Ödön von Horváth

Historisch-kritische Ausgabe – Digitale Edition

Rezensionen und Pressestimmen


Im Rahmen ihrer Arbeit an einer historisch-kritischen Horváth-Gesamtausgabe haben Kastberger und sein Team das gesamte Material chronologisch geordnet und kommentiert. An den verschiedenen Fassungen kann man die künstlerische Entwicklung Horváths ablesen: So kommt in älteren Versionen etwa der Antisemitismus noch in eher plakativen Äußerungen vor, während er in späteren sehr viel subtiler in der autoritären, machistischen Grundstimmung des Stücks mitschwingt.
Doris Griesser, in: Der Standard, 16.11.2016

Erstmals steht nun die Gesamtheit des überkommenen Textmaterials von Horváths bedeutendstem Volksstück in überzeugend rekonstruierter genetischer Abfolge und hervorragender kritischer Textkonstitution mit kompletter Variantenverzeichnung sowohl wissenschaftlich als sonstig Interessierten zur Verfügung. Neue Impulse für die Forschung sind allemal zu erwarten.
Wolfgang Albrecht zu Band 3 (Geschichten aus dem Wiener Wald), in: IFB – Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft

An der vorliegenden Ausgabe ist ihre außerordentlich gute Benutzbarkeit besonders hervorzuheben. Im Vorwort wird das vorliegende Material in einer Weise beschrieben und eingeordnet, die keine editionsphilologische Expertise erfordert. Der Kommentar im Anhang beschreibt es dafür Seite für Seite mit großer Präzision und öffnet Interpretationsräume, ohne deren Grenzen zu verschleiern.
Bernadette Gruber zu Band 15 (Jugend ohne Gott), in: Editionen in der Kritik 7 (2014), S. 322–328, hier S. 327.

Die kritisch-genetische Textkonstitution erfolgt mit einer Sorgfalt und Genauigkeit, wie sie die WA von Anfang an auszeichnet. […] Einleitend wird bei jedem Stück ein sehr informativer Überblick zur Entstehungs-, Druck- und Wirkungsgeschichte einschließlich einer Skizze der Forschungslage gegeben. Nachgestellte Kommentare enthalten genaueste Beschreibungen aller überlieferten Textträger. Und abschließend veranschaulichen sogenannte Simulationsgrafiken noch zusätzlich die genetischen Vorgänge. […] Dieser Band der WA macht wieder schon gespannt auf den nächsten.
Wolfgang Albrecht zu Band 6 (Eine Unbekannte aus der Seine / Hin und her), in: IFB – Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft

Die editorische Leistung steigt mit der schlüssigen Begründung der Herausgeber-Entscheidungen und ist im Fall des „Don Juan“-Bandes beachtlich. Im „Kommentar“-Teil […] werden die Textzeugen nicht nur in chronologischer und konzeptioneller Reihenfolge nach allen Regeln der Archivier-Kunst beschrieben, sondern auch penibel die Argumente dargelegt, warum die Herausgeberin die einzelnen Originale so und nicht anders angeordnet hat. Das gestattet dem Leser, den editorischen Umgang mit dem vorhandenen Material nachzuvollziehen, wie es seit D. E. Sattlers Frankfurter Hölderlin-Ausgabe zum guten Ton der Editionswissenschaft gehört.
Gerhard Hubmann zu Band 9 (Don Juan kommt aus dem Krieg) auf http://www.literaturhaus.at

Die beiden neuen Horváth-Ausgaben ergänzen sich in idealer Weise. Während man in Schule und Studium und wohl auch zur privaten Lektüre schon aus finanziellen Gründen zu den unschlagbar preiswerten Reclam-Bänden greifen wird, führt bei einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Horváths Werk an der Wiener Ausgabe in Zukunft kein Weg mehr vorbei.
Walter Hettche, in: editio 25 (2011), S. 241–246, hier S. 246.

Bd. 14,1 u. 2 der „Wiener Ausg.“ folgt den in Bd. 4: Kasimir und Karoline und 9: Don Juan kommt aus dem Krieg dargelegten Prinzipien (vgl. Germanistik 50.2009. Nr. 5898, 51.2010. Nr. 5827). Die chronologisch edierten Notizen, Entwürfe und Textstufen machen die komplexe Überlieferung der verschiedenen Konzeptionsphasen des Romans – von den Hrsg. als „Spießer-Prosa“ (1) zusammengefasst – sichtbar; sie erlauben eine Präzisierung der Entstehungszeit in die Jahre 1927/28. Überdies zeigen sie den thematischen Zusammenhang mit Horváths Arbeit an den Volksstücken Die Bergbahn und Sladek (beide 1929) und seiner Kurzprosa. Der Roman Der ewige Spießer – zunächst unter dem Titel Sechsunddreißig Stunden bzw. Herr Reithofer wird selbstlos – erschien im Oktober 1930. Der biograph. Hintergrund - H.s Reise zur Weltausstellung 1929 in Barcelona – wird vor allem in den eingearbeiteten Notizen aus den Tagebüchern deutlich. Weder der von Krischke (Gesammelte Werke 1970/71) edierte Text (Die Geschichte vom Fräulein Pollinger) noch die Werkausgabe (1985/86: Sechsunddreißig Stunden) bieten einen Einblick in die Entstehung der Romanfragmente und der sie begleitenden Einzeltexte (insgesamt über 800 Blatt: Konzeptionen, Strukturpläne, Notizen, Reinschrift, Typoskripte). Die nun vorliegende Edition lässt den aus zwölf Materialschichten verschiedener Arbeitsphasen rekonstruierten Schreibprozess H.s in seinem Montagecharakter (zusammengeklebte Typoskripte) sowie die „Materialwanderung“ und „Fusionierung“ zum Roman (vgl. Übersicht 917-20) in beeindruckender Weise nachvollziehen.
Jürgen Hein zu Band 14 (Der ewige Spießer), in: Germanistik 52.2011, Nr. 1919

Fazit: Die durch vorzügliche Druckumsetzung und Papierqualität schon äußerlich bestechende Wiener Ausgabe sämtlicher Werke Horváths erbringt einen äußerst gewichtigen Textzuwachs, eine durchweg gesicherte Textbasis und grundlegende genetische Befunde. Sie profiliert ungemein selbständig und erfolgreich die bisherigen, noch relativ jungen textgenetischen Prinzipien der Editionswissenschaft, wobei sie von Anfang an als editorische Glanzleistung hervortritt. Sie beweist, daß bei komplizierten textgenetischen Vorgängen einlinige Methodik nicht ausreicht, sondern ein funktional bedachtes und überschaubares Zusammenspiel von Visualisierung, Transkription und Deskription nötig ist. Für Horváth ist damit ein Editionsverfahren entwickelt worden, daß sowohl seiner Arbeitsweise als auch der Überlieferungssitutation seines Nachlasses bestmöglich entspricht. Diese Ausgabe wird immer mehr heranwachsen zu einem der Paradebeispiele gegenwärtiger historisch-kritischer Editionspraxis auf höchstem Niveau.
Wolfgang Albrecht zu Band 14 (Der ewige Spießer), in: IFB – Digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft

Bd. 9 der „Wiener Ausg.“ folgt den in Bd. 4: Kasimir und Karoline dargelegten Prinzipien (vgl. Germanistik 50. 2009. Nr. 5898). Notizen, Entwürfe und Textstufen lassen in fünf Konzeptionsphasen nachvollziehen, wie in dem Drama „die Seele durch die Zeit“ (Horváth an Csokor) miteinander verwoben ist, wie sich dabei die Don Juan-Gestalt wandelt und wie das „Zeitstück“ und Heimkehrerdrama zum Charakterdrama wird. Das chronologisch edierte genetische Material erlaubt erstmals eine ungefähre Datierung des komplexen Entstehungsprozesses (Juli 1934 bis Juli 1936). Die einzelnen Konzeptionen werden als „Lesetext“ mit kritisch-genetischem Material in Faksimile und Transkription wiedergegeben. Das Vorwort beschreibt die Entstehung der einzelnen Textträger und Fassungen sowie die zeitgenössische Rezeption (UA 1952). Der Kommentar mit „Simulationsgrafiken“ erläutert die Strukturpläne und den Textzusammenhang mit Einblick in die Arbeitsweise des Autors, der zeitgleich das Romanfragment Ein Don Juan unserer Zeit und Filmexposés des Sujets entworfen hat. Für die Erstellung der (fragmentarischen) Endfassung werden drei Typoskripte und die handschriftlichen Korrekturen Horváths herangezogen; die emendierte Endfassung – unter Rückgriff auf verschollene Blätter im Nachlass, die noch den Gesammelten Werken (Bd. 1, 1970) zugrunde lagen – wird nach der zeitgenössischen Rechtschreibung (Duden 1929) geboten. Auch der bislang zweite Bd. der „Wiener Ausg.“ erfüllt die an die Edition gestellten Erwartungen, vor allem hinsichtlich der Lesbarkeit der edierten Texte.
Jürgen Hein, in: Germanistik, Bd. 51.2010, H. 3-4, Nr. 5827

Den Start machen die Bände vier und neun, enthaltend die Volksstücke „Kasimir und Karoline“ (1932) und „Don Juan kommt aus dem Krieg“ (1936). Das eine macht im Druck fünfzig Seiten aus, das andere vierzig, zum einen liegen 330, zum anderen 299 Blatt im Nachlass vor. Kastberger entziffert sie sorgfältig, wovon man sich anhand vieler Faksimiles überzeugen kann, und ordnet sie chronologisch an. Horváths Arbeitsweise war chaotisch, das sieht man jetzt. Er hatte kein System. Methodische Überlegungen gibt es kaum. Er folgte Intuitionen, die heute so und morgen so ausfielen. Von Anfang an geistert durch die Kasimir-Notizen ein Zeppelin über einer Festwiese, aber wozu das Motiv dienen sollte, das erschloss sich Horváth erst viel später. Es war ein mühsamer Prozess, bis aus zahlreichen widersprüchlichen Notizen, Strukturplänen und Szenenentwürfen ein fertiges Stück wurde.
Hermann Kurzke in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.2010

Die Edition legt Material vor und versucht einen genetischen Zusammenhang herzustellen, komplexe Vorgänge nachvollziehbar zu machen und somit einen Einblick in den Arbeits- und Schaffensprozess des Autors zu geben. Damit ist eine Basis geschaffen, die nicht nur der Horváth-Forschung neue Perspektiven ermöglicht, die auch – weil nicht interpretierend, sondern Interpretationen ermöglichend – vielen Generationen als Standard dienen kann. Es wäre wünschenswert, wenn auch Theater (Dramaturgen und Regisseure) zu den Käufern gehörten. Die Anregungen sind vielfältig, die Perlen bräuchten nur aufgelesen zu werden.
Johann Hüttner, auf: http://rezenstfm.univie.ac.at, Ausgabe 2010/1

Die Edition ist eine Pionierleistung und erfüllt – insbesondere auch durch Format, Typographie, übersichtliches Druckbild – die an sie gestellten Erwartungen.
Jürgen Hein, in: Germanistik. Band 50.2009, Heft 3-4, Nr. 5898

Mit der „Wiener Ausgabe“ von Kasimir und Karoline liegen nun alle Textzeugen zu diesem Volksstück systematisch erfasst vor. Die zahlreichen Faksimiles lassen erkennen, dass sorgfältig und nachvollziehbar transkribiert wurde. So herrscht erstmals im Hinblick auf ein Werk Horváths Textsicherheit. Kurt Bartsch, auf: www.literaturhaus.at

Horváths Arbeitsweise ist mit einem Maximum von Akkuratesse und Anschaulichkeit dokumentiert: Sorgfältiger kann man mit den Geheimnissen einer Schriftsteller-Werkstatt nicht umgehen.
Konstanze Fliedl, in: Die Presse (Spectrum), 25.9.2009

Es ist eine philologische Heldentat, wie sie selten geworden ist. Auf achtzehn Bände ist die historisch-kritische "Wiener Ausgabe" sämtlicher Werke Ödön von Horváths angelegt, die jetzt mit Band 4, dem Stück „Kasimir und Karoline“, begonnen hat. Unter der Herausgeberschaft Klaus Kastbergers ist die Misere bisheriger Horváth-Editionen Geschichte. Die textgenetisch höchst genaue „Wiener Ausgabe“ zeigt den Meister sprachlicher Valeurs bei der Arbeit.
Neue Zürcher Zeitung, 25./26.7.2009

Es ist längst an der Zeit für die historisch-kritische Ausgabe dieses bedeutenden Dichters. […] Der eben veröffentlichte Band 4 rekonstruiert die Entstehung des Stücks „Kasimir und Karoline“, das ab Herbst 1931 entstand und am 18. 11. 1932 in Leipzig uraufgeführt wurde. Horváth hat viel Textarbeit geliefert, vor allem auch bei Passagen, die eine einfache Sprache haben. Zur Verdeutlichung der Textgenese wird mit ausgeklügelter Simulationsgrafik gearbeitet. 330 Blatt an Entwürfen umfasst das Material, zwei Vorarbeiten und fünf Konzeptionen.
Norbert Mayer, in: Die Presse, 18.6.2009

Am 1. Juni 1938 war Ödön von Horváth im Pariser Exil auf den Champs Elysées von einem fallenden Ast erschlagen worden. Einundsiebzig Jahre später wagt sich ein Team um Klaus Kastberger vom Österreichischen Literaturarchiv an das Großunternehmen einer ersten historisch-kritischen Ausgabe seiner Werke. […] An ihm lässt sich die Vorgangsweise der Wissenschafter um Klaus Kastberger exemplarisch studieren. Streng chronologisch reihen die Forscher Konzeption um Konzeption, rekonstruieren ursprüngliche Entwürfe, die Horváth für spätere Einfälle zerschnitten und neu zusammengeklebt hatte, aus dem Nachlass und ergänzen sie um Faksimiles früher Konzeptblätter und Notizen, um erläuterndes Vorwort, Kommentarteil und Simulationsgrafiken zur Genese.
Cornelia Niedermeier, in: Der Standard, 17.6.2009