Lernportal

Europa in der atlantischen Welt der Neuzeit

Auswahl

Politik (1650-1750)

Nach dem Ende der sich über Jahrzehnte erstreckenden militärischen Konflikte in Nord-, West- und Mitteleuropa in der Zeit um 1650 hatte sich gemeineuropäisch die Monarchie als vorherrschende Regierungsform behauptet. Die Zeit nach der Mitte des 17. Jahrhunderts stand unter dem Vorzeichen der politischen Konsolidierung der Monarchien.

Mit Ausnahme der Schweizer Eidgenossenschaft ist daher auch für diejenigen europäischen Länder, deren Verfassung auf der Grundlage umfassender politischer Teilhaberechte der Eliten ruhte – die Republik der Vereinigten Niederlande und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation –, ein Machtzuwachs der monarchischen Spitze dieser Gemeinwesen (Generalstatthalter, Kaiser) zu beobachten. Wo dies nicht gelang, wie im Königreich Polen-Litauen, das seit 1693 zum „Nebenland“ des Kurfürsten von Sachsen wurde, hatte dies für die Behauptung des Gemeinwesens im Machtwettbewerb der europäischen Gemeinwesen weitreichende Konsequenzen (Herrschaft und Staatsbildung).

Zwei „Modelle“ des weiteren Ausbaus der monarchischen Staatsgewalt – Absolutismus/Parlamentarismus – in dieser Zeit lassen sich unterscheiden. Der Begriff der Modelle jedoch suggeriert ein höheres Maß an zielgerichtetem Handeln, als dies tatsächlich der Fall war. Es sind die historisch gewachsenen unterschiedlichen Rahmenbedingungen politischer Herrschaft, die in dieser Zeit das Frankreich Ludwigs XIV. (reg. 1643/61-1715) zum Paradebeispiel absolutistischer Staatsentwicklung werden ließen und in England resp. dem Vereinigten Königreich (seit 1707) die Tradition parlamentarischer Mitsprache im „Revolution Settlement“ (1689 Bill of Rights, 1694 Triennial Act, 1701 Act of Settlement) endgültig auf Dauer stellten. Der neueren Diskussion um den Absolutismus als Epochenbegriff verdanken wir die Erkenntnis, dass die, lange Zeit als diametrale Modelle der Staatsbildung gehandelte, englische und französische Entwicklung in der konkreten politischen Praxis weit mehr gemeinsam hatten, als die Forschung lange Zeit behauptete. Denn auch das absolutistische Programm blieb über weite Strecken mehr Anspruch denn Wirklichkeit.

Mit dem Ende des „Großen Krieges“ (1648/59), wie der Dreißigjährige Krieg von den Zeitgenossen auch genannt wurde, veränderten sich auch die internationalen Beziehungen grundlegend: 1. Die Zahl der auf der europäischen politischen Bühne handlungsfähigen Länder reduzierte und veränderte sich. In diesem Jahrhundert verloren Spanien und Schweden ihre Großmachtrolle, die sie in der ersten Jahrhunderthälfte gespielt hatten, und seit der Zeit um 1700 rückten das Vereinigte Königreich, Brandenburg-Preußen und das Kaiserreich Russland, die beiden letzteren allerdings erst in allerersten Ansätzen, in deren Position ein. Europa befand sich auf dem Weg zur Pentarchie, dem Mächteeuropa der fünf Großmächte (Frankreich, Österreich, Vereinigtes Königreich, Brandenburg-Preußen, Russland). Zugleich und 2. entwickelten sich mit dem Gedanken vom Gleichgewicht der Mächte /balance of powers, und den Maximen der „convenance“ (wörtlich: Konvention) neue Formen außenpolitischen Handelns, die darauf zielten, die kriegerische Eskalation von Konflikten zu vermeiden und sie durch rationale – vermeintlich friedensfördernde – Formen von Außenpolitik zu ersetzen, d.h. durch solche, die die Gemeinwesen nicht so – im wörtlichen Sinn – „teuer“ zu stehen kamen (Tausch und Teilung). Die zahlreichen „Erbfolgekriege“ – der Spanische (1701-1713), der Polnische (1735-1737), der Österreichische (1740-1744/48) – künden jedoch davon, dass die fortdauernde Verwobenheit des Politischen mit dem Dynastischen, d.h. die Tatsache, dass jedes (letztlich zufällige) Aussterben einer regierenden Dynastie Verwerfungen im Mächteeuropa bewirkte, diesen Bestrebungen strukturelle Grenzen setzte (Kriegsverdichtung und Friedensutopie).

Das politische Denken der Zeit ist ebenso Ursache wie Ausdruck der zuvor beschriebenen Entwicklungen. Mit dem 1651 veröffentlichten „Leviathan“ des Thomas Hobbes (1588-1679) und dem 1690 von John Locke (1632-1704) publizierten „Two treatises of governement“ entstanden in Reaktion auf die politische Krisenerfahrung zwei Werke, die das Naturrecht endgültig im europäischen politischen Denken verankerten und die absolutistische wie parlamentarische Regierungsform gelehrt begründeten. Beiden Werken war europaweit breite Rezeption beschieden. Weniger im Nachdenken über die internationale Politik, denn in deren konkreter Ausgestaltung schlugen sich die Veränderungen des europäischen Mächtesystems nieder (Diskurse und Praktiken).

Weitere kurze Informationen zu einzelnen thematischen Aspekten finden sie, angereichert um weiterführende Literaturhinweise und Quellen – neben den hier präsentierten Lernmaterialien – unter:

http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/ (Absolutismus; Frankreich, England)

http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/ (Internationale Konflikte und europäisches Mächtesystem)

http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/ (politische Theorie – 16. bis 18. Jahrhundert)

GHM, MR