Wiedergabe des einfachen harten Gegenstandes zu verkörpern.
    Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
  • Die in dieser Art aufgefaßte und im Bilde fixierte äußere Hülse des Gegenstandes und das gleichzeitige Streichen der gewohnten aufdringlichen Schönheit entblößen am sichersten den inneren Klang des Dinges.
    Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
  • Der große Gegensatz zu dieser Realistik ist die große Abstraktion, die aus dem Betreben [sic], das Gegenständliche ( Reale ) scheinbar ganz auszuschalten, besteht und den Inhalt des Werkes in „unmateriellen“ Formen zu verkörpern sucht. Das in dieser Art aufgefaßte und im Bild fixierte abstrakte Leben der auf das Minimale reduzierten gegenständlichen Formen und also das auffallende Vorwiegen der abstrakten Einheiten entblößt am sichersten den inneren Klang des Bildes. Und ebenso, wie in der Realistik durch das Streichen des Abstrakten der innere Klang verstärkt wird, so wird auch in der Abstraktion dieser Klang durch das Streichen des Realen verstärkt. Dort war es die gewohnte äußere wohlschmeckende Schönheit, die den Dämpfer bildete. Hier ist es der gewohnte äußere unterstützende Gegenstand.
    Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
  • Zum „Verständnis“ dieser Art Bilder ist auch dieselbe Befreiung wie in der Realistik nötig, das heißt auch hier muß es möglich werden, die ganze Welt, so wie sie ist, ohne gegenständliche Interpretation hören zu können. Und hier sind diese abstrahierten oder abstrakten Formen (Linien, Flächen, Flecken undsoweiter) nicht selbst als solche wichtig, sondern nur ihr innerer Klang, ihr Leben. So wie in der Realistik nicht der Gegenstand selbst, oder seine äußere Hülse, sondern sein innerer Klang, Leben wichtig sind.
    Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
  • Ist denn dadurch der Gegenstand, das Ding aus dem Bilde vertrieben? Nein. Die Linie ist, wie wir oben gesehen haben, ein Ding, welches ebenso einen praktisch-zweckmäßigen Sinn hat wie ein Stuhl, ein Brunnen, ein Messer, ein Buch undsoweiter. Und dieses Ding wird in dem letzten Beispiel als ein reines malerisches Mittel gebraucht ohne die anderen Seiten, die es sonst besitzen kann – also in seinem reinen inneren Klang.
    Kandinsky, Wassily: Über die Formfrage, 1912 Zur Textstelle navigieren
  • Es ist doch etwas ganz anderes, ob ich sage: die Erzeugung gewisser Dinge der Natur, oder auch der gesamten Natur ist nur durch eine Ursache, die sich nach Absichten zum Handeln bestimmt, möglich; oder: ich kann nach der eigentümlichen Beschaffenheit meiner Erkenntnisvermögen über die Möglichkeit jener Dinge und ihre Erzeugung nicht anders urteilen, als wenn ich mir zu dieser eine Ursache, die nach Absichten wirkt
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Was beweiset nun aber am Ende auch die allervollständigste Teleologie? Beweiset sie etwa, daß ein solches verständiges Wesen da sei? Nein; nichts weiter, als daß wir nach Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen, also in Verbindung der Erfahrung mit den obersten Prinzipien der Vernunft, uns schlechter dings keinen Begriff von der Möglichkeit einer solchen Welt machen können, als so, daß wir uns eine absichtlich-wirkende oberste Ursache derselben denken. Objektiv können wir also nicht den Satz dartun: es ist ein verständiges Urwesen; sondern nur subjektiv für den Gebrauch unserer Urteilskraft in ihrer Reflexion über die Zwecke in der Natur, die nach keinem anderen Prinzip als dem einer absichtlichen Kausalität einer höchsten Ursache gedacht werden können.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Wir können uns die Zweckmäßigkeit, die selbst unserer Erkenntnis der inneren Möglichkeit vieler Naturdinge zum Grunde gelegt werden muß, gar nicht anders denken und begreiflich machen, als indem wir sie und überhaupt die Welt uns als ein Produkt einer verständigen Ursache (eines Gottes) vorstellen.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • So wie die Vernunft, in theoretischer Betrachtung der Natur, die Idee einer unbedingten Notwendigkeit ihres Urgrundes annehmen muß; so setzt sie auch, in praktischer, ihre eigene (in Ansehung der Natur) unbedingte Kausalität, d. i. Freiheit, voraus, indem sie sich ihres moralischen Gebots bewußt ist.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Es bleibt also bei dem obigen Grundsatze der Teleologie: daß, nach der Beschaffenheit des menschlichen Verstandes, für die Möglichkeit organischer Wesen in der Natur keine andere als absichtlich wirkende Ursache könne angenommen werden, und der bloße Mechanism der Natur zur Erklärung dieser ihrer Produkte gar nicht hinlänglich sein könne; ohne doch dadurch in Ansehung der Möglichkeit solcher Dinge selbst durch diesen Grundsatz entscheiden zu wollen.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Endzweck ist derjenige Zweck, der keines andern als Bedingung seiner Möglichkeit bedarf.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn für die Zweckmäßigkeit der Natur der bloße Mechanism derselben zum Erklärungsgrunde angenommen wird, so kann man nicht fragen: wozu die Dinge in der Welt da sind; denn es ist alsdann, nach einem solchen idealistischen System, nur von der physischen Möglichkeit der Dinge (welche uns als Zwecke zu denken bloße Vernünftelei, ohne Objekt, sein würde) die Rede: man mag nun diese Form der Dinge auf den Zufall, oder blinde Notwendigkeit deuten, in beiden Fällen wäre jene Frage leer. Nehmen wir aber die Zweckverbindung in der Welt für real und für sie eine besondere Art der Kausalität, nämlich einer absichtlich wirkenden Ursache an, so können wir bei der Frage nicht stehenbleiben: wozu Dinge der Welt (organisierte Wesen) diese oder jene Form haben, in diese oder jene Verhältnisse gegen andere von der Natur gesetzt sind; sondern, da einmal ein Verstand gedacht wird, der als die Ursache der Möglichkeit solcher Formen angesehen werden muß, wie sie wirklich an Dingen gefunden werden, so muß auch in ebendemselben nach dem objektiven Grunde gefragt werden, der diesen produktiven Verstand zu einer Wirkung dieser Art bestimmt haben könne, welcher dann der Endzweck ist, wozu dergleichen Dinge da sind.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Nun haben wir eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Kausalität teleologisch, d. i. auf Zwecke gerichtet und doch zugleich so beschaffen ist, daß das Gesetz, nach welchem sie sich Zwecke zu bestimmen haben, von ihnen selbst als unbedingt und von Naturbedingungen unabhängig, an sich aber als notwendig, vorgestellt wird. Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon betrachtet; das einzige Naturwesen, an welchem wir doch ein übersinnliches Vermögen (die Freiheit ) und sogar das Gesetz der Kausalität, samt dem Objekte derselben, welches es sich als höchsten Zweck vorsetzen kann (das höchste Gut in der Welt), von Seiten seiner eigenen Beschaffenheit erkennen können.
    Kant, Immanuel: Kritik der teleologischen Urteilskraft, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • An einem Produkte der schönen Kunst muß man sich bewußt werden, daß es Kunst sei, und nicht Natur ; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frei scheinen, als ob es ein Produkt der bloßen Natur sei. Auf diesem Gefühle der Freiheit im Spiele unserer Erkenntnisvermögen, welches doch zugleich zweckmäßig sein muß, beruht diejenige Lust, welche allein allgemein mitteilbar ist, ohne sich doch auf Begriffe zu gründen. Die Natur war schön, wenn sie zugleich als Kunst aussah; und die Kunst kann nur schön genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sei Kunst, und sie uns doch als Natur aussieht.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Also muß die Zweckmäßigkeit im Produkte der schönen Kunst, ob sie zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen; d. i. schöne Kunst muß als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewußt ist. Als Natur aber erscheint ein Produkt der Kunst dadurch, daß zwar alle Pünktlichkeit in der Übereinkunft mit Regeln, nach denen allein das Produkt das werden kann, was es sein soll, angetroffen wird; aber ohne Peinlichkeit, ohne daß die Schulform durchblickt, d. i. ohne eine Spur zu zeigen, daß die Regel dem Künstler vor Augen geschwebt, und seinen Gemütskräften Fesseln angelegt habe.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Man sieht hieraus, daß Genie 1) ein Talent sei, dasjenige, wozu sich keine bestimmte Regel geben läßt, hervorzubringen: nicht Geschicklichkeitsanlage zu dem, was nach irgendeiner Regel gelernt werden kann; folglich daß Originalität seine erste Eigenschaft sein müsse. 2) Daß, da es auch originalen Unsinn geben kann, seine Produkte zugleich Muster, d. i. exemplarisch sein müssen; mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen doch dazu, d. i. zum Richtmaße oder Regel der Beurteilung, dienen müssen. 3) Daß es, wie es sein Produkt zustande bringe, selbst nicht beschreiben, oder wissen schaftlich anzeigen könne, sondern daß es als Natur die Regel gebe; und daher der Urheber eines Produkts, welches er seinem Genie verdankt, selbst nicht weiß, wie sich in ihm die Ideen dazu herbei finden, auch es nicht in seiner Gewalt hat, dergleichen nach Belieben oder planmäßig auszudenken, und anderen in solchen Vorschriften mitzuteilen, die sie in Stand setzen, gleichmäßige Produkte hervorzubringen. (Daher denn auch vermutlich das Wort Genie von genius, dem eigentümlichen einem Menschen bei der Geburt mitgegebenen, schützenden und reitenden Geist, von dessen Eingebung jene originale Ideen herrührten, abgeleitet ist.) 4) Daß die Natur durch das Genie nicht der Wissenschaft, sondern der Kunst die Regel vorschreibe; und auch dieses nur, insofern diese letztere schöne Kunst sein soll.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • So viel von der schönen Vorstellung eines Gegenstandes, die eigentlich nur die Form der Darstellung eines Begriffs ist, durch welche dieser allgemein mitgeteilt wird.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Geist, in ästhetischer Bedeutung, heißt das belebende Prinzip im Gemüte. Dasjenige aber, wodurch dieses Prinzip die Seele belebt, der Stoff, den es dazu anwendet, ist das, was die Gemütskräfte zweckmäßig in Schwung versetzt, d. i. in ein solches Spiel, welches sich von selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Nun behaupte ich, dieses Prinzip sei nichts anders, als das Vermögen der Darstellung ästhetischer Ideen ; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgendein bestimmter Gedanke, d. i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann. – Man sieht leicht, daß sie das Gegenstück (Pendant) von einer Vernunftidee sei, welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vorstellung der Einbildungskraft) adäquat sein kann.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Mit einem Worte, die ästhetische Idee ist eine einem gegebenen Begriffe beigesellte Vorstellung der Einbildungskraft, welche mit einer solchen Mannigfaltigkeit der Teilvorstellungen in dem freien Gebrauche derselben verbunden ist, daß für sie kein Ausdruck, der einen bestimmten Begriff bezeichnet, gefunden werden kann, die also zu einem Begriffe viel Unnennbares hinzu denken läßt, dessen Gefühl die Erkenntnisvermögen belebt und mit der Sprache, als bloßem Buchstaben, Geist verbindet.
    Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
  • Die Welt-Konstruktion ist aufgebaut von dynamischen Kontrasten zentrifugaler-zentripetaler Kräfte. Die gesetzmässige Einheit der Welt beruht daher auf der strengen Organisiertheit von Bewegungs-Relationen der Weltkörper, wo ein jeder Teil im Verhältnis zu der Weltbewegung funktioniert. Konstruktivität der allseitigen Dynamik fügt die Körperteile der Welt zu einer dynamischen Welt-Konstruktion zusammen.
    Kemény, Alfréd: Das dynamische Prinzip der Welt-Konstruktion im Zusammenhange mit der funktionellen Bedeutung der konstruktiven Gestaltung, 1923 Zur Textstelle navigieren
  • Die Kunstrichtungen nach dem Kubismus: der Suprematismus und der Konstruktivismus betonten zum erstenmal in der bildenden Kunst die strenge Organisation der menschlichen Gestaltung: die Konstruktion als primär-produktives und nicht sekundär-reproduktives Mittel der schöpferischen Arbeit und zwar immer in Bezug auf die Funktionalität des Kunstwerkes und auf die innere Natur der verwendeten Materialien.
    Kemény, Alfréd: Das dynamische Prinzip der Welt-Konstruktion im Zusammenhange mit der funktionellen Bedeutung der konstruktiven Gestaltung, 1923 Zur Textstelle navigieren
  • Es beruht auf der Annahme, daß der Film im wesentlichen eine Erweiterung der Fotografie ist und daher mit diesem Medium eine ausgesprochene Affinität zur sichtbaren Welt um uns her gemeinsam hat. Filme sind sich selber treu, wenn sie physische Realität wiedergeben und enthüllen. Nun schließt diese Realität viele Phänomene ein, die wir kaum wahrnehmen würden, wenn die Filmkamera nicht die Fähigkeit besäße, sie sozusagen im Flug zu erfassen. Und da jedes Medium den Dingen besonders zugetan ist, die es allein darstellen kann, scheint das Kino vom Wunsch beseelt, vorübergleitendes materielles Leben festzuhalten, Leben in seiner vergänglichsten Form. Straßenmengen, unbeabsichtigte Gebärden und andere flüchtige Eindrücke sind seine Hauptnahrung. Bezeichnenderweise fanden die Zeitgenossen Lumières dessen Filme – die ersten, die je gemacht wurden – deshalb so bewundernswert, weil sie „das Zittern der vom Wind erregten Blätter“ zeigten.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Denn die Natur wird sich ihm nicht erschließen, wenn er sie nicht unter Aufgebot all seiner Sinneskräfte und seines ganzen Wesens in sich aufzunehmen sucht. Das formgebende Streben braucht also mit der realistischen Tendenz nicht in Konflikt zu geraten. Im Gegenteil, es mag sie verwirklichen und erfüllen – eine Wechselwirkung, deren sich die Realisten des 19. Jahrhunderts noch nicht bewußt sein konnten. Im Gegensatz zu Prousts Auffassung sieht der Fotograf die Dinge in und mit seiner „Seele“.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Die Eigenschaften des Films lassen sich in Grundeigenschaften und technische Eigenschaften einteilen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Seine Grundeigenschaften sind mit denen der Fotografie identisch. Filme sind, anders gesagt, in einzigartiger Weise dazu geeignet, physische Realität wiederzugeben und zu enthüllen, und streben ihr deshalb auch unabänderlich zu.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Nun gibt es verschiedene sichtbare Welten. Man denke zum Beispiel an eine Theateraufführung oder ein Gemälde: auch sie sind real und wahrnehmbar. Die einzige Realität aber, auf die es hier ankommt, ist die wirklich existierende, physische Realität – die vergängliche Welt, in der wir leben. (Physische Realität wird im folgenden auch „materielle Realität“ oder „physische Existenz“ oder „Wirklichkeit“ oder einfach „Natur“ genannt werden. Eine andere passende Bezeichnung mag „Kamera-Realität“ sein. Schließlich empfiehlt sich noch der Ausdruck „Leben“ – aus Gründen, die in Kapitel 4 hervortreten werden.) Die anderen sichtbaren Welten reichen in diese Welt hinein, ohne jedoch wirklich einen Teil von ihr zu bilden. Ein Theaterstück zum Beispiel suggeriert eine Welt für sich, die unverzüglich in sich zusammenfiele, würde man sie auf ihre reale Umwelt beziehen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Dies führt geradewegs in ein terminologisches Dilemma. Der Begriff „Kunst“ läßt sich seiner festgelegten Bedeutung halber nicht auf wirklich „filmische“ Filme anwenden – das heißt Filme, die sich Aspekte der physischen Realität einverleiben, um sie uns erfahren zu lassen. Dennoch sind sie es und nicht die an traditionelle Kunstwerke erinnernden Filme, die ästhetisch gültig sind. Wenn der Film überhaupt eine Kunst ist, dann eine solche, die nicht mit den bestehenden Künsten verwechselt werden sollte. Arnold Hauser gehört zu den wenigen, die das gesehen haben. In seiner Philosophie der Kunstgeschichte, S. 401, sagte er: „Der Film ist die einzige Kunst, die beträchtliche Stücke der Wirklichkeit unverändert bestehen läßt. Er interpretiert sie wohl, die Interpretation bleibt aber eine fotografische.“ Trotz dieser Einsicht scheint sich jedoch Hauser ihrer Konsequenzen für den Film nicht ganz bewußt zu sein. Es erscheint gerechtfertigt, diesen delikaten Begriff lose auch auf Filme wie nanook, paisa oder Panzerkreuzer potemkin anzuwenden, die von Kamera-Leben durchtränkt sind. Definiert man sie aber als Kunst, so muß man sich stets vergegenwärtigen, daß selbst der schöpferischste Filmregisseur weit weniger unabhängig vom naturgegebenen Rohmaterial ist als der Maler oder Dichter; daß sich sein Schöpfertum darin bekundet, daß er die Natur in sich eindringen läßt und sie durchdringt.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Infolge des Schwindens der Ideologie ist, ungeachtet aller Bemühungen um neue Synthesen, die Welt, in der wir leben, mit Trümmern übersät. Es gibt keine Ganzheiten in dieser Welt, viel eher gilt, daß sie aus Fetzen von Zufallsereignissen besteht, deren Abfolge an die Stelle sinnvoller Kontinuität tritt. Dementsprechend muß das individuelle Bewußtsein als ein Aggregat von Glaubenssplittern und allerlei Tätigkeiten aufgefaßt werden; und da es dem inneren Leben an Struktur gebricht, haben Impulse aus psychosomatischen Regionen die Möglichkeit, aufzusteigen und die Zwischenräume zu füllen. Fragmentarische Individuen spielen ihre Rollen in einer fragmentarischen Realität.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Die im modernen Roman porträtierte Welt erstreckt sich von sporadischen intellektuellen Vorstellungen bis herunter zu verstreuten materiellen Geschehnissen. Es ist ein seelisch-geistiges Kontinuum, das die physische Dimension der Realität umgreift, ohne sie jedoch gesondert darzustellen. Wenn wir uns aber der herrschenden Abstraktheit entledigen wollen, müssen wir vor allem diese materielle Dimension ins Auge fassen, die von der Wissenschaft erfolgreich vom Rest der Welt abgelöst worden ist. Denn wissenschaftliche und technologische Abstraktionen bedingen nachhaltig unser Denken; und sie alle verweisen uns auf physische Phänomene, während sie uns gleichzeitig von deren Qualitäten weglocken. Daher die Dringlichkeit, genau diese gegebenen und doch ungegebenen Phänomene in ihrer Konkretheit zu begreifen. Das wesentliche Material „ästhetischer Wahrnehmung“ ist die physische Welt mit all dem, was sie uns zu verstehen geben mag. Wir können nur dann darauf hoffen, der Realität nahezukommen, wenn wir ihre untersten Schichten durchdringen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Aber wie können wir Zugang zu dieser „Unterwelt“ finden? Eines ist sicher: die Aufgabe, mit ihr in Berührung zu treten, wird durch Fotografie und Film erleichtert, die beide das physisch Gegebene nicht nur isolieren, sondern in seiner Darstellung ihren Höhepunkt erreichen. Lewis Mumford betont mit Recht die einzigartige Eignung der Fotografie für eine angemessene Schilderung der „komplizierten, miteinander zusammenhängenden Aspekte unserer modernen Umwelt“ Mumford, Technics and Civilization, S. 340. Und wo die Fotografie aufhört, beginnt, weit umfassender, der Film. Als Produkte von Wissenschaft und Technik sind die beiden Medien unsere Zeitgenossen in jedem Sinn des Wortes; so ist es nicht zu verwundern, daß sie den Neigungen und Bedürfnissen entgegenkommen, die aus unserer Situation erwachsen. Wieder ist es Mumford, der das Kino zu einem dieser Bedürfnisse in Beziehung setzt
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Der macht Film sichtbar, was wir zuvor nicht gesehen haben oder vielleicht nicht einmal sehen konnten. Er hilft uns in wirksamer Weise, die materielle Welt mit ihren psycho-physischen Entsprechungen zu entdecken. Wir erwecken diese Welt buchstäblich aus ihrem Schlummer, ihrer potentiellen Nichtexistenz, indem wir sie mittels der Kamera zu erfahren suchen. Und wir sind imstande, sie zu erfahren, weil wir fragmentarisch sind. Das Kino kann als ein Medium definiert werden, das besonders dazu befähigt ist, die Errettung physischer Realität zu fördern. Seine Bilder gestatten uns zum ersten Mal, die Objekte und Geschehnisse, die den Fluß des materiellen Lebens ausmachen, mit uns fortzutragen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Doch um uns die physische Realität erfahren zu lassen, müssen Filme wirklich zeigen, was sie zeigen. Diese Anforderung ist so wenig selbstverständlich, daß sie die Frage nach der Beziehung des Mediums zu den traditionellen Künsten aufwirft.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Strenggenommen stellen Malerei, Literatur, Theater usw., soweit sie Natur überhaupt einbeziehen, diese gar nicht dar. Sie benutzen sie vielmehr als Rohmaterial für Werke, die den Anspruch auf Autonomie stellen. Im Kunstwerk bleibt vom Rohmaterial selbst nichts übrig; oder genauer gesagt, alles, was davon übrigbleibt, ist so geformt, daß es die Intentio nen des Kunstwerks erfüllen hilft. In gewissem Sinne verschwindet das realistische Material in den Intentionen des Künstlers. Seine schöpferische Fantasie mag sich zwar an realen Gegenständen und Ereignissen entzünden, aber anstatt sie in ihrem amorphen Zustand zu bewahren, gestaltet er sie spontan im Einklang mit den Formen und Vorstellungen, die sie in ihm wachrufen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Das unterscheidet den traditionellen Künstler, sei er Maler oder Dichter, vom Filmregisseur; ungleich diesem würde er aufhören, Künstler zu sein, wenn er Leben im Rohzustand, wie es von der Kamera wiedergegeben wird, seinem Werk einverleibte. Wie realistisch er auch sein mag, er überwältigt eher die Realität, als daß er sie registriert. Und da es ihm freisteht, seinen formgebenden Tendenzen zu folgen, kann sich sein Werk zu einem sinnvollen Ganzen entwickeln. Deshalb bestimmt die Bedeutung eines Kunstwerks die seiner Elemente; oder umgekehrt, seine Elemente haben Bedeutung insoweit, als sie zur Wahrheit oder Schönheit beitragen, die dem Werk als Ganzem innewohnt. Ihre Funktion ist nicht, die Realität widerzuspiegeln, sondern eine Vision von ihr zu vergegenwärtigen.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Filme dieser Art durchdringen nicht die materiellen Phänomene, die sie verwenden, sondern sie exploitieren sie; sie verwenden sie nicht in deren eigenem Interesse, sondern in der Absicht, ein sinnvolles Ganzes zu etablieren; und indem sie irgendein solches Ganzes herausstellen, verweisen sie uns von der materiellen Dimension zurück auf die der Ideologie. Kunst im Film ist reaktionär, weil sie Ganzheit symbolisiert und derart die Fortexistenz von Glaubensinhalten vorspiegelt, welche die physische Realität sowohl anrufen wie zudecken.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Aber wenn Filme, die wirklich zeigen, was sie zeigen, Kunst sind, dann sind sie Kunst von anderer Art. Film ist, zusammen mit Fotografie, tatsächlich die einzige Kunstart, die ihr Rohmaterial zur Schau stellt.
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Diese großen in der Seele erregten Wellen treiben Vorstellungen und Urteile über den Sinn der von uns konkret erfahrenen Dinge ans Ufer. Filme, die unseren Wunsch nach solchen Propositionen befriedigen, können sehr wohl in die Dimension der Ideologie hineinreichen. Doch wenn sie dem Medium gemäß sind, werden sie nicht von einer vorgefaßten Idee zur materiellen Welt herabsteigen, um diese Idee zu erhärten; umgekehrt, sie beginnen damit, physische Gegebenheiten auszukundschaften, und arbeiten sich dann in der von ihnen gewiesenen Richtung nach oben, zu irgendeinem Problem oder Glauben hin. Das Kino ist materialistisch gesinnt; es bewegt sich von „unten“ nach „oben“. Die Bedeutung seines natürlichen Hangs für eine Bewegung in dieser Richtung kann kaum überschätzt werden. Auf ihn führt Erwin Panofsky, der große Kunsthistoriker, den Unterschied zwischen Film und traditioneller Kunst zurück: „Die Verfahrensweisen aller früheren repräsentativen Kunstgattungen entsprechen zu einem höheren oder geringeren Grade einer idealistischen Konzeption der Welt. Diese Künste operieren sozusagen von oben nach unten, nicht von unten nach oben; sie beginnen mit einer Idee, die in formlose Materie projiziert wird, und nicht mit den Objekten, aus denen die physische Welt besteht... Das Kino, und nur das Kino, wird jener materialistischen Interpretation des Universums gerecht, die, ob wir es nun mögen oder nicht, die heutige Zivilisation durchdringt.“
    Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • In unserm Verhältnis zu den Dingen, das konstituiert ist durch die Bahn des Sehens und geordnet nach den Figuren der Vorstellung, gleichet, läuft und überträgt sich von Stufe zu Stufe etwas, das jedoch immer bis zu einem gewissen Grad umgangen wird – es ist das, was Blick heißt.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Um Ihnen dafür ein Gefühl zu geben, gibt es mehr als einen Weg. Soll ich Ihnen, gleichsam an seinem Extrem, den Blick veranschaulichen in einem jener Rätsel, wie sie uns von der Natur aufgegeben werden? Ich meine nichts Geringeres als die Erscheinung des sogenannten mimétisme ∫ der Mimikry.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Die Kunst vermischt sich hier mit der Wissenschaft. Leonardo da Vinci ist in seinen dioptrischen Konstruktionen Wissenschaftler und Künstler zugleich. Vitruvs Abhandlung über die Architektur ist nicht weit entfernt. Bei Vignola und Alberti finden wir eine weiterführende Untersuchung der geometralen Gesetze der Perspektive. Um solche Untersuchungen zur Perspektive bildet sich ein besonderes Interesse am Bereich des Sehens heraus – dessen Beziehung zur Einrichtung des cartesischen Subjekts, das selbst eine Art Geometralpunkt, Perspektivpunkt darstellt, nicht zu übersehen ist. An dieser geometralen Perspek tive bildet sich dann das Tafelbild ∫ le tableau – diese so wichtige Funktion, von der wir noch sprechen werden – heraus, auf eine Art und Weise, die in der Geschichte der Malerei ein absolutes Novum darstellt.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Denken Sie, bitte, an Diderot. Sein Brief über die Blinden zum Gebrauch der Sehenden wird Sie empfänglich machen für die Tatsache, daß dieser Konstruktion völlig entgeht, was es eigentlich mit dem Sehen auf sich hat. Der geometrale Raum des Sehens – selbst die imaginären Bezirke im virtuellen Raum des Spiegels, auf die es mir sehr ankommt, wie Sie wissen – läßt sich von einem Blinden vollkommen rekonstruieren, imaginieren.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Es soll in drei Termen an die Optik erinnern, die zur Anwendung kommt bei der operativen Montage, bei der es um eine umgekehrte Anwendung der Perspektive geht, wie dies vorherrschend wurde in der Technik der Malerei namentlich vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an über das sechzehnte bis ins siebzehnte Jahrhundert. Wie die Anamorphose zeigt, geht es in der Malerei nicht um eine realistische Wiedergabe der Dinge im Raum – was überhaupt eine Ausdrucksweise ist, bei der die größten Vorbehalte anzumelden wären.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Darüber hinaus zeigt das kleine Schema, daß das Eigentliche des Sehens einer bestimmten Optik entgehen muß. Diese Optik steht auch den Blinden zu Gebot. Sie erinnern sich, daß ich Sie auf Diderots Brief verwiesen habe, der zeigt, wie gut auch der Blinde von allem, was das Sehen vom Raum wiedergibt, sich Rechenschaft zu geben, wie gut er diesen Raum zu rekonstruieren, sich bildhaft vorzustellen, davon zu sprechen vermag. Aufgrund dieser Möglichkeit konstruiert Diderot laufend einen Doppelsinn mit metaphysischen Untertönen, und diese Ambiguität macht seinen Text lebendig und gibt ihm seine Schärfe. Uns hingegen zeigt die geometrale Dimension, wie sehr das Subjekt, dem unser Interesse gilt, im Feld des Sehens erfaßt, gefangen und gesteuert ist.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Ich nehme hier die Struktur auf der Ebene des Subjekts, diese spiegelt aber nur, was bereits im natürlichen Verhältnis von Auge und Licht vorhanden ist. Ich bin nicht einfach jenes punktförmige Wesen, das man an jenem geometralen Punkt festmachen könnte, von dem aus die Perspektive verlaufen soll. Zwar zeichnet sich in der Tiefe meines Auges das Bild ∫ tableau. Das Bild ist sicher in meinem Auge. Aber ich, ich bin im Tableau.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Das Korrelat zum Tableau, das am selben Ort zu situieren wäre wie dieses, also draußen, wäre der Blick-Punkt ∫ le point de regard. Die Vermittlung beider, also das, was zwischen beiden ist, ist anderer Natur als der geometrale Raum der Optik, es spielt exakt die umgekehrte Rolle, da es nicht durchlässig, traversierbar ist, sondern ganz im Gegenteil opak – es ist der Schirm ∫ écran.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Offenbar nicht ohne Grund haben wir die Funktion, in der das Subjekt als solches sich abzeichnet, Tableau genannt. Wenn nun ein menschliches Subjekt ein Bild malen möchte, also dieses Etwas ins Werk setzt, in dessen Mittelpunkt der Blick steht, worum geht es dann? Im Bild will der Künstler, wie manche sagen, Subjekt sein. Die Malkunst unterschiede sich demnach von allen andern Künsten dadurch, daß der Künstler in seinem Werk sich uns als Subjekt, als Blick nahebringen möchte. Dagegen sagen andere, man müsse vielmehr die Objektseite eines Kunstwerks in Rechnung stellen. Etwas mehr oder minder Richtiges kommt in beiden Auffassungen zum Ausdruck, worum es aber eigentlich geht, ist damit keineswegs erschöpfend beantwortet.
    Lacan, Jacques: Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1973 Zur Textstelle navigieren
  • Es ist kein unbedingt neuer, zumeist auf Wittgenstein zurückgeführter Gedanke, die Frage zu stellen, wie die Welt sich selber beobachten könne. Die Formulierung mag neu sein, aber die Vorstellung, daß die Welt zu ihrer eigenen Perfektion eines Zuschauers bedürfe, ist altes christliches Gedankengut. Mit dem Zurücktreten der religiösen Weltsetzung, mit dem Fraglichwerden der Beobachtung des Weltbeobachters Gott, kommt es zu der Frage: wer denn sonst? und wie denn sonst? Es meldet sich das Subjekt, zuweilen unter dem Pseudonym „Geist“. Auch die Kunst sieht seit der Romantik hier ihre Chance. Andere Möglichkeiten, vor allem solche der Physik, werden zunächst abgewiesen. „Wenn man“, schreibt August Wilhelm Schlegel, „sich aber die gesamte Natur als ein selbstbewußtes Wesen denkt, wie würde man die Zumutung an sie finden: sich selbst vermittels der Experimentalphysik zu stu dieren?“ Die Kunstlehre a.a.O., S. 49. „Blindes Tappen“, meint der Autor. Im 20. Jahrhundert würde man dem nicht mehr ohne weiteres folgen. Eher umgekehrt scheint die Selbstbeobachtung der Welt primär zur Angelegenheit der Physik geworden zu sein, die in Rechnung zu stellen hat, daß und wie ihre eigenen Instrumente, die lebenden Physiker eingeschlossen, physikalisch funktionieren, um der Welt ihre Selbstbeobachtung auf eine sie zugleich irritierende (und deshalb reflexionsbedürftige) Weise zu ermöglichen. Kann „Poesie“ da noch konkurrieren? Oder gerät nicht auch sie, und gerade sie, unter Reflexionsdruck, wenn das Problem der Selbstbeobachtung der Welt so generell gestellt wird?
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Auch die Form dieser Reflexion hat sich – in der Mathematik und in der Physik, in der Biologie und in der Soziologie – der Radikalität der Problemstellung angepaßt. Es geht immer um ein Problem der Beobachtung zweiter Ordnung – immer darum, zu beobachten, wie die Welt sich selber beobachtet, wie aus einem unmarked space ein marked space entsteht, wie etwas unsichtbar wird, wenn etwas sichtbar wird. Und aus der Allgemeinheit der Fragestellung zieht man speziell für die Kunst dann den Vorteil, genauer fragen zu können, was denn ihr spezieller Beitrag zur Auflösung dieser Paradoxie des unsichtbarmachenden Sichtbarmachens ist.
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Deshalb kann Kunst in dieser Sichtweise nicht mehr als Imitation von etwas auch vorhandenem Anderen begriffen werden, obwohl die Kunstwerke selbst mitsamt den Künstlern und den Betrachtern in der Welt zu finden und zu bezeichnen sind. Wenn Nachahmung, dann jetzt Nachahmung der Unsichtbarkeit der Welt, der als Ganzes nicht darstellbaren Natur durch Verstärkung ihrer Krümmungen, durch „Schönheitslinien“. So Karl Philipp Moritz, Schriften zur Ästhetik und Poetik, Tübingen 1962, insb. S. 92, 151 ff. Kunst leistet eine Aktivierung von Unterscheidungen, die jeweils „konnexionistisch“ operieren und dadurch die Einheit der je weils beobachtungsleitenden Unterscheidung verdecken.
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Aber in dem Maße, in dem sich in der neuzeitlichen Gesellschaft das Beobachten zweiter Ordnung in allen Funktionssystemen ausbreitet und die Gesellschaft selbst keinen Gegenhalt mehr bietet, muß der Weltbegriff verändert werden, muß die Welt, etwa im Sinne der Metapher Husserls, als ein Horizont begriffen werden, der sich mit allen Operationen verschiebt, ohne je erreichbar zu sein oder gar etwas außerhalb der Welt Befindliches in Aussicht zu stellen.
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Zu den Konsequenzen dieser Weltwende gehört, daß die „Eigenwerte“ sich ändern, die im rekursiven Operieren, hier also im Beobachten des Beobachtens, Stabilität erreichen. Sie nehmen, was die Welt betrifft, die Modalform der Kontingenz an.
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Ungeachtet aller Unterschiede der konkreten Materialisationen, ungeachtet aller Unterschiede der Wahrnehmungsmedien und damit: der Kunstarten liegt etwas Gemeinsames im Aufbau neuer Medium/Formverhältnisse, die auf das Beobachtetwerden zielen und nur verständlich werden, wenn man das versteht. Die Einheit der Kunst besteht in dieser Produktion für Beobachtung, in dieser Beobachtung für Beobachtung, und ihr Medium besteht in den Freiheitsgraden für Medien/Form-Verhältnisse, die damit geschaffen sind.
    Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, 1995 Zur Textstelle navigieren
  • Mit einer zunächst sehr unscharf angesetzten Beschreibung sehen wir die Funktion der Kunst in der Konfrontierung der (jedermann geläufigen) Realität mit einer anderen Version derselben Realität. Die Kunst läßt die Welt in der Welt erscheinen, und wir werden noch sehen, daß dies mit Hilfe der Ausdifferenzierung der Differenz von Form und Kontext, also mit Hilfe einer kunstimmanenten Unterscheidung geschieht. Darin liegt ein Hinweis auf die Kontingenz der normalen Realitätssicht, ein Hinweis darauf, daß sie auch anders möglich ist. Schöner zum Beispiel. Oder weniger zufallsreich. Oder mit noch verborgenem Sinn durchsetzt. Dieser Hinweis wird mit eigenen artistischen Mitteln gegen die Normalsicht durchgesetzt.
    Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
  • Im Ergebnis erscheint die Funktion von Kunst dann schließlich in der Herstellung von Weltkontingenz selbst zu liegen. Die festsitzende Alltagsversion wird als auflösbar erwiesen; sie wird zu einer polykontexturalen, auch anders lesbaren Wirklichkeit – einerseits degradiert, aber gerade dadurch auch aufgewertet.
    Luhmann, Niklas: Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst, 1984 Zur Textstelle navigieren
  • Ein Gemälde nach der mehr oder minder großen Wirklichkeitstreue seiner Elemente zu beurteilen, ist von Grund aus verfehlt. Wie ein Wortkunstwerk oder eine musikalische Komposition muß ein Gemälde seinen eigentlichen Wert in sich selber haben.
    Léger, Fernand: Ein neuer Realismus: Die reine Farbe und das Objekt, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Die Wirklichkeit ist von unendlicher Vielfalt. Was heißt denn überhaupt „Wirklichkeit“, „Realität“? Wo beginnt und wo endet sie? Wieviel Wirklichkeit soll ein gutes Gemälde enthalten? Unmöglich, auf solche Fragen eine Antwort zu finden.
    Léger, Fernand: Ein neuer Realismus: Die reine Farbe und das Objekt, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Nehmen wir nochmals ein Beispiel zur Erhellung unseres „Wirklichkeitsproblems“: Ich photographiere so scharf wie nur möglich den klar beleuchteten Fingernagel einer modernen Frau. Dieser gepflegte Fingernagel ist „aufgewertet“ wie ihr Auge oder ihr Mund. Er ist ein eigenständiges Objekt.
    Léger, Fernand: Ein neuer Realismus: Die reine Farbe und das Objekt, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Zeige ich diesen Fingernagel nun hundertfach vergrößert herum und sage, es handle sich um den Ausschnitt eines Planeten oder um eine abstrakte Form, wird man, da man mir‘s glaubt, erstaunt und begeistert sein. Gesteh‘ ich dann aber, daß es nichts anderes als der Nagel des kleinen Fingers meiner eigenen Frau ist, wird der Betrachter vermutlich verärgert, aber sich auch von der intelligenten Frage: Was stellt das dar? endgültig geheilt sein.
    Léger, Fernand: Ein neuer Realismus: Die reine Farbe und das Objekt, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Diese Frage ist sinnlos. Das Schöne kann überall sein, in Dingen und Gegenstandsfragmenten genauso wie in frei erfundenen Formen. Wer sehen will, ob etwas schön ist, hat nicht seinen Verstand und seine Logik, sondern allein sein Empfindungsvermögen zu fragen. Dieses gilt es daher zu entwickeln.
    Léger, Fernand: Ein neuer Realismus: Die reine Farbe und das Objekt, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Käme der Nachbildung eines Gegenstandes im Bereich der Malerei irgendein Eigenwert zu, besäße das Bild des erstbesten Malers, das etwas wiedergibt, über diese „photographische“ Qualität hinaus auch noch Kunstwert. Es dürfte wohl überflüssig sein, die Unhaltbarkeit einer solchen Behauptung ausführlich darzulegen. Ich beschränke mich daher auf die schon mehrfach gemachte, aber nie genug wiederholte Feststellung, daß der Realismus oder realistische Wert eines Werkes nicht im geringsten von der Qualität, die das Bild als Nachahmung oder Wiedergabe eines Objektes besitzt, abhängig gemacht werden kann.
    Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Diese Binsenwahrheit muß wie ein Dogma akzeptiert und als Axiom für das allgemeine Verständnis der Malerei anerkannt werden. Dabei gebrauche ich absichtlich das Wort „realistisch“, und zwar in seinem ursprünglichsten Sinn, denn die Qualität eines Gemäldes steht in direktem Verhältnis zu seinem Gehalt an wirklichem Realismus.
    Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Hätte ich dennoch eine Definition zu wagen, würde ich sagen, so wie ich ihn verstehe sei Realismus in der Malerei die simultane Zusammenordnung der drei bildgestaltenden Grundelemente Linie, Form und Farbe. Kein Werk, in welchem eine dieser drei Komponenten zugunsten der beiden anderen aufgegeben wird, kann Anspruch auf wirkliche Klassik, das heißt auf Bestand über die Epoche seiner Entstehung hinaus, erheben.
    Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Nachdem sich die Ausdrucksmittel vervielfacht haben, muß sich die bildende Kunst folgerichtig auf ihr eigentliches Ziel, den konzeptionellen Realismus, beschränken, der erstmals bei Manet in Erscheinung tritt, sich in den Werken der Impressionisten und des Meisters von Aix entwickelt und von den heutigen Malern überall zum Sieg geführt wird.
    Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Die Malerei gewinnt damit an Realismus. Ihr modernes Konzept besteht also nicht in einer lediglich vorübergehend gültigen, nur ein paar Eingeweihten zugänglichen Abstraktion, sondern ist der umfassende Ausdruck einer neuen Generation, deren Müssen und Wollen es vollständig entspricht.
    Léger, Fernand: Was stellt das dar?, 1913 Zur Textstelle navigieren
  • Jede Epoche der Kunst hat ihren Realismus. Sie schafft sich ihn in mehr oder minder starker Abhängigkeit von den vorhergehenden Epochen, deren Stil sie bisweilen ablehnt, bisweilen fortführt.
    Léger, Fernand: Der neue Realismus nimmt seinen Lauf, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Der Realismus der primitiven Meister ist nicht jener der Renaissance, und der eines Delacroix befindet sich in offenem Gegensatz zu dem eines Ingres.
    Léger, Fernand: Der neue Realismus nimmt seinen Lauf, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Unmöglich, das Wie und Warum dieses jedem erkennbaren Sachverhaltes zu erklären. Die Gründe lassen sich nur erahnen. Wollte man sie logisch explizieren, würde man alles erst recht durcheinanderbringen. Sicher ist jedenfalls, daß es keine Epoche gibt, deren Schönheitsideal normativ sein kann und als höhere Schönheit angesprochen werden darf, an der sich das Schaffen anderer Zeiten bewerten, bemessen, vergleichen ließe. Dem schöpferisch tätigen Künstler, der an seiner Arbeit zu zweifeln beginnt, ist es grundsätzlich versagt, sich in der Vergangenheit helfende Normen zu suchen. Er hat seinen Weg zu gehen und zu wissen, das [sic] er im Letzten allein bleibt. Jeder, dessen Schicksal es ist, erfinden, erschaffen und gestalten zu müssen, leidet ein Leben lang unter diesem Fluch. Der große Fehler der Schulen lag und liegt darin, daß sie immer wieder versuchen, eine Werthierarchie zu errichten und eine bestimmte Epoche, zum Beispiel die italienische Renaissance, zur absoluten Norm zu erheben – was völlig unhaltbar ist.
    Léger, Fernand: Der neue Realismus nimmt seinen Lauf, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn die verschiedenen Realismen sich voneinander unterscheiden, so deshalb, weil der Künstler immer in seiner Zeit, in seiner neuen Umwelt und in einem bestimmten Ideenkreis lebt, der sein Denken beeinflußt und prägt.
    Léger, Fernand: Der neue Realismus nimmt seinen Lauf, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Seit einem halben Jahrhundert jagen sich die umwälzenden naturwissenschaftlichen, philosophischen und sozialen Neuerungen, deren Wert außer Frage steht, und es scheint mir, gerade die Geschwindigkeit dieser Zeit habe den Durchbruch und die Gestaltung des neuen, von den vorangegangenen bildnerischen Vorstellungen stark abweichenden Realismus ermöglicht.
    Léger, Fernand: Der neue Realismus nimmt seinen Lauf, 1936 Zur Textstelle navigieren
  • Der Mensch sucht gültige Antworten auf alle Fragen, die auf ihn einstürmen. Seine Gedanken sind dabei vorwiegend auf das Nützlich-Praktische gerichtet, welchen Problemen er sich auch gegenübergestellt sehen mag.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Für ihn ist eine Antwort immer erst dann gültig, wenn er aus ihr einen Nutzen für das praktische Leben ziehen kann, wenn durch zweckmäßige Handlungen praktische Gegenstände für den täglinchen [sic] Gebrauch entstehen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Jede Unternehmung versucht der Mensch so zu lenken, daß sie ein praktisches Ergebnis zeitigt und ihn dem Ziel, sein Wohlergehen zu steigern, näher bringt.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Nun hat aber jeder Mensch eine andere Vorstellung von dem zu erstrebenden Ziel und sucht seinen eigenen Weg, auf dem er es zu erreichen hofft.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der Mensch hat einen guten Lehrmeister – die Natur, das heißt jene ursprüngliche Echtheit, die ihre weder sinn- noch zweckgenbundene [sic] Arbeit verrichtet und sich uns ohne Ziel und Sinn offenbart. Wir aber geheimnissen in sie eine sinnvolle, zweckgebundene gegenständliche Welt hinein, erfinden eine sinnvolle Theorie von der Entstehung der Arten und behaupten, daß diese Theorie, als wissenschaftlich exaktes Wissen der Ursachen und Wirkungen, die Wirklichkeit sei.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Nur die Kunst strebt nach Monumentalität, erzeugt Gewicht, macht Leichtes schwer, strebt zur Statik, zum nicht-zerstörbaren Zustand. Im Gegensatz zur Religion und zur technischen Wissenschaft sammelt sie bewußt Gewicht im Monument. In dieser Beziehung steht der Künstler in Widerspruch zum Ingenieur. Das Denken des Ingenieurs richtet sich immer auf die zukünftige Vollkommenheit, die Aufhebung der Schwerkraft und die Abänderung der gestrigen Gewichtsverteilungen, und schafft immer wieder neue Ordnungen der Verteilung.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Alle drei ‚Wahrheiten‘ haben Gegenstände ihres Fortschritts, des praktischen Realismus zum Ziel. So steht vor der Religion als Gegenstand des Heils – Gott, als Grenze des praktischen Realismus geistiger Ordnung, vor der Kunst – die Schönheit, vor der Wissenschaft – die Erkenntnis. Die gegenstandslose Wahrheit wird in ihnen verwandelt in ein gegenständliches Ganzes, das erreicht und bewältigt werden muß. Wird das Erreichte nützlich sein?
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Das ganze Weltall bewegt sich im Wirbel gegenstandsloser Erregung. Auch der Mensch mit seiner ganzen gegenständlichen Welt bewegt sich in der Unendlichkeit des Gegenstandslosen, und auch alle seine Dinge sind im Grunde gegenstandslos, da sie ja im Endergebnis das Ziel nie erreichen. Daraus ist zu folgern, daß die praktische ‚Realität‘ der Dinge nicht wirklich ist. In dem Maße, in dem der Mensch die Welt als eine gegenständliche, greifbare Sache betrachtet, kann er sich ihrer als Gegenstandslosigkeit, als absoluter Aufhebung der Schwere, auch nicht bewußt werden.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der Kunst ist dies inzwischen gelungen, allerdings noch nicht im umfassenden Sinn, sondern im ästhetischen. Die ästhetische Gegenstandslosigkeit blieb vorerst noch an den Gegenstand gebunden. Um zur vollkommenen Gegenstandslosigkeit zu gelangen, mußte dieser Umstand überwunden werden. Die vollkommene Gegenstandslosigkeit führt aus dem Bereich der bisherigen Kunst heraus, weil diese ja nur dazu gedient hatte, den gegenstandslosen Ästhetizismus mit dem Gegenstand zu verbinden. Als es den Malern gelang, sich vom Gegenstand zu befreien, wurde für sie das, was bisher als ‚Kunst‘ galt, überflüssig. Es ist wahrscheinlich, daß es in der Natur keine ‚Kunst‘ gibt, da sie keine Gegenstände nach irgendwelchen ästhetischen Grundsätzen nachbildet. Aber auch ohne jede Gegenständlichkeit besteht die Natur weiter. Die Menschen versuchen in ihr ein weises Walten zu erkennen, es ist aber anzunehmen, daß es in der Natur überhaupt keine Weisheit im menschlichen Sinne gibt, die nichts weiter ist, als Überlegungen, Urteile und Schlußfolgerungen, die der Mensch über die unfaßbare Natur anstellt.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die Natur strebt nichts an, erkennt nichts, weil es in ihr nichts gibt, was sie erkennen könnte; sie kennt kein Ziel, keinen Sinn, keine Nützlichkeitserwägungen. Man könnte sogar sagen, daß es in der Natur kein Leben gibt, sofern man unter ‚Leben‘ die praktischen Äußerungen im Sinne des Menschen versteht.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Für die Allgemeinheit gilt als reale ‚Wahrheit‘ einfach das Wahrnehmbare. Für die Wissenschaft gibt es diese Realität nicht ohne weiteres, jedoch auch sie ist bei ihren Forschungen auf das Wahrnehmbare angewiesen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Für den Maler bedeutet Realität etwas ganz anderes als für die Wissenschaft und die Allgemeinheit. Für diese beiden liegt Realität im Lebendigen. Für den Maler liegt der Fall umgekehrt: Für ihn ist die lebendige Realität nicht in der Natur, sondern auf seiner Bildfläche, das heißt, sobald das Darzustellende alle wirkliche Natur verloren hat, – Gewicht, Beweglichkeit, Zeit, Raum.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der Mensch hat, ob bewußt oder unbewußt, die schwerste aller Arbeiten auf sich genommen: Die Naturgewalten zu erkennen und zu organisieren. Durch Beherrschung der Naturgewalten will er seine Kultur vor Katastrophen bewahren, das heißt, er will sich gegen elementare Erregungen schützen. Darum besteht seine ganze Kultur aus mancherlei Dingen und Geräten, mit denen er mögliche schädigende Wirkungen der Naturgewalten abwehren will. Es entstehen alle möglichen Erfindungen gegenständlich-praktischer Ordnung zur Fesselung und Nutzbarmachung der Naturgewalten. Die gegenständlich-praktische Kultur organisiert, fesselt, macht nutzbar oder unschädlich. Naturgewalten werden zum Kampf gegen Natur gewalten organisiert.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der erste Teil ist bei den gegenständlichen Wertunterschieden des praktischen Realismus stehengeblieben, der andere ist auf den gegenstandslosen Weg des weißen Suprematismus hinausgetreten und ist damit zum eigentlichen Wesen der Kunst vorgestoßen. Ich glaube, daß dieser Vorstoß der Kunst auch die übrige menschliche Gesellschaft zu der Erkenntnis führen wird, daß auch ihr eigentliches Wesen die weiße gegenstandslose Gleichheit ist.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der Suprematismus, als gegenstandslose, weiße Gleichheit, ist meiner Ansicht nach das Ziel, auf das alle Bemühungen des praktischen Realismus gerichtet sein müßten, denn in ihm liegt das Wesentliche, das der Mensch sucht.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Der Mensch kann gar nicht wissen, was für die Natur ‚künstlerisch‘, ‚ästhetisch‘ oder ‚ethisch‘ ist. Alle diese Begriffe gibt es in der Natur nicht, es sind rein menschliche Begriffe, die keineswegs Gesetze für alle und alles sein können.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Es fragt sich aber, ob es im Leben oder in der Natur eine Kunst der Darstellung oder Abbildung überhaupt gibt.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Eine Kunst dieser Art kann es gar nicht geben. Bei ihr handelt es sich nur um eine gewisse Meisterschaft in der Nachbildung von Erscheinungen und Handlungen. Eine solche Meisterschaft gibt es in der Natur nicht, sie bildet nichts nach.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die Neue Kunst hat den Grundsatz in den Vordergrund gestellt, daß Kunst nur sich selbst zum Inhalt haben kann. So finden wir denn in ihr nicht die Idee von irgendetwas, sondern nur die Idee von der Kunst selbst, ihren Selbstinhalt.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Maler bauen ihre Werke auf der Geometrie der Natur auf. Sie waren daher abhängig von den Naturformen und fanden ein bestimmtes Höchstmaß der Harmonie zwischen dem Maler und der Natur. In der Folge ergab es sich, daß der malerische Zustand der Natur unveränderlich ist, daß ihr Klang also nur in der Geometrie hegt. Die Werke der Malerei aber zeigen, daß sich in ihnen die Geometrie der Natur verändert. Man kann annehmen, daß sich hierbei nur die Beziehungen zwischen dem Maler und der Natur verändern und zwar nur vom Künstler her. Die Natur bleibt unverändert. Veränderungen ergeben sich nur durch die unterschiedliche Reaktion eines Künstlers auf die Einwirkungen der Natur.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Diese Vortäuschungen sind es, die die Allgemeinheit dann in der Kunst als ‚Schönheit‘ ansieht. Die Allgemeinheit erkennt die Schönheit also nicht in Wirklichkeit, sondern nur in der vorgetäuschten Realisierung durch die Kunst.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Ähnlich ist es in der Wissenschaft, die ihre Wahrheiten in vereinbarten Zahlen und Zeichen, niemals aber in Wirklichkeit sieht. Ähnlich ist es auch in der gegenständlichen Kunst: Die Schönheit ist nur im Kunstwerk, also einer vorgetäuschten Wirklichkeit, nicht aber in der Natur. Das kommt vielleicht daher, daß wir die Natur nur in ihren äußeren Erscheinungen zu erfassen vermögen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • In der Gegenstandslosigkeit ist die innere Erregung frei von allen Vorbildern des praktischen, gegenständlichen Realismus. Die Gegenstandslosigkeit beschäftigt sich nur mit der Wirklichkeit und befreit den Maler von allen gegenständlich-praktischen Vorbildern. Das Schaffen des gegenstandslosen Künstlers ist elementar. Er spürt, daß er vollkommen unabhängig, daß sein Wille frei wird, richtiger: Daß er frei von jedem ‚Wollen‘ wird. Er kennt kein wollendes ‚Ich‘ außerhalb aller anderen Erscheinungen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die Natur, deren Wirklichkeit jenseits des Verstandes liegt, ist ungegenständlich, und wenn es dem Menschen gelänge, über den Bereich des Erdballes hinauszugelangen und in der Finsternis die endlosen Abgründe zu empfinden, wo in wirbelnder Rotation sich Nebel, Sonnen und Planeten bewegen, dann würde er erkennen, in welchem Unverstand er sich befindet.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die Erfahrung der Malerei beweist, daß alles, was in der Vorstellung entsteht, nicht in der Bildfläche existiert, daß es in ihr keine Formen, keine Zeit, keinen Raum und keine Kräfteverschiebungen gibt. Dafür bestehen aber in ihr Wirkungen, die außerhalb jeder gegenständlichen Realität liegen. Solche Wirkungen nenne ich ‚Erregung‘, ein Zustand der weder meß- noch wägbar ist. Eine Erforschung, die zu einer wirklichen Erkenntnis führt, kann nur an einem Forschungsobjekt durchgeführt werden, das absolut abgrenzbar ist.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Gegen die fiktive, vorgetäuschte Wirklichkeit ist als erste die Kunst aufgestanden und hat mit ihren Werken das Trügerische aller Vorstellungen bewiesen: Auf der Malfläche war nicht ein einziger Gegenstand körperlich festzustellen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • In der Malerei sehe ich den bisher einzigen Versuch, das einzige wahre Experiment, das die Fiktivität aller Vorstellungen von der verborgenen Wahrheit beweist
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Ich verstehe unter einem Gedanken einen Zustand ununterbrochner Summierung von Vorstellungen, die durch erkennbare oder verborgene Ursachen hervorgerufen werden.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn meine Definition richtig sein sollte, so ist die Gesamtheit der Natur – Gedanke und die Erscheinungen – die Formen der erkannten, im Gedanken vorgestellten Ursachen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Dann ist in der Natur Verstand und Gedanke als leitendes, lenkendes Prinzip, in dem nichts sein kann, was man als ‚Materie‘ bezeichnen könnte. Daraus aber würde sich ergeben, daß die Natur eine Summierung von Gedanken ist und jede Summierung in ihr ein Gedanke.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die Natur ist allumfassend, das Umfaßte kann sich aber gegenseitig nicht erkennen und strebt daher zu einer Ganzheit, um sich in ihr zu erkennen.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Vor dem Menschen steht die Welt als unverrückbare Tatsache der Wirklichkeit wie eine unerschütterliche Realität. Jedoch können aus dieser unerschütterlichen Realität nicht zwei Menschen zu einer übereinstimmenden Auffassung von der Wirklichkeit kommen. Wieviele Menschen auch in diese ‚Realität‘ eindringen mögen, jeder wird eine andere Vorstellung von der Wirklichkeit mitbringen. Der eine und der andere wird vielleicht überhaupt nichts mitbringen, weil er nichts Wirkliches und Reales erblicken konnte. Doch ungeachtet dessen, werden alle ihre Meinungen mitbringen und werden diese Meinungen zur ‚Wirklichkeit‘ erklären, womit bewiesen wäre, daß es kein Objekt gibt, das man als ‚ Wirklichkeit ‘ bezeichnen könnte.
    Malewitsch, Kasimir S.: Suprematismus. Die gegenstandslose Welt, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Die gesamte bisherige und heutige Malerei vor dem Suprematismus, die Skulptur, das Wort und die Musik, waren Sklaven der Naturformen; sie warten auf ihre Befreiung, um ihre eigene Sprache sprechen zu können und nicht mehr abhängig zu sein vom Verstand, vom Sinn, von der Logik, Philosophie, Psychologie und von verschiedenen Gesetzen der Ursächlichkeit sowie der technischen Veränderung des Lebens.
    Malewitsch, Kasimir S.: Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung, 1916 Zur Textstelle navigieren
  • Mit anderen Worten, der Kubismus gibt innen und außen, oben, unten, hinten, vorne und alles übrige in zwei Dimensionen wieder und läßt damit die Illusion der Perspektive zugunsten eines unmittelbaren sinnlichen Erfassens des Ganzen fallen. Mit diesem Griff nach dem unmittelbaren, totalen Erfassen verkündete der Kubismus plötzlich, daß das Medium die Botschaft ist. Ist es nicht klar, daß im selben Augenblick, in dem das Aufeinanderfolgen der Gleichzeitigkeit weicht, wir uns in der Welt der Struktur und Gestalt befinden? Ist nicht gerade das in der Physik wie in der Malerei, Dichtung und auf dem Gebiete der Kommunikation eingetreten? Die Aufmerksamkeit gilt nicht mehr speziellen Teilaspekten, sondern wendet sich der Gesamtwirklichkeit zu, und wir können jetzt ganz natürlich sagen, „das Medium ist die Botschaft“.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Was wir heute suchen, ist entweder ein Mittel, um diese Verlagerungen in der Sinnesorganisation der psychischen und sozialen Perspektiven kontrollieren zu können, oder ein Mittel, um sie überhaupt zu verhindern. Eine Krankheit ohne deren Symptome zu haben, heißt gefeit sein. Keine Gesellschaft war sich jemals klar genug über ihre eigenen Handlungen, um gegen ihre neuen Ausweitungen oder Techniken immun zu werden. Heute spüren wir allmählich, daß die Kunst uns vielleicht diese Immunität geben kann.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • In der Geschichte der menschlichen Kultur gibt es kein Beispiel von bewußter Anpassung der verschiedenen Faktoren des individuellen und sozialen Lebens an neue Ausweitungen, außer den zaghaften Bemühungen der Künstler, am Rande sozusagen. Der Künstler greift die Botschaft der kulturellen und technischen Herausforderung schon Jahrzehnte, bevor ihre umgestaltende Wirkung eintritt, auf. Dann baut er Modelle oder Archen Noahs, um sich gegen den bevorstehenden Umbruch zu wappnen. „Der Krieg von 1870 hätte nie ausgefochten werden müssen, wenn die Leute mein Buch ‚Education sentimentale‘ gelesen hätten“, sagte Gustave Flaubert.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Der Künstler ist der Mensch, der auf jedem Gebiet der Natur- oder Geisteswissenschaften die Tragweite seines Schaffens und der neuen Erkenntnisse seiner Zeit erfaßt. Er ist ein Mensch mit vollem und ganzem Bewußtsein.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Ich möchte wissen, was geschehen würde, wenn man die Kunst plötzlich als das sähe, was sie ist, nämlich genaue Information darüber, wie man seine Psyche umgestalten soll, um den Schlag von unseren eigenen erweiterten Fähigkeiten abfangen zu können.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Aber der Film bleibt eine Hauptinformationsquelle, eine Rivale des Buches, dessen Technik er so intensiv fortgesetzt und auch übertroffen hat. Gegenwärtig ist der Film noch gleichsam in seinem Manuskriptstadium, doch in Kürze wird er unter dem Druck des Fernsehens in das Stadium des Koffergeräts, also vergleichsweise in die Phase des gedruckten Buches treten. Bald wird jedermann einen kleinen, billigen Filmprojektor haben können, der 8-mm-Tonfilmkassetten wie auf einem Fernsehbildschirm abspielt. Eine solche Entwicklung gehört zur gegenwärtigen technischen Implosion. Die Trennung von Projektor und Leinwand ist ein Zeichen unserer früheren mechanischen Welt der Explosion und Trennung von Funktionen, die nun von der elektrischen Implosion abgelöst werden.
    McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Wir leben in einer von Menschen geschaffenen Welt, zwischen Gebrauchsgegenständen, in Häusern, auf Straßen, in Städten – und die meiste Zeit sehen wir all diese Dinge nur unter dem Blickwinkel der menschlichen Tätigkeiten, die in, mit oder an ihnen vorgenommen werden können. Wir gewöhnen uns an den Gedanken, daß all dies notwendig existiert und unerschütterlich ist. Cézannes Malerei bricht mit dieser Gewohnheit und enthüllt den Boden einer unmenschlichen Natur, auf dem der Mensch sich einrichtet. Deshalb wirken seine Personen so fremdartig, gleichsam als betrachtete sie ein Wesen aus einer anderen Welt. Und auch der Natur selbst fehlen alle Attribute, die animistische Verschmelzungen möglich machen würden: Kein Wind weht durch die Landschaft, das Wasser des Sees von Annecy liegt regungslos da, ringsum erstarrte, zögernde Gegenstände, wie zu Beginn der Welt. Es ist eine Welt ohne Vertraulichkeit, in der man sich unwohl fühlt, und die sich gegen alle menschlichen Gefühlsäußerungen sperrt. Hat man eine Zeitlang Bilder von Cézanne betrachtet und wendet sich nun anderen Malern zu, stellt sich sogleich eine Entspannung ein, wie nach einem Begräbnis, sobald die wiedereinsetzenden Gespräche das absolut Neue des Todes verdecken und es den Lebenden erlauben, sich wieder ihrer selbst zu vergewissern. Und doch ist eben nur ein Mensch zu diesem Sehen imstande, das bis an die Wurzeln reicht, hinter die konstituierte Menschheit zurück. Ganz offensichtlich können die Tiere nicht betrachten, sich nicht in die Dinge versenken, ohne etwas anderes als die Wahrheit von ihnen zu erwarten. Wenn Émile Bernard also sagt, daß der Maler der Wirklichkeit ein Nachäffer, ein Affe sei, sagt er genau das Gegenteil von dem, was wahr ist, und man begreift, weshalb Cézanne Bacons Definition der Kunst als homo additus naturae für sich in Anspruch nehmen konnte.
    Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Wir vergessen ständig die flüssigen und mehrdeutigen Erscheinungen und begeben uns durch sie hindurch unmittelbar zu den Dingen, die von ihnen präsentiert werden. Der Maler kümmert sich gerade um das, macht gerade das zu einem sichtbaren Gegenstand, was ohne ihn im je einzelnen Bewußtseinsleben eingeschlossen bliebe : die Vibration der Erscheinungen, die die Wiege der Dinge ist. Dieser Maler ist nur von einem ergriffen: von der Fremdartigkeit der Dinge, kennt nur ein einziges Gefühl: das der stets neu beginnenden Existenz.
    Merleau-Ponty, Maurice: Der Zweifel Cézannes, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Aber die klassische Wissenschaft hatte noch ein Gefühl für die Undurchdringlichkeit der Welt, der sie durch ihre Konstruktionen gerecht zu werden suchte. Deshalb glaubte sie, eine transzendente oder transzendentale Grundlegung für ihre Operationen finden zu müssen. Heute dagegen haben wir es – nicht in der Wissenschaft, aber in einer ziemlich verbreiteten Wissenschaftstheorie – mit der ganz neuen Erscheinung zu tun, daß die konstruktive Praktik sich als autonom ansieht und daß das Denken sich bewußt auf die Gesamtheit der Aneignungstechniken, die es erfindet, reduziert. Denken heißt jetzt, Versuche machen, Operieren und Transformieren unter dem alleinigen Vorbehalt einer experimentellen Kontrolle, bei der nur stark „bearbeitete“ Phänomene auftreten, die von unseren Apparaten mehr hervorgebracht als bloß registriert werden.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Das wissenschaftliche Denken – ein Überblicksdenken, ein Denken des Gegenstandes in seiner Allgemeinheit – muß sich in ein vorausgehendes „Es gibt“ zurückversetzen, in die Landschaft, auf den Boden der sinnfälligen Welt und der bearbeiteten Welt, wie sie in unserem Leben, für unseren Körper vorhanden sind, nicht für jenen möglichen Körper, den man, wenn man will, als eine Informationsmaschine betrachten kann, sondern für diesen tatsächlichen Körper, den ich den meinen nenne, diesen Wachtposten, der schweigend hinter meinen Worten und meinen Handlungen steht. Mit meinem eigenen Körper müssen die assoziierten Körper, die „anderen“ erwachen, nicht als meine Gattungsgenossen, wie die Zoologie sagt, sondern als diejenigen, die mir im Umgang vertraut sind, mit denen zusammen ich im vertrauten Umgang zu einem einzigen, gegenwärtigen Sein stehe, wie niemals ein Tier zu denjenigen seiner Art, seines Lebensraumes oder seiner Umwelt gestanden hat. In dieser ursprünglichen Geschichtlichkeit wird das unbeschwerte und improvisierende Denken der Wissenschaft lernen, sich den Dingen als solchen und sich selbst zuzuwenden, es wird wieder Philosophie werden…
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Den Schriftsteller, den Philosophen befragt man um seinen Rat oder seine Meinung, man läßt nicht zu, daß sie die Welt in der Schwebe halten, man will, daß sie Stellung nehmen, sie können sich der Verantwor tung sprechender Menschen nicht entziehen. Die Musik dagegen ist zu sehr diesseits der Welt und des Bezeichenbaren, um etwas anderes darzustellen als Aufrisse des Seins, sein Aufwallen und Verebben, sein Wachsen, seine Ausbrüche, seine Strudel. Nur der Maler hat das Recht, seinen Blick auf alle Dinge zu werfen, ohne zu ihrer Beurteilung verpflichtet zu sein.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Dieses erstaunliche Ineinandergreifen von Sehen und Bewegung, an das man nicht genug denkt, verbietet es, das Sehen als Denkoperation aufzufassen, die vor dem Geist ein Bild oder eine Darstellung der Welt aufbauen würde, einer Welt der Immanenz und der Ideen. Durch seinen Körper, der selbst sichtbar ist, in das Sichtbare eingetaucht, eignet sich der Sehende das, was er sieht, nicht an: Er nähert sich ihm lediglich durch den Blick, er öffnet sich auf die Welt hin. Und auf der anderen Seite ist diese Welt, von der er ein Teil ist, nicht an sich oder Materie. Meine Bewegung ist kein geistiger Entschluß, kein absolutes Tun, das aus der subjektiven Zurückgezogenheit heraus irgendeine Ortsveränderung dekretierte, die sich auf wunderliche Weise in der Ausdehnung vollzöge. Sie ist die natürliche Folge und das Zur-Reife-gelangen eines Sehens. Von einem Ding sage ich, daß es bewegt wird, aber mein Körper bewegt sich, meine Bewegung entfaltet sich. Sie ist über sich nicht im Ungewissen, ist sich gegenüber nicht blind, sie strahlt aus einem „Sich“ heraus...
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Das Rätsel liegt darin, daß mein Körper zugleich sehend und sichtbar ist. Er, der alle Dinge betrachtet, kann sich zugleich auch selber betrachten und in dem, was er gerade sieht, „die andere Seite“ seines Sehvermögens erkennen. Er sieht sich sehend, er betastet sich tastend, er ist für sich selbst sichtbar und spürbar. Es ist ein „Sich“, nicht durch Transparenz wie das Denken, das, was es auch immer denkt, sich selbst assimiliert, indem es es als Denken konstituiert, in Denken verwandelt, sondern ein „Sich“ durch ein Einswerden, durch eine narzißtische Verbundenheit dessen, der sieht, mit dem, was er sieht, dessen, der berührt, mit dem, was er berührt, des Empfindenden mit dem Empfundenen – ein „Sich“ also, das den Dingen verhaftet ist, das eine Vorder- und eine Rückseite, eine Vergangenheit und eine Zukunft hat…
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Was jedoch Descartes an den Kupferstichen gefällt, ist, daß sie die Form der Gegenstände bewahren oder uns zumindest ausreichende Zeichen von ihnen darbieten. Sie führen einen Gegenstand durch sein Äußeres oder seine Hülle vor. Hätte er jenes andere und tiefere Sich-Öffnen zu den Dingen untersucht, das uns die sekundären Qualitäten, namentlich die Farbe, ermöglichen, so hätte er, da kein regelhaftes oder projektives Verhältnis zwischen ihnen und den wahren Eigenschaften der Dinge besteht und da ihre Botschaft von uns dennoch verstanden wird, vor dem Problem einer Universalität und eines Sich-Öffnens zu den Dingen gestanden, die seiner Begrifflichkeit nicht unterwerfbar sind, und wäre gezwungen gewesen, herauszufinden, wie das unbestimmte Raunen der Farben uns Dinge, Wälder, Stürme, schließlich die Welt vergegenwärtigen kann, und hätte vielleicht die Perspektive als einen Einzelfall in ein viel umfassenderes ontologisches Vermögen integrieren müssen. Aber für ihn ist es selbstverständlich, daß die Farbe Schmuck und Kolorit ist, daß alles Vermögen der Malerei auf dem der Zeichnung beruht, wie das der Zeichnung auf dem regelhaften Verhältnis zwischen ihr und dem Raum an sich, wie es die perspektivische Projektion lehrt.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Der Raum ist nicht mehr der, von dem die ‚ Dioptrique‘ spricht, ein Netz von Beziehungen zwischen Gegenständen, so wie sie als Dritter ein Zeuge meines Sehens erblicken würde, oder ein Geometer, der ihn rekonstruiert und überblickt. Es ist vielmehr ein Raum, der von mir aus als Nullpunkt der Räumlichkeit erfaßt wird. Ich sehe ihn nicht nach seiner äußeren Hülle, ich erlebe ihn von innen, bin in ihm eingefangen. Schließlich ist die Welt um mich herum, nicht vor mir.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Das Sehen des Malers ist nicht mehr ein Blick auf ein Äußeres, eine bloß „physikalisch-optische“ P. Klee, a. a. O. Beziehung zur Welt. Die Welt liegt nicht mehr durch Vorstellung vor ihm. Vielmehr ist es der Maler, der in den Dingen geboren wird wie durch eine Konzentration und ein Zu-sich-Kommen des Sichtbaren, und das Gemälde bezieht sich schließlich nur dann auf irgend etwas unter den empirischen Dingen, wenn es zunächst „autofigurativ“ ist; es ist nur insofern Schauspiel von irgend etwas, als es „Schauspiel von nichts“ Ch. P. Bru: Esthétique de l'abstraction. Paris 1959, p. 86, 99. ist, indem es die „Haut der Dinge“ H. Michaux: Aventures de lignes. sprengt, um zu zeigen, wie Dinge zu Dingen und die Welt zur Welt wird.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Man spürt jetzt vielleicht besser, was alles jenes kleine Wort „sehen“ in sich trägt. Das Sehen ist kein bestimmter Modus des Denkens oder eine Selbstgegenwart; es ist mein Mittel, von mir selbst abwesend zu sein, von innen her der Spaltung des Seins beizuwohnen, durch die allein ich meiner selbst innewerde.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Das Auge vollbringt das Wunder, der Seele das zu öffnen, was nicht Seele ist, die glückselige Welt der Dinge und ihren Gott, die Sonne. Ein Kartesianer mag glauben, daß die existierende Welt nicht sichtbar sei, daß es nur ein geistiges Licht gebe, daß alles Sehen in Gott geschehe. Ein Maler kann nicht zugeben, daß unsere Öffnung zur Welt illusorisch oder indirekt sei, daß das, was wir sehen, nicht die Welt selber sei, daß der Geist nur mit seinen eigenen Gedanken oder einem anderen Geiste zu tun habe. Er akzeptiert den Mythos von den Fenstern der Seele mit allen seinen Schwierigkeiten: Was ohne Ort ist, muß einem Körper unterworfen werden, mehr noch: muß durch ihn mit allen anderen und der Welt vertraut gemacht werden. Was das Sehen uns lehrt, muß wörtlich genommen werden: daß es uns die Sonne, die Sterne berühren läßt, daß wir zur gleichen Zeit überall sind
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Eben deshalb ist die Alternative einer gegenständlichen oder nichtgegenständlichen Darstellung schlecht gestellt: es ist wahr und widerspruchslos zugleich, daß keine Weintraube je das gewesen ist, was sie in der gegenständlichsten Malerei ist, und daß keine Malerei, selbst die abstrakte, dem Sein entraten kann, daß die Weintraube Caravaggios die Weintraube selbst ist. A. Berne-Joffroys: Le dossier Caravage. Paris 1959, und Michel Butor: La Corbeille de l'ambrosienne, NRF. 1960. Dieses Vorausgehen dessen, was ist, vor dem, was man sieht und sehen läßt, dessen, was man sieht und sehen läßt, vor dem, was ist – eben das ist Sehen.
    Merleau-Ponty, Maurice: Das Auge und der Geist, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Ich bitte um Nachsicht für mein Thema, die Beziehung des Malers zu einer Welt der Mittelklasse. Dies ist ja nicht unbedingt der interessanteste Ansatz für einen Zugang zu unserer Kunst. Interessanter sind da schon die technischen Probleme bei der Entwicklung einer künstlerischen Struktur, und grundlegender ist das individuelle Problem, also die Fähigkeit des Künstlers, die Schocks der Wirklichkeit aufzunehmen, mögen sie nun aus der Innen- oder Außenwelt kommen, und angesichts solcher Erschütterungen wieder zu sich selbst zu finden, so wie ein Hund das Wasser abschüttelt, wenn er aus dem See kommt. Das 20. Jahrhundert ist eine Zeit heftiger Krisen in der Außenwelt ; doch künstlerisch gesehen ist es vor allem ein klassisches Zeitalter. In solchen Epochen spielt Architektur die führende Rolle, nicht Malerei, nicht Dichtung oder Musik. Unter den großen künstlerischen Schöpfungen des 20. Jahrhunderts wird nur die Architektur von jedermann ganz selbstverständlich akzeptiert. Die surrealistische und die „ungegenständliche“ Malerei, womit ich mich in diesem Vortrag beschäftigen werde, repräsentieren den männlichen beziehungsweise den weiblichen Pol dessen, was angesichts von Postimpressionisten, Fauvisten und Kubisten sowie deren geistigen Erben als klassisches Zeitalter gelten kann.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Große Kunst ist niemals extrem...
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Die Rolle des modernen Künstlers ist per definitionem, die moderne Wirklichkeit so auszudrücken, wie er sie fühlt. Die Definition impliziert, daß die Wirklichkeit sich in gewissem Maße ändert. Dieser Vorstellung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß die Geschichte „real“ ist, oder, um es andersherum auszudrücken, daß die Realität einen geschichtlichen Charakter hat. Vielleicht war Hegel der erste, der das in vollem Umfang erkannt hat. Bei Marx ist diese Erkenntnis mit dem Gefühl für die Materialität der Wirklichkeit gekoppelt...
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Weil die Realität geschichtlichen Charakter hat, haben wir ein Bedürfnis nach neuer Kunst. Die Vergangenheit hat uns große Kunstwerke beschert. Wären sie rundum befriedigend, so brauchten wir keine neuen. Von dieser vergangenen Kunst akzeptieren wir das, was als ewiger Wert bleibt, so wenn wir die spezifischen religiösen Inhalte ägyptischer oder christlicher Kunst ablehnen und dennoch dankbar ihre Form akzeptieren. Andere Werte dieser vergangenen Kunst interessieren uns nicht. In dieser Aussage liegt bereits die Erkenntnis, daß Kunstwerke ihrer Natur nach pluralistisch sind: Sie enthalten mehr als eine Klasse von Werten. Was wir an der vergangenen Kunst akzeptieren, sind ihre ewigen Werte. Mit ewigen Werten sind jene gemeint, die für die menschliche Realität in jeder Zeit, in jedem Raum relevant sind, also zum Beispiel die ästhetische Form oder die Begegnung mit dem Tod.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Die Geschichte hat ihre eigene Ironie. Denn ausgerechnet Mondrian, der mit dem „Ewigen“ gearbeitet hat, veraltet jetzt am schnellsten. Wer die Möglichkeit des Individuums, Gesellschaftliches zu transzendieren, unterschätzt, leugnet die Chancen, die Kunst heute hat.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Malerei ist ein Medium, in dem der Geist sich selbst verwirklichen kann; sie ist ein Medium des Denkens. Daher neigt die Malerei, gleich der Musik, dazu, zu ihrem eigenen Inhalt zu werden.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Das Medium der Malerei sind Farbe und Raum; Zeichnung ist eigentlich eine Raumaufteilung. Malerei ist demnach der Geist, der sich selbst in Farbe und Raum verwirklicht. Vor allem in einer brutalen und kontrollierten Zeit finden die größten Abenteuer im Geist statt.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Malerei ist – neben anderen Realitäten – eine gefühlte und geformte Realität.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Das Gemälde erhält seine Form durch ein Geflecht aus Entscheidungen, die unter den verschiedenen Möglichkeiten getroffen wurden.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Der Inhalt der Malerei ist unsere Antwort auf die aus ihrer Form erschließbare Qualität. Dieser Inhalt ist der fühlende „Körper-und-Geist“. „Körper-und-Geist“ ist seinerseits ein Ereignis in der Realität, das Zusammenspiel zwischen einem empfindsamen Wesen und der äußeren Welt. „Körper-und-Geist“, die Wechselwirkung zwischen animalischem Selbst und äußerer Welt, ist selbst Realität. Wenn der „Geist“ sich selbst in einem seiner Medien realisiert, bringt er deshalb die Natur der Wirklichkeit als etwas Erfühltes zum Ausdruck.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • In wohlwollenden Zeiten beteiligt sich die Außenwelt in ihren gesellschaftlichen Aspekten weitgehend an diesem Wechselspiel. In anderen Perioden, wie der unseren, leistet die äußere Welt einen kleineren Beitrag, und die Möglichkeiten des Geistes sind naturgemäß geringer. Wenn die rechtsorientierten Surrealisten uns auffordern, mit den Mitgliedern der Gesellschaft in Austausch zu treten, obwohl diese dem spirituellen Denken kein Objekt der Begierde sind, setzen sie damit die Errungenschaften der modernen Kunst aufs Spiel.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Ich habe in meinem Vortrag die Auffassung vertreten, daß dem modernen Künstler durch den Materialismus der Mittelklasse und die Unflexibilität der Arbeiterklasse keinerlei vitale Verbindung zur Gesellschaft möglich ist, außer natürlich die der Opposition ; und daß moderne Künstler generell andere gesellschaftliche Werte durch rein Ästhetisches ersetzen mußten.
    Motherwell, Robert: Die Welt des modernen Malers, 1944 Zur Textstelle navigieren
  • Es ist merkwürdig, dass dies der Intellekt zu Stande bringt, er, der doch gerade nur als Hülfsmittel den unglücklichsten delikatesten vergänglichsten Wesen beigegeben ist, um sie eine Minute im Dasein festzuhalten; aus dem sie sonst, ohne jene Beigabe, so schnell wie Lessings Sohn zu flüchten allen Grund hätten. Jener mit dem Erkennen und Empfinden verbundene Hochmuth, verblendende Nebel über die Augen und Sinne der Menschen legend, täuscht sie also über den Werth des Daseins, dadurch dass er über das Erkennen selbst die schmeichelhafteste Werthschätzung in sich trägt. Seine allgemeinste Wirkung ist Täuschung – aber auch die einzelsten Wirkungen tragen etwas von gleichem Charakter an sich.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Soweit das Individuum sich gegenüber andern Individuen erhalten will, benutzte es in einem natürlichen Zustande der Dinge den Intellekt zumeist nur zur Verstellung: weil aber der Mensch zugleich aus Noth und Langeweile gesellschaftlich und heerdenweise existiren will, braucht er einen Friedensschluss und trachtet darnach dass wenigstens das allergröbste bellum omnium contra omnes aus seiner Welt verschwinde. Dieser Friedensschluss bringt aber etwas mit sich, was wie der erste Schritt zur Erlangung jenes räthselhaften Wahrheitstriebes aussieht. Jetzt wird nämlich das fixirt, was von nun an „Wahrheit“ sein soll d. h. es wird eine gleichmässig gültige und verbindliche Bezeichnung der Dinge erfunden und die Gesetzgebung der Sprache giebt auch die ersten Gesetze der Wahrheit: denn es entsteht hier zum ersten Male der Contrast von Wahrheit und Lüge: der Lügner gebraucht die gültigen Bezeichnungen, die Worte, um das Unwirkliche als wirklich erscheinen zu machen; er sagt z.B. ich bin reich, während für diesen Zustand gerade „arm“ die richtige Bezeichnung wäre. Er missbraucht die festen Conventionen durch beliebige Vertau schungen oder gar Umkehrungen der Namen. Wenn er dies in eigennütziger und übrigens Schaden bringender Weise thut, so wird ihm die Gesellschaft nicht mehr trauen und ihn dadurch von sich ausschliessen. Die Menschen fliehen dabei das Betrogenwerden nicht so sehr, als das Beschädigtwerden durch Betrug. Sie hassen auch auf dieser Stufe im Grunde nicht die Täuschung, sondern die schlimmen, feindseligen Folgen gewisser Gattungen von Täuschungen. In einem ähnlichen beschränkten Sinne will der Mensch auch nur die Wahrheit. Er begehrt die angenehmen, Leben erhaltenden Folgen der Wahrheit; gegen die reine folgenlose Erkenntniss ist er gleichgültig, gegen die vielleicht schädlichen und zerstörenden Wahrheiten sogar feindlich gestimmt. Und überdies: wie steht es mit jenen Conventionen der Sprache? Sind sie vielleicht Erzeugnisse der Erkenntniss, des Wahrheitssinnes: decken sich die Bezeichnungen und die Dinge? Ist die Sprache der adäquate Ausdruck aller Realitäten?
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Welche willkürlichen Abgrenzungen, welche einseitigen Bevorzugungen bald der bald jener Eigenschaft eines Dinges! Die verschiedenen Sprachen neben einander gestellt zeigen, dass es bei den Worten nie auf die Wahrheit, nie auf einen adäquaten Ausdruck ankommt: denn sonst gäbe es nicht so viele Sprachen. Das „Ding an sich“ (das würde eben die reine folgenlose Wahrheit sein) ist auch dem Sprachbildner ganz unfasslich und ganz und gar nicht erstrebenswerth. Er bezeichnet nur die Relationen der Dinge zu den Menschen und nimmt zu deren Ausdrucke die kühnsten Metaphern zu Hülfe. Ein Nervenreiz zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Das Uebersehen des Individuellen und Wirklichen giebt uns den Begriff, wie es uns auch die Form giebt, wohingegen die Natur keine Formen und Begriffe, also auch keine Gattungen kennt, sondern nur ein für uns unzugängliches und undefinirbares X. Denn auch unser Gegensatz von Individuum und Gattung ist anthropomorphisch und entstammt nicht dem Wesen der Dinge, wenn wir auch nicht zu sagen wagen, dass er ihm nicht entspricht: das wäre nämlich eine dogmatische Behauptung und als solche ebenso unerweislich wie ihr Gegentheil.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahr heiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Der Forscher nach solchen Wahrheiten sucht im Grunde nur die Metamorphose der Welt in den Menschen; er ringt nach einem Verstehen der Welt als eines menschenartigen Dinges und erkämpft sich besten Falls das Gefühl einer Assimilation.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Jener Trieb zur Metapherbildung, jener Fundamentaltrieb des Menschen, den man keinen Augenblick wegrechnen kann, weil man damit den Menschen selbst wegrechnen würde, ist dadurch, dass aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut wird, in Wahrheit nicht bezwungen und kaum gebändigt. Er sucht sich ein neues Bereich seines Wirkens und ein anderes Flussbette und findet es im Mythus und überhaupt in der Kunst. Fortwährend verwirrt er die Rubriken und Zellen der Begriffe dadurch dass er neue Uebertragungen, Metaphern, Metonymien hinstellt, fortwährend zeigt er die Begierde, die vorhandene Welt des wachen Menschen so bunt unregelmässig folgenlos unzusammenhängend, reizvoll und ewig neu zu gestalten, wie es die Welt des Traumes ist.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Es giebt Zeitalter, in denen der vernünftige Mensch und der intuitive Mensch neben einander stehen, der eine in Angst vor der Intuition, der andere mit Hohn über die Abstraction; der letztere eben so unvernünftig, als der erstere unkünstlerisch ist. Beide begehren über das Leben zu herrschen: dieser, indem er durch Vorsorge, Klugheit, Regelmässigkeit den hauptsächlichsten Nöthen zu begegnen weiss, jener indem er als ein „überfroher Held“ jene Nöthe nicht sieht und nur das zum Schein und zur Schönheit verstellte Leben als real nimmt.
    Nietzsche, Friedrich W.: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, 1873 Zur Textstelle navigieren
  • Viel eher besteht eine tiefe und komplexe (jedoch reale und deshalb Vereinfachungen zulassende) Beziehung zwischen der Natur meiner grammatikalischen Untersuchung übers Kino auf der einen Seite und meiner Art, die Wirklichkeit zu sehen, auf der anderen meiner Art, die Wirklichkeit zu interpretieren, also meinem Verhältnis zur Wirklichkeit: meiner Philosophie, könnte ich sagen, doch ich bin durchaus kein Philosoph.
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • In einem Titel habe ich einmal das Kino als „geschriebene Sprache der Wirklichkeit“ definiert. Ich wollte sagen: die Wirklichkeit ist ein Kino in natura (ich stelle mich dir dar, du stellst dich mir dar; ich bin eine Einstellung für Adriano Aprà, wie er mir hier gegenübersitzt, und Aprà ist eine Einstellung für mich: zwei starre Einstellungen, solange wir sitzen, die aber zu einer Einstellungssequenz oder einem Panoramaschwenk werden können, wenn wir uns erheben und den Gang unsrer Handlungen wieder aufnehmen). Dieses Kino in natura, das die Wirklichkeit ist, stellt tatsächlich eine Sprache dar („Die Semiologie der Wirklichkeit ist es, die man entwickeln muß!“ – diesen Slogan rufe ich mir unentwegt zu, seit Monaten): eine Sprache, die in gewisser Weise der mündlichen Sprache der Menschen ähnelt. So ist das Kino – durch seine Reproduktion der Wirklichkeit – das geschriebene Moment der Wirklichkeit.
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn das Kino also nichts anderes ist als die geschriebene Sprache der Wirklichkeit (die sich stets in Handlungen zeigt), dann ist es weder willkürlich noch symbolisch: es stellt die Wirklichkeit durch die Wirklichkeit dar. Konkret gesprochen, durch die Gegenstände der Wirklichkeit, die eine Kamera, Augenblick für Augenblick, reproduziert (daher meine linguistische Definition der „Kineme“). Hier liegt der Punkt, an dem man die Beziehung erkennen kann, die zwischen meinem grammatikalischen Begriff des Kinos und meiner Philosophie, meiner Form zu leben besteht – oder was ich wenigstens dafür halte. Diese Philosophie scheint mir nichts anderes zu sein als eine verblendete, kindliche und pragmatische Liebe zur Wirklichkeit. Sie ist in dem Maße religiös, als sie gewissermaßen, durch Analogie, mit einer Art immensem Sexualfetischismus verschmilzt. Nichts anderes scheint die Welt für mich zu sein als ein Ensemble von Vätern und Müttern, denen gegenüber ich einen Impuls vollständiger Hingabe verspüre; diese besteht aus Respekt und Verehrung sowie aus dem Bedürfnis, diese Verehrung durch Entweihungen – auch durch gewaltsame und skandalöse – zu verletzen. (Na ja, das sind Dinge, die man in einem Interview sagt, in dieser außergewöhnlichen literarischen Gattung.)
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Es gibt Autoren, die aus einer gutmütigen und naturalistischen Liebe zu den Dingen der Welt in ihren Filmen die analytische Linearität zu reproduzieren suchen, weil sie angeblich der Dauer der Wirklichkeit am nächsten kommt. Andere Regisseure sind hingegen für eine Montage, die diese Linearität so weit wie möglich zu einer synthetischen macht. (Ich gehöre zur letztgenannten Kategorie.)
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • So revolutionär, wie die geschriebene Sprache mit der gesprochenen verfahren ist, wird das Kino mit der Wirklichkeit verfahren.
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Solange die Sprache der Wirklichkeit eine natürliche war, lag sie außerhalb unseres Bewußtseins; nun, da wir sie durchs Kino als „geschriebene“ vor Augen haben, fordert sie notwendig ein Bewußtsein. Die geschriebene Sprache der Wirklichkeit bewirkt vor allem, daß wir erkennen, was die Sprache der Wirklichkeit ist; und schließlich, daß wir unser Denken über die Wirklichkeit verändern, denn sie macht aus unseren physischen Beziehungen zur Wirklichkeit – von anderen zu schweigen – kulturelle Beziehungen.
    Pasolini, Pier Paolo: Einfälle zum Kino, 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Das, was ich an einem Text unmittelbar wahrzunehmen gewohnt bin, ist eben nicht die abenteuerliche Geschichte eines Helden, sondern die Qualität des Textes, der sie erzählt. Die wirkliche Struktur eines Romans scheint mir nicht innerhalb seines semantischen Feldes (ich verwende diesen Ausdruck in vager Analogie), sondern innerhalb seines sprachlichen Feldes zu liegen. Besteht zwischen Gesellschaftsstruktur und Romanstruktur Homologie, so muß man, denke ich, dieser Homologie dadurch nachgehen, daß man die gesellschaftliche Struktur mit der sprachlichen Struktur des Romans oder, im vorliegenden Fall, mit seiner stilistischen Struktur (bisher habe ich dafür immer das Wort System gebraucht) konfrontiert. So scheint es mir wenigstens. Aber, wie gesagt, ich bin mir dessen nicht mehr ganz sicher.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Ich will sagen, daß die hypothetische und potentielle Sprache des Kinos (wenn es sie gibt und wenn es sie nicht gibt, wenn sie nicht definierbar ist: das Ensemble der „Kunstsprachen“ der verschiedenen Filme) kraft ihrer Natur eine internationale und klassenübergreifende Sprache ist (mag sie auch morphologisch noch nicht definiert sein).
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Eine Sprache aber, die auf der audiovisuellen Reproduktion der Wirklichkeit, also der Wirklichkeit schlechthin beruht, kann keine Strukturen haben, die denen der je besonderen historischen Gesellschaft homolog sind, in welcher der Film produziert worden ist. Die audiovisuelle Reproduktion der Wirklichkeit ist eine Sprache oder Ausdrucksweise, die in Italien und in Frankreich, in Ghana und in den Vereinigten Staaten ein und dieselbe ist. Die möglichen und noch nicht definierten Erzählstrukturen dieser Sprache des Kinos, die „die Wirklichkeit mit der Wirklichkeit ausdrückt", scheinen mithin den von Goldmann so scharfsinnig beschriebenen Gesetzen der Homologie nicht zu entsprechen – sind diese doch, als typisch für Nationen unter der Herrschaft kapitalistischer Bourgeoisien, wesentlich nationaler Art. Wenn in den Strukturen des Kinos etwas homolog zu den Strukturen der Gesellschaft ist, dann erscheint darin diese Gesellschaft in amorpher und allgemeiner Gestalt als die gesamte zivilisierte Menschheit, die „Entwicklungsländer“ mit eingeschlossen.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Die Strukturen der Sprache des Kinos stellen sich demnach nicht nur als internationale und klassenübergreifende dar, sondern mehr noch als übernationale und über den Klassen stehende. Sie präfigurieren die mögliche soziolinguistische Situation einer Welt, die durch totale Industrialisierung und die daraus folgende Nivellierung aller Unterschiede – einschließlich der besonderen und nationalen Traditionen – tendenziell vereinheitlicht worden ist.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Zwischen meinem Verzicht auf den Roman und meiner Entscheidung für das Kino gab es keinen „Bruch in der Kontinuität“. Ich nahm es wie einen Wechsel der Technik.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Aber war es das wirklich? War es nicht vielmehr Verzicht auf eine Sprache für eine andere? Verzicht auf das verdammte Italien für ein – nun ja: wenigstens transnationales Italien? Die alte grimmige Lust, die italienische Staatsbürgerschaft aufzugeben? (Um dann aber welche andere anzunehmen?)
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Doch im Grunde war es nicht einmal das. Nein, im Grunde ging es mir nicht um die Aneignung einer neuen Sprache. Als ich Filme zu machen begann, lebte ich endlich in Einklang mit meiner Philosophie. Das war es!
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • „Il cinema è una lingua“, singt Totò, „das Kino ist eine Sprache. Eine Sprache, die dazu zwingt, den Begriff der Sprache zu erweitern. Es ist kein symbolisches, willkürliches, konventionelles System. Es hat keine künstliche Tastatur, auf der man die Zeichen anschlägt wie Pawlowsche Klingeln: Zeichen, die die Wirklichkeit evozieren, wie ein bestimmtes Klingelsignal den Käse vor den Augen der Maus erscheinen und ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Das Kino evoziert die Wirklichkeit nicht wie die literarische Sprache, es kopiert die Wirklichkeit nicht wie die Malerei, es mimt die Wirklichkeit nicht wie das Theater. Das Kino reproduziert die Wirklichkeit: in Bild und Ton! Und was tut das Kino, wenn es die Wirklichkeit reproduziert? Das Kino drückt die Wirklichkeit mit der Wirklichkeit aus. Wenn ich Sanguineti darstellen will, rekurriere ich nicht auf Beschwörungsformeln (auf die Dichtung), sondern nehme den echten Sanguineti. Oder ich nehme, wenn Sanguineti nicht will, einen Seminaristen mit langer Nase oder einen Regenschirmhändler im Sonntagsstaat, also einen anderen Sanguineti. Jedenfalls verlasse ich nicht den Bereich der Wirklichkeit. Ich drücke die Wirklichkeit aus (und distanziere mich also von ihr), aber ich drücke sie mit der Wirklichkeit selbst aus.“
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • So beglückt verlassen Totò und Ninetto die Schule und schicken sich an, die Theorie auf den Straßen und Plätzen unter den Leuten zu verwirklichen. Und genau das ist Kino! Nichts anderes als mittendrin zu stehen in der Wirklichkeit! Du stellst dich mir dar und ich mich dir!
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • In jedem Moment ist die Wirklichkeit „Kino in natura“ ; es fehlt nur eine Kamera, um sie zu reproduzieren, das heißt sie zu schreiben durch die Reproduktion dessen, was sie ist.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Kino ist also virtuell eine unendliche „Einstellungssequenz“: unendlich wie die Wirklichkeit, die von einer unsichtbaren Kamera reproduziert werden kann.
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Es gibt keinen einzigen Moment, in dem Sanguineti nicht Kino wäre: er ist immer da (solange er lebt), und folglich kann – virtuell – immer auch eine Kamera da sein, die ihn reproduziert, in einer „Filmsequenz“, die so unendlich und ununterbrochen sein kann wie Sanguinetis Präsenz…
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Doch was ist Präsenz? Es ist – nun ja: etwas, das durch sich selber spricht. Eine Sprache. Die Wirklichkeit ist eine Sprache, eine langage. Nicht die „Semiologie des Films“, die Semiologie der Wirklichkeit gilt es zu entwickeln!
    Pasolini, Pier Paolo: Das Ende der Avantgarde, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • In diesem Sinne besteht die Kunst aus Bildern, und somit ist es egal, ob sie figurativ ist oder nicht, und ob man in ihr die Gestalt von Personen oder identifizierbaren Schauspielern erkennt. Die Bilder der Kunst sind Operationen, die eine Abweichung hervorrufen, eine Unähnlichkeit. Worte beschreiben das, was das Auge sehen könnte, oder bringen etwas zum Ausdruck, was das Auge nie sehen wird, Worte beleuchten oder verdunkeln absichtlich eine Idee. Sichtbare Formen bieten dem Verständnis eine Bedeutung an oder unterschlagen sie. Eine Bewegung der Kamera antizipiert ein Schauspiel und offenbart ein anderes Schauspiel, ein Klavierspieler beginnt einen musikalischen Satz „hinter“ einem schwarzen Vorhang. Alle diese Beziehungen definieren Bilder. Das bedeutet zwei verschiedene Dinge. Erstens sind die Bilder in der Kunst als solche Unähnlichkeiten. Zweitens ist das Bild nicht ausschließlich ein Element des Sichtbaren. Es gibt Sichtbares, das kein Bild ist und es gibt Bilder, die nur aus Worten bestehen. Aber das allgemein bekannteste Regime der Bilder inszeniert die Beziehung zwischen dem Sagbaren und dem Sichtbaren, eine Beziehung, die gleichzeitig aus der Analogie und aus der Unähnlichkeit des Sagbaren und Sichtbaren besteht. Diese Beziehung benötigt in keiner Weise die materielle Präsenz des Sagbaren und Sichtbaren. Das Sichtbare kann in bedeutsamen Tropen angeordnet werden, das Wort kann eine Sichtbarkeit entwickeln, die blenden kann.
    Rancière, Jacques: Die Bestimmung der Bilder, 2003 Zur Textstelle navigieren
  • Denn das repräsentative Regime der Künste ist nicht etwa ein Regime der Ähnlichkeit, dem sich die Moderne einer nicht figurativen Kunst oder gar einer Kunst des Undarstellbaren entgegensetzen würde. Es ist das Regime einer bestimmten Veränderung der Ähnlichkeit, das heißt eines bestimmten Bezugs zwischen dem Sagbaren und dem Sichtbaren, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Die Idee der Bildlichkeit des Gedichtes, die von dem berühmten Ut pictura poiesis ausgelöst wird, definiert zwei grundlegende Bezüge.
    Rancière, Jacques: Die Bestimmung der Bilder, 2003 Zur Textstelle navigieren
  • Der Bruch mit diesem System besteht nicht in der Tatsache, daß man nun weiße oder schwarze Vierecke anstatt antiker Krieger malt, noch darin, daß jede Übereinstimmung zwischen der Kunst der Worte und der Kunst der sichtbaren Formen aufgelöst wird, so wie es die modernistische Meinung vertritt. Der Bruch besteht darin, daß sich die Worte und die Formen, das Sagbare und das Sichtbare, das Sichtbare und das Unsichtbare auf eine neue Art aufeinander beziehen. In dem neuen Regime, dem ästhetischen Regime der Kunst, das im 19. Jahrhundert entsteht, ist das Bild nicht mehr der kodifizierte Ausdruck eines Gedankens oder eines Gefühls. Es ist keine Verdoppelung und keine Übersetzung mehr, sondern das Bild ist selber die Art, gemäß welcher die Dinge sprechen oder stumm sind. Das Bild quartiert sich im Herzen der Dinge ein und wird zu einem stummen Wort.
    Rancière, Jacques: Die Bestimmung der Bilder, 2003 Zur Textstelle navigieren
  • Mit diesem Kapitel leiten wir einen neuen Schritt in unserer Untersuchung ein, die der Refiguration der Zeit durch überkreuzte Referenz gewidmet ist. In einem ersten Schritt war der Akzent auf die Dichotomie in der Zielrichtung der beiden großen narrativen Modi gelegt worden, eine Dichotomie, die sich zusammenfassen läßt in dem globalen Gegensatz zwischen der Wiedereinschreibung der erlebten Zeit in die Zeit der Welt und den Phantasievariationen, die die Weise betreffen, wie die erstere an die letztere zurückgebunden wird. Der neue Schritt enthüllt eine gewisse Konvergenz zwischen dem, was wir bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitt die Repräsentanz funktion nannten, die die historische Erkenntnis im Hinblick auf die „wirkliche“ Vergangenheit erfüllt, und der Signifikanz funktion, die die Fiktionserzählung bekommt, sobald die Lektüre die Welt des Textes mit der Welt des Lesers in Beziehung setzt. Es versteht sich von selbst, daß die erste Bestimmung der überkreuzten Refiguration den Hintergrund abgibt, vor dem sich diese zweite Bestimmung abhebt, um die es in den beiden folgenden Kapiteln geht.
    Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Die Frage nach der Repräsentanz der „wirklichen“ Vergangenheit durch die historische Erkenntnis entspringt der einfachen Frage: Was bedeutet der Ausdruck „wirklich“, wenn er auf die historische Vergangenheit angewandt wird? Was sagen wir überhaupt, wenn wir sagen, daß etwas „wirklich“ geschehen ist?
    Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Sobald man den Unterschied zwischen Fiktion und Geschichte deutlich machen will, appelliert man unweigerlich an die Idee einer gewissen Übereinstimmung der Erzählung mit dem, was wirklich geschehen ist. Zugleich aber ist man sich völlig bewußt, daß diese Re-konstruktion eine Konstruktion ist, die sich vom Ablauf der berichteten Ereignisse unterscheidet. Einige Autoren lehnen deshalb den Ausdruck „Repräsentation“ ab, der ihnen zu sehr gezeichnet zu sein scheint vom Mythos einer Eins-zu-Eins-Reduplikation der Wirklichkeit im Bild, das man sich von ihr macht. Aber das Problem der Übereinstimmung mit der Vergangenheit läßt sich nicht durch eine Änderung des Vokabulars aus der Welt schaffen. Mag die Geschichte eine Konstruktion sein, instinktiv wünscht sich der Historiker, daß sie eine Rekonstruktion sei.
    Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Man darf also die Ikonizität der Repräsentation der Vergangenheit nicht mit einem Modell ähnlich dem maßstabsgetreuen Modell etwa einer Landkarte verwechseln, denn es gibt kein fertiges Original, mit dem man das Modell vergleichen könnte; die Fremdheit des Originals, wie es sich in den Dokumenten darbietet, ruft gerade die Anstrengung der Geschichte hervor, es stilistisch zu präfigurieren Diese Präfiguration bewirkt, daß unsere Geschichten nicht mehr sind als einfache „metaphorische Behauptungen, die eine Beziehung der Ähnlichkeit behaupten zwischen [vergangenen] Ereignissen und Prozessen und den Typen von Geschichten, die wir konventionellerweise dafür benützen, den Ereignissen unseres Lebens kulturell sanktionierte Bedeutungen zu verleihen“ (S. 88, dt. S. 109).. Und deshalb gibt es zwischen einer Erzählung und einem Ablauf von Ereignissen keine Beziehung der Reproduktion, Reduplikation oder Äquivalenz, sondern eine metaphorische Beziehung : Der Leser wird auf die Figur gelenkt, die die berichteten Ereignisse einer narrativen Form angleicht ( liken ), wie sie ihm aus seiner eigenen Kultur vertraut ist.
    Ricœur, Paul: Die Wirklichkeit der historischen Vergangenheit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Den halben Weg in dieser Richtung haben wir zurück gelegt, als wir am Ende von Zeit und Erzählung II den Begriff der Welt des Textes eingeführt haben im Sinne einer Welt, in der wir wohnen und unsere eigensten Möglichkeiten entfalten können Zeit und Erzählung, Bd. II, Kap. IV.. Aber immer noch ist diese Welt des Textes bloß eine Transzendenz in der Immanenz; in dieser Hinsicht bleibt sie ein Teil des Textes. Die zweite Hälfte des Weges besteht in der Vermittlung, die die Lektüre zwischen der fiktiven Welt des Textes und der tatsächlichen Welt des Lesers bewirkt. Die Wirkungen der Fiktion, nämlich aufzuzeigen und zu verwandeln, sind im wesentlichen Wirkungen der Lektüre Zeit und Erzählung, Bd. I, S. 120-122.. Über die Lektüre kehrt die Literatur zum Leben zurück, das heißt ins praktische und pathische Feld der Existenz.
    Ricœur, Paul: Poetik der Erzählung: Geschichte, Fiktion, Zeit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Aus diesen innigen Austauschbeziehungen zwischen Historisierung der Fiktionserzählung und Fiktionalisierung der historischen Erzählung entsteht das, was man die menschliche Zeit nennt, die letztlich nichts anderes ist als die erzählte Zeit. Um das wechselseitige Ineinander dieser beiden überkreuzten Bewegungen zu unterstreichen, wird ihm ein eigenes Kapitel gewidmet, das fünfte dieses Abschnitts.
    Ricœur, Paul: Poetik der Erzählung: Geschichte, Fiktion, Zeit, 1985 Zur Textstelle navigieren
  • Aber die Welt ist weder sinnvoll noch absurd. Ganz einfach: sie ist. Jedenfalls ist das ihr bemerkenswertestes Zeichen. Und plötzlich stößt uns diese Evidenz mit einer Kraft, gegen die wir ohnmächtig werden. Auf einmal bricht die schöne Konstruktion zusammen: als wir unversehens die Augen öffneten, erlitten wir den Stoß dieser hartnäckigen Wirklichkeit, die wir als überwunden betrachtet haben wollten. Um uns herum, den Schwarm unserer seelenspendenden oder häuslichen Beiwörter herausfordernd, sind die Dinge da. Ihre Oberfläche ist säuberlich und glatt, unberührt, aber ohne zweideutigen Glanz und ohne Durchsichtigkeit. Unserer ganzen Dichtung gelang es noch nicht, sie auch nur eine Spur anzuritzen oder die kleinste ihrer Krümmungen abzuändern.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Die unzähligen verfilmten Romane, die unsere Leinwand immer wieder in Anspruch nehmen, bieten uns die Gelegenheit an, diese Erfahrungen immer wieder zu machen. Der Film – auch er ein Erbe der psychologischen und naturalistischen Überlieferung – will am häufigsten bloß eine Erzählung in Bilder übertragen: er zielt nur darauf, in dem Dolmetschervorgang einiger gutgewählter Szenen dem Zuschauer die Bedeutung einzuhämmern, die im gedruckten Roman die Sätze dem Leser vorschlugen. Aber es kommt zu jeder Zeit vor, daß die verfilmte Erzählung uns mit einer Heftigkeit, die schwerlich in dem entsprechenden Texte, sei es Roman oder Drehbuch, zu finden ist, von unserer innerlichen konstruierten Geborgenheit losreißt und in diese dargebotene Welt hineinwirft.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Bekanntlich ruhte die ganze Romankunst auf diesen Mythen und auf ihnen allein. Nach der Tradition bestand die Rolle des Schriftstellers darin, der Natur nachzuforschen, sich in sie zu vertiefen, um die untersten Schichten zu erreichen und Fragmente und Bruchstücke eines verwirrenden Geheimnisses ans Tageslicht zu bringen. Von dem Abgrund der menschlichen Leidenschaften aus sandte er der scheinbar ruhigen Welt, der Welt der Oberfläche, Siegesbotschaften, die über die von ihm berührten Geheimnisse berichteten. Und die heiligen Schauer, die dann den Leser ergriffen, statt daß sie Angst oder Ekel in ihm erweckt hätten, gaben ihm die Bestätigung seiner Macht über die Welt: es gab Abgründe, gewiß, aber dank den tapferen Höhlenforschern konnte man ihren Grund ermessen.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Mit dem Zusammenbruch der essentialistischen Auffassungen vom Menschen und mit der Auflösung des „Naturbegriffes“ durch den Bedingtheitsbegriff hörte für uns die Oberfläche der Dinge auf, die Maske ihres Herzens zu sein, was eine offene Tür zu den schlimmsten Jenseitsvorstellungen, „dort drüben“-Spekulationen der Metaphysik von jeher gewesen war.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Die gleiche paradoxale Bewegung (aufbauen, indem man zerstört) findet man in der Behandlung der Zeit wieder. Film und Roman zeigen sich in erster Linie in der Form von zeitlichen Abläufen – im Gegensatz zum Beispiel zu Werken der bildenden Kunst, zu Plastiken oder Gemälden. Der Film ist sogar wie eine musikalische Komposition endgültig in seiner Dauer festgelegt während die Dauer des Lesens von einer Seite zur andern, von einem Individuum zum andern unendlich variieren kann). Im Gegensatz dazu kennt der Film, wie wir gesagt haben, nur einen grammatischen Modus: das Präsens des Indikativs. Film und Roman treffen sich heute in jedem Fall in der Konstruktion von Augenblicken, von Intervallen und Abfolgen, die nichts mehr mit denen der Uhren oder Kalender zu tun haben. Versuchen wir, ihre Rolle ein wenig genauer zu beschreiben.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Die Welt, in der der ganze Film spielt, ist ganz eindeutig die eines ständigen Präsens, das jeden Rekurs auf das Gedächtnis unmöglich macht. Es ist eine Welt ohne Vergangenheit, die sich in jedem Augenblick selbst genügt und die in fortschreitendem Maß wieder verlöscht. Der Mann und die Frau beginnen erst zu existieren, als sie zum erstenmal auf der Leinwand erscheinen, vorher sind sie nichts, und nachdem die Vorführung des Films beendet ist, sind sie wiederum nichts. Ihre Existenz dauert nur so lange wie der Film. Außerhalb der Bilder, die man sieht, außerhalb der Worte, die man hört, kann es keine Wirklichkeit geben.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Alle Schriftsteller glauben, Realisten zu sein. Nie behauptet einer, er sei abstrakt, illusionistisch, schimärisch, phantastisch, trügerisch … Der Realismus ist keine eindeutig definierte Theorie, die es ermöglicht, einige Romanciers anderen gegenüberzustellen; es ist im Gegenteil eine Fahne, unter der sich die allermeisten – wenn nicht überhaupt alle – heutigen Romanciers sammeln. Sicher muß man in diesem Punkt ihnen allen Vertrauen schenken. Die wirkliche Welt interessiert sie; jeder bemüht sich, einfach „Reales“ zu schaffen.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Außerdem verändert sich die Welt ebenfalls. Einerseits ist sie objektiv gesehen in vielen Punkten nicht mehr dieselbe wie etwa vor hundert Jahren, das materielle, das geistige und das politische Leben haben sich beträchtlich verändert, ebenso wie das Aussehen unserer Städte, unserer Häuser, unserer Dörfer, unserer Straßen usw. Andererseits haben die Kenntnisse, die wir von dem haben, was in uns ist, und von dem, was uns umgibt (die wissenschaftlichen Kenntnisse, seien es die von der Materie oder die vom Menschen), auf die gleiche Weise außerordentliche Umwälzungen erlebt. Aus den einen und den anderen Gründen haben sich unsere subjektiven Beziehungen zur Welt grundlegend gewandelt.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • In diesem neuen Realismus geht es also nicht im geringsten mehr um Verismus. Das kleine Detail, das den Eindruck des „Wahren“ verstärkt, fesselt die Aufmerksamkeit des Romanciers nicht mehr, weder im Schauspiel der Welt noch in der Literatur; was ihn fesselt – und was man nach vielen Umwandlungen in dem wiederfindet, was er schreibt – wäre viel eher im Gegenteil das kleine Detail, das den Eindruck des „Falschen“ bewirkt.
    Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren
  • Ich resümiere: Um dem Menschen anzugewöhnen, von neuen Blickwinkeln aus zu sehen, muß man gewöhnliche, ihm wohlbekannte Gegenstände von völlig unerwarteten Blickwinkeln aus und in unerwarteten Positionen fotografieren, und neue Objekte von verschiedenen Standorten aus, um eine vollständige Vorstellung vom Objekt zu geben.
    Rodtschenko, Alexander M.: Die Wege der modernen Fotografie, 1928 Zur Textstelle navigieren
  • So wie ein Kunstwerk, das nicht in unsrer eignen ewigen Existenz gegründet ist, nicht bestehet, so ist es gewiß auch mit dem Menschen, der nicht in Gott gegründet ist. Die Blüten, die wir treiben aus dem Bewußtsein dieses unsers ersten Ursprungs, wo der Saft aus diesem Stamm der Welt gezogen wird, denen gedeihen die Früchte ; ein jeder Mensch ist ein Zweig an diesem großen Baum, und nur durch den Stamm können wir den Saft erhalten zu ewigen unsterblichen Früchten. Wer einen Zusammenhang mit dem Stamm nicht mehr in sich fühlt, der ist schon verdorret.
    Runge, Philipp Otto: Brief an den Bruder Daniel (9. 3. 1802), Brief an Ludwig Tieck (1. 12. 1802), 1802 Zur Textstelle navigieren
  • Schon längst ist eingesehen worden, daß in der Kunst nicht alles mit dem Bewußtseyn ausgerichtet wird, daß mit der bewußten Thätigkeit eine bewußtlose Kraft sich verbinden muß, und daß die vollkommne Einigkeit und gegenseitige Durchdringung dieser beyden das Höchste der Kunst erzeugt. Werke, denen dieß Sigel bewußtloser Wissenschaft fehlt, werden durch den fühlbaren Mangel an selbstständigem von dem Hervorbringenden unabhängigem Leben erkannt, da im Gegentheil, wo diese wirkt, die Kunst ihrem Werk mit der höchsten Klarheit des Verstandes zugleich jene unergründliche Realität ertheilt, durch die es einem Naturwerk ähnlich erscheint.
    Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • In der Natur und Kunst strebt das Wesen zuerst nach der Verwirklichung, oder Darstellung seiner selbst im Einzelnen. Darum zeigt sich die größte Strenge der Form in den Anfängen beyder: denn ohne Begränzung könnte das Gränzenlose nicht erscheinen, wäre nicht Härte, so könnte die Milde nicht seyn, und soll die Einheit fühlbar werden, so kann dieß nur durch Eigenheit, Absonderung und Widerstreit geschehen. Im Beginn daher erscheint der schaffende Geist ganz verloren in die Form, unzugänglich, verschlossen und selbst im Großen noch herb. Je mehr es ihm aber gelingt, seine ganze Fülle in Einem Geschöpf zu vereinigen: desto mehr läßt er allmälig von seiner Strenge nach, und wo er die Form völlig ausgebildet, so daß er in ihr befriedigt ruht, und sich selbst faßt, erheitert er sich gleichsam, und fängt an in sanften Linien sich zu bewegen. Dieses ist der Zustand der schönsten Reife und Blüthe, wo das reine Gefäß vollendet da steht, der Naturgeist frey wird von seinen Banden, und seine Verwandtschaft mit der Seele empfindet.
    Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • Ganz anders aber scheint es mit der Mahlerey, als mit der Skulptur beschaffen. Denn jene stellt nicht wie diese durch körperliche Dinge, sondern durch Licht und Farbe, also selbst durch ein unkörperliches und gewissermassen geistiges Mittel dar: auch giebt sie ihre Bilder keineswegs für die Gegenstände selbst, sondern will sie ausdrücklich als Bilder angesehen wissen.
    Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • Ja, wenn die Plastik die Kraft, wodurch ein Wesen nach aussen besteht, und in der Natur wirkt, mit der, wodurch es nach innen, und als Seele lebt, vollkommen gleich abwägt, und das bloße Leiden selbst von der Materie ausschließt, so mag dagegen die Mahlerey in dieser zum Vortheil der Seele den Charakter der Kraft und Thätigkeit mindern, und in den der Hingebung und Duldsamkeit verwandeln, wodurch es scheint, daß der Mensch für Eingebungen der Seele und höhere Einflüsse überhaupt empfänglicher werde.
    Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • Wir haben gesehen, wie aus der Tiefe der Natur Diese ganze Abhandlung weißt die Basis der Kunst und also auch der Schönheit in der Lebendigkeit der Natur nach: was indeß Lehre der heutigen Philosophie sey, ist den öffentlichen Beurtheilern bekanntlich immer besser bewußt, als den Urhebern derselben. So erfuhren wir durch das Mittel einer sonst mit Recht geschäzten Zeitschrift von einem solchen Kenner vor Kurzem: daß es zufolge der neuesten Ästhetik und Philosophie – (ein weitschichtiger Begriff, worin von namhaften Halbkennern aus dem Haufen alles Mißfällige zusammengeworfen wird, vermuthlich um es desto besser über den Haufen zu werfen) – nur eine Kunstschönheit, aber keine Naturschönheit gebe. Wir möchten nun gern fragen, wo die neueste Philosophie, desgleichen Ästhetik, eine solche Behauptung aufgestellt; erinnerten wir uns nicht in diesem Augenblick, welchen Begriff Richter dieser Art mit dem Wort Natur, besonders in der Kunst zu verbinden pflegen. Der angeführte Beurtheiler meynt es übrigens mit jener Meynung selbst nicht übel; vielmehr sucht er ihr durch einen strengen Beweis, in den Redensarten und Formen der neuesten Philosophie, selbst zu Hülfe zu kommen. Vernehmen wir den trefflichen Beweis! „Das Schöne sey die Erscheinung des Göttlichen im Irdischen, des Unendlichen im Endlichen. Die Natur sey nun zwar auch Erscheinung des Göttlichen, aber diese – seit dem Anfang der Zeit gewesene und bis an‘s Ende der Tage dauernde Natur, wie sich der Wohlunterrichtete näher ausdrückt – erscheine nicht des Menschen Geiste, und nur in ihrer Unendlichkeit sey sie schön.“ – Wir mögen diese Unendlichkeit nehmen, wie wir wollen, so ist hier der Widerspruch, daß die Schönheit Erscheinung des Unendlichen im Endlichen, dennoch aber die Natur nur in ihrer Unendlichkeit schön seyn solle. Doch sich selbst bezweifelnd wendet der Kenner ein, daß jeder Theil eines schönen Werkes doch auch noch schön sey, z.B. die Hand oder der Fuß einer schönen Bildsäule. Aber (so löst er den Zweifel) wo haben wir denn die Hand oder den Fuß von einem solchen Koloß (der Natur nämlich)? Der philosophische Kenner giebt hiemit den Werth und die Erhabenheit seines Begrifs von Unendlichkeit der Natur zu erkennen. Er findet sie in der unermeßlichen Ausdehnung. Daß eine wahre wesentliche Unendlichkeit in jedem Theil der Materie ist, ist eine Übertreibung, zu der sich der billige Mann gewiß nicht versteigt, spricht er gleich die Sprache der neuesten Philosophie. Und daß der Mensch z.B. noch wohl etwas mehr, denn nur Hand und Fuß der Natur seyn könnte – wohl eher das Auge – Hand und Fuß aber ausserdem auch wohl noch zu finden wären – könnte nicht ohne Ausschweifung auch nur gedacht werden. Demnach mag ihm die Frage selbst nicht vernichtend genug geschienen zu haben, und die rechte philosophische Anstrengung beginnt erst. Es sey allerdings wahr, meynt der Treffliche, daß jedes Einzelne in der Natur eine Erscheinung des Ewigen und Göttlichen – doch wohl in diesem Einzelnen? – sey; aber das Göttliche erscheint nicht als göttlich, sondern als irdisch und vergänglich. – Das ist philosophische Kunst zu nennen! Wie auf das Gebot Apparais und Disparais die Schatten im Schattenspiel kommen und gehen, so erscheint das Göttliche im Irdischen, und erscheint auch minder nicht, wie der Künstler es will. Doch dieses ist nur Vorspiel zu einer nachfolgenden Schlußkette, deren Glieder besondrer Auszeichnung werth sind. 1) „Das Einzelne, als solches, stellt nichts dar, als ein Bild des Werdens und Vergehens – und zwar nicht die Idee des Werdens und Vergehens, sondern ein Beyspiel davon, dadurch, daß es wird und vergeht.“ (So könnte man auch von einem schönen Gemählde sagen, es stellt ein Beyspiel des Werdens und Vergehens dar, denn auch dieses fängt erst allmälig an, seine Farbenstimmung zu erhalten, dann verdunkelt es und wird vom Rauch, Staub, Würmern oder Motten angegriffen.) 2) „Nun aber erscheint in der Natur nichts, als Einzelnes“ (vorhin aber war alles Einzelne eine Erscheinung des Göttlichen in dem Einzelnen). 3) Also kann nichts in der Natur schön seyn, weil das Göttliche, welches doch wohl dauernd und bleibend (in der Zeit versteht sich!) erscheinen muß, dauernd und bleibend im Irdischen erscheinen müßte, damit Schönheit wäre, in der Natur aber nichts als Einzelnes, demnach Vergängliches ist. Herrlicher Beweis! Nur an einigen Gebrechen leidet er, von denen nur zwei erwähnt werden sollen. Die Behauptung Nro. 2., daß in der Natur nichts als Einzelnes erscheine; zuvor aber waren da, wo jetzt nichts als Einzelnes ist, drei Dinge: A) das Göttliche, B) das Einzelne, in dem es erscheint, C) das in dieser Verbindung Gewordne, zugleich Göttliche und Irdische. Nun vergißt aber der Bescheidne, der kurz zuvor sein Antlitz im Spiegel der neuesten Philosophie beschaut, ganz wie es gestaltet war. Er sieht jetzt von A, B und C nur noch B, von dem freilich leicht zu beweisen steht, daß es nicht das Schöne ist, da es nach seiner eignen Erklärung nur das C seyn sollte. Er wird nun nicht im Gegentheil sagen wollen, daß das C nicht erscheine ; denn auch das hatte er schon anders gemeint. Denn A (das Göttliche) erscheint nicht für sich, sondern nur durch das Einzelne, B; also in C. B aber ist überhaupt nur, inwiefern A in ihm erscheint also auch nur in C; gerade C also ist das einzige wirklich Erscheinende. – Das zweite Gebrechen liegt in dem dem Schlußsatz, obwohl nur mit halber Sicherheit, fast nur als Anfrage eingeschobnen Nebensatz: das Göttliche, als solches, müßte doch wohl bleibend und dauernd erscheinen! Offenbar hat der wohl orientirte Mann die Idee des An-sich, ohne alle Zeit, Ewigen mit dem Begriff des in der Zeit bleibenden und endlos dauernden verwechselt, und verlangt das letzte, wenn er das erste sehen soll. Nun, wenn das Göttliche nur im endlos fortdauernden erscheinen kann, so mag er zusehen, woher er eine Erscheinung desselben in der Kunst, also ein Kunstschönes, erweisen kann. – Es kann nicht fehlen, daß dieser gründlich belehrte Mann zu andrer Zeit hingeht und wieder andern den Mißbrauch der neuesten Philosophie vielleicht nicht ohne Grund verweißt, durch welche Potenzenfolge immer besseren Verstehens das Verständniß, wie man leicht sieht, immer weiter gedeihen muß. das Kunstwerk emporwachsend mit Bestimmtheit und Begränzung anhebt, innere Unendlichkeit und Fülle entfaltet, endlich zur Anmuth sich verklärt, zuletzt zur Seele gelanget : aber getrennt mußte vorgestellt werden, was in dem Schöpfungsakt der zur Reife gediehenen Kunst nur Eine That ist. Diese geistige Zeugungskraft kann keine Lehre oder Anweisung erschaffen. Sie ist das reine Geschenk der Natur, welche hier zum zweytenmale sich schließt, indem sie, ganz sich verwirklichend, ihre Schöpfungskraft in das Geschöpf legt.
    Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • Wir können den Inbegriff alles blos Objectiven in unserm Wissen Natur nennen ; der Inbegriff alles Subjectiven dagegen heiße das Ich, oder die Intelligenz. Beide Begriffe sind sich entgegengesetzt. Die Intelligenz wird ursprünglich gedacht als das blos Vorstellende, die Natur als das blos Vorstellbare, jene als das Bewußte, diese als das Bewußtlose. Nun ist aber in jedem Wissen ein wechselseitiges Zusammentreffen beider (des Bewußten und des an sich Bewußtlosen) nothwendig; die Aufgabe ist: dieses Zusammentreffen zu erklären.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • So gelangt z. B. von der Anschauung nur das Objective zum gemeinen Bewußtsein, das Anschauen selbst verliert sich im Gegenstand; indeß die transscendentale Betrachtungsart vielmehr nur durch den Act des Anschauens hindurch das Angeschaute erblickt. – So ist das gemeine Denken ein Mechanismus, in welchem Begriffe herrschen, aber ohne als Begriffe unterschieden zu werden; indeß das transscendentale Denken jenen Mechanismus unterbricht, und, indem es des Begriffs als Acts sich bewußt wird, zum Begriff des Begriffs sich erhebt. – Im gemeinen Handeln wird über dem Object der Handlung das Handeln selbst vergessen; das Philosophiren ist auch ein Handeln, aber nicht ein Handeln nur, sondern zugleich ein beständiges Selbstanschauen in diesem Handeln.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Die transscendentale Kunst wird eben in der Fertigkeit bestehen, sich beständig in dieser Duplicität des Handelns und des Denkens zu erhalten.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Dieses Handeln ist nur zu begreifen durch eigene unmittelbare innere Anschauung, und diese ist wieder nur durch Production möglich. Aber nicht genug. Im Philosophiren ist man nicht blos das Object, sondern immer zugleich das Subject der Betrachtung. Zum Verstehen der Philosophie sind also zwei Bedingungen erforderlich, erstens, daß man in einer beständigen innern Thätigkeit, in einem beständigen Produciren jener ursprünglichen Handlungen der Intelligenz, zweitens, daß man in beständiger Reflexion auf dieses Produciren begriffen, mit einem Wort, daß man immer zugleich das Angeschaute (producirende) und das Anschauende sey.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Wie die Naturwissenschaft den Idealismus aus dem Realismus hervorbringt, indem sie die Naturgesetze zu Gesetzen der Intelligenz vergeistigt, oder zum Materiellen das Formelle hinzufügt, (§. 1.) so die Transscendental-Philosophie den Realismus aus dem Idealismus, dadurch, daß sie die Gesetze der Intelligenz zu Naturgesetzen materialisirt, oder zum Formellen das Materielle hinzubringt.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Das Ich ist unendlich für sich selbst, heißt, es ist unendlich für seine Selbstanschauung. Aber das Ich, indem es sich anschaut, wird endlich. Dieser Widerspruch ist nur dadurch aufzulösen, daß das Ich in dieser Endlichkeit sich unendlich wird, d. h. daß es sich anschaut als ein unendliches Werden.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Die Natur in ihrer blinden und mechanischen Zweckmäßigkeit repräsentirt mir allerdings eine ursprüngliche Identität der bewußten, und der bewußtlosen Thätigkeit, aber sie repräsentirt mir jene Identität nicht als eine solche, deren letzter Grund im Ich selbst liegt. Der Transscendental-Philosoph sieht es wohl, daß das Princip derselben das Letzte in uns ist, was schon im ersten Act des Selbstbewußtseyns sich trennt, und auf welches das ganze Bewußtseyn mit allen seinen Bestimmungen aufgetragen ist, aber das Ich selbst sieht es nicht. Nun war ja aber die Aufgabe der ganzen Wissenschaft eben die, wie dem Ich selbst der letzte Grund der Harmonie zwischen Subjectivem und Objectivem objectiv werde?
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Es kann also nur der Widerspruch zwischen dem Bewußten und dem Bewußtlosen im freyen Handeln seyn, welcher den künstlerischen Trieb in Bewegung setzt, so wie es hinwiederum nur der Kunst gegeben seyn kann, unser unendliches Streben zu befriedigen, und auch den letzten und äussersten Widerspruch in uns aufzulösen.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • So wie die ästhetische Production ausgeht vom Gefühl eines scheinbar unauflöslichen Widerspruchs, ebenso endet sie nach dem Bekenntniß aller Künstler, und aller, die ihre Begeisterung theilen, im Gefühl einer unendlichen Harmonie, und daß dieses Gefühl, was die Vollendung begleitet, zugleich eine Rührung ist, beweist schon, daß der Künstler die vollständige Auflösung des Widerspruchs, die er in seinem Kunstwerk erblickt, nicht sich selbst, sondern einer freywilligen Gunst seiner Natur zuschreibt, die, so unerbittlich sie ihn in Widerspruch mit sich selbst setzte, ebenso gnädig den Schmerz dieses Widerspruchs von ihm hinwegnimmt, denn so wie der Künstler unwillkührlich, und selbst mit innerem Widerstreben zur Production getrieben wird,
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Es erhellt daraus von selbst, was von der Nachahmung der Natur als Princip der Kunst zu halten sey, da weit entfernt, daß die blos zufällig schöne Natur der Kunst die Regel gebe, vielmehr, was die Kunst in ihrer Vollkommenheit hervorbringt, Princip und Norm für die Beurtheilung der Naturschönheit ist.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Aus jener Unabhängigkeit von äußern Zwecken entspringt jene Heiligkeit und Reinheit der Kunst, welche so weit geht, daß sie nicht etwa nur die Verwandtschaft mit allem, was blos Sinnenvergnügen ist, welches von der Kunst zu verlangen, der eigentliche Charakter der Barbarei ist, oder mit dem Nützlichen, welches von der Kunst zu fordern nur einem Zeitalter möglich ist, das die höchsten Efforts des menschlichen Geistes in ökonomische Erfindungen setzt, sondern selbst die Verwandtschaft mit allem, was zur Moralität gehört, ausschlägt, ja selbst die Wissenschaft, welche in Ansehung ihrer Uneigennützigkeit am nächsten an die Kunst gräntzt, blos darum, weil sie immer auf einen Zweck außer sich geht, und zuletzt selbst nur als Mittel für das Höchste (die Kunst) dienen muß, weit unter sich zurückläßt.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Diese allgemein anerkannte, und auf keine Weise hinwegzuläugnende Objectivität der intellectuellen Anschauung ist die Kunst selbst. Denn die ästhetische Anschauung eben ist die obojectiv gewordene intellectuelle. Das Kunstwerk nur reflectirt mir, was sonst durch nichts reflectirt wird, jenes absolut Identische, was selbst im Ich schon sich getrennt hat; was also der Philosoph schon im ersten Act des Bewußtseyns sich trennen läßt, wird, sonst für jede Anschauung unzugänglich, durch das Wunder der Kunst aus ihren Producten zurückgestrahlt.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Aber nicht nur das erste Princip der Philosophie, und die erste Anschauung, von welcher sie ausgeht, sondern auch der ganze Mechanismus, den die Philosophie ableitet, und auf welchem sie selbst beruht, wird erst durch die ästhetische Production objectiv.
    Schelling, Friedrich W. J.: System des transscendentalen Idealismus, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Fürchten Sie nichts für Realität und Wahrheit, wenn der hohe Begriff, den ich in dem vorhergehenden Briefe von dem ästhetischen Schein aufstellte, allgemein werden sollte. Er wird nicht allgemein werden, so lange der Mensch noch ungebildet genug ist, um einen Mißbrauch davon machen zu können; und würde er allgemein, so könnte dies nur durch eine Kultur bewirkt werden, die zugleich jeden Mißbrauch unmöglich machte. Dem selbstständigen Schein nachzustreben erfodert mehr Abstraktionsvermögen, mehr Freiheit des Herzens, mehr Energie des Willens, als der Mensch nötig hat, um sich auf die Realität einzuschränken, und er muß diese schon hinter sich haben, wenn er bei jenem anlangen will. Wie übel würde er sich also raten, wenn er den Weg zum Ideale einschlagen wollte, um sich den Weg zur Wirklichkeit und Wahrheit zu ersparen!
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • So wenig es aber auch an sich selbst für eine höhere Natur beweist, und so gerne sich gerade die schlaffesten Seelen diesem freien Bilderstrome zu überlassen pflegen, so ist doch eben diese Unabhängigkeit der Phantasie von äußern Eindrücken wenigstens die negative Bedingung ihres schöpferischen Vermögens. Nur indem sie sich von der Wirklichkeit losreißt, erhebt sich die bildende Kraft zum Ideale, und ehe die Imagination in ihrer produktiven Qualität nach eignen Gesetzen handeln kann, muß sie sich schon bei ihrem reproduktiven Verfahren von fremden Gesetzen frei gemacht haben. Freilich ist von der bloßen Gesetzlosigkeit zu einer selbstständigen innern Gesetzgebung noch ein sehr großer Schritt zu tun, und eine ganz neue Kraft, das Vermögen der Ideen, muß hier ins Spiel gemischt werden – aber diese Kraft kann sich nunmehr auch mit mehrerer Leichtigkeit entwickeln, da die Sinne ihr nicht entgegen wirken, und das Unbestimmte wenigstens negativ an das Unendliche grenzt.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Von diesem Spiel der freien Ideenfolge, welches noch ganz materieller Art ist, und aus bloßen Naturgesetzen sich erklärt, macht endlich die Einbildungskraft in dem Versuch einer freien Form den Sprung zum ästhetischen Spiele.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • nur die schöne Mitteilung vereinigt die Gesellschaft, weil sie sich auf das Gemeinsame aller bezieht. Die Freuden der Sinne genießen wir bloß als Individuen, ohne daß die Gattung, die in uns wohnt, daran Anteil nähme; wir können also unsre sinnlichen Freuden nicht zu allgemeinen erweitern, weil wir unser Individuum nicht allgemein machen können. Die Freuden der Erkenntnis genießen wir bloß als Gattung, und indem wir jede Spur des Individuums sorgfältig aus unserm Urteil entfernen; wir können also unsre Vernunftfreuden nicht allgemein machen, weil wir die Spuren des Individuums aus dem Urteile anderer nicht so wie aus dem unsrigen ausschließen können. Das Schöne allein genießen wir als Individuum und als Gattung zugleich, d. h. als Repräsentanten der Gattung.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sieben und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Da die ästhetische Stimmung des Gemüts, wie ich in den vorhergehenden Briefen entwickelt habe, der Freiheit erst die Entstehung gibt, so ist leicht einzusehen, daß sie nicht aus derselben entspringen und folglich keinen moralischen Ursprung haben könne. Ein Geschenk der Natur muß sie sein; die Gunst der Zufälle allein kann die Fesseln des physischen Standes lösen, und den wilden zur Schönheit führen.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Gleich so wie der Spieltrieb sich regt, der am Scheine Gefallen findet, wird ihm auch der nachahmende Bildungstrieb folgen, der den Schein als etwas Selbstständiges behandelt. Sobald der Mensch einmal so weit gekommen ist, den Schein von der Wirklichkeit, die Form von dem Körper zu unterscheiden, so ist er auch im Stande, sie von ihm abzusondern; denn das hat er schon getan, indem er sie unterscheidet. Das Vermögen zur nachahmenden Kunst, ist also mit dem Vermögen zur Form überhaupt gegeben; der Drang zu derselben beruht auf einer andern Anlage, von der ich hier nicht zu handeln brauche. Wie frühe oder wie spät sich der ästhetische Kunsttrieb entwickeln soll, das wird bloß von dem Grade der Liebe abhängen, mit der der Mensch fähig ist, sich bei dem bloßen Schein zu verweilen.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Da alles wirkliche Dasein von der Natur als einer fremden Macht, aller Schein aber ursprünglich von dem Menschen als vorstellendem Subjekte, sich herschreibt, so bedient er sich bloß seines absoluten Eigentumsrechts, wenn er den Schein von dem Wesen zurück nimmt, und mit demselben nach eignen Gesetzen schaltet. Mit ungebundener Freiheit kann er, was die Natur trennte, zusammenfügen, sobald er es nur irgend zusammen denken kann, und trennen, was die Natur verknüpfte, sobald er es nur in seinem Verstande absondern kann. Nichts darf ihm hier heilig sein, als sein eigenes Gesetz, sobald er nur die Markung in Acht nimmt, welche sein Gebiet von dem Dasein der Dinge oder dem Naturgebiete scheidet.
    Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Sechs und zwanzigster Brief, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Ist der Mensch in den Stand der Kultur getreten, und hat die Kunst ihre Hand an ihn gelegt, so ist jene sinnliche Harmonie in ihm aufgehoben, und er kann nur noch als moralische Einheit, d. h. als nach Einheit strebend, sich äußern. Die Übereinstimmung zwischen seinem Empfinden und Denken, die in dem ersten Zustande wirklich statt fand, existiert jetzt bloß idealisch ; sie ist nicht mehr in ihm, sondern außer ihm; als ein Gedanke, der erst realisiert werden soll, nicht mehr als Tatsache seines Lebens. Wendet man nun den Begriff der Poesie, der kein andrer ist, als der Menschheit ihren möglichst vollständigen Ausdruck zu geben, auf jene beiden Zustände an, so ergibt sich, daß dort in dem Zustande natürlicher Einfalt, wo der Mensch noch, mit allen seinen Kräften zugleich, als harmonische Einheit wirkt, wo mithin das Ganze seiner Natur sich in der Wirklichkeit vollständig ausdrückt, die möglichst vollständige Nachahmung des Wirklichen – daß hingegen hier in dem Zustande der Kultur, wo jenes harmonische Zusammenwirken seiner ganzen Natur bloß eine Idee ist, die Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal oder was auf eins hinausläuft, die Darstellung des Ideals den Dichter machen muß. Und dies sind auch die zwei einzig möglichen Arten, wie sich überhaupt der poetische Genius äußern kann. Sie sind, wie man sieht, äußerst von einander verschieden, aber es gibt einen höhern Begriff, der sie beide unter sich faßt, und es darf gar nicht befremden, wenn dieser Begriff mit der Idee der Menschheit in eins zusammentrifft.
    Schiller, Friedrich: Die sentimentalischen Dichter, 1795 Zur Textstelle navigieren
  • Nun ist zwar alles notwendig, was durch Natur geschieht, und das ist auch jedes noch so verunglückte Produkt des naiven Genies, von welchem nichts mehr entfernt ist als Willkürlichkeit; aber ein andres ist die Nötigung des Augenblicks, ein andres die innre Notwendigkeit des Ganzen. Als ein Ganzes betrachtet ist die Natur selbstständig und unendlich; in jeder einzelnen Wirkung hingegen ist sie bedürftig und beschränkt. Dieses gilt daher auch von der Natur des Dichters. Auch der glücklichste Moment, in welchem sich derselbe befinden mag, ist von einem vorhergehenden abhängig; es kann ihm daher auch nur eine bedingte Notwendigkeit beigelegt werden. Nun ergeht aber die Aufgabe an den Dichter, einen einzelnen Zustand dem menschlichen Ganzen gleich zu machen, folglich ihn absolut und notwendig auf sich selbst zu gründen.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Die wirkliche Natur nehmlich; aber von dieser kann die wahre Natur, die das Subjekt naiver Dichtungen ist, nicht sorgfältig genug unterschieden werden. Wirkliche Natur existiert überall, aber wahre Natur ist desto seltener, denn dazu gehört eine innere Notwendigkeit des Daseins. Wirkliche Natur ist jeder, noch so gemeine Ausbruch der Leidenschaft, er mag auch wahre Natur sein, aber eine wahre menschliche ist er nicht; denn diese erfodert einen Anteil des selbstständigen Vermögens an jeder Äußerung, dessen Ausdruck jedesmal Würde ist.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn sich das dichtende Genie über alle zufälligen Schranken, welche von jedem bestimmten Zustande unzertrennlich sind, mit freier Selbsttätigkeit muß erheben können, um die menschliche Natur in ihrem absoluten Vermögen zu erreichen, so darf es sich doch auf der andern Seite nicht über die notwendigen Schranken hinwegsetzen, welche der Begriff einer menschlichen Natur mit sich bringt; denn das Absolute aber nur innerhalb der Menschheit ist seine Aufgabe und seine Sphäre. Wir haben gesehen, daß das naive Genie zwar nicht in Gefahr ist, diese Sphäre zu überschreiten, wohl aber sie nicht ganz zu erfüllen, wenn es einer äußern Notwendigkeit oder dem zufälligen Bedürfnis des Augenblicks zu sehr auf Unkosten der innern Notwendigkeit Raum gibt. Das sentimentalische Genie hingegen ist der Gefahr ausgesetzt, über dem Bestreben, alle Schranken von ihr zu entfernen, die menschliche Natur ganz und gar aufzuheben, und sich nicht bloß, was es darf und soll, über jede bestimmte und begrenzte Wirklichkeit hinweg zu der absoluten Möglichkeit zu erheben oder zu idealisieren, sondern über die Möglichkeit selbst noch hinauszugehen oder zu schwärmen.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Beide werden also, wiewohl auf ganz entgegengesetzte Weise in den Fehler der Leerheit verfallen; denn ein Gegenstand ohne Geist und ein Geistesspiel ohne Gegenstand sind beide ein Nichts in dem ästhetischen Urteil.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Man wird ihn also wieder fragen können: warum willst du denn, was sein muß? Warum unterwirft sich dein freier Wille dieser Naturnotwendigkeit, da er sich ihr eben so gut, (wenn gleich ohne Erfolg, von dem hier auch gar nicht die Rede ist) entgegensetzen könnte, und sich in Millionen deiner Brüder derselben wirklich entgegensetzt? Du kannst nicht sagen, weil alle andern Naturwesen sich derselben unterwerfen, denn du allein hast einen Willen, ja du fühlst, daß deine Unterwerfung eine freiwillige sein soll. Du unterwirfst dich also, wenn es freiwillig geschieht, nicht der Naturnotwendigkeit selbst, sondern der Idee derselben ; denn jene zwingt dich bloß blind, wie sie den Wurm zwingt, deinem Willen aber kann sie nichts anhaben, da du, selbst von ihr zermalmt, einen andern Willen haben kannst. Woher bringst du aber jene Idee der Naturnotwendigkeit; aus der Erfahrung doch wohl nicht, die dir nur einzelne Naturwirkungen aber keine Natur (als Ganzes) und nur einzelne Wirklichkeiten aber keine Notwendigkeit liefert. Du gehst also über die Natur hinaus, und bestimmst dich idealisch, so oft du entweder moralisch handeln oder nur nicht blind leiden willst. Es ist also offenbar, daß der Realist würdiger handelt, als er seiner Theorie nach zugibt, so wie der Idealist erhabener denkt, als er handelt. Ohne es sich selbst zu gestehen, beweist jener durch die ganze Haltung seines Lebens die Selbstständigkeit, dieser durch einzelne Handlungen die Bedürftigkeit der menschlichen Natur.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Nun kommt es aber in der Praxis des Lebens weit mehr darauf an, daß das Ganze gleichförmig menschlich gut als daß das Einzelne zufällig göttlich sei – und wenn also der Idealist ein geschickteres Subjekt ist, uns von dem was der Menschheit möglich ist, einen großen Begriff zu erwecken und Achtung für ihre Bestimmung einzuflößen, so kann nur der Realist sie mit Stätigkeit in der Erfahrung ausführen, und die Gattung in ihren ewigen Grenzen erhalten. Jener ist zwar ein edleres aber ein ungleich weniger vollkommenes Wesen; dieser erscheint zwar durchgängig weniger edel, aber er ist dagegen desto vollkommener; denn das Edle liegt schon in dem Beweis eines großen Vermögens, aber das Vollkommene liegt in der Haltung des Ganzen und in der wirklichen Tat.
    Schiller, Friedrich: Beschluss der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, 1796 Zur Textstelle navigieren
  • Die Frage jener Chinesen beym Anblick englischer Bildnisse: ob die Personen denn wirklich so fleckig wären, als sie durch Licht und Schatten erschienen? kann uns aufmerksam darauf machen, daß Gemählde nicht eigentlich täuschen, daß Einsicht und Gewöhnung dazu gehört, um die Wahrheit des Scheins in ihnen zu finden.
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Die todte und empirische Ansicht von der Welt ist, daß die äussern Dinge sind, die philosophische, daß alles in ewigem Werden, in einer unaufhörlichen Schöpfung begriffen ist, worauf uns schon eine Menge Erscheinungen im gemeinen Leben gleichsam hinstossen. Von uralten Zeiten her hat demnach der Mensch diese in allem wirksame Kraft der Hervorbringung zur Einheit einer Idee zusammengefaßt, und das ist die Natur im eigentlichen und höchsten Sinne. In keiner einzelnen Hervorbringung kann diese allgemeine Schöpferkraft erlöschen, allein wir können sie nie mit dem äusseren Sinne gewahr werden, am bestimmtesten erkennen wir sie von dem Punkte aus, wo wir selbst unsern Antheil daran in uns tragen: als organische Wesen, und nach den Graden der Verwandtschaft andrer Organisationen mit der unsrigen. Die gesammte Natur ist ebenfalls organisirt, aber das sehen wir nicht; sie ist eine Intelligenz wie wir, das ahnden wir nur, und gelangen erst durch Spekulation zur klaren Einsicht. Wird nun Natur in dieser würdigsten Bedeutung genommen, nicht als eine Masse von Hervorbringungen, sondern als das Hervorbringende selbst; und der Ausdruck Nachahmung in dem edleren Sinne, wo es nicht heißt, die Äusserlichkeiten eines Menschen nachäffen, sondern sich die Weise seines Handelns zu eigen machen
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Jedes schöne Ganze aus der Hand des bildenden Künstlers sey daher im Kleinen ein Abdruck des höchsten Schönen im großen Ganzen der Natur. Vortrefflich! sowohl die im Schönen liegende Beziehung aufs Unendliche, als das Streben der Kunst nach innerer Vollendung ist hiedurch aufs glücklichste ausgedrückt.
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Man könnte die Kunst daher auch definiren, als die durch das Medium eines vollendeten Geistes hindurchgegangene, für unsre Betrachtung verklärte und zusammengedrängte Natur. Der Grundsatz der Nachahmung, wie er gewöhnlich ganz empirisch genommen wird, läßt sich also geradezu umkehren. Die Kunst soll die Natur nachahmen, heißt mit andern Worten: die Natur (die einzelnen Naturdinge) ist in der Kunst Norm für den Menschen. Diesem Satz ist geradezu entgegengesetzt der wahre: der Mensch ist in der Kunst Norm der Natur.
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Vollkommene Naturwahrheit ist mit Einem Worte nicht zu erreichen möglich, und die Kunst soll sie nicht einmal suchen wollen, weil sie über diesem Suchen ihren eignen höheren Zweck unfehlbar aus den Augen verliert. Die Natur als Gegenstand der Darstellung ist der Kunst nur Mittel zu ihren Offenbarungen, durch jenes Bestreben würde sie sie zum letzten Ziel der Darstellung erheben, und im besten Falle, wenn es noch so sehr damit gelänge, wieder in blose Natur übergehen, da sie doch eine durchgängige Umbildung derselben nach Gesetzen des menschlichen Geistes seyn soll.
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Es tritt jedoch von neuem der Zweifel ein, wie es mehr als Einen Styl geben kann, da das Wahre nur eins ist. Wir müssen uns zuvörderst erinnern, daß die Kunst ein unendliches Ganzes, eine Idee ist, in deren vollständigem Besitz kein einzelner Mensch seyn kann: sie läßt sich also auch von sehr verschiedenen Seiten fassen, ohne daß ihr wahres Wesen darum verfehlt werden müßte. Und diejenige Ansicht von ihr, welche jeder Künstler nach seiner Eigentümlichkeit von ihr haben kann, gleichsam die Grundanschauung seiner Kunstwelt, ist das Prinzip, welches sich mit Freyheit und Bewußtseyn entwickelt, zum praktischen Systeme, zum Style bildet. Ferner: die Kunst geht wie die Natur, vermöge ihres innern Organismus in streng gesonderte und entgegen gesetzte Sphären aus einander, mit andern Worten, es gibt verschiedene Künste, deren jede ein anderes Prinzip der Darstellung, folglich auch schon für sich, ohne Rücksicht auf die Ausübenden, einen eignen Styl hat, es gibt einen plastischen und einen pittoresken, einen musikalischen und einen poetischen Styl.
    Schlegel, August Wilhelm: Über das Verhältnis der schönen Kunst zur Natur; über Täuschung und Wahrscheinlichkeit; über Styl und Manier, 1808 Zur Textstelle navigieren
  • Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der modernen Poesie. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe Mögen diese herrschenden Begriffe noch so dunkel und verworren seyn, so können und dürfen sie doch mit dem Triebe, als dirigirendem Princip der Bildung, nicht verwechselt werden. Beyde sind nicht durch Grade, sondern der Art nach von einander unterschieden. Zwar veranlassen herrschende Begriffe ähnliche Neigungen, und umgekehrt. Dennoch ist die dirigirende Kraft unverkennbar, weil beyder Richtung ganz entgegengesetzt ist. Die Tendenz des gesammten Triebes geht auf ein unbestimmtes Ziel; die Tendenz des isolirenden Verstandes geht auf einen bestimmten Zweck. Der entscheidende Punkt ist, ob die Anordnung der ganzen Masse, die Richtung aller Kräfte durch das Streben des gesammten noch ungetrennten Bestrebungs- und Gefühlsvermögen oder durch einen einzelnen Begriff und Absicht bestimmt ist.. Selbst der individuelle Charakter dieser Begriffe war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch nach diesen Begriffen sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determinirte; das war ein freyer Aktus des Gemüths.
    Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Nichts kann die Künstlichkeit der modernen aesthetischen Bildung besser erläutern und bestätigen, als das große Uebergewicht des Individuellen, Charakteristischen und Philosophischen in der ganzen Masse der modernen Poesie.
    Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Was war natürlicher, als daß das lenkende Prinzipium auch das gesetzgebende? daß das philosophisch Interessante letzter Zweck der Poesie ward? Der isolirende Verstand fängt damit an, daß er das Ganze der Natur trennt und vereinzelt. Unter seiner Leitung geht daher die durchgängige Richtung der Kunst auf treue Nachahmung des Einzelnen. Bey höherer intellektueller Bildung wurde also natürlich das Ziel der modernen Poesie originelle und interessante Individualität. Die nackte Nachahmung des Einzelnen ist aber eine bloße Kopistengeschicklichkeit, und keine freye Kunst. Nur durch eine idealische Stellung wird die Charakteristik eines Individuums zum philosophischen Kunstwerk. Durch diese Anordnung muß das Gesetz des Ganzen aus der Masse klar hervortreten, und sich dem Auge leicht darbieten; der Sinn, Geist, innre Zusammenhang des dargestellten Wesens muß aus ihm selbst hervorleuchten.
    Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Alles menschliche Thun und Leiden ist ein gemeinschaftliches Wechselwirken des Gemüths und der Natur. Nun muß entweder die Natur oder das Gemüth den letzten Grund des Daseyns eines gemeinschaftlichen einzelnen Produkts enthalten, oder den ersten bestimmenden Stoß zu dessen Hervorbringung geben. Im ersten Fall ist das Resultat Erkenntniß. Der Charakter des rohen Stofs bestimmt den Charakter der aufgefaßten Mannichfaltigkeit, und veranlaßt das Gemüth, diese Mannichfaltigkeit zu einer bestimmten Einheit zu verknüpfen, und in einer bestimmten Richtung die Verknüpfung fortzusetzen, und zur Vollständigkeit zu ergänzen. Erkenntniß ist eine Wirkung der Natur im Gemüth. – Im zweyten Fall hingegen muß das freye Vermögen sich selbst eine bestimmte Richtung geben, und der Charakter der gewählten Einheit bestimmt den Charakter der zu wählenden Mannichfaltigkeit, die jenem Zwecke gemäß gewählt, geordnet und wo möglich gebildet wird. Das Produkt ist ein Kunstwerk und eine Wirkung des Gemüths in der Natur.
    Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Wandelt die Gottheit auch in irdischer Gestalt? Kann das Beschränkte je vollständig, das Endliche vollendet, das Einzelne allgemeingültig seyn? Giebt es unter Menschen eine Kunst, welche die Kunst schlechthin genannt zu werden verdiente? Giebt es sterbliche Werke, in denen das Gesetz der Ewigkeit sichtbar wird?
    Schlegel, Friedrich: Über das Studium der Griechischen Poesie, 1797 Zur Textstelle navigieren
  • Wie es das Wesen des Geistes ist, sich selbst zu bestimmen und im ewigen Wechsel aus sich heraus zu gehn und in sich zurückzukehren; wie jeder Gedanke nichts anders ist, als das Resultat einer solchen Thätigkeit
    Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Auch ich trage schon lange das Ideal eines solchen Realismus in mir, und wenn es bisher nicht zur Mittheilung gekommen ist, so war es nur, weil ich das Organ dazu noch suche. Doch weiß ich, daß ichs nur in der Poesie finden kann, denn in Gestalt der Philosophie oder gar eines Systems wird der Realismus nie wieder auftreten können. Und selbst nach einer allgemeinen Tradition ist es zu erwarten, daß dieser neue Realismus, weil er doch idealischen Ursprungs seyn, und gleichsam auf idealischem Grund und Boden schweben muß, als Poesie erscheinen wird, die ja auf der Harmonie des Ideellen und Reellen beruhen soll.
    Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Und was ist jede schöne Mythologie anders als ein hieroglyphischer Ausdruck der umgebenden Natur in dieser Verklärung von Fantasie und Liebe?
    Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre spricht.
    Schlegel, Friedrich: Gespräch über die Poesie, 1800 Zur Textstelle navigieren
  • Angenommen, wir betrachten Kunst als eine Form menschlicher Kommunikation, als einen Diskurs, der in konkreten sozialen Beziehungen verankert ist, und nicht als mystifizierte, nebulöse und ahistorische Sphäre von rein affektivem Ausdruck und Erfahrung. Kunst ist – wie Sprache – sowohl symbolischer Austausch als auch materielle Praxis und hat mit dem Schaffen von Bedeutung wie von physischer Präsenz zu tun. Bedeutung entsteht als ein Verständnis dieser Präsenz aus einem Akt der Interpretation. Interpretation ist ideologisch befangen. Unsere Lesarten vergangener Kultur sind von den verborgenen Anforderungen der geschichtlichen Gegenwart abhängig. Mystifizierte Interpretation verallgemeinert den Akt der Lektüre und erhebt ihn über die Geschichte.
    Sekula, Allan: Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Fernsehen war nie ein realistisches Medium, noch war es je fähig, eine Geschichte im Sinne einer logischen, kohärenten Darstellung von Ursache und Wirkung zu erzählen. Aber jetzt ist Fernsehen ein offenkundig symbolisches Unternehmen, das sich ausschließlich um die metaphorische Poesie der Ware dreht. Mit dem Triumph des Tauschwerts über den Gebrauchswert werden alle Bedeutungen, alle Lügen möglich. Die Ware existiert als gigantisches Ersatzteillager; aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst, bildet sie ein metaphorisches Äquivalent zu allen anderen Waren.
    Sekula, Allan: Den Modernismus demontieren, das Dokumentarische neu erfinden. Bemerkungen zur Politik der Repräsentation, 1978 Zur Textstelle navigieren
  • Kunst halte ich für etwas ungeheuer Großes, Ausgedehntes. Ich glaube, Schnellstraßensysteme stürzen deswegen ein, weil sie keine Kunst sind. Die heutige Kunst ist Briefmarkenkunst. […] Wenn ich an Kunst denke, dann in einem öffentlichen Kontext, nicht im Sinne von transportablen Werken. Kunst ist einfach da.
    Smith, Tony: Interview with Samuel Wagstaff Jr., 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Als ich Anfang der fünfziger Jahre an der Cooper Union unterrichtete, erzählte mir jemand, wie ich auf den noch unfertigen New Jersey Turnpike kommen könnte. Ich nahm drei Studenten mit und fuhr von irgendwo in den Meadows nach New Brunswick. Es war stockfinstere Nacht, und es gab keine Beleuchtung, keine Fahrbahn- oder Randmarkierungen, überhaupt nichts außer dem dunklen Asphalt, der durch flaches Land führte, das in der Ferne von Hügeln gesäumt und durch aufragende Bauwerke, Rauch und farbige Lichter unterbrochen wurde. Diese Fahrt war eine aufschlußreiche Erfahrung. Die Straße und vieles an der Landschaft war künstlich, und doch konnte man sie nicht ein Kunstwerk nennen. Andererseits gab sie mir etwas, was mir die Kunst nie gegeben hatte. Zuerst wußte ich nicht, was, aber die Wirkung war, daß es mich von vielen Ansichten befreite, die ich über Kunst gehabt hatte. Da gab es offenbar eine Wirklichkeit, die in der Kunst bisher keinen Ausdruck gefunden hatte.
    Smith, Tony: Interview with Samuel Wagstaff Jr., 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Die Erfahrung auf der Straße war etwas planhaft Strukturiertes, aber nicht gesellschaftlich Anerkanntes. Ich dachte damals: Es dürfte wohl klar sein, daß dies das Ende der Kunst ist. Nach einer derartigen Erfahrung kommt einem die meiste Malerei ganz schön bildhaft vor. Es gibt keine Möglichkeit, diese Erfahrung einzurahmen, man muß sie einfach machen. Später entdeckte ich in Europa ein paar verlassene Flugzeugrollbahnen – aufgegebene Arbeiten, surrealistische Landschaften, etwas, dem jede Funktion fremd ist, erschaffene Welten ohne Tradition. Eine künstliche Landschaft ohne Beispiel in der Kultur tat sich mir auf. In Nürnberg gibt es einen Exerzierplatz, der groß genug ist, um zwei Millionen Menschen Platz zu bieten. Das ganze Gelände wird von hohen Einfassungen und Türmen umschlossen. Der Zugang besteht aus drei Betonstufen, jede vierzig Zentimeter hoch, die sich ungefähr anderthalb Kilometer weit erstrecken.
    Smith, Tony: Interview with Samuel Wagstaff Jr., 1966 Zur Textstelle navigieren
  • Ganz unabhängig davon, ob wir ins Kino gehen, Fernsehsendungen oder Musik-Videos ansehen, ein Video-Aufnahme- und Video-Abspielgerät besitzen, unsere Kinder Videospiele spielen lassen, unsere wissenschaftlichen Artikel auf einem personal computer schreiben oder nicht: wir sind Teil einer Kultur beweglicher Bilder und leben Kino- und Elektronik-Leben. Mit anderen Worten: da wir erfüllt und vertraut sind mit einer immer durchdringenderen, qualitativ neuen Techno-Logie, hat in unserer auf dem Körper-Erleben aufbauenden Orientierung in der Welt und gegenüber anderen Menschen ein grundlegender historischer Wandel stattgefunden, mit dem sich in je entsprechender Weise auch die Psycho-Logie, die Sozio-Logie und sogar die Bio-Logie verändert haben, die unser Alltagsleben ermöglichen.
    Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
  • Im Gegensatz zum Film und zu den elektronischen Medien konstituiert die Photographie weder ein ‚ Ins-Sein-Kommen ’ (eine Gegenwart, die sich beständig in Gegenwärtigkeit erschafft) noch ein ‚ In-sich-Sein ’ (eine absolute Gegenwart). Vielmehr bewirkt sie die Fixierung eines ‚Gewesen-Seins’ (eine Gegenwart in der Gegenwärtigkeit, die immer schon vergangen ist). Darin liegt das Paradox der Photographie: indem sie durch Akte der Besitznahme Welt objektiviert und erhält, konnotiert sie doch zugleich Verlust und Tod, sind ihre Bedeutungen und ihre Werte stets in Nostalgie befangen.
    Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
  • Doch der Film ersetzt nicht einfach das menschliche Sehen durch mechanisches Sehen, er stattet vielmehr das Sichtbarwerden mit der ‚Umkehrstruktur’ menschlichen Sehens aus (das eben sehen und gesehen werden kann). Daraus ergibt sich neben dem welthaltigen Objekt immer auch ein körperliches Subjekt der Wahrnehmung. Tatsächlich erzeugt der Film – durch bewegte Kamera und Schnitt – einen Eindruck existentieller ‚Gegenwärtigkeit’, die zugleich zentriert und beweglich (bis dispers) wirkt. Im Kino wird das Subjekt (der Film wie die Zuschauer) als introvertiert und extrovertiert wahrgenommen: als Subjekt- und Objekt-Gestalt in der Welt.
    Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
  • Das Isoliertsein des Augenblicks, sein Abgehobensein von Retention und Protention führt zu einer absoluten ‚Gegenwärtigkeit’ (in der das System ‚Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft’ keinen Sinn mehr hat) und verändert auch den Charakter des Raums. Wo es aber geschichtliches Bewußtsein und persönliche Geschichte nicht mehr gibt, da wird auch der Raum abstrakt, hintergrundlos und flach – er wird zu einem Ort des Spielens und Ausspielens, wo Handlungen nicht mehr ‚zählen’, sondern ‚verrechnet werden’.
    Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
  • Die zweidimensionale, binäre Oberflächlichkeit des elektronischen Raums verwirrt die Bewußtseinstätigkeit und befreit sie zugleich von jenem Sog, der sie bisher als eine Auswirkung ihrer Verkörperlichung begleitete. Man kann diesen Oberflächen-Raum nicht bewohnen; er weist die Physis des Zuschauer-Körpers ab oder transformiert sie in einer Weise, durch die Subjektivität und Gefühl entlang horizontaler/vertika ler Koordinaten ‚frei-fließen’ oder ‚frei-fallen’ können. Das Subjekt wird völlig dezentriert und tritt gänzlich nach außen – womit die ‚Innen-/Außen-Spannung’ der ‚Moderne’ (und des Films) ebenso wie das Prinzip der Synthetisierung diskontinuierlicher Zeit und parzellierten Raums im Zentrum eines Körpers ausgelöscht wird.
    Sobchack, Vivian: The Scene of the Screen, 1988 Zur Textstelle navigieren
  • Mit dem hier Gesagten möchte ich betonen, daß ich ein Anhänger jener Kunst bin, die in sich eine Sehnsucht nach dem Idealen trägt, das Streben danach zum Ausdruck bringt. Ich bin für eine Kunst, die dem Menschen Hoffnung und Glauben gibt. Je hoffnungsloser die Welt ist, von der ein Künstler erzählt, um so deutlicher wird er vielleicht das ihr entgegengesetzte Ideal erspüren lassen – sonst lohnt es sich nicht zu leben!
    Tarkowskij, Andrej: Von der Verantwortung des Künstlers, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Ich wollte den Zuschauer dabei noch mehr davon überzeugen, daß das Kino als ein Instrument der Kunst eigene Möglichkeiten hat, die keinesfalls geringer als die der Prosa sind. Ich wollte ihm die Fähigkeit des Kinos vorführen, das Leben gleichsam ohne sichtliche, grobe Verletzung seines realen Ablaufs zu beobachten. Denn hierin liegt für mich das tatsächliche poetische Wesen der Filmkunst.
    Tarkowskij, Andrej: Von der Verantwortung des Künstlers, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Die Grundidee von Film als Kunst ist die in ihren faktischen Formen und Phänomenen festgehaltene Zeit. Diese Idee läßt über den Reichtum bislang ungenutzter Möglichkeiten des Kinos nachdenken, über dessen kolossale Zukunft. Genau hieraus entwickle ich auch meine praktischen und theoretischen Arbeitshypothesen.
    Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Im Film reizen mich ganz außergewöhnlich poetische Verknüpfungen, die Logik des Poetischen. Dies entspricht meiner Meinung nach am besten den Möglichkeiten des Films als der wahrhaftigsten und poetischsten aller Künste.
    Tarkowskij, Andrej: Der Beginn, 1967 Zur Textstelle navigieren
  • Der Fehler, zu dem wir neigen, könnte folgendermaßen ausgedrückt werden: Wir suchen nach dem Gebrauch eines Zeichens, aber wir suchen nach ihm, als ob er ein Gegenstand wäre, der mit dem Zeichen in Koexistenz ist. (Einer der Gründe für diesen Fehler ist wiederum, daß wir nach einem „Ding“ suchen, „das dem Substantiv entspricht“.)
    Wittgenstein, Ludwig: Bedeutung und Verstehen, 1918 Zur Textstelle navigieren
  • Als ein Teil des Sprachsystems, so kann man sagen, hat der Satz Leben. Jedoch ist man versucht, sich das, was dem Satz Leben gibt, als etwas in einer geheimnisvollen Sphäre vorzustellen, das den Satz begleitet. Aber was es auch sei, das ihn begleitet, es wäre für uns nur ein anderes Zeichen.
    Wittgenstein, Ludwig: Bedeutung und Verstehen, 1918 Zur Textstelle navigieren
  • „Nur das intendierte Bild reicht als Maßstab an die Wirklichkeit heran. Von außen betrachtet steht es gleich tot und isoliert da.“ Es ist als hätten wir ein Bild erst so angeschaut, daß wir in ihm leben und die Gegenstände in ihm uns als wirkliche umgeben, und dann träten wir zurück und wären nun außerhalb, sähen den Rahmen und das Bild wäre eine bemalte Fläche. So, wenn wir intendieren, umgeben uns die Bilder der Intention und wir leben unter ihnen. Aber wenn wir aus der Intention heraustreten, so sind es bloße Flecke auf einer Leinwand, ohne Leben und ohne Interesse für uns. Wenn wir intendieren leben wir unter den Bildern (Schatten) der Intention zugleich mit den wirklichen Dingen. Denken wir, wir sitzen im verdunkelten Kino und leben im Vorgang des Films. Der Saal werde nun erhellt aber das Lichtspiel auf der Leinwand gehe weiter. Aber jetzt sehen wir es plötzlich „von außen“ als Bewegungen von lichten und dunkeln Flecken auf einer Leinwand.
    Wittgenstein, Ludwig: Intentionalität, 1932 Zur Textstelle navigieren
  • Wichtig ist, daß so ein Buch, wie wir es am Horizont auftauchen sehen, vielleicht dazu dienen kann, Gefühle auszusprechen, die im Augenblick noch von der reinen und einfachen Dichtung ausgesperrt sind und auch im Drama keine Unterkunft finden. Versuchen wir also, uns etwas näher auf dieses Buch einzulassen und uns vorzustellen, welche Wirkung es ausüben und was für eine Zukunft ihm beschieden sein könnte.
    Woolf, Virginia: Die schmale Brücke der Kunst, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Als erstes läßt sich vermuten, daß es sich vom Roman, wie wir ihn heute vor allem kennen, dadurch unterscheiden wird, daß es sich weiter vom Leben entfernt hält. Es wird, wie die Lyrik, eher den Umriß anbieten als Einzelheiten. Es wird wenig Gebrauch machen von dem wunderbaren Vermögen, Tatsachen zu berichten, das ein Merkmal der Romanliteratur ist. Es wird uns sehr wenig über die Häuser, das Einkommen, die Tätigkeiten der Figuren mitteilen, es wird wenig Verwandtschaft haben mit dem Gesellschafts- oder dem Milieuroman. Trotz dieser Einschränkungen wird es die Gefühle und Vorstellungen der Romanfiguren genau und lebhaft ausdrücken, aber unter einem anderen Blickwinkel. Es wird dem Gedicht insofern ähneln, als es nicht nur – oder nicht einmal vor allem – die Beziehungen der Menschen zueinander und ihr gemeinsames Tun beschreibt, wie es der Roman bislang getan hat, sondern es wird die Beziehung des Bewußtseins zu allgemeinen Ideen und sein einsames Selbstgespräch schildern.
    Woolf, Virginia: Die schmale Brücke der Kunst, 1927 Zur Textstelle navigieren
  • Ich fasse diesen ersten Teil kurz zusammen, indem ich wiederhole, dass die naturalistischen Romanschriftsteller beobachten und experimentieren, und dass ihre ganze Tätigkeit aus dem Zweifel erwächst, auf dem sie gegenüber den schlecht gekannten Wahrheiten, den unaufgeklärten Erscheinungen, fussen, bis eines Tages eine experimentelle Idee jäh ihr Genie weckt und sie dazu treibt, ein Experiment anzustellen, um die Tatsachen zu analysieren und sie zu bemeistern.
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Von diesem Tage an tritt also die Wissenschaft in unser Reich, zu uns Romanschriftstellern, die wir jetzt Analytiker des Menschen in seiner individuellen und sozialen Tätigkeit sind. Mit unseren Beobachtungen und Experimenten setzen wir die Arbeit des Physiologen fort, der seinerseits die des Physikers und des Chemikers fortgeführt hat. Wir schaffen in irgend einem Sinne wissenschaftliche Psychologie zur Ergänzung der wissenschaftlichen Physiologie; und zur Vollendung der Entwicklung haben wir in unsere Forschungen über die Natur und den Menschen nur das entscheidende Werkzeug der experimentellen Methode hineinzutragen.
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Von hier ab werden wir sehen, dass man auf das soziale Milieu einwirken kann, indem man auf die Erscheinungen einwirkt, über die man sich beim Menschen zum Herrn gemacht hat. Und hier liegt der Punkt, der den Experimentalroman ausmacht: den Mechanismus der Erschei nungen beim Menschen zu besitzen, das Räderwerk der Kundgebungen seines Verstandes- und Empfindungslebens, wie sie uns von der Physiologie erklärt werden, unter den Einflüssen der Vererbung und der umgebenden Verhältnisse aufzuzeigen, dann den Menschen zu zeigen, wie er in dem sozialen Milieu lebt, das er selbst geschaffen, das er alle Tage verändert, und in dessen Schosse er seinerseits eine beständige Umwandlung erfährt.
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Wenn die Medizin, die eine Kunst war, eine Wissenschaft wird, warum sollte die Literatur nicht selbst dank der experimentellen Methode, eine Wissenschaft werden?
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Aus diesem Grunde sagte ich oftmals, der Naturalismus sei keine Schule, z. B. incarniere er sich nicht in dem Genie eines Menschen oder in der Verrücktheit einer Gruppe, wie die Romantik, er bestehe einfach in der Anwendung der experimentellen Methode auf das Studium der Natur und des Menschen.
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Experimenteller Romanschriftsteller ist also derjenige, der die bewiesenen Tatsachen akzeptiert, der im Menschen und in der Gesellschaft den Mechanismus der Erscheinungen aufzeigt, die von der Wissenschaft beherrscht werden, und der seine persönliche Meinung nur bei den Erscheinungen zur Geltung bringt, deren Determinismus überhaupt noch nicht festgestellt ist, indem er diese persönliche Meinung, diese apriorische Idee so sehr wie möglich durch Beobachtung und Erfahrung zu kontrollieren versucht.
    Zola, Émile: Der Experimentalroman, 1880 Zur Textstelle navigieren
  • Nichts ist unbestreitbarer als die Existenz unserer Sinnesempfindungen. Zum Beweise, daß sie der Ursprung aller unserer Kenntnisse sind, genügt es zu zeigen, daß sie es sein können: denn eine gute Philosophie wird einer Schlußfolgerung, die auf Tatsachen oder anerkannten Wahrheiten beruht, stets vor derjenigen den Vorzug geben, die sich nur auf Hypothesen, und wären es die geistvollsten, stützt.
    le Rond d'Alembert, Jean-Baptiste: Einleitung in die Enzyklopädie von 1751 (Discours préliminaire), 1751 Zur Textstelle navigieren
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Wirkung-Ergebnis
  • Beglaubigung
    • Die Wirkung, die sie auf mich ausübt, besteht nicht in der Wiederherstellung des (durch Zeit, durch Entfernung) Aufgehobenen, sondern in der Beglaubigung, daß das, was ich sehe, tatsächlich dagewesen ist.
      Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, 1980 Zur Textstelle navigieren
  • Evidenz
    • fabrizierte Evidenz
      Kracauer, Siegfried: Theorie des Films, 1960 Zur Textstelle navigieren
  • Illusion
    • Die Anzeige einer anwesenden Abwesenheit leistet der ästhetische Schein, der zum einen die Illusion einer Gegenwart von dem erzeugt, was nicht ist, und zum anderen als Schein durchschaubar bleiben muß, damit Nicht-Seiendes nicht zum Sein werde.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Illusion der Perspektive
      McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, 1964 Zur Textstelle navigieren
  • Schein
    • Dieser Schein mag noch so fein gesponnen sein und er mag uns mit noch so bunten und reizvollen Bildern umgaukeln: – so bleibt es doch dabei, daß das Bild keinen selbständigen Gehalt, keine ihm eigene immanente Bedeutung besitzt. Es spiegelt sich in ihm ein Wirkliches – aber ein Wirkliches, dem es in keiner Weise gewachsen ist, das es niemals adäquat wiederzugeben vermag. So wird unter diesem Gesichtspunkt betrachtet auch alles künstlerische Gestalten zur Nachbildung, die hinter dem Original immer und notwendig zurückbleibt.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
  • Täuschung
    • Wie kommt es, daß jedem einigermaßen gebildeten Sinn die bis zur Täuschung getriebenen Nachahmungen des sogenannt Wirklichen als im höchsten Grade unwahr erscheinen, ja den Eindruck von Gespenstern machen, indeß ein Werk, in dem der Begriff herrschend ist, ihn mit der vollen Kraft der Wahrheit ergreift, ja ihn erst in die ächt wirkliche Welt versetzt?
      Schelling, Friedrich W. J.: Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur, 1807 Zur Textstelle navigieren
  • Welt
    • Was der Maler zu ergründen strebt, ist nicht so sehr die Natur der uns umgebenden wirklichen Welt als vielmehr unsere Reaktionen auf diese physischen Gegebenheiten. Das heißt, es geht ihm nicht wie dem Physiker um die Kausalzusammenhänge in der Natur, sondern um die Wirkungen auf unsere Sinne.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
  • [Andere]
    • Die Spannung zwischen dem bloßen „Zeichen“ und dem „Bezeichneten“ hört auf: an die Stelle des mehr oder minder angemessenen „Ausdrucks“ ist ein Verhältnis der Identität, der völligen Deckung zwischen „Bild“ und „Sache“, zwischen den Namen und den Gegenstand getreten.
      Cassirer, Ernst: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, 1925 Zur Textstelle navigieren
    • Wer sich jedoch die Fotos naiv ansieht, für den bedeuten sie etwas anderes, nämlich Sachverhalte, die sich aus der Welt heraus kommend auf Flächen abgebildet haben. Für ihn stellen die Fotos die Welt selbst vor.
      Flusser, Vilém: Für eine Philosophie der Fotografie, 1983 Zur Textstelle navigieren
    • In der Tat liegt das wahre Wunder der Sprache der bildenden Kunst nicht darin, daß sie es dem Künstler ermöglicht, eine Illusion der Wirklichkeit zu erschaffen, sondern darin, daß unter den Händen eines Meisters die bemalte Leinwand durchsichtig wird wie ein Schleier. Indem wir unter seiner Führung die sichtbare Welt mit neuen Augen betrachten, meinen wir in die unsichtbare Welt des Geistes zu blicken, wir müssen nur, wie Philostratus sagt, unsere Augen zu gebrauchen wissen.
      Gombrich, Ernst H.: Kunst und Illusion. Zur Psychologie der bildlichen Darstellung, 1959 Zur Textstelle navigieren
    • Die Vorstellung des Subjekts erfüllt die Textwelt mit Leben und realisiert dadurch den Kontakt mit einer irrealen Welt. Reaktionen auf Welt auszulösen wäre dann die Gebrauchsfunktion, die durch das Als-Ob hergestellt wird. Dazu ist es notwendig, die Welt des Textes zu irrealisieren, um sie dadurch zum Analogon – und das heißt zur Exemplifikation – von Welt zu machen, damit ein Reaktionsverhältnis zur Welt erzeugt werden kann.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Das Analogon besitzt noch eine weitere Funktion. Als Produkt des Fingierens, das aus den Selektions- und Kombinationsakten hervorgegangen ist, hat die Textwelt in der empirischen Welt kein Identisches. Daraus entspringt die Möglichkeit, empirische Welt immer durch eine Optik zu gewärtigen, die dieser nicht eignet, wodurch sie zum Gegenstand der Betrachtung wird. Folglich kann die vom Als-Ob der Textwelt erzeugte Reaktion auch der empirischen Welt gelten, die durch die Textwelt hindurch aus einer Perspektive versiert wird, die nicht eine solche der gegebenen Lebenswelt ist.
      Iser, Wolfgang: Das Fiktive und das Imaginäre, 1991 Zur Textstelle navigieren
    • Die Natur war schön, wenn sie zugleich als Kunst aussah; und die Kunst kann nur schön genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sei Kunst, und sie uns doch als Natur aussieht.
      Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
    • schöne Kunst muß als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewußt ist.
      Kant, Immanuel: Deduktion der reinen ästhetischen Urteile, 1790 Zur Textstelle navigieren
    • die unmittelbare Bedeutung der Dinge (die deskriptive, partielle, immer wieder angezweifelte Bedeutung), das heißt die innerhalb der Geschichte und des Buches liegende, so wie die tiefe (transzendente) Bedeutung jenseits von ihm liegt
      Robbe-Grillet, Alain: Argumente für einen neuen Roman, 1963 Zur Textstelle navigieren

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